Wir gehen ins Kino oder in die (online-)Videothek, um uns einen alten Western anzusehen; wir gehen in die Bibliothek oder ins Antiquariat und holen uns ein altes Buch, um es zu lesen. Alte Gemälde 'genießen' wir auf Fotos oder im Original im Museum.
Das Alter von Kunstwerken ist dabei normalerweise kein Thema (es erhöht eher sowohl den künstlerischen als auch den monetären Wert). Im Bereich digitaler Medien sehen wir uns hingegen gleich mit zwei Problemen konfrontiert: Zum einen verschwinden die Werke technisch bedingt oft bereits nach wenigen Jahren zusammen mit Ihren medialen Trägern. Und zum anderen scheint dieses Verschwinden (in der Regel) seltsamerweise in der medienkonsumierenden Gesellschaft keinen besonderen Verlust darzustellen. Oder doch?
Denn: Wie ist das aber nun mit beispielsweise Computerspielen, die als kulturrelevanter Betrachtungsgegenstand zunehmend an Bedeutung gewinnen? Können wir in der gleichen Weise über Computerspiele sprechen, die vielleicht 15 (!) Jahre alt sind wie über Literatur, die 150 Jahre alt ist? Welchen Aspekten von Vermittlung, Edition und musealer Konservierung von interaktiven Medien (wie Computerspielen) müssen wir eigentlich mehr Beachtung schenken?
Über eine bloße Retro-Begeisterung und 8bit-Nostalgiewelle hinaus lassen sich hier einige grundsätzliche Bemerkungen zum Umgang mit der Materialität von Medien allgemein machen; insbesondere lassen sie über die technisch-technologisch-materiellen Grundlagen eines Kanons von Computerspielen nachdenken.
Archiv: Medium, Datenträger und deren Reproduktion
Wir sprechen immer von „dem Buch“ als unseren ‚Leitmedium‘ - ich spreche nun bewusst nicht von ‚Literatur‘ als Leitmedium (sofern diese Diskussion überhaupt erwünscht ist). Was das zeigt, ist, dass wir Mediennutzer gerade im Alltagsgebrauch des Begriffes „Medium“ geneigt sind, das technisch-materielle Trägermedium begrifflich für das eigentlich darüber verhandelte und medial vermittelte Phänomen zu nehmen: wir reden vom Film, vom Fernsehen, vom Theater, vom Buch, ja sogar vom Internet. Seit über 30 Jahren nun gibt es auch das Computerspiel (oder, um einen altmodischen Begriff zu verwenden: das Videospiel). Gerade über die technisch-materielle Seite des Mediums möchte ich einige Aspekte fixieren, weil sie für moderne 'Medien' wie das Computerspiel (aber auch andere) so wichtig ist:
Technisch-apparativ-mediale Exkurse
Beim Buch meinen wir gemeinhin ein mehr oder weniger standardisiertes Trägermedium: irgendwie eindeutig papierartig, in handlichem Format, gestapelte und gebundene gleich große Blätter mit Schriftzeichen oder Abbildungen zwischen zwei stabileren Deckeln. Das ist einfach, reproduzierbar, in der Regel ohne weitere Hilfsmittel (außer vielleicht Tisch oder Brille) lesbar. Natürlich spielen hierbei auch Sprache und Schrift eine weitere Rolle sowie die mechanische Haltbarkeit von Papier und Bindung. Insgesamt sind Bücher bzw. Schrift ohne spezielle Hilfsmittel von nahezu jedem Besitzer eines Exemplars reproduzierbar - und somit auch archivierbar! Das ist praktisch, universell - und nahezu banal.
Bei Film und Fernsehen hingegen haben wir ein monopolisiertes Distributionssystem. Dies bedeutet, dass Sender, Kinos und DVD-Hersteller über Archive und Speichermedien verfügen; sie edieren bzw. distribuieren ihre Erzeugnisse nach ihren eigenen Vorstellungen - zum Teil einmalig (Sendung, Aufführung) oder per Reproduktion (DVD-Sonderedition) und verfügen über die dazu notwendige technische Ausstattung sowie über die technischen Master und Urversionen. Archive und Bibliotheken wahren manchmal den Bestand von Kopien und restaurieren nach Möglichkeit bzw. bei Bedarf verschlissene oder vom Zerfall bedrohte einzelne vervielfältigte Datenträger - wenn Zeit und Geld vorhanden sind 1.
Datenträger ist hier das Stichwort: Der physische Original-Datenträger (im Sinne des 'Exemplars') ist (wie beim Buch) zwar der Garant für die Unverfälschtheit des Inhalts, aber er ist nicht für den Medienkonsum (Rezeption des 'Werks') ausschlaggebend: Schrift (beim Buch) und (Lauf)-Bildinformation (incl. Ton; beim Film) sind solange reproduzierbar und zu vervielfältigen, solange a) der letzte Datenträger und b) sein letztes Lesegerät existiert bzw. solange jemand lesen und schreiben kann (beim Buch) oder solange man etwas abfilmen kann. Für Schrift(bilder) und (Lauf)bilder gibt es in der fotografischen Reproduktion (plus Ton beim Film) für die Rezeption unbedenkliche Nachfolgemedien - beim Extremfall "bootleg" könnte man sagen, die optische oder akustische Qualität leidet zwar im Vollzug der Reproduktion, aber die Rezipierbarkeit des vollständigen Medienereignisses ist dadurch nicht prinzipiell gefährdet. Das ganze Verfahren ist weniger banal als beim Buch (technisch aufwendiger), aber immer noch machbar.
Es fällt auf, dass eine Variation der Darbietung die Bedeutung des Medienereignisses herausstellt: Die Ausstellung des Exemplars eines Buches in einem Museum (wie eine wertvolle Inkunabel) beispielsweise erfüllt vollkommen andere Zwecke als das Lesen desselben.
Da die primäre Distribution im Rahmen von Film und Fernsehen ein Erzeugnis für Großabnehmer ist (also für Kinos und Sender) und eigentlich nie der Fall auftritt, dass ein Exemplar ausschließlich bei einem Individuum liegt, ist auch die Archivierungshoheit bei den Monopolinhabern zu verorten (ganz anders sieht es übrigens bei modernen Erscheinungen wie Online-Videokanälen wie Youtube aus). Ob dieser ‚Archivar’ aber dieser Archivierungspflicht auch nachkommt, ist seine Sache.
Gemälde/Skulpturen/Bauwerke werden im Vergleich dazu nochmals anders verhandelt: Hier geht es primär meist um den Unikat-Charakter des Artefakts selbst: Die Reproduktion in anderen technischen Medien (als Modell, Abguss, Kopie, Foto, Repro etc.) ist zwar möglich und wird zur allgemeinen Distribution genützt; dies stellt aber eine so auffällige Modulation des Mediums dar, dass man in der Regel das Original (beispielsweise ein wertvolles Gemälde im Rahmen einer Wanderausstellung) der Kopie immer vorziehen wird: Die Kopie ‚lebt‘ vom direkten Bezug zum Original; solange das Original existiert, ist die Kopie nur eine Kopie. Man bezahlt sogar Geld, um das Original zu sehen (im Museum).
„Ist das Kunst oder kann das weg?“: Geschichte, Kanon und Museum
Warum nun heben wir Artefakte, Kunstwerke, Kulturgüter (und demzufolge Datenträger derselben) auf? - Primär: Um sie jederzeit als Teile eines Diskurses, einer Kultur‚ "konsumieren" zu können. Warum verschwinden Medienerzeugnisse, wenn sie als Kulturgüter gelten, nicht sofort wieder? - Dies ist ein wesentlicher Aspekt der Kanonbildung; Datenträger, die zum Kanon der Kulturgüter gehören, sind per Definition des Kanons aufhebenswert. Aber: Kann man alles aufheben? In welcher Form? Und: Hebt man wirklich alles auf??
Computerspiel als Kulturgut, Kanon der Computerspiele
Wie steht es nun um das Computerspiel? Bedauerlicherweise sieht das hier qualitativ anders aus und vieles wird technisch erschwert oder sogar verunmöglicht: Computer- und Videospiele sind im o.g. Sinne nichtmonopolisierte, dabei in hohem Maße an ihr Wiedergabemedium gebundene, aber in ihrer Nutzung hoch individualisierte Gegenstände, die als Exemplare (verglichen mit einem Buch oder einem Film) kaum kopierbar sind. Die Master und Originale von solchen 'Artefakten' sind außerdem für Individuen nicht zugänglich (Quellcode) und sind meist auch technisch gar nicht für das Individuum fassbar: zum Original des Spiels gehört gleichzeitig ein Prototyp der zugehörigen Hardware (als funktionales Äquivalent zum Quellcode, der auch noch einen passenden Compiler benötigt). Zur Hardware gehören neben dem das Spiel(programm) beinhaltenden Datenträger auch die abspielende Hardware (etwa die Konsole) und natürlich auch das dazugehörige Eingabemedium (der Controller). Auch die Bedienungsanleitung (das Manual) des Spiels sollte man in diesem Zusammenhang nicht ganz vergessen.
Archivierbarkeit und Zurschaustellbarkeit von Computerspielen
Darüber hinaus ist der Rang von Computerspielen als Kulturgut erst seit kurzer Zeit wirklich diskussionswürdig; eine Diskussion über Kanones im Bereich von Computerspielen beginnt sich langsam zu entwickeln. Daraus und aus der geschilderten Komplexität des technisch-materiellen Aspekts des Mediums Computerspiel heraus erwachsen nun einige Folgen.
Anders als das Buch sind solche Spiele an sich nur in Verbindung mit ihrer Hardware (Lese- und Ausgabegerät sowie Steuerung) denkbar: Ist der letzte Datenträger verschlissen oder das letzte Lesegerät nicht mehr existent oder der letzte dazugehörige Steuerknüppel abgebrochen, kann das Spiel in seiner ursprünglichen Form (!) nicht mehr gespielt werden. Reproduktion oder Kopie: nicht möglich (nicht einmal zur archivarischen Sicherung). Denn die Herstellung der Hardware (Beispiel: Spielkonsole) wurde wahrscheinlich schon längst eingestellt; der Quellcode der Software ist verschollen und der passende Compiler nicht verfügbar; die Herstellerfirma ist schon längst nicht mehr existent; der physikalische Datenträger selbst (Beispiel: DVD) höchst proprietär oder mit Kopierschutz gesichert, der letzte Online-Lizenz- oder Multiplayer-Server schon längst stillgelegt. Wohl können Abbildungen der (Ab-)Spielgeräte überliefert werden und Spielakte (Gamer in Action) gefilmt worden sein (wie etwa bei "Let's-Plays"), aber das hat mit dem Spiel selbst und mit seiner spezifischen Medialität nichts zu tun: Es werden dabei nur Teile (Bild, Ton) des eigentlich relevanten Medienereignisses konserviert, aber beispielsweise keine Interaktion.
Genauso wenig interessant ist die Ausstellung eines das Spiel enthaltenden (womöglich defekten!) Datenträgers in einem Museum ohne funktionsfähiges Abspielgerät. Dazu kommt im Falle von Compterspielen, dass in aller Regel immer nur eine oder wenige Personen an einem Gerät (Exemplar) gleichzeitig spielen können - an eine Aufführung wie im Kino ist nicht zu denken; auch die Bereitstellung eines Geräts mit eingelegtem Spiel in einem Museum 2 ist als Einzel-Vergnügen nicht vergleichbar mit etwa dem Besuch der Mona Lisa im Pariser Louvre (wobei die auch ziemlich klein ist und hinter Sicherheitsglas wenig materielle Authentizität vermittelt). Hintergrund hiervon ist die ludische Komponente: Ein Spiel wird vom Spieler/der Spielerin gespielt, nicht vom gleichzeitig präsenten Zuschauer. Das ist zudem auch das rezeptionsspezifische Problem von Let’s-Plays aller Art: Eine authentische Reproduktion des Spielvorganges scheint ohne Reproduktion aller beteiligten Komponenten unglaubwürdig: des Datenträgers (Band, Speichermodul, Diskette, CD, DVD, …), seines Inhaltes (des Spiels bzw. seines Programmanteils), der abspielenden Hardware (Konsole, Rechner), der das Spielgeschehen ausgebenden Hardware (altmodischer Fernseher?) und auch der originalen Eingabegeräte (Controller, Gamepad, Joystick oder dergleichen).
Die letzte Möglichkeit stellt die Emulation von Hard- und Software dar: Die in einen aktuellen Datenträger umgeformte Software des Spiels (beispielsweise das als Datei ausgelesene ROM einer Atari-Cartridge) wird in einer aktuellen funktionierenden Hardware in einer fremden Softwareumgebung 'zum Leben' erweckt, die der Spielsoftware das Vorhandensein der ursprünglichen Hardware vorgaukelt. Zur Steuerung dient dann erst mal die Peripherie der aktuellen Hardware. Um den originalen Controller zu recyclen ("giving you the ultimate gaming experiences"), braucht man einen entsprechenden Adapter auf USB 3 und entsprechende Softwareunterstützung seitens des Emulators (wie beispielsweise den quelloffenen Multiplatform-Atari2600-Emulator Stella 4 ).
Kompatibilität: Austauschbarkeit von Hard- und Software
Was die wirkliche Vergleichbarkeit von Reproduktionen von Spielen beeinflusst, sind Faktoren wie die Architektur der Hardware-Plattform, der Standard der Medienausgabe und die Betriebssystem-Zwischenschicht in der Software.
Die das Spiel prozessierende Einheit ist die dazugehörige Konsole (Hardware). Aber diese ist nur bedingt austauschbar: Ein PS2-Spiel ist auf einer PS3 schlichtweg nicht lauffähig. Punktum. Genauso wenig auf einer handelsüblichen XBox oder einem regulären PC. Schuld ist in erste Linie die vom Hersteller gewählte spezifische Hardware-Architektur der Plattform. Diese ist in aller Regel nicht austauschbar und somit nicht kompatibel - eine einfache Adaption an eine andere Hardware ist meist nicht möglich, da sie vom Hersteller nicht vorgesehen war. Hingegen ist es nicht von primärer ludischer Bedeutung, ob eine Architektur ihr Bild auf einem Röhrenfernseher, einem LCD-Monitor oder einem Beamer ausgibt - solange überhaupt Bild und Ton erfolgreich produziert werden.
„So it’s antique then?“ - Problem der Ausgabegeräte
Solange die Ausgabe über die technischen Kanäle der originalen Hardware funktioniert, scheint alles in Ordnung. Doch auch diese Standards können sich ändern: Das analoge PAL-Videosignal einer PS2 lässt sich nicht an einen volldigitalen LCD-Monitor ohne zusätzlichen Konverter ausgeben. Glücklicherweise sind Videosignale (und dazugehörig: Tonsignale) standardisiert und in hohem Maße konvertierbar (d.h. es gibt tatsächlich Konverter hierfür). Dennoch: Viele Spielkonsolen der ersten bis vierten Generation 5 sind zur Bildausgabe auf einen Antenneneingang und somit auf einen HF-Tuner (Fernseherempfangsteil) angewiesen, der bei modernen Fernsehern entweder schon gar nicht mehr vorhanden oder aber mit spezifischen Konsolen nicht mehr kompatibel ist. Ein solcher Antenneneingang bei gleichzeitiger Ausgabe eines vergleichsweise hochwertigen Videosignals und somit effektiv bereits eine Signalwandlung bieten derzeit noch klassische VHS-Video-Rekorder - doch auch diese werden wohl bald aussterben: In Episode 18 der Science-Fiction-Animationsserie Cowboy Bebop (...das Thema wird in von der Literatur offenbar bereits verhandelt!) finden die Hauptfiguren bei einer Recherche zu einem alten Fall Schlüsselmaterial auf einer VHS-Kassette ...im Jahr 2070. Sie müssen sich also auf die verheerte Erde begeben, um irgendwo in den Ruinen der alten Welt einen funktionierenden ‚antiken’ VHS-Recorder aufzutreiben, der das Format abspielen kann. 6
Der Ausgabestandard wird bestimmt von der Hardwareplattform; dieser entspricht entweder dem 'State of the Art' der Zeit - oder dem zu diesem Zeitpunkt populärsten Standard (Fernseher: heute HDMI, damals Video oder noch früher HF; Computer: früher VGA, heute (2014) DVI, Displayport, HDMI). Selbst Standards bestehen meist nur eine gewisse Zeit.
Software-Plattform (Betriebssystem)
Wie gesagt: Die Konsole/die Hardware-Plattform auszutauschen, hat meist überhaupt keinen Sinn. Doch selbst innerhalb einer Plattform/Architektur ist nicht gewährleistet, dass ein Spiel spielbar bleibt: etliche DOS-Spiele für 386/486er-Prozessoren wurden unspielbar schnell, als schnellere Pentium-Rechner aufkamen; Abhilfe war nur durch spezielle Drosselungen (sogenannte Frame-Limiter) erreichbar, die das System auf die Geschwindigkeit des Spieles herunterbremsten. Des weiteren sind Spiele oftmals für eine Softwareplattform konzipiert/optimiert: Auch wenn Ähnlichkeiten dazwischen bestehen, können Spiele (und auch andere Programme) ein Betriebssystem-Upgrade evtl. auch nicht überleben (Microsoft Windows 98 > Windows 2000 > Windows XP > Windows Vista > Windows 7 > … oder im Bereich Apple Macintosh der Hardware und Software kombinierende Wechsel von PowerPC- zu Intel-basierten Systemen).
Solange aber der Spielehersteller existiert, besteht zumindest die grundsätzliche (hypothetische) Möglichkeit, dass er aufgrund des Druckes seiner Kunden (der Community) Patches bereitstellt, die eine Software für eine neue Betriebssystemversion (wieder) funktionsfähig machen, obwohl zum Erscheinungszeitpunkt des Spiels davon natürlich nicht die Rede war. Dieses 'Spiel' geht dann gerade mal eine Runde weiter. Garantiert ist ein solches Vorgehen aber nie (positives Beispiel: der Hersteller Blizzard und Diablo II 7 für MacOS X - aber leider nur bis MacOS X 10.6 8 ). Mangels Quellcode kann dies natürlich auch nicht geschehen, wenn die Spielefirma zu dem Zeitpunkt bereits nicht mehr existiert, wenn dieser Upgrade-Fall eintritt oder wenn die Firma an einem Weiterleben ihres Produktes einfach kein Interesse hat (vgl. das Stichwort 'Abandon-Ware').
Besondere Fälle in diesem Zusammenhang sind komplette „Nachbauten“ beliebter Spiele (über Reverse-Engineering und ähnliche Methoden), wenn dieser Fall eingetreten ist (vgl. diverse Portierungen nach Linux und sogar deren spätere Weiterentwicklung). Hier stehen Fragen nach dem Urheberrecht und auch nach der Authentizität im Raum: Durch solche Patches werden allgemein auch Programmfehler beseitigt oder Zusatzfunktionen bereitgestellt, also das originale Spiel verändert (dieser Aspekt wäre im archivarischen Sinne wohl zusätzlich von Bedeutung). Eine andere Möglichkeit ist die Nutzung diverser vielleicht vom Betriebssystemhersteller angebotener Kompatibilitätsmodi oder -tools. So wird z.B. unter MS Vista ein XP-Modus angeboten. Allerdings muss das noch nicht zum erfolgreichen Installieren und Funktionieren des Programms führen; es kann sein, dass leider keine geeigneten Einstellungen gefunden werden können, um das Programm ‚zum Laufen’ zu bekommen. Hilfe hierzu findet der Spieler oft nicht direkt beim Spielehersteller, aber vielleicht in Support-Foren von anderen Spielern, die bereits über ein entsprechendes Erfahrungswissen verfügen.
Hier erweist sich die Community eines Spiels oft als bemerkenswert solidarisch mit ihrem Freizeitgegenstand und entwickelt oft hartnäckig Lösungen für Probleme, die der Hersteller nicht lösen will oder vielleicht nicht einmal mehr lösen kann - oder die seinen kommerziellen Interessen nicht einmal mehr entsprechen. Aber leider gilt tatsächlich: "Irgendwann ist mal Schluss" 9.
Emulation
Eine Methode, (fast!) alle diese Probleme zu umgehen, ist die Bereitstellung einer geeigneten Hard- und Softwareumgebung für das jeweilige Programm. Dies allerdings ist ein Vorgehen, das meist vollkommen ohne Wissen und Support des Spieleherstellers geschieht. Ziel ist in der Regel, eine möglichst native Umgebung für das Programm zu schaffen, die genauso standardisiert ist und somit vorhersagbar funktioniert wie die originale.
Im folgenden werden kurz die Möglichkeit und die Aspekte von softwarebasierter Emulation ausgeführt; für den Spielebereich ist es aber bemerkenswert, dass es bereits 1978 einen Streit zwischen den Firmen Atari und Coleco über einen (Hardware-)Adapter für Atari2600-Spiele für eine alternative Hardware zum originalen Atari2600 gegeben hat 10. Hier sieht man, dass Spielehersteller zum Zeitpunkt der eigentlichen Vermarktung verständlicherweise überhaupt kein Interesse daran haben, kompatibel zu anderen Hardware-Herstellern zu sein.
Technologien, diese Kompatibilität von Software zur Hardware zu erreichen, sind echte Emulation (über Software wie Vice), Emulation allein der Software-Schnittstellen (Einrichtung einer Kompatibilitätsschicht, vgl. Wine) und virtuelle Maschinen (wie VirtualBox).
DOSBox & Co
Ein ‚gutes altes‘ DOS lässt sich unter MS Windows (XP, Vista, 7,…) recht zuverlässig z.B. mit dem Programm DOSBox 11 emulieren. Dieses gaukelt einem geeigneten Datenträger eine in allen Parametern (Sound- und Videoausgabe, Laufwerksstruktur, Dateisystem, Speicher- und CPU-Aufrufe etc.) nahezu originalgetreue virtuelle Umgebung vor. Es überbrückt somit eine (historische und technische) Distanz, die auf den ersten Blick relativ kurz anmutend. Dass diese Distanz aber recht groß werden kann, bemerkt man erst, wenn ein Spiel auf spezielle originale Eingabegeräte zurückgreifen möchte - diese lassen sich aber oft nicht durchschleifen (wie sollte man einen originalen Gameport-Joystick an einem USB-Anschluss anschließen?), sondern müssen ebenfalls emuliert werden (Joystick-Funktionen werden übertragen auf die Tastatur). Hier sieht man bereits die wichtigste mögliche Einschränkung bei der Emulation: Sie ist und bleibt Software (nicht Hardware). Aber kann man so etwas wie die Summer Games (C64) ohne den originalen Joystick überhaupt vergleichbar spielen?
Vice, M.E.S.S. & Co
Es gibt bereits Emulatoren für die verschiedensten Systeme; meist ist die Gastplattform ein moderner Rechner mit aktuellem Betriebssystem (Microsoft Windows, Apple MacOS, Linux) unter einer aktuellen, idealerweise höchst leistungsstarken Hardwarearchitektur (64bit, mehrere Intel-Prozessorkerne usw.). Virtualisieren lassen sich dort u.a Commodore C64, Atari 2600, Apple IIc, Game Boy, Sony Playstation, Nintendo64 und viele mehr - also Geräte, die mit ihren beispielsweise 8 Bit eine sehr große Hardware-Distanz zum aktuellen PC darstellen. Die Speerspitze hiervon dürften derzeit M.E.S.S. und M.A.M.E darstellen, zwei OpenSource-Projekte, die sich damit brüsten, über 600 Systeme (das älteste hiervon von 1948!) auf einem einigermaßen leistungsfähigen PC emulieren zu können 12. Allerdings ergeben sich hieraus eine Reihe von erwähnenswerten Aspekten:
Diese Emulatoren müssen unabhängig vom Spiel oder dessen Hersteller selbst gefunden, installiert und zum Laufen gebracht werden können. Sie setzen also einiges an Rechercheaufwand und Experimentierlust voraus. Misserfolg und Frust sind vorprogrammiert. Der Erfolg einer solchen Operation ist somit selbst wohl erheblicher Teil eines sehr komplexen Gamification-Prozesses.
Die Emulation selbst auf modernen schnellen Rechnern kann (!) immer noch zu langsam sein, um wirklich damit arbeiten (oder spielen) zu können. Der Wechsel der Prozessor- und sonstigen Architektur lässt sich oft nur mit erheblichem Rechenaufwand (also: Hardwareleistung) kompensieren. Zur Veranschaulichung: die ersten Mondflüge der NASA wurden mit einer Rechenleistung ermöglicht, die etwa der dreifachen eines Commodore C64 entsprach - die Emulation eines C64 auf einem aktuellen PC erfordert aber die Rechenleistung mindestens einer aktuellen Doppelkern-CPU.
Oft wird das Programm zwar grundsätzlich erfolgreich emuliert - aber es fehlt schlichtweg z.B. der Sound. Oder es fehlt eine adäquate Umsetzung der originalen Eingabemöglichkeiten (Tastaturbelegung, Sondertasten, Pads, Joysticks etc.). Als Beispiel: Wo auf einer modernen PC-Tastatur sollte die RESTORE-Taste des C64 zu finden sein?? Der Emulator startet zwar in aller Regel erfolgreich das Zielsystem. Aber trotzdem gibt es am PC z.B. keinen geeigneten Slot für eine originale C64-Ghostbusters-Cartridge. 13 Ebenso kann man wohl kaum eine antike Datasette an einem aktuellen PC oder gar Mac anschließen. Man ist in allen Fällen auf Portierungen der originalen Datenträger (Module, Disketten, Bänder etc.) angewiesen - also darauf, dass ‚jemand’ die Arbeit auf sich genommen hat, mit hohem technischen Aufwand diese Datenträger (die er gekauft hat und die funktionieren müssen) in sogenannte ROMs und Images auszulesen und bereitzustellen. Diese ROMs und Images sind essentiell.
Diese ROMs zu erstellen, ist technisch schwierig und stellt gegebenenfalls bereits einen Verstoß gegen Kopierschutzgesetze dar. Endgültig liegt ein solcher Verstoß gegen das Urheberrecht vor, wenn solche ROMs über das Internet bereitgestellt werden. Da in vielen Fällen der Rechteinhaber als Firma nicht mehr existiert, mag eine rechtliche Verfolgung ausbleiben, aber so ist es im Gegenzug nicht möglich, eine Genehmigung einzuholen. Im Falle Sonys (Playstation) oder anderer Branchenriesen aber sieht das anders aus; hier dürfte aber eine einheitliche und vor allem einvernehmliche rechtliche Klärung wohl nicht oder nur sehr schwer zu erreichen sein. Dazu ist die anfragende Lobby viel zu klein.
Ein weiteres Problem stellt die mangelnde Spielbarkeit dar: Die alten Spiele sind meist nur sehr dürftig dokumentiert; Spieleanleitungen - gerade mit den erforderlichen Umstellungen im Gameplay (Tastatur statt Joystick, z.B. bei Jumpman Jr, C64 14 ) und das Fehlen erforderlicher Tasten machen das Spielen unschön, schwer oder unmöglich. Liegt im ‚Haben‘ des alten Spiels und der reinen Erinnerung des Spielens (durch jemanden, der das Spiel in seiner ursprünglichen Form noch gekannt hat) nun sein einziger verbleibender Reiz?
Investitionsschutz und Diskurs
Trotzdem erweist sich hier, dass in den beschriebenen Fällen eine Community von Spielern - und dies meist vollkommen unabhängig von offiziellen Archiven oder gar den Herstellern - sich mit Mitteln der Technologie selbst in die Lage versetzt hat, ein grundlegendes Problem der Video- und Computerspiele selbst zu lösen: Dass die Hersteller das Monopol auf die Hardware hatten und dass die Datenträger als nicht kopierfähig galten. Der Konsument hat sich sozusagen selbst um den Schutz seiner eigenen Investition gekümmert (einer der anerkannten Hauptzwecke zum Einsatz von Emulatoren) - zur Not auch gegen die erklärten kommerziellen Ziele der Hersteller-Industrie und auch gegen rechtliche Bestimmungen. Dies ist natürlich zumindest diskussionswürdig. Medientechnologisch ist es revolutionär.
Indem diese Community der Spieler (eines Spiels, einer Konsole) dies tut, dokumentiert sie gleichzeitig sich selbst: Entgegen der Annahme, Spieler existierten nur als überaus individualisierte, autistische, pickelige, Junkfood verzehrende und lichtscheue Konsumenten, konstituieren sie in Foren, Softwareprojekten, Blogs und Wikis eine diskursbasierte hochaktive soziale Gruppe, die im ‚Genuss’ eines Computerspiels ihren gemeinsamen Gegenstand findet. Dies nennt man "Kultur". Zugegeben: Der genannte Diskurs ist ein technischer, jedoch schließt sich eine inhaltliche Diskussion der so wieder ‚genießbaren‘ Spiele nicht aus (siehe C64-Wiki 15 ).
Indem es eine gewisse Menge an Titeln der Spieleindustrie geschafft hat, als ROMs und Images im Internet zu zirkulieren, setzen sie eine über den reinen damaligen Verkauf der Originaldatenträger initiierten Trend zur Kanonisierung von Spielen dieser Art fort. Gerade hier erfahren diese Spiele (diejenigen, die sich reproduzieren lassen bzw. diejenigen, die für reproduktionswürdig befunden werden) eine Art 'sekundäre' Kanonisierung.
Außerdem gilt: Dadurch, dass diese Spiele überhaupt aktuell gespielt werden können - und man demzufolge auch über sie sprechen kann - ist die Auseinandersetzung um gegenwärtige Spiele (Shooter, MMOGs etc.) nicht ohne sie führbar; außerdem erweist sich die Zeitspanne, über die sich Spiele als zentraler Teil der Medienkultur entwickelt hat, auch dank dieses Stranges mit nunmehr über 30 Jahren als nicht unerheblich. Diese Kontinuität wäre nicht gewährleistet, ginge ein Spieletitel tatsächlich nach fünf bis zehn Jahren (der Lebenszeit seiner Hardware) einfach unter.
Lösung: Retro-Konsolen und Retro-Gamepads
Die bereits skizzierten Versuche und Lösungen, die gewünschte Umgebung für das geliebte Spiel wiederzubeleben, zielen auf den heimischen PC und somit handelsüblichen Allround-Rechner (und dessen Peripherie). Es geht aber auf noch einem anderen Weg, für den es offenbar nun erfolgversprechende Ansätze gibt: Die Emulation selbst wird ausgelagert auf eine eigene Hardware-Konsole, die zwar auf herkömmlicher PC-Basis weitgehend aufbaut (USB-, HDMI-Anschlüsse, angepasste Android-Betriebssysteme o.ähnl.), die aber für den speziellen Zweck zugeschnitten ist. Diese Anpassungen gehen sogar so weit, dass auch die Schnittstellen zu originalen Speichermedien (Module, Speicherkarten etc.), aber auch für die jeweiligen Controller und Joysticks vorhanden sind. Solche Geräte gibt es im Einzelfall bereits; eine Konsole, die angeblich neun verschiedene altgediente Spiel-Systeme samt deren Cartridges und deren Original-Controllern in ein Gerät integriert, wurde 2013 von dem Hersteller Hyperkin als "RetroN 5" angekündigt 16, ist aber derzeit (2014) immer noch nicht erhältlich 17. Eine Besonderheit dieses Geräts wäre es, dass nicht nur originale Single-Player-Spiele originalgetreu an modernen Bildschirmen gespielt werden können, sondern auch Multiplayer-Spiele mit bis zu vier Controllern (nicht nur alte, sondern auch neue, schnurlose Allround-Controller) denkbar sind. Dass den Spielen trotzdem eine neue Umgebung nur vorgegaukelt wird, kann man u.a. daran erkennen, dass es möglich sein soll, beispielsweise ein SNES-Spiel mit einem Genesis-Controller spielen zu können, wenn man das wollte.
Ein solches Gerät ist - im Gegensatz zu den meisten oben vorgestellten Emulationslösungen - auch ohne besondere technische Fertigkeiten von jedem Nicht-Freak benutzbar. Ein weiterer interessanter Effekt der Nutzbarkeit der originalen Speichermedien ist es, dass diese nicht mehr (halb-)illegal ausgelesen werden müssen, sondern vollkommen legal direkt gespielt werden können.
Fazit Emulation
Trotz aller positiver Aspekte, die der möglichen Emulation von alter Hardware folgen, muss gesagt werden: Die Hürden, die es zu nehmen gilt, bis ein solches altes Spiel über diesen Weg gespielt werden kann, sind unter Umständen extrem hoch. Man kann nicht davon ausgehen, dass ein aktueller Gelegenheitsspieler diese Mühen (das sind: Überwindung von technischen Hürden und von rechtlichen Bedenken) auf sich nimmt. Ganz davon abgesehen, dass der zeitgenössische Spieler auch eine große Hürde in Sachen Sehgewohnheiten überbrücken muss.
Prinzipiell übernehmen diese Entwickler und Spieler damit aber die Archiv-Funktion, die von anderen Instanzen in diesem Falle vernachlässigt wird. Das Gameplay - und somit ein nicht unerheblicher Teil des Spiels selbst - ist durch die Emulation oft verändert, wenn nicht gar beeinträchtigt. Andererseits eröffnet neue Hardware und ein umhüllendes System auch neue Vorteile: meist eine wesentlich bessere Grafikausgabe und die Möglichkeit, Spielstände zu speichern, Screenshots zu machen etc., was es vorher vielleicht nicht gab. Ein emuliertes Spiel ist somit genau genommen weniger ein 'Exemplar' als vielmehr eine 'Manifestation' oder 'Expression' eines Spiels 18.
Weitere Formen des Überlebens von Spielen
Hersteller-Support & Community
Die Bedeutung der Community für die Überlieferung eines Spiels wurde bereits geschildert. Nicht zu vergessen ist aber auch die übereinstimmende Begeisterung (natürlich auch mit möglichem kommerziellen Hintergrund) von Community und Hersteller für ein Spiel. Manche Hersteller haben das Potential einer solchen Allianz erkannt: treue Fans kaufen auch Nachfolge-Versionen eines Spiels; Fans muss man pflegen - also werden Communities zumeist auch gerne unterstützt (oder zumindest nicht aktiv verfolgt). So supporten manche Hersteller ihre alten Produkte noch über längere Zeiträume und erleichtern eine Verbreitung alter Versionen (so z.B. Blizzard und Diablo II: Wegfall des CD-Zwanges, Kostenfreiheit von Battlenet; Bereitstellung von Patches).
Das Spiel Game Dev Tycoon 19 verhandelt gerade diese Communityfrage (natürlich unter anderem) explizit 20.
Portieren & Polieren
Die Hersteller der God-of-War-Reihe 21 dagegen gingen hierüber hinaus: Nicht nur, dass nach Erscheinen des Teils III die vorherigen Teile im Handel verblieben; die älteren Teile (Original von 2005 bzw. 2007) wurden mit viel Aufwand a) von PS2 auf PS3 portiert und b) auch noch graphisch mit einer Anhebung der spielbaren Auflösung auf 720p (HD ready) enorm aufgewertet 22. Dies bedeutet eine vollständige Überlieferung einer Spielereihe in eine neuere Konsolengeneration und somit eine nicht unerhebliche Verlängerung der Lebenszeit der Einzeltitel (auch ohne Emulation und dergleichen) - und das vollkommen legal.
Dass auch alte Spiele mehr als nur überlebensfähig sind, sondern auch (kommerziell) wieder sehr erfolgreich sein können, zeigen zahlreiche Portierungen von Arcade- und PC-Klassikern auf aktuelle Plattformen wie das Apple iOS, wie beispielsweise im Falle von Monkey Island, Speedball2, Battle Squadron und Myst. Dabei wird oft nicht nur portiert, sondern auch poliert; das zeigt die oftmals verbesserte und zeitgemäßere Grafik 23, aber auch zusätzlich eingebaute Gimmicks wie ein Umschalten-Können auf die Originalansicht. Somit werden die alten Spiele nicht emuliert, sondern simuliert.
Abandonware: Verlassen und wiedergefunden
Da in der Spieleindustrie oft Firmen und Distributoren sterben, einzelne Exemplare von Spielen aber noch existieren, tut sich mit der meist kostenfreien (online-)Veröffentlichung der dann zumeist absolut unmodifizierten und somit auf diese Weise höchst diplomatisch-archivarischen Installationsdateien im Prinzip der "AbandonWare"-Portale im Internet eine rechtlich höchst graue Zone auf (hauptsächlich für alte PC-Spiele). Das Werk hat den Autor verlassen bzw. wurde vom Autor im Stich gelassen (von daher der Bergriff "abandon"). Diese Spiele sind für technische Enthusiasten eine kostenfreie Quelle für Testmaterial für Emulatoren und dergleichen. Ohne Fachwissen (oder uralte Hardware) sind diese Spiele kaum zu installieren; ohne diese Art der Überlieferung ist aber die Gefahr groß, dass diese Spiele völlig vergessen werden. Hier ist eine ambivalente Auslegung des Begriffes Kanon nötig: Ein vergessener Text soll dem Kanon angehören? Aber gerade diese womöglich letzte Überlieferung sichert einem vielleicht in 'seiner' Zeit nicht unbeachteten Spiel die potentielle Möglichkeit der Wiederentdeckung - wenn jemand zu einem späteren Zeitpunkt bereit ist, dieses Spiel über entsprechende Modifikationen einer Emulation wieder spielbar zu machen und somit dem Diskurs wieder zuzuführen.
Neben Abandonware gibt es aber durchaus auch Hersteller, die ihre Spiele bzw. die Spiele-Quelltexte freiwillig gratis ins Internet stellen (wie z.B. Rockstar Games mit GTA 1 und 2 24 so wie Quake und Doom 25.
GOG & Steam
Eine sehr moderne, populäre und kommerziell durchaus erfolgreiche Variante einer nichtmusealen Überlieferung von alten PC-Spielen sind kommerzielle Anbieter wie Good Old Games 26 oder Steam (Valve) 27. Hier können auch technisch nicht versierte Spieler einfach an auf aktueller Hardware funktionsfähige alte PC-Spiele gelangen. Dies ist rechtlich prinzipiell in Ordnung, wobei wohl nicht in allen Fällen die Lizenzsituation letztgültig geklärt ist. Die verwendete Methode ist meist die von technischen Fachleuten im Auftrag des Anbieters vorgenommene Paketierung des alten Spiels mit einem geeigneten Emulator (meist DOSBox o.dergl.), so dass diese Spiele (obwohl viele davon aus den MS-DOS-Zeiten stammen), quasi für MS Windows 7/8/... ‚zertifiziert’ erscheinen, vergleichsweise leicht installierbar sind und mit leichten Modifikationen wohl auch noch eine weitere Weile lauffähig sein werden.
Final: Kanon, Computerspielgeschichte und Kultur
Die hier erwähnten technischen Hürden verhindern, dass wirklich alle am Kulturgut Video- bzw. Computerspiel Interessierten in allgemeiner und demokratischer Weise daran partizipieren können. Dieses Manko wird bestehen bleiben und sich mit wachsender Vielfalt der Plattformen eher noch verstärken. Bestimmte Spiele, die in Vergessenheit geraten werden, weil sich für sie keine Fürsprecher finden oder weil deren technische Aspekte unlösbar scheinen, werden wohl - als spielbare Spiele - verschwinden. Aber auch Bücher sind tragischerweise verschwunden und Bibliotheken sind abgebrannt.
Dennoch behaupten sich einzelne Spieletitel - und dies nicht nur aus musealen Sammlergründen. So wie es Archetypen in Erzählungen gibt, so gibt es Prototypen von Spiele-Genres und oft kopierte, nie erreichte Originale 28 - und solange diese ’einsehbar‘ bleiben, behält der Diskurs darüber seine geschichtliche Perspektive. Es wird sich zeigen, ob die Qualität und die daraus motivierte Überlieferung dieser alten Spiele auch dafür sorgen wird, die Generation Ihrer ursprünglichen Spieler zu überleben. Erst dann sind Computerspiele wirklich in der Kultur angekommen bzw. in der so oft beschworenen "Mitte der Gesellschaft".
Medienverzeichnis
Artikelbild
DuckTales remastered http://www.geekosystem.com/capcom-announces-duck-tales-remastered 22.03.2013 [28.01.2016]
- vgl. Petition von Filmwissenschaftlern zur rettenden Digitalisierung von Filmmaterial http://filmerbe-in-gefahr.de/page.php?0,511, 26.11.2013 [28.01.2016][↩]
- vgl. http://www.computerspielemuseum.de/1214_Sonderfuehrungen.htm oder vgl. den Telepolis-Beitrag Karin Wehn: Computerspiele - Kunstform des digitalen Zeitalters. 2011. <http://www.heise.de/tp/artikel/34/34093/1.html> [28.01.2016] [↩]
- als Beispiel: http://www.bliss-box.net/Bliss-Box/ oder auch http://www.2600-daptor.com/ [↩]
- siehe http://stella.sourceforge.net [↩]
- vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Spielkonsole [↩]
- siehe http://www.dubbedanimeonline.org/cowboy-bebop-dubbed-episode-18/ , ca. ab 05:20 [28.01.2016][↩]
- Blizzard Entertainment: Diablo II (MS Windows, Mac OS). Irvine, CA, USA 2000 [↩]
- vgl. http://www.mac-games.net/diablo-ii-auf-mac-macbook-installieren-und-spielen/ , 04.10.2008 [28.01.2016][↩]
- vgl. die Forumsdiskussion Diablo 2 auf Mac OS Lion um den Stand von Diablo II elf Jahre nach der Veröffentlichung auf http://eu.battle.net/d3/de/forum/topic/2868708964 , 23.10.2011 [28.01.2016] [↩]
- vgl. http://www.retrothing.com/2010/04/colecovision-addon-that-started-all-the-trouble.html [28.01.2016] [↩]
- http://www.dosbox.com [↩]
- vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/M.A.M.E. [↩]
- Activision: Ghostbusters (C64). Santa Monica, CA, USA 1984. [↩]
- Epyx: Jumpman Jr (C64). Synnyvale, CA, USA 1983. [↩]
- http://www.c64-wiki.de/index.php/Portal:Spiele [↩]
- vgl. RETRO-Magazin, #28 (2013), S.8 und http://www.engadget.com/2013/03/24/hyperkin-retron-5-plays-cartridges-of-nine-classic-consoles/ [↩]
- siehe http://www.ntgamer.de/2014/01/05/retron-5-erscheinungsdatum-verschoben/ UPDATE 28.01.2016: Das Gerät ist erhältlich, siehe http://hyperkin.com/Retron5/[↩]
- im Sinne von: International Federation of Library Associations and Institutions (IFLA): Functional Requirements for Bibliographic Records, siehe http://archive.ifla.org/VII/s13/frbr/frbr_current4.htm [↩]
- Greenheart Games: Game Dev Tycoon (MS Windows, Mac OS, Linux). 2012. [↩]
- vgl. Chip.de: Game Dev Tycoon: Entwickler trollen Raubkopierer, 29.04.2013. <http://www.chip.de/news/Game-Dev-Tycoon-Entwickler-trollen-Raubkopierer_61776367.html> [28.01.2016][↩]
- Sony/SCE Santa Monica Studio: God of War Collection (Playstation 2, 3, Vita) 2009. [↩]
- vgl. http://en.wikipedia.org/wiki/God_of_War_video_game_collections#God_of_War_Collection [↩]
- vgl. Jeff LaSala: Capcom Announces DuckTales Remastered at PAX East, 22.03.2013 <http://www.geekosystem.com/capcom-announces-duck-tales-remastered/> [28.01.2016] [↩]
- siehe http://gtamp.com/gta1/ [↩]
- vgl. Christian Klaß: id-Software gibt Quake-Sourcecode frei, 29.12.1999, <http://www.golem.de/9912/5621.html> [28.01.2016] [↩]
- http://www.gog.com/ [↩]
- http://store.steampowered.com/ [↩]
- vgl. Geburtstag eines Klassikers: Das Adventure Spiel "The secret of Monkey Island" wird 15: http://www.heise.de/tp/artikel/21/21789/1.html[↩]