‚Die Sims‘ – Einrichtungssoftware, Lebenssimulator, „Mädchenspiel“

27. November 2025

Es ist selten sinnvoll, die Bedeutung einer einzelnen Spielereihe künstlich zu überhöhen, trotzdem geht es sicher nicht zu weit zu behaupten, dass die Die-Sims-Reihe (Maxis 2000-) wohl zu den bedeutendsten digitalen Spielen der letzten 25 Jahre zählt. Ursprünglich von Will Wright in einem wertschätzenden Sinn als Spielzeug und digitales Puppenhaus beworben und später dann gerade im maskulin dominierten Gaming-Mainstream als ‚Mädchenspiel‘ verschrien, hat die Reihe eine schillernde Geschichte hinter sich – und das, obwohl ihr Erfolg ursprünglich mehr als fraglich schien. 

Erst der ungeplante, leidenschaftliche Kuss zweier weiblicher Sims während einer Live-Präsentation auf der E3 1999 verschaffte – so einer der Ursprungsmythen der Reihe – dem Spiel die nötige Aufmerksamkeit, um dem drohenden Projektabbruch zu entgehen.1 Gender- und Repräsentationsfragen waren also von Anfang an in die DNA der Reihe eingeschrieben, selbst bevor das Spiel mit einem Spielerinnenanteil von 50% zum ersten erfolgreichen „Mädchenspiel“ avancierte und so Mädchen und Frauen als Zielgruppe für die Computerspielindustrie sichtbar machte.2 Neben der Frage, wer Die Sims spielt, wirft das sich selbst wahlweise als „people simulator“ oder „life simulation“ bezeichnende Spiel fortlaufend die Frage danach auf, welche Menschen es simuliert (und wer von der Simulation ausgeschlossen bleibt) bzw. welche Art von Leben dort überhaupt spiel- und simulierbar wird. 

Neben ihren Bewohnern sind die häuslichen Umgebungen selbst die Stars der Reihe, ihre Ausgestaltung zentraler Teil der spielerischen Praxis. Spieler*innen der ersten Die-Sims-Teile gaben in Umfragen gar zu Protokoll, die meiste Zeit im sogenannten Einrichtungsmodus zu verbringen.3 Die aufwändig arrangierten Einrichtungsgegenstände, wie auch die frei kombinierbaren Outfits der Sims wurden und werden dabei häufig in Fanarbeit produziert. Ohne das Einverständnis und die finanzielle Beteiligung der ursprünglichen Modder*innen geschnürte Pakete nutzergenerierter Inhalte standen neben dem Originalspiel in den Regalen und ließen so bereits in den frühen 2000ern die nach wie vor aktuelle Frage nach der ausbleibenden Entlohnung von Fanarbeit dringlich werden. 

Die vorliegende Sonderausgabe zielte von Anfang an darauf ab, Die Sims nicht nur als Spiel oder Reihe, sondern als Phänomen zu begreifen, das mit seinen Entwicklungen immer in größeren Kontexten zu verstehen war und ist. Die versammelten Beiträge spiegeln diesen Ansatz wider. Sie widmen sich der Reihe nicht nur in Form von kritischen Analysen einzelner Teile oder Erweiterungen, sondern nehmen auch historische Entwicklungslinien, etwa die Material- oder Diskursgeschichte, in den Blick.  

Spiel- und kulturgeschichtliche Verortung der Reihe Die Sims 

Bevor wir aber zu den Beiträgen kommen, wollen wir das 25-jährige Jubiläum von Die Sims zum Anlass nehmen, die Reihe in Kürze spiel- und kulturgeschichtlich zu verorten. Dabei identifizieren wir einige zentrale Motive und etablieren so den Hintergrund, vor dem die Argumente unserer Autor*innen umso klarer hervortreten können. Die in einer Vielzahl von Entwickler*innen-Interviews, Feuilletonartikeln und spielwissenschaftlichen Arbeiten4 dokumentierte Entstehungsgeschichte der Reihe ist in dreifacher Hinsicht bemerkenswert, denn Die Sims sind 1) die Reaktion auf ein einschneidendes biographisches Erlebnis ihres Designers Will Wright; 2) Teil einer Reihe von Simulationsspielen des Entwicklerstudios Maxis, denen eine ähnliche Entwicklungsphilosophie und Spiellogik zugrunde liegt; und 3) das Produkt eines spezifischen kulturellen Moments in den 90er Jahren.  

Der biographische Hintergrund wird üblicherweise so erzählt: Nachdem 1991 ein Feuer Wrights Haus in den Oakland Hills vernichtet hatte, stellte er eine pragmatische Überlegung an: Welche der verloren gegangenen Einrichtungsgegenstände waren wichtig und somit zu ersetzen, auf welche konnte er getrost verzichten? Schließlich verfiel er auf die Lösung, die Gegenstände in Kategorien einzuordnen, die lose denen der Maslowschen Bedürfnispyramide entsprachen – die Idee eines Spiels, bei dem die Erfüllung von Bedürfnissen über die Mechanik der Wohnungseinrichtung geregelt werden sollte, war geboren.5  

Das Grundprinzip der Reihe lässt sich anhand der Recherchearbeiten Wrights nachvollziehen: In Vorbereitung auf die Produktion des Spiels befasste er sich – wenig überraschend – mit Arbeiten zur (Innen-)Architektur und der Kulturgeschichte des Wohnens, aber auch mit Zeitstudien und Alltagsökonomie. Im Hinblick auf das konkrete Spieldesign sollten sich besonders zwei Autoren als einflussreich erweisen: Zum einen der Ökonom David Friedman, der in seinem Buch Hidden Order die These vertrat, unser Alltagsleben ließe sich als eine Aneinanderreihung quasi-ökonomischer Entscheidungen analysieren. Indem Die Sims das Management von Zeit und Geld zum zentralen Gameplay-Element macht, operationalisiert das Spiel dieses alltagsökonomische Verständnis Friedmans. Zum anderen las Wright Werke des Architekten Christopher Alexander, der in A Pattern Language: Towns, Buildings, Construction für ein funktionelles Architekturverständnis warb. Von Alexander erbte das Spiel das Konzept von Inneneinrichtung als Praxis des Optimierens alltäglicher Abläufe und die sich ganz konkret im Raum-Bedürfnis der Sims manifestierende Vorstellung, der Mensch sei mit einem intuitiven architektonischen Sinn für Raum- und Lichtverhältnisse ausgestattet. 

Das Foto zeigt eine Sete aus dem Handbuch von The Sims. Darauf ist eine Liste mit empfohlener Literatur zu sehen. Sie hat den Titel: Recommended Reading.

Abb. 1: Literaturempfehlungen in der Anleitung von Die Sims.

Wrights auf Recherche fußender Designansatz für Die Sims war keineswegs neu, vielmehr gehörte es zum festen Konzept der Maxis-Spiele, dass diese sich auf (populär-)wissenschaftliche Arbeiten zum entsprechenden Setting stützten: So war SimCity (1989-) stark von den Arbeiten Jay Wright Forresters, dem Vater der Systemdynamik beeinflusst und Wright hatte sich zur Vorbereitung auf SimAnt (1991) mit den Arbeiten des Biologen und Pulitzer-Preis-Gewinners Edward O. Wilson zur „emergenten Intelligenz“ von Ameisen vertraut gemacht. Dieses Vorgehen schrieb sich auch in das Marketing der Spiele ein: Das Simulationsgenre nahm ohnehin für sich in Anspruch, realistische Szenarien zumindest näherungsweise abzubilden6, und Wright verstärkte  den Eindruck eines wissenschaftlich fundierten Wirklichkeitsbezuges gezielt, indem er den Anleitungen Literaturlisten beilegen ließ.7  

Unter dem Arbeitstitel Home Tactics: The Experimental Home Simulator entstand so ein Spiel, in das Wright die existentielle Erfahrung des Verlusts des eigenen Hauses und die Auseinandersetzung mit Literatur über die Ökonomie des Wohnens und die problemlösende Funktion von Innenreichtung ebenso einfließen ließ, wie seine eigene spielerische Praxis – gemeinsam mit seiner Tochter Cassidy spielte Wright häufig mit Puppenhäusern. Dementsprechend verstand er das Design der Sims auch als Übersetzungsleistung vom Umgang mit dem realen Puppenhaus zum vielzitierten ‚virtual Dollhouse‘, in das die Sims einziehen sollten. Wright hatte ursprünglich vor, das Spiel auch als Puppenhaus zu vermarkten, änderte den Titel allerdings im Nachgang eines Zielgruppentests, der sich angesichts der spätere Reaktion der männlichen Spielerschaft und der Spielepresse auf Die Sims als prophetisch erweisen sollte8: „Yes, in fact my original name for it was Doll House. We did some test marketing and found out that the name didn't go very well with males [laughs].“9  

Das Bild zeigt einen Verpackungsentwurf für den Prototypen von Sims: Home Tactics: The Experimental Domestic Simulator. Darauf ist ein Haus ohne Dach abgebildet, in das man von oben hinein blickt.

Abb 2: Verpackungsentwurf für den Sims-Prototypen Home Tactics: The Experimental Domestic Simulator von der Fan-Seite www.will-wright.com

Wright selbst identifiziert zwei zentrale Prinzipien des Spiels: zum einen das Streben der Sims nach Glück, verstanden als die Erfüllung ihrer materiellen Bedürfnisse; zum anderen die Unmöglichkeit, den erworbenen materiellen Wohlstand wirklich zu genießen. Denn das Haus und die Möbel wollen gereinigt und repariert werden, sie stellen Ansprüche an die Sims und zehren ihre Ressourcen auf.10 Dieser für die Konsumgesellschaft charakteristische Widerspruch verleiht dem Spiel Die Sims einen satirischen Subtext, der durch die Ästhetik amerikanischen Vorstadtlebens noch verstärkt wird. Die Sims steht so in der Tradition von Monopoly, das als  „Landlord’s Game“ ursprünglich ebenfalls als Parodie auf bzw. Kritik an der kapitalistischen Wirtschaftsweise angelegt war.11 

Das Wirtschaften war thematisch und spielmechanisch zu diesem Zeitpunkt bereits fest in digitalen und analogen Spielen etabliert, kehrte mit Die Sims aber gewissermaßen zurück zu seinen Wurzeln: Der Begriff der Ökonomie leitet sich vom griechischen oikonomia (von oikos, ‚Haus‘, ‚Haushalt‘ und nemein‚ ‚einteilen‘) ab und bezeichnete ursprünglich das Haushalten innerhalb von Kleingruppen, mithin die Hauswirtschaft. 

Diese Bewegung lässt sich auch entlang der von Maxis bis dahin entwickelten Titel nachvollziehen. Hier markiert Die Sims den Endpunkt einer Zoom-In-Bewegung, die von der Großstadt- (SimCity, Maxis 1989) zur Kleinstadtebene (SimTown, Maxis 1995) und schließlich bis hinunter zu Haushalten und Individuen (Die Sims, Maxis 2000) reicht. Wie Spielforscher*innen zeigen konnten, unterlegt dabei das (neo)liberale Gesellschafts- und Wirtschaftsverständnis der Entwickler*innen die Spielmechaniken auf allen Zoomstufen.12 Diese liberale Grundhaltung wird in Die Sims auch in der Designregel „avoid red tape!“13 (vermeide Bürokratie!) explizit, mit der Wright den Anspruch, Spieler*innen in möglichst geringem Maße durch simulierte gesellschaftliche Regeln und Vorschriften einzuschränken, formulierte. Ein Beispiel für die Umsetzung dieser Regel stellt etwa der auf die bloße gestalterische Umsetzung reduzierte Hausbau dar, in dessen Vorfeld weder Ämter aufgesucht noch Baugenehmigungen eingeholt werden müssen. Der Handlungsspielraum der Sims sollte vielmehr durch ihre materiellen Mittel, sprich den Füllstand ihrer Geldbörse, sowie durch ihre sozialen Beziehungen festgelegt werden.  

Die materielle Begrenzung war dabei bewusst durchlässig konzipiert: Cheatcodes14 wie „rosebud“ oder „motherlode“ erlaubten es den Spieler*innen, sich Simoleons in rauen Mengen zu verschaffen und das Spiel so zu einem reinen Einrichtungssimulator umzufunktionieren.15 Die Veröffentlichung der Cheatcodes war keineswegs ein Versehen, sondern eine kalkulierte Strategie. Wright hatte während der Entwicklung von Die Sims erfahren, dass es einen großen Markt für Einrichtungs- und Innendesignsoftware gab. Er hielt es jedoch für unwahrscheinlich, dass sich die hohen Verkaufszahlen mit konkreten Planungsarbeiten erklären ließen. Für ihn konnte es nur eine Erklärung geben: die Leute verwendeten die Software als Einrichtungsspiel16 und würden Die Sims ebenso verwenden. 

Als die Sims im Jahr 2000 die Bühne betraten, gab es bereits eine Reihe mehr oder weniger spielförmiger Lebenssimulationen. Von Conway’s Game of Life (1970), das zwar das ‚game‘ im Titel trägt, aber eher als informatisches Experiment zur Simulation rudimentärer Lebewesen zu verstehen ist; über Little Computer People (1985), das lange vor den Sims als virtuelles Puppenhaus bezeichnet wurde; bis hin zu Creatures (1996), dessen namensgebende Kreaturen von KI, die bereits auf neuronalen Netzen basierte, gesteuert wurden und die ihre Fähigkeiten mittels einer komplexen Vererbungssimulation an spätere Generationen weitergeben konnten. In der zweiten Hälfte der 90er Jahre trat auch das Tamagotchi als virtuelles Haustier, dessen Bedürfnisse regelmäßig befriedigt werden müssen, seinen Siegeszug an. 

Der Screenshot zeigt das Spiel: Little Computer People. Darauf ist ein drei stöckiges Haus abgebildet, in das man wie bei einem Puppenhaus hineinsieht.

Abb. 3: Little Computer People (Activision 1985). Eigener Screenshot.

Nicht nur das Spielen, auch das Verfolgen von (Alltags-)Leben hatte Konjunktur: 1999 wurde die rund um die Uhr sendende, voyeuristische Reality-Show Big Brother zum ersten Mal ausgestrahlt und erwies sich als ausgesprochen erfolgreich, ein Jahr zuvor hatte „The Truman Show“ das Thema der Alltagsbeobachtung bereits filmisch umgesetzt. Will Wright, der die Die-Sims-Reihe bereits nach der Veröffentlichung des ersten Teils verließ, prophezeite gar, dass Die Sims sich mittelfristig zu einer spielerischen Version der Truman Show entwickeln würde.17  

Die Sims haben sich nicht nur auf verschiedene Devices ausgebreitet18, ihr Spielprinzip ist mittlerweile auch zu einem eigenen Genre avanciert. Mit InZOI (2025) und Paralives (2025) stehen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Heftes zwei Konkurrenten und potentielle Nachfolger bereit. Unter dem Arbeitstitel Project Rene arbeitet Electronic Arts außerdem an einer Multiplayer-Ausgabe „für die nächste Generation von Die Sims“19. 

Neben der großen, durch die Sims etablierten Gemeinschaft potentieller Kund*innen sind dabei auch die Vermarktungsmöglichkeiten attraktiv für Nachahmer. Zwar werden in Die Sims (noch) keine einzelnen digitalen Gegenstände gegen Echtgeld verkauft, doch die Reihe hat mit ihren Bonus-CDs, Itempaketen und einer schier endlosen Anzahl günstiger Expansion Packs und DLCs der Entwicklung hin zu mikrotransaktionsbasierten Monetarisierungsmodellen massiv Vorschub geleistet.  

Gleichzeitig experimentierten die Die-Sims-Titel bereits früh mit Ingame-Product-Placement20 und Crossover-Kooperation mit anderen Franchises und Marken. Als Celia Pearce Die Sims 2003 als  „IKEA game“ charakterisierte, spielte sie damit lediglich auf die Ähnlichkeit zwischen dem Katalog des Möbelhauses und dem Ingame-Katalog an, in dessen launigen Beschreibungen noch die von Wright angedeutete Konsumkritik nachhallt.21 Doch bereits 2008 wurde Die Sims 2 durch die Ikea Home Stuff-Erweiterung buchstäblich zum Ikea-Spiel und Werbeträger. Dass ein Spiel, dessen zentrale Spielmechanik im Fällen von Konsumentscheidungen besteht, als Marketingwerkzeug nützlich ist, bemerkte auch die Modebranche. Die Sims wurde zum Wegbereiter der heute durch Titel wie Fortnite bekannten Werbepraxis des fashion branding in digitalen Spielen22, etwa durch Kooperationen mit H&M oder Gucci, die die ‚nachhaltige‘ Kollektion „Gucci off the Grid“ parallel als physische Kleidung und digitale Items in Die Sims 4 veröffentlichten.  

Das Zustandekommen dieser Kooperationen wurde dadurch begünstigt, dass Die Sims nicht etwa als ‚Nerdhobby‘ wahrgenommen wurde, sondern als eine mit der Popkultur in Austausch stehende und sich als Teil der Popkultur positionierende23 Marke, die eine breitere Zielgruppe erreichte als die damals übliche Klientel junger, männlicher, weißer Computerspieler. 

Die Welt, die Die Sims zeigt, hat sich in den vergangenen 25 Jahren deutlich gewandelt. Zwar begegnet man auch heute noch der vertrauten Vorstadtidylle, für die die Reihe seit jeher steht, doch lassen sich darin inzwischen Lebensentwürfe spielen, die über die anfänglich begrenzten Darstellungen von Geschlecht und Sexualität sowie die weiße Selbstverständlichkeit des Spiels hinausgehen. Ein zentraler Motor der fortschreitenden Diversifizierung der Reihe ist die aktive Modding-Community, die seit den frühen 2000er Jahren neue Körperformen, Hautfarben und vielfältigere Geschlechterdarstellungen in das Spiel integriert – und damit lange bevor entsprechende Inhalte offiziell von Entwicklerseite bereitgestellt wurden. Modder*innen reagieren dabei auf Repräsentationslücken und bringen eigene Vorstellungen von Vielfalt ein, wodurch sie maßgeblich zur Weiterentwicklung der Reihe beigetragen haben und bis heute beitragen. Unter ihrem Einfluss veröffentlichte Electronic Arts 2020 etwa ein umfassendes Hautfarben-Update mit über hundert neuen Farbtönen.24 Modding ist damit nicht nur Ausdruck kreativer Partizipation, sondern auch eine Praxis der inklusiven Repräsentation und der fortlaufenden kulturellen Aushandlung dessen, wer in Die Sims sichtbar wird. 

So kann Die Sims auch als eine Art safer space für eine diverse Spielerinnenschaft verstanden werden – ein Raum, der vor allem durch Modder*innen und spielerische Proteste geformt und bewahrt wird. Die damit verbundenen Fortschritte in Hinblick auf Repräsentation und Diversität haben die Reihe über Jahre hinweg zu einem Ort gemacht, an dem Spieler*innen vergleichsweise frei mit Identitäten, Beziehungen und Familienstrukturen experimentieren konnten. Doch genau dieser Raum steht derzeit zur Disposition: Jüngst erwarb der saudi-arabische Staatsfonds unter Beteiligung der Investmentfirma Jared Kushners für 55 Milliarden Dollar den Publisher Electronic Arts, zu dem auch die Die-Sims-Titel gehören, und versetzte die Community so in helle Aufregung.25  

Hier zeigt sich einmal mehr, dass die Offenheit der Sims-Welt stets im Spannungsfeld zwischen kreativer Aneignung durch die Community und den wirtschaftlichen Interessen eines global agierenden Publishers steht. Das Grundprinzip von Die Sims wird so als prophetische Warnung lesbar: Die Befriedigung von Bedürfnissen – auch von solchen wie Selbstentfaltung und Repräsentation – über den Konsum von (Software-)Produkten zu regeln, ist mit Risiken verbunden und erfordert Aufwand im Kampf mit der widerständigen materiellen und ökonomischen Umgebung.  

Andererseits: Die Sims wären nicht die Sims, wenn bei ihnen nicht ‚immer etwas los‘ wäre. Gerade diese Dynamik der Reihe, die es seit ihren Anfängen schaffte, sich in verschiedenste Lebens- und Kulturbereiche einzuschreiben, macht Die Sims nach wie vor zu einem spannenden Gegenstand spielwissenschaftlicher Auseinandersetzung. 

Die Beiträge 

Aurelia Brandenburg untersucht in ihrem Beitrag den Diskurs rund um die Veröffentlichung des ersten Die Sims-Spiels in deutschen Spielemagazinen im Jahr 2000. Dabei arbeitet sie heraus, wie die Diskussion um die Frage, ob Die Sims denn tatsächlich noch ein Spiel sei, ein Phänomen eines Spielejournalismus war, der sich selbst in seinen Zielgruppen, Diskursen und daraus resultierenden Referenzpunkten abgekapselt hatte und dadurch nicht in der Lage war, ein Spiel wie Die Sims in seinen eigenen Kontext einzubetten. 

Alvin Laurentius widmet sich in seinem Beitrag Die Sims 3: Reiseabenteuer aus postkolonialer Perspektive und analysiert, wie sich die orientalistische Linse der Erweiterung entlang von Schauplätzen wie Spielmechaniken äußert und beides miteinander verschränkt ist. 

Die Darstellung von Wissenschaft in der Wissenschaftskarriere des Erweiterungspacks Die Sims 4: An die Arbeit! steht im Zentrum des Beitrags von Oliver Ruf, Andreas Sieß und Aleksandra Vujadinovic. Anhand von 21 Let’s-Play-Videos untersuchen sie, wie sich Vorstellungen von Wissenschaft in der Spielstruktur und den Kommentierungen der Spieler*innen zeigen. Im Mittelpunkt stehen dabei die Imaginationen von wissenschaftlichem Personal, Praxis und Raum, die zwischen Klischees und differenzierteren Darstellungen changieren. 

Mit ihrem Beitrag zu Dark Patterns in Die Sims FreiSpiel widmet sich Laura Lewald-Romahn der oft übersehenen Sparte an Spielen für mobile Geräte der Die Sims-Reihe. In diesem Kontext blickt sie v.a. aus Sicht der Medienpädagogik und -didaktik auf das Spiel und arbeitet den Zusammenhang zwischen Dark Patterns und dem von ihr vorgeschlagenen Begriff der ludonarrativen Ökonomie heraus. 

Carolin Haša untersucht in ihrem Beitrag die Legacy-Challenge in Die Sims 2 als Beispiel für emergentes Erzählen und gemeinschaftliches Spielhandeln. Auf Basis autoethnographischer Beobachtungen und Community-Materialien zeigt sie, wie sich in dieser Challenge neue Spielregeln, Narrative und Selbstdokumentationspraktiken herausbilden, wobei deutlich wird, dass die Community durch Challenges und Modding nicht nur eigene Spielweisen entwickelt, sondern auch narrative Vielfalt und partizipative Gestaltung in Die Sims vorantreibt. 

Um die materiellen Begleitmedien der Die-Sims-Reihe, darunter Spieleverpackungen und Bonus-CDs aus Spielemagazinen, geht es im Beitrag von Elsa-Margareta Venzmer. Anhand dieser Artefakte zeigt sie, wie physische Paratexte wie Handbücher, Verpackungen und exklusive Zusatzinhalte zwischen Entwickler*innen und Community vermitteln und wie diese Objekte das Spiel erweitern, Modding-Praktiken beeinflussen und maßgeblich zur kulturellen Einbettung der Reihe beigetragen haben. 

Daniela Diefenbach geht in ihrem Beitrag der Frage nach, wie Kreativität in Die Sims 4 dargestellt und durch das Regelwerk des Spiels normiert wird. Sie zeigt, dass kreative Prozesse im Spiel zugleich als Ausdruck individueller Entfaltung und als Teil eines leistungsorientierten Systems erscheinen. Kreativität wird dabei weniger als freier Schaffensprozess, sondern vielmehr als messbare Fähigkeit und ökonomische Ressource inszeniert. Cheats und Modding können hingegen Räume kreativer Selbstbestimmung eröffnen, die sich den Leistungslogiken des Spiels entziehen.

 

Medienverzeichnis 

Spiele  

Activision: Little Computer People. USA: Activision 1985. 

Creature Labs: Creatures. UK: Warner Interactive Europe 1996. 

Maxis: Die Sims. USA: Electronic Arts 2000. 

Maxis: Die Sims 2. USA: Electronic Arts 2004. 

Maxis: Die Sims 4. USA: Electronic Arts 2014. 

Maxis: SimAnt. USA: Maxis 1991. 

Maxis: SimCityUSA: Maxis 1989. 

Maxis: SimTown. USA: Maxis 1995. 

Ozark Softscape: M.U.L.E. USA: Electronic Arts 1983. 

Literatur 

Dale, Laura Kate: I’m a Trans Gamer. EA’s Sale to Saudi Arabia and Jared Kushner Terrifies Me. In: Slate. 01.10.2025. <https://slate.com/technology/2025/10/the-sims-electronic-arts-games-jared-kushner-saudi-arabia.html> [10.10.2025]. 

Donovan, Tristan: The Replay Interviews: Will Wright. In: Game Developer. 23.05.2011. <https://www.gamedeveloper.com/business/the-replay-interviews-will-wright> [10.10.2025]. 

Electronic Arts: Nachtrag zu unserer Nachricht vom September. 2020. <https://www.ea.com/de-de/games/the-sims/the-sims-4/news/november-skin-tones-update> [27.10.2025]. 

Electronic Arts: Project Rene: Playtesting für die nächste Generation von Die Sims. 2023. <https://www.ea.com/de-de/news/project-rene-playtesting-the-next-generation-of-the-sims> [27.10.2025]. 

Jansz, Jeroen; Avis, Corinne; Vosmeer, Mirjam: Playing The Sims2: an exploration of gender differences in players’ motivations and patterns of play. In: New Media & Society. Jg. 12, H. 2 2010, S. 235–251. <https://doi.org/10.1177/1461444809342267 

Paulk, Charles: Signifying play: the Sims and the sociology of interior design. In: Game Studies. Jg. 6, H. 1 2006. <https://www.gamestudies.org/0601/articles/paulk> [10.10.2025] 

Pearce, Celia: Towards a game theory of game. In: Wardrip-Fruin, Noah; Harrigan, Pat (Hg.):  First person: New media as story, performance, and game. Cambridge, MA: MIT Press 2004. 

Pedercini, Paolo: SimCities und Simkrisen: Keynote auf der International City Gaming Conference 2017In: Spiel|Formen – Zeitschrift für Play & Game Studies, H. 2 2023, S. 85–124. <http://dx.doi.org/10.25969/mediarep/19723>    

Reay, Emma; Wanick Vanissa: Skins in the game: fashion branding and commercial video games. In: Bazaki, Eirini; Wanick, Vanissa (Hg.): Reinventing Fashion Retailing: Digitalising, Gamifying, EntrepreneuringCham: Springer International Publishing 2023, S. 73–90. 

Riedel, Christian: Werbung und Computerspiel – THE SIMS ONLINE zwischen Persuasion und Aneignung. In: Barth, Thomas et al. (Hg.): Mediale Spielräume. Marburg: Schüren 2005, S. 107–115. <https://doi.org/10.25969/mediarep/14818> 

Seabrook, John: Game Master. Will Wright changed the concept of video games with the Sims. Can he do it again with Spore? In: The New Yorker. 06.11.2006. <https://www.newyorker.com/magazine/2006/11/06/game-master> [10.10.2025]. 

Small, Zachary: The Sims Turned Players Into Gods. And Farmers. And Vampires. And Landlords. In: The New York Times. 04.02.2025. <https://www.nytimes.com/2025/02/04/arts/the-sims-25th-anniversary-will-wright.html> [10.10.2025]. 

Taylor, Tracey: Will Wright: Inspired to make The Sims after losing a homeIn: berkeleyside. 17.10.2011. <https://www.berkeleyside.org/2011/10/17/will-wright-inspired-to-make-the-sims-after-iosing-a-home> [10.10.2025] 

Thompson, Clive: The Sims: Suburban RhapsodyIn: Psychology Today. 01.11.2003. <https://www.psychologytoday.com/gb/articles/200311/the-sims-suburban-rhapsody> [10.10.2025]. 

Toth, Christian; Riedschy, Kyra: Wie Spieler*innen die als Lebens- und Alltagssimulation getarnte Kapitalismussimulation Sims 4 revolutionieren. In: PAIDIA – Zeitschrift für Computerspielforschung. 21.01.2021. <https://paidia.de/wie-spielerinnen-die-als-lebens-und-alltagssimulation-getarnte-kapitalismussimulation-sims-4-revolutionieren/> [10.10.2025]. 

Wright: Will Wright game design notebooks. New York: Brian Sutton-Smith Library and Archives of Play at The Strong Repository o. J. <https://archives.museumofplay.org/repositories/3/archival_objects/17869> [29.10.2025].

Artikelbild

Promobild zu 'Sims 3 - University Life'

  1. Dale: I’m a Trans Gamer. 2025. <https://slate.com/technology/2025/10/the-sims-electronic-arts-games-jared-kushner-saudi-arabia.html> [29.10.2025].[]
  2. Jansz; Avis; Vosmeer: Playing The Sims 2. 2010.[]
  3. Thompson: The Sims: Suburban Rhapsody. 2003. <https://www.psychologytoday.com/us/articles/200311/the-sims-suburban-rhapsody> [29.10.2025]. []
  4. siehe bspw. Small: The Sims Turned Players Into Gods. 2025; Taylor: Will Wright2011; Paulk: Signifying play. 2006; Seabrook: Game Master. 2006; Riedel: Werbung und Computerspiel. 2005; Thompson: The Sims: Suburban Rhapsody2003. []
  5. Taylor: Will Wright. 2011. <https://www.berkeleyside.org/2011/10/17/will-wright-inspired-to-make-the-sims-after-iosing-a-home> [29.10.2025]. []
  6. In seinen Designnotizen zu Die Sims machte Wright diesen Anspruch mit der Regel “only diverge from reality when necessary for gameplay” explizit.[]
  7. siehe Venzmer in diesem Heft.[]
  8. siehe Brandenburg in diesem Heft.[]
  9. Donovan: The Replay Interviews. 2011.[]
  10. Seabrook: Game Master. 2006. <https://www.newyorker.com/magazine/2006/11/06/game-master> [29.10.2025]. []
  11. Tatsächlich führt Wright Monopoly explizit als Designinspiration an, ebenso wie das frühe Wirtschaftsstrategiespiel M.U.L.E(Ozark Softscape 1983), in dem Spieler*innen in der Rolle von Weltraumkolonist*innen um den Zugang zu begrenzten Ressourcen und Landparzellen konkurrieren.[]
  12. Pedercini: Sim Cities und Simkrisen. 2023; Toth; Riedschy: Wie Spieler*innen die als Lebens- und Alltagssimulation getarnte Kapitalismussimulation Sims 4 revolutionieren. 2021.[]
  13. Die hier erwähnten Designregeln sind Will Wrights Notizbüchern entnommen: Wright: Will Wright game design notebooks. o.J. <https://archives.museumofplay.org/repositories/3/archival_objects/17869> [29.10.2025].[]
  14. siehe Diefenbach in diesem Heft.[]
  15. Small: The Sims Turned Players Into Gods. 2025; Seabrook: Game Master. 2006.[]
  16. Thompson: The Sims: Suburban Rhapsody. 2003. []
  17. Small: The Sims Turned Players Into Gods. 2025.[]
  18. siehe Lewald-Romahn in diesem Heft.[]
  19. Electronic Arts: Project Rene. 2023. https://www.ea.com/de-de/news/project-rene-playtesting-the-next-generation-of-the-sims [27.10.2025].[]
  20. Riedel: Werbung und Computerspiel. 2005.[]
  21. Pearce: Towards a game theory of game. 2004.[]
  22. Reay; Wanick: Skins in the game. 2023[]
  23. Popstars wie Depeche Mode oder Katy Perry nahmen Coverversionen ihrer eigenen Songs in der Sims-Sprache Simlish auf.[]
  24. Electronic Arts: Nachtrag zu unserer Nachricht vom September. 2020. https://careers.ea.com/de-de/games/the-sims/news/november-skin-tones-update [12.11.2025].[]
  25. Dale: I’m a Trans Gamer. 2025. <https://slate.com/technology/2025/10/the-sims-electronic-arts-games-jared-kushner-saudi-arabia.html> [29.10.2025]. []

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Spiele: 

So zitieren Sie diesen Artikel:

Brandenburg, AureliaWalsdorff, FinjaKanderske, Max: "‚Die Sims‘ – Einrichtungssoftware, Lebenssimulator, „Mädchenspiel“". In: PAIDIA – Zeitschrift für Computerspielforschung. 27.11.2025, https://paidia.de/die-sims-einrichtungssoftware-lebenssimulator-maedchenspiel/. [27.11.2025 - 14:59]

Autor*innen:

Aurelia Brandenburg

Aurelia Brandenburg ist Historikerin und Doktorandin im SNF-Forschungsprojekt „Confoederatio Ludens“ an der Hochschule der Künste Bern. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen besonders in den geschichtswissenschaftlichen Game Studies und der Geschichte digitaler Spiele, meist mit Schwerpunkt auf Gender und Queerness, wobei sich ihre Dissertation mit Männlichkeit im deutschsprachigen Spielejournalismus 1980-2000 beschäftigt.

Finja Walsdorff

Finja Walsdorff arbeitet und promoviert an der Universität Siegen im Bereich Medien & Kommunikation/Gender Media Studies mit den Forschungsschwerpunkten Gender & Games, Content Creation, Gaming-Communities und Games & Mental Health. Sie ist eine der Sprecher*innen der AG Games in der Gesellschaft für Medienwissenschaft (GfM).

Max Kanderske

Max Kanderske erforscht gegenwärtige und historische Praktiken des Navigierens am SFB "Medien der Kooperation" der Universität Siegen. Sein mediengeographisches Interesse an digitalen Räumen führt ihn regelmäßig in die Game Studies, wo seine Schwerpunkte in den Bereichen Quantified Play und digitale Häuslichkeit liegen. Er ist Mitherausgeber des Journals "Navigationen - Zeitschrift für Medien- und Kulturwissenschaft" und Teil der Redaktion der "Spiel|Formen".