Spielerisch wissenschaftlich Schreiben lernen? Das gamifizierte wissenschaftliche Schreibforum ‚Being a Scientist‘

25. Juni 2020

Einleitung

An deutschen Hochschulen kann man zuweilen ein Paradoxon beobachten. Die Studierenden schreiben in ihrer Freizeit auf dem Campus begeistert auf ihrem Smartphone, kommentieren Beiträge in sozialen Medien oder verschicken Nachrichten über Messenger-Dienste. Zugleich ist diese Begeisterung aber schlagartig verflogen, wenn die wissenschaftliche Schreiblehre mit ihren Arbeitstechniken und den damit verbundenen erkenntnis- und wissenschaftstheoretischen Implikationen in den Fokus rückt. Das Schreiben ‚alltäglicher‘ Texte scheint eine Tätigkeit mit hoher intrinsischer Motivation seitens der Studierenden zu sein, wohingegen das Abfassen wissenschaftlicher Arbeiten alles andere als motivationale Höhenflüge auslöst.

Um die Motivationslage von Lerner_innen positiv zu verändern, wird in Lehr-Lernkontexten mittlerweile vermehrt Gamification eingesetzt, welche in der freien Wirtschaft als Technik zur Setzung von Verhaltensanreizen seit einigen Jahren sehr populär ist.1 Ausgangslage für Gamification-Anwendun­gen ist oftmals das Anliegen, etwas vermeintlich wenig Ansprechendes in etwas Interessantes zu verwandeln. Unabhängig davon, wie man dieses Vorgehen bewertet, ist zu erkennen, dass es vielen dieser Anwendungen gelingt, die intrinsische Motivation der Beteiligten zu steigern. Diese Idee aufgreifend, entsteht aktuell das gamifizierte wissenschaftliche Schreibforum Being a Scientist (BaS) an der Universität Kassel. Es soll den Studierenden der Universität eine spielerische Schreibumgebung bieten, die zum kollaborativen Schreiben anregt. Ziel ist der Auf- und Ausbau wissenschaftssprach­licher Kompetenzen.

Zentral für den Designprozess wie auch die folgenden Betrachtungen ist die Frage, wie das Anleiten eines schreibdidaktisch wünschenswerten Verhaltens durch gamifizierende Elemente gelingen kann. Dabei spielen sowohl die Überwachung als auch die Kontrolle der Anwender_innen eine bedeutende Rolle. Überwachung ist als Teil der Evaluation des Spielgeschehens durch das Spielsystem mit dem Ziel der Gratifikation oder Sanktion per se jedem Spiel inhärent. Für BaS gilt dies noch in einem erweiterten Maße, da nicht nur das System die Spieler_innen überwacht, sondern auch Administration und Moderation ebenso, wie die Spieler_innen sich untereinander überwachen können.2 Dieses komplexe Netzwerk gegenseitiger Überwachung steht aber nicht im Zentrum dieses Artikels.

Hier geht es primär um die Kontrolle, die das System über Spieler_innen ausübt, bzw. um die Frage, wie diese ihre definierte Handlungsmacht nutzen können. Die Überwachung wird hierdurch, um Missverständnisse zu vermeiden, nicht irrelevant, sie ist jedoch von sekundärem Interesse. Die Nutzungsmöglichkeiten der Handlungsmacht stellen sich als eine ‚ludische Gami­­fication‘3 dar, die exemplarisch am Story-Modus von BaS ausgeführt werden soll. Zuvor sind aber einige Aspekte zu klären, die für die Betrachtung grundlegend sind. Was bedeuten Überwachung und Kontrolle im digi­talen Zeitalter und im Kontext von Gamification? Welche Wirkung können digitale Spiele auf Kultur und Gesellschaft ausüben und welche Möglichkeiten spielerischer Vermittlung oder Aufbereitung existieren aktuell bereits? Wie und in welchen Formen kann man Kontrolle in Lernszenarien durch ludonarrative Settings erzeugen?

Big Brother is watching you — Überwachung und Kontrolle im digitalen Zeitalter

George Orwells Roman 1984 steht auch heute noch wie vielleicht kaum ein anderes Kunstwerk des 20. Jahrhunderts für die mediale Überwachung und Kontrolle des Menschen durch den totalitären Staat.4 Dave Eggers überträgt diese Orwell’schen Ängste auf das digitale Zeitalter und betont in seiner Erzählung The Circle, dass nicht nur staatliche Geheimdienste die Freiheit des menschlichen Individuums gefährden können, sondern auch IT-Unter­nehmen, die personenbezogene Daten in unvorstellbaren Mengen sammeln und speichern.5 Aber nicht nur Big-Data-Praktiken können problembehaftet sein. Heute geht es nicht mehr nur um die Verarbeitung von Daten; die Unternehmen produzieren zugleich – man denke an Amazon’s Alexa – Technologien, die Daten erheben und zur Verarbeitung weiterleiten.

Digitale Spiele wie Watch Dogs illustrieren, dass manch befürchtete Dystopie bereits in naher Zukunft realistischer sein könnte, als wir uns dies gegenwärtig vorstellen können.6 Sie zeigen, dass soziale und gesellschaftliche Metaphern wie Michel Foucaults ‚Panopticon‘ zunehmend obsolet werden.7 Ist Foucault in Überwachen und Strafen noch davon ausgegangen, dass es nur eines Systems potenzieller Kontrolle bedürfe, so werfen Spiele wie Watch Dogs die berechtigte Frage nach deren Notwendigkeit auf, wenn doch mittels Videoüberwachung oder GPS-Tracking auch eine tatsächliche und permanente Kontrolle erreicht werden kann. Dies wird dadurch möglich, dass digitale und elektronische Technologien prozedural, automatisiert sowie dokumentierend ablaufen und durch die Vernetzung von Technologien zudem Überwachung und Kontrolle stärker miteinander verschränken. Bereits existente Beispiele sind Fitness-Tracker inkl. Auswertungssoftware sowie elek­tronische Fußfesseln, die Bewegungsmuster sowohl überwachen als auch kontrollieren. Darüber hinaus thematisieren Spiele wie Watch Dogs die Nutzungsproblematik: Wo Orwell seinen Figuren noch die Überwachung aufzwingt, da wählen Menschen heute vielfach in ‚eigenmündiger Unmündigkeit‘ selbst die Überwachung, werden zu ihren eigenen Wächtern oder lassen diese zumindest in ihr Leben hinein.

Vor wenigen Jahren widmete die Zeitschrift für Medienwissenschaft dem Thema ‚Überwachung und Kontrolle‘ einen eigenen Schwerpunkt.8 Dort wurden einerseits traditionelle Themen der ‚Surveillance Studies‘ aufgegriffen, andererseits aber auch Phänomene wie die ‚digitale Selbstvermessung‘9 betrachtet. Via Fitness-Tracker lassen wir unsere Bewegungen, Vitalwerte oder unseren Schlafrhythmus erfassen, via PAYBACK gestatten wir Zugriff auf unsere Kaufgewohnheiten im Austausch gegen ein paar Bonuspunkte. Dies sind nur zwei Beispiele, sie verweisen aber exemplarisch auf einen Aspekt, der im Zuge der digitalen Überwachung und Kontrolle von nicht unerheblichem Interesse ist – die Gamification.

Überwachung, Kontrolle und Gamification

Was bedeuten Überwachung und Kontrolle im Kontext der Gamification? Extensional weit gefasst kann man unter Überwachung die intentionale und systematische Erhebung und Verarbeitung von Daten begreifen. Kontrolle, ebenso weit verstanden, umfasst dann die Durchsetzung bzw. Einhaltung von Systemregeln. Beide werden i. d. R. von einem übergeordneten Ordnungsprinzip gesteuert, das tendenziell dem Erhalt eines bestimmten Zustandes oder Systems dient. Diese weiten und ‚neutralen‘ Definitionen beider Ordnungsprozesse unterstreichen, dass Überwachung und Kontrolle nicht per se negativ verstanden werden müssen. Freilich beinhalten sie einige nicht abzustreitende, potenziell missbräuchliche Komponenten, diese müssen jedoch nicht zwingend zum Nachteil des Individuums eingesetzt werden.

Der Terminus Kontrolle bezeichnet im Gamedesign – um ein neutrales Beispiel zu wählen – nämlich meistens nicht primär die Kontrolle, die das System über das Individuum hat, sondern die Handlungsmacht, die Agency, die spielende Subjekte im Spielsystem besitzen.10 Die Systemkontrolle kommt dann i. d. R. nur als ein Erfahren des Kontrollverlusts des spielenden Subjekts zum Ausdruck und gilt als zu vermeiden.11 Jesse Schell widmet dem Thema in seiner umfangreichen Gamedesign-Einführung gar nur einen einzigen Absatz, in dem es heißt: Die Kontrolle dient „auch der Prüfung der Frage, inwiefern sich das Spiel steuern bzw. kontrollieren lässt – denn dies ist ein maßgeblicher Faktor für umfassende Interaktivität“12. Kontrolle meint im Sinne des Gamedesigns also eine größtmögliche Ausweitung des individuellen Handlungsraumes und invertiert Orwells Gedanken.

Die Tatsache, welchen scheinbar geringen Einfluss Überwachung und Kontrolle auf das Gamedesign haben, verdeutlicht weiter der Umstand, dass man auch den Begriff, das Konzept ‚Überwachung‘ in Gamedesign-Stan­dardwerken vergeblich sucht. Jedoch haben beide Konzepte phänomenologisch betrachtet große Auswirkungen, schwingen latent in vielen Design-Entscheidungen mit – nur unter anderen Vorzeichen als in Dystopien. Aus designerischer Perspektive geht es bei der Entwicklung eines Spiels um die Erschaffung von Erlebnissen durch Spiele und hierfür sind Prozesse der Überwachung und Kontrolle essenziell. Sie sind aber positiv aufzufassen, als ordnungs- und strukturstiftende Kräfte, die ein System erzeugen helfen, das individuelle Handlungsräume sichert. Überwachung und Kontrolle garantieren Ordnung und vermeiden hierdurch Frustration und Chaos.

Systeme sind in diesem Sinne nicht rein technologisch aufzufassen, sondern auch soziologisch zu denken. Sie zeichnen sich, so Niklas Luhmann, durch eine Differenz zwischen dem System und dessen Umwelt aus.13 Dieser Differenzgedanke manifestiert sich in der Spielwissenschaft bereits in Johan Huizingas wegbereitendem Werk Homo Ludens, wenn er das Spiel als „außerhalb des gewöhnlichen Lebens stehend“ definiert.14 Roger Caillois, der auf Huizingas Ideen aufbaut, wendet sich der ontologischen Seite des Spiels zu und gelangt dergestalt zu einigen Typologien, die heute noch prägend sind. So betont er, dass Spiele sich in zwei Arten oder Pole unterteilen ließen: ‚Paidia‘ und ‚Ludus‘.15 Unter ersteren begreift er ‚freiere‘ Formen des Spiels, die kaum Regeln und tendenziell kein Spielziel aufweisen wie z. B. Maskenspiele, wohingegen er unter letzteren strikt regelgeleitete und ziel­orientierte Spiele wie z. B. Schach versteht.

Dementsprechend lassen sich Spiele als Ludus als System verstehen, das eine eigene, spezifische Ordnung etabliert und erhält, das sich hierdurch von anderen Systemen abgrenzt. Was ist aber, wenn Spiele als Ordnungssysteme in dieser Auffassung nicht nur dazu fähig sind, sich intern zu strukturieren, sondern ihre Regeln auch auf die externe Umwelt übertragen können? Welche produktiven Effekte ließen sich hieraus für didaktisch-vermittelnde Szenarien gewinnen?

Spiele und ihre soziokulturelle Wirkung

Der Gedanke, dass Spiele erhebliche und positive Auswirkungen auf Gesellschaft und Kultur haben können, ist in den letzten Jahren vermehrt und prominent vertreten worden. Der Spieldesigner Eric Zimmerman proklamiert bspw. in seinem Manifesto for a Ludic Century, dass das 21. Jahrhundert als jenes des Spiels zu gelten habe, und setzt hierdurch eine bewusst spielzentrierte ästhetische Programmatik.16 Jane McGonigal sieht in digitalen Spielen gar die Möglichkeit, die Menschen und deren Realität durch die uns umgebenden Spiele positiv zu verändern.17 Aber auch im Bereich der (Digital) Game Studies ist die Durchdringung der Kultur durch das Spiel seit Huizingas Homo Ludens stets präsent. Joost Raessens konstatiert etwa die ‚Ludification of Culture‘, die das kulturelle System im Hinblick auf z. B. Bil­dung und Politik zunehmend beeinflusse.18

Warum aber schreiben Gamedesign wie Game Studies dem Spiel eine derartige kulturelle und soziale Prägekraft zu? Einer der Gründe dürfte darin liegen, dass Gesellschaften und Kulturen immer wieder mit Problemen konfrontiert werden, deren Konstellationen derart komplex sind, dass ihre Lösung nur schwer für den Einzelnen zu erkennen ist. Spiele besitzen als systemische und simulative Entitäten aber das Potenzial, kollaborative Lösungen für Probleme von globaler Tragweite anregen zu können. ‚Citizen Science Games‘ versuchen z. B. – vornehmlich im MINT-Bereich – solche Lösungsansätze zu finden, indem ‚Digital Volunteers‘ den Forscher_innen helfen, vielversprechende Vorgehensweisen zu identifizieren.19

Spielerische Vermittlungskonzepte — Digital Game-Based Learning, Serious Games und Gamification

Aber auch abseits solcher bisweilen noch avantgardistisch anmutender Projekte versprechen Spiele seit mehreren Jahrzehnten vielseitige Einsatzmöglichkeiten in Bildung und Vermittlung, die unter Termini wie ‚Planspiel‘, ‚Serious Game‘, ‚Gamification‘ oder ‚Digital Game-Based Learning‘ verhandelt werden. Insbesondere die drei letztgenannten Konzepte sind im digitalen Zeitalter populär und werden in Aus- wie Weiterbildung immer häufiger eingesetzt. Dabei gilt es im Folgenden, diese drei Konzepte kurz zu erläutern und voneinander abzugrenzen, um eine terminologische und konzeptuelle Grundlage für die anschließende Betrachtung von BaS zu schaffen.

Der Pädagoge Marc Prensky beschreibt in seinem Buch Digital Game-Based Learning, wie eine spielerisch begründete Wissensvermittlung gestaltet werden kann.20 ‚Digital Game-Based Learning‘ verfolgt dabei das Ziel, Lerner­_innen spielerisch zum Erwerb von Wissen zu motivieren, das über das dafür verwendete Spiel hinaus von Relevanz ist. Dabei können eigens konzipierte Lernspiele, ergo Serious Games, ebenso eingesetzt werden wie kommerzielle Unterhaltungsprodukte, die sich didaktisch eignen. Insbesondere der letzte Ansatzpunkt ist recht weit verbreitet, da er einerseits gewissermaßen die Spielentwicklung ‚outsourct‘ und andererseits Bezüge zur Lebenswelt der Lerner_innen herstellen kann. So ist es bspw. denkbar, eine Wirtschaftssimulation wie Tropico 6 21 einzusetzen, um die grundlegenden Funktionen von Volkswirtschaften in totalitären Staaten zu vermitteln.

Der Begriff ‚Serious Game‘ wurde in den 1970er-Jahren von Clark C. Abt geprägt und bezeichnet Spiele, die eigens für bestimmte Lehr-Lernkontexte entwickelt werden und ‚ernst(haft)e‘ Lerninhalte und -ziele in ihren Mittelpunkt stellen.22 Jedoch wird immer wieder Kritik am Begriff geübt, der extensional nicht nur weit ausgreift, sondern intensional nur schwer zu bestimmen ist. Jesse Schell plädiert deshalb für die Verwendung des Terminus ‚transformierende Spiele‘, da es bei diesen Spielen nicht um Ernsthaftigkeit gehe, sondern um eine zielgerichtete und beabsichtigte Transformation der Spieler_innen als Reaktion auf das Spielen eines transformierenden Spiels.23 Der Third-Person-Shooter Re-Mission24 ist ein Exempel, das oftmals als eine Art ‚Paradebeispiel‘ für Serious Games angeführt wird und illustriert, was das Transformierende solcher Spiele sein kann. Das Spiel ist für krebskranke Kinder konzipiert und soll ihnen zum einen dabei helfen, spielerisch Wissen über ihre Krankheit zu erwerben. Das Spielprinzip basiert darauf, dass ein von dem/r Spieler_in gesteuerter Nanobot in den menschlichen Körper injiziert wird, um dort Krebszellen zu zerschießen. Via Avatar eliminieren die Spieler_innen also zahlreiche Krebszellen, um ihre Missionen, krebskranke NPCs zu heilen, zu erfüllen. Somit kann das Spiel zum anderen – psychologisch betrachtet – die Zuversicht der Kinder steigern, ihre eigene Krankheit besiegen zu können.

Das aktuell populärste spielerische Vermittlungskonzept ist aber sicherlich die ‚Gamification‘, die mittlerweile nahezu alle Bereiche des alltäglichen Lebens affiziert und sich nicht primär auf die Vermittlung von Inhalten oder eine Transformation der Spieler_innen begrenzen lässt, sondern oftmals ‚nur‘ zur Steigerung der intrinsischen Motivation eingesetzt wird. Zwar wollen auch Digital Game-based Learning und Serious Games (oder transformierende Spiele) die Motivation von Lerner_innen erhöhen, sie nutzen diese Motivation aber ausschließlich für die Optimierung von Lernprozessen. Gamification hingegen kann uns zum Einkaufen, zum Fliegen, zum Joggen oder einer gesunderen Ernährung motivieren. Ursächlich hierfür ist die Breite an Verwendungsmöglichkeiten dieses Konzepts.

Sebastian Deterding et al. haben festgehalten: “Gamification is the use of game design elements in non-game contexts. […] Whereas serious games describes the use of complete games for non-entertainment purposes, gamified applications use elements of games that do not give rise to entire games.”25 Das Ziel der Gamification ist es also nicht, ein Spiel zu erschaffen, sondern einer nicht-spielerischen Entität eine spielartige Qualität zu geben. In vielen Fällen bedeutet dies heute immer noch, Wettkampfelemente zu inte­grieren. Hiergegen hat sich vielfach Kritik geäußert, die in einer derartigen Verfahrensweise eine unangemessene Verengung von Spielen auf nur wenige Elemente sieht, die nicht repräsentativ für Spiele insgesamt seien.26

Dementsprechend reicht es nicht aus, Punkte für Highscores zu vergeben oder ein Rang- oder Auszeichnungssystem einzuführen. Stattdessen ist es notwendig, viele verschiedene spielerische Elemente auf ihre Verwendbarkeit hin zu überprüfen. Sicherlich kann es motivierend wirken, auf Punkte­jagd zu gehen, ist es aber nicht minder motivierend, Neues in Minecraft 27 zu erschaffen? Die kreativen und konfigurativen Handlungsmöglichkeiten, die derartige Gamification-Anwendungen gestatten würden, führen in Richtung einer ‚paidianischen Gamification‘. Die nachfolgenden Überlegungen beziehen sich jedoch primär auf eine ‚ludische Gamification‘. Dabei stehen ins­besondere deren anleitende, strukturierende und ordnungsstiftende Potenziale im Vordergrund der Betrachtung.

Das gamifizierte wissenschaftliche Schreibforum Being a Scientist

BaS wird im Rahmen eines Projektes im „Kompetenzbereich Deutsche Wissenschaftssprache (KoDeWiS)“ am Servicecenter Lehre der Universität Kassel von mir als eine spielerische Schreibumgebung entwickelt und befindet sich aktuell in der Beta-Phase.28

Abb. 1 Spielbereiche in BaS (Beta-Version)

Schreibdidaktisch verfolgt BaS als Schreibforum das Ziel, die wissenschaftssprachlichen Kompetenzen der Studierenden fächerübergreifend mittels kollaborativem Schreiben auf- und auszubauen.29 Dabei nimmt es einerseits Schreiben als wissenschaftliche Praktik in den Blick und andererseits Schreiben als Kulturtechnik. Jedem der beiden Subziele ist ein eigener ‚Spielbereich‘ gewidmet: der Spielraum (der Wissenschaft) und der Spielplatz (der Möglichkeiten).30

Auf dem Spielplatz können journalistische, literarische oder frei gewählte Textsorten angefertigt werden, wobei die Studierenden selbst bestimmen können, welche Rolle der Einhaltung bestimmter Textsorten- und Gattungskonventionen zukommt. Während ‚Creative Nonfiction‘-Texte31 im Kreativmodus relativ viele Gestaltungsräume lassen, sind die Konventionen eines Features im Subforum der journalistischen Texte konkreter definiert. Die eher strikteren Textsorten des Spielplatzes markieren auch den Übergang zum Spielraum. Spielraum ist hier nicht nur als ein Raum zum Spielen zu verstehen, es ist vielmehr ein Ort, an dem die Grenzen dessen aufgezeigt werden, was wissenschaftliches Schreiben ausmacht.

Ein Spielplatz ist ein Ort, an dem – wie auch hier – viele verschiedene Spiele möglich sind, die von den Spieler_innen (hier v. a. im Kreativmodus) frei bestimmt oder modifiziert werden können. Die Rahmenbedingungen des Spiels lassen sich auf einem Spielplatz verändern oder, anders gesagt, kontrollieren. Bei dem Spielraum ist dies nicht bzw. nicht in diesem Maße möglich. Entscheidend im Spielraum ist die Erkundung des ‚Möglichkeitsraumes‘,32 um spielerisch auszutesten, was die Spielregeln des Wissenschafts­betriebes sind. Anschließend können diese dann auch außerhalb des Spiels angewandt werden. Es geht im Spielraum also darum, Limitierungen sichtbar zu machen, um hierdurch eigene Handlungsmöglichkeiten aufzudecken.

So können Spieler_innen im Textsorten-Modus selbst navigierend wissenschaftliche Textsorten üben, die für ihr Studium relevant sind, sie können diese aber auch (zumindest größtenteils) didaktisch und lernzieltaxonomisch gestaffelt im Story-Modus von Quest zu Quest durchlaufen, wobei verschiedene Elemente dieses Modus die Spieler_innen beeinflussen.

Ludische Gamification am Beispiel des Story-Modus von Being a Scientist

Der Story-Modus ist als Ludus aufgebaut, der sich in vier (Main-) Quests unterteilt. Er folgt dabei – spielstrukturell betrachtet – der ‚Heldenreise‘ bzw. dem ‚Monomythos‘ einer wissenschaftlichen Karriere,33 der die Entwicklung von dem/der jungen Doktorand_in zum/r Professor_in erzählt. Dabei müssen verschiedene Ränge wie ‚Freies Radikal‘, ‚Assistent_in‘ oder ‚Postdoktorand_in‘ durchlaufen und verschiedene Quests erfüllt werden. Eingeleitet wird eine Quest stets mit einer (textuell vermittelten sowie bebilderten) narrativen Sequenz, die das Setting umreißt und die zu erledigende Aufgabe artikuliert. Kern der Aufgabe ist dabei das Verfassen eines Textes in einer bestimmten wissenschaftlichen Textsorte wie ‚Exposé‘, ‚Literaturbericht‘ oder ‚Essay‘.34 Die Auswahl der Textsorten und die Zuordnung zu bestimmten Quests ist zum einen der narrativen Plausibilität einer wissenschaftlichen (Erfolgs-) Geschichte verpflichtet, zum anderen orientiert sie sich aber primär an einem effizienten lernzieltaxonomischen Aufbau, der speziellen und von Quest zu Quest unterschiedlichen schreibdidaktischen Lernzielen verpflichtet ist.

Als Narrativ ist die Heldenreise eine Erfolgsgeschichte in dem Sinne, dass sie die Erzählung einer erfolgreichen Selbstermächtigung ist, die durch die Figurenkonzeptionen unterstützt wird. So übernimmt die Betreuerin in der Geschichte des Story-Modus die archetypische Funktion der Mentorin des/r Held_in und leitet diese/n an. Dergestalt haben die diversen auftretenden Figuren hauptsächlich eine Funktion – sie sollen Spieler_innen das Eintauchen in ihre Rolle ermöglichen, damit diese gemäß der Rollenvorgabe agieren bzw. die Rolle ausagieren können. Indem sie die Figurenkonzeption akzeptieren, erkennen sie auch die Figurenkonstellation an, welche in einem engen Verhältnis zum Spiel als ludischem Regelsystem steht. Mit anderen Worten: Wenn Spieler_innen ihre Rolle in der Geschichte annehmen, dann akzeptieren sie auch die damit zusammenhängende Rolle im Spielsystem.

Dies funktioniert auf individueller wie auf kollektiver Ebene, da nicht nur jede/r Spieler_in für sich die Heldenrolle annimmt. Ludische Gamification als eine Adventure- und RPG-artige Gamification, die durch die Heldenreise strukturiert wird und hierdurch stark auf bestimmte figurative Beschaffenheiten abhebt,35 überträgt sich auf alle Spieler_innen des Story-Modus glei­chermaßen.36 So sollen die Rollen der ludischen Heldenreise und die hieraus resultierenden interaktiven und kommunikativen Akte Gültigkeit für BaS insgesamt erlangen. Dies ist auch vor dem Hintergrund bedeutend, dass Rangaufstiege und damit die Progression im Spiel durch die Community erfolgen und ein im Sinne der Autopoiesis des Systems wünschenswertes Verhalten erforderlich machen.

Oben wurde bereits ausgeführt, dass Kontrolle im Gamedesign vornehmlich bedeutet, Spieler_innen Kontrolle über das Spiel zu gewähren, ergo deren Agency auszubauen. Kontrolle meint dementsprechend Selbstkontrolle oder Selbstbestimmung. Edward L. Deci und Richard M. Ryan betonen im Zuge ihrer ‚Selbstbestimmungstheorie‘, dass die intrinsische Motivation des Menschen insbesondere von drei grundlegenden Bedürfnissen abhängt – dem Erleben von Autonomie, eigener Kompetenz und sozialer Eingebundenheit.37 Befriedigt das Subjekt diese drei Bedürfnisse aus seiner Perspektive in ausreichendem Maße, so sind motivational günstige Voraussetzungen für das Lernen gegeben. Diese drei Bedürfnisse werden designerisch untermauert, indem die Heldenreise sie stützt, da diese von einem autonomen Subjekt berichtet, das seine Kompetenzen von Quest zu Quest erweitert und dessen Kompetenzerleben durch die damit zusammenhängenden Gratifikationen immer wieder neu ermöglicht wird. Zugleich, auch wenn der/die Held_in in diesen Erzählungen stets das Erlöserindividuum par excellence ist, vollbringt es seine Heldentaten doch stets zum Wohl der Allgemeinheit – der/die klassische Held_in rettet die Welt und der/die wissenschaftliche Held_in trägt zum wissenschaftlichen und (idealerweise) gesellschaftlichem Fortschritt bei – und ist von vielen verbündeten Figuren umgeben, die ihm/ihr auf vielfältige Weise helfen. Dieses Setting soll möglichst viele Spieler_innen in die Lage versetzen, einzeln für sich als Held_in ihr eigenes Abenteuer gemeinsam mit anderen anhand einer einzigen Geschichte zu erleben. Diese bildet die ins Medium implementierte Grundlage vieler verschiedener (potenzieller) persönlicher Geschichten, die durch ihren Bezug auf den Ludus einen einheit­lichen Kern behalten.38 Didaktisch leitend für eine derartige Ausrichtung ist die Intention, die Motivation potenziell für unterschiedliche Typen von Spieler_innen steigern zu können.

Ludische Gamification — ein abschließender Bestimmungsversuch

Im Unterschied zu weit verbreiteten und primär agonal ausgerichteten Gamification-Ansätzen versucht eine ludische Gamification die Motivationssteigerung nicht durch überbordende Belohnungssysteme zu erreichen, welche die intrinsische Motivation auch korrumpieren können.39 Vielmehr soll die Ausrichtung am Ludus im Beispielkontext einen umfassenderen Gamification-Ansatz darstellen, da neben ‚kleinteiligeren‘ Spielelementen des Belohnungssystems mit dem Regelsystem ein für Lehr-Lernkontexte essenzieller Bestandteil von Spielsystemen integriert wird.40 Fünf sich hieraus ergebende Charakteristika sollen abschließend herausgegriffen und kurz umrissen werden:

  1. Die Regelhaftigkeit des Spiels überträgt sich bei der ludischen Gamification auf das Lernen und kann, wie im Fall von BaS, ein (schreib-)didak­tisch wünschenswertes Verhalten unterstützen.
  2. Spiele verweisen als Ludi stets auf ihr Ziel, streben diesem entgegen und können Spieler_innen deshalb dahingehend motivieren, kontinuierlich mit ihrer dergestalt gamifizierten Umgebung zu interagieren, sie gewissermaßen ‚durchzuspielen‘.
  3. Als systemische Entitäten eignen sie sich besonders, um andere systemische Entitäten – zumindest partiell – in sich zu simulieren. Bei BaS ist dies das Wissenschaftssystem. Das hierdurch kollaborativ erworbene Wissen kann dann auf das Originalsystem übertragen werden.
  4. Die ludische Gamification gestattet durch ihren umfangreichen Ansatz die Integration vieler verschiedener Spielelemente wie im Story-Modus von BaSB. Rollen- und Maskenspielelemente, die potenziell mehr Anknüpfungspunkte für verschiedene Lerner_innen-Typen versprechen.
  5. Als kollaboratives Projekt gestatten Umsetzungen wie BaS das Einüben von Überwachung und Kontrolle auf unterschiedliche Weise. Lerner_in­nen erfahren explorativ, welche Formen der Überwachung in Systemen existieren, aber auch wie sie mit Überwachung sowohl als Phänomen als auch als Gefühl des Überwachtwerdens umgehen können. Zudem soll die Reflexion unterschiedlicher Kontrollformen ebenso angeregt werden wie die Frage nach den sich hieraus ergebenden Handlungsoptionen.

Ludische Gamification-Projekte wie BaS können transformierende Spiele in Schells Auffassung sein. Die Heldenreise in BaS endet sinnbildhaft mit der Antrittsvorlesung der Hauptfigur bzw. einem sich hieran anschließenden Gespräch mit dem/r Mentor_in, die den Staffelstab weiterreicht. Der/die Held_in wird in einen/e Mentor_in transformiert, wodurch ein neuer Anknüpfungspunkt für weitere Heldenreisen geschaffen wird, nur mit transformierten Rollen für die Etablierten. Auf diese Weise erhält sich das Spielsystem als soziales System. Zudem wird am Beispiel von BaS, das sich an der aktuellen digitalen Medienkultur orientiert, deutlich, dass eine ludische Gamification im vorgestellten Verständnis eher eine ‚ludonarrative Gamification‘ ist, die für prädestinierte Lerner_innen ein sehr immersives Erlebnis sein kann.

Mit Blick auf Überwachung und Kontrolle sollte dabei aber abschließend ein Punkt bedacht werden, der nicht frei von Problematiken ist. Eine ludo­narrative Gamification dürfte in den meisten Fällen, insbesondere dann, wenn sie von der Übertragung der Regeln profitieren möchte, beim Moraldesign auf ein, wie Miguel Sicart es nennt, ‚geschlossenes ethisches System‘ vertrauen, das ein moralisch-ethisches Set an Handlungsoptionen vorgibt oder zumindest suggeriert.41 Spieler_innen sind in derartigen Umgebungen tendenziell bestrebt, gemäß den artikulierten moralisch-ethischen Standards zu handeln, sie internalisieren die dargelegten Normen und Verhältnisse dergestalt. Dies bringt wiederum signifikante Fragen mit sich: Welche Auswirkungen hat die Darstellung von bestimmten (normativen) wissenschaftlichen Karriereverläufen auf Lerner_innen? Inwiefern stellt das dargestellte Wissenschaftssystem selbst ein Überwachungs- und Kontrollsystem dar? Welchen Regeln folgt es und wie beeinflusst es den Lernfortschritt von Subjekten, animiert es diese zu Selbstüberwachung und -kontrolle? Welche Wirkung, welche Wirkmacht ein derartiges Lehr-Lernszenario für künftige Verhaltensweisen von Lerner_innen haben könnte, ist damit von großer Relevanz und verdient künftig eine tiefergehende Betrachtung.

Medienverzeichnis

Spiele

Limbic Entertainment: Tropico 6 (Windows). Deutschland: kalypso 2019.

Mojang: Minecraft (Windows). Schweden: Mojang 2009.

Realtime Associates: Re-Mission (Windows). USA: HopeLab 2006.

Ubisoft Montréal: Watch Dogs (PS4). Frankreich: Ubisoft 2014.

Texte

Abt, Clark C.: Serious Games. New York: Viking Press 1970.

Bergeon, Bryan P.: Developing Serious Games. Hingham: Charles River Media 2006.

Caillois, Roger: Die Spiele und die Menschen. Maske und Rausch. Stuttgart: Schwab 1960.

Campbell, Joseph: Der Heros in tausend Gestalten. Berlin: Insel Taschenbuch 2011.

Deterding, Sebastian et al.: Gamification. Toward a Definition. <https://www.semanticscholar.org/paper/Gamification-%3A-Toward-a-Definition-Deterding-Khaled/84fe3e41153d73dd0675ae14501a497c22b2a63f> [30.09.2019]

Eggers, Dave: The Circle. Köln: Kiepenheuer & Witsch 2014.

Fizek, Sonia; Dippel, Anne: Laborious Playgrounds. Citizen Science Games as New Modes of Work/Play in the Digital Age. In: Glas, René et al. (Hg.): The Playful Citizen. Knowledge, Creativity, Power. Amsterdam: Amsterdam University Press 2019, S. 255–271.

Foucault, Michel. Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses. 18. Aufl., Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2012.

Hirdes, Eike: Beschreibung von wiederverwendbaren Prozessen zur Erreichung von Lernzielen in Serious Games. Kassel: Kassel University Press 2016.

Huizinga, Johan: Homo Ludens. Vom Ursprung der Kultur im Spiel. 22. Aufl., Reinbek: Rowohlt 2011.

Ingelmann, Julian: Kurzgeschichte X.0? Kleine Prosaformen im Kontext der digitalen Laienliteratur. In: Textpraxis. Digital Journal for Philology. Jg. 15, H. 1 (2018), S. 1–18. <https://www.textpraxis.net/julian-ingelmann-kurzgeschichte-X0> [30.09.2019]

Ismailovic, Damir: Application of Adaptivity to Serious Games. Aachen: Shaker 2012.

Kammerer, Dietmar; Waitz, Thomas (Hg.): Überwachung und Kontrolle. Themenschwerpunkt der Zeitschrift für Medienwissenschaft. Jg. 13, H. 2 (2015).

Luhmann, Niklas: Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie. 7. Aufl., Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1999.

Matuszkiewicz, Kai: Wer erzeugt die Geschichte? Mediale und personale Narrationen in digitalen Spielen. In: Conrad, Maren; Schmidtke, Theresa; Stobbe, Martin (Hg.): Digitale Kontexte. Literatur und Computerspiel in der Gesellschaft der Gegenwart. Textpraxis. Digitales Journal für Philologie, Sonderausgabe # 2, (2017). <http://www.uni-muenster.de/Textpraxis/kai-matuszkiewicz-wer-erzeugt-die-geschichte> [30.09.2019]

McGonigal, Jane: Reality Is Broken. Why Games Make Us Better and how They Can Change the World. New York: Penguin Press 2011.

McGonigal, Jane: We Don’t Need No Stinkin’ Badges. How to Re-invent Reality without Gamification. <https://de.slideshare.net/avantgame/we-dont-need-no-stinkin-badges-how-to-reinvent-reality-without-gamification> [30.09.2019]

Orwell, George: 1984. 32. Aufl., München: Ullstein 2000.

Prensky, Marc: Digital Game-Based Learning. St. Paul: Paragon House 2007.

Raessens, Joost: The Ludification of Culture. In: Fuchs, Mathias et al. (Hg.): Rethinking Gamification. Lüneburg: Hybrid Publishing Lab 2014, S. 91–114.

Reichert, Ramón: Digitale Selbstvermessung. Verdatung und soziale Kontrolle. In: Zeitschrift für Medienwissenschaft. Jg. 13, H. 2 (2015), S. 66–77.

Reiners, Torsten; Wood, Lincoln (Hg.): Gamification in Education and Business. Cham: Springer International Publishing 2015.

Ritterfeld, Ute; Cody, Michael; Vorderer, Peter (Hg.): Serious Games. Mechanisms and Effects. New York: Routledge 2009.

Robertson, Margret: Can’t Play, Won’t Play. In: Kotaku. 10.10.2011. <https://kota­ku.com/5686393/cant-play-wont-play> [30.09.2019]

Ryan, Richard M.; Deci, Edward L.: Self-Determination Theory. Basic Psychological Needs in Motivation, Development and Wellness. New York, London: Guilford Press 2017.

Salen, Katie; Zimmerman, Eric: Rules of Play. Game Design Fundamentals. Cambridge: MIT Press 2004.

Schell, Jesse: Die Kunst des Game Designs. Bessere Games konzipieren und entwickeln. 2. Aufl., Frechen: mitp 2016.

Sicart, Miguel: The Ethics of Computer Games. Cambridge: MIT Press 2009.

Vogler, Christopher: Die Odyssee des Drehbuchschreibers. Über die mythologischen Grundmuster des amerikanischen Erfolgskinos. 6. Aufl., Frankfurt a. M.: Zweitausendeins 2010.

Zimmerman, Eric: Manifesto for a Ludic Century. 2013. <https://kotaku.com/ma­nifesto-the-21st-century-will-be-defined-by-games-1275355204> [30.09.2019]

  1. Vgl. Reiners/Wood: Gamification. 2015.[]
  2. Die Ziele bzw. die Intention oder Motivation der Spieler_innen, ‚überwachende‘ Handlungen untereinander auszuführen, können vielfältiger Natur sein. Sie reichen vom Folgen befreundeter Spieler_innen über das Interesse an bestimmten Themen (und damit verbunden den Aktiven in diesem Themenfeld) bis zum Wunsch, im Spiel voranzuschreiten oder im Rangsystem aufzusteigen. Letztlich rekurriert dadurch – zumindest partiell – ein Großteil der Interaktionen von Spieler_innen auf Mechanismen der Überwachung.[]
  3. Ludische Gamification meint hier eine am ‚Ludus‘ nach Roger Caillois orientierte Gamification, die stärker auf spielerische Reglementierung in Verbindung mit einem bestimmten Spielziel setzt (vgl. Caillois: Spiele und Menschen. 1960, S. 19 f.).[]
  4. Vgl. Orwell: 1984. 2000.[]
  5. Vgl. Eggers: The Circle. 2014.[]
  6. Vgl. Ubisoft Montréal: Watch Dogs. 2014.[]
  7. Vgl. Foucault: Überwachen und Strafen. 2012.[]
  8.   Vgl. Kammerer/Waitz: Überwachung und Kontrolle. 2015.[]
  9.   Vgl. Reichert: Digitale Selbstvermessung. 2015.[]
  10. Vgl. Salen/Zimmerman: Rules of Play. 2004, S. 225 f.[]
  11. Vgl. ebd., S. 337.[]
  12. Schell: Kunst des Game Designs. 2016, S. 332[]
  13. Vgl. Luhmann: Soziale Systeme. 1999.[]
  14. Huizinga: Homo Ludens. 2011, S. 22, Hervorh. i. Orig.[]
  15. Vgl. Caillois: Spiele und Menschen. 1960, S. 19 f.[]
  16. Vgl. Zimmerman: Manifesto. 2013.[]
  17. Vgl. McGonigal: Reality Is Broken. 2011.[]
  18. Vgl. Raessens: Ludification of Culture. 2014.[]
  19. Eine der bekanntesten Plattformen in diesem Bereich ist Zooniverse, wo Freiwillige zu Forschungsprojekten beitragen können, indem sie z. B. Dokumente transkribieren oder via optischer Kontrolle Objekte identifizieren können (vgl. Fizek/Dippel: Laborious Playgrounds. 2019). []
  20. Vgl. Prensky: Digital Game-Based Learning. 2007.[]
  21. Limbic Entertainment: Tropico 6. 2019[]
  22. Vgl. Abt: Serious Games. 1970; Bergeon: Developing Serious Games. 2006; Ritterfeld/Cody/Vorderer: Serious Games. 2009; Ismailovic: Application of Adaptivity. 2012 sowie Hirdes: Beschreibung von wiederverwendbaren Prozessen. 2016. []
  23. Vgl. Schell: Kunst des Game Designs. 2016, S. 627–631.[]
  24. Realtime Associates: Re-Mission. 2006[]
  25. Deterding et al.: Gamification. 2011, S. 2, Hervorh. i. Orig.[]
  26. Vgl. exemplarisch McGonigal: We Don’t Need. 2011; Robertson: Can’t Play. 2011.[]
  27. Mojang: Minecraft. 2009[]
  28. Insofern ist zu beachten, dass ich mich in einer Doppelrolle als Entwickler und wissenschaftlicher Begleiter mit unterschiedlichen Perspektiven auf die Materie und partiell widerstrebenden Interessen befinde. Aus entwicklerischer Sicht ist lediglich das Funktionieren der Anwendung relevant, und zwar unabhängig davon, warum und wie es funktioniert, wohingegen aus wissenschaftlicher Perspektive bestimmte Implika­tionen und Annahmen wie ‚verborgene‘ kulturelle Muster oder soziale Mechanismen genauer zu reflektieren sind.[]
  29. Im belletristischen Bereich haben sich bereits ähnliche Schreibforen wie Wortkrieger etabliert (vgl. dazu Ingelmann: Kurzgeschichte X.0. 2018). Ergänzend zu den studentischen Kommentatoren sollen geschulte studentische Schreibberater_innen moderierend und kommentierend fungieren sowie BaS auch für Lehrende geöffnet werden.[]
  30. Gamification und Serious Games können, insofern die Gamification essenzieller Bestandteil bei der Entwicklung einer Anwendung ist, zuweilen ineinander übergehen, sodass sie schwer voneinander zu trennen sind. Deshalb ist es durchaus möglich, auch wenn diese Ansicht hier nicht vertreten wird, BaS als ein Serious Game zu verstehen. Folgt man dieser Auffassung, so kann man die Anwendung von BaS mit Rückgriff auf Prensky als Digital Game-based Learning begreifen. Die Unterschiede, die sich aus diesen verschiedenen Perspektivierungen ergeben, spielen in dem Kontext dieser Betrachtungen zwar keine größere Rolle, sollten aber durchaus reflektiert werden.[]
  31. Unter ‚Creative Nonfiction‘ wird im angelsächsischen Sprachraum ein Textgenre verstanden, das Sach- und Fachtexte mit literarischen Stilelementen anreichert, um die Vermittlungsfunktion der jeweiligen Texte zu steigern.[]
  32. Vgl. Salen/Zimmerman: Rules of Play. 2004, S. 66 f.[]
  33. Auch wenn Joseph Campbell diese narrative Grundstruktur als erster umfassend beschrieb, so ist es die vereinfachte Version von Christopher Vogler, die im Zuge des Designprozesses ausschlaggebend war. Ursächlich ist hierfür einerseits der Umstand, dass diese Version der Heldenreise in der aktuellen Medienkultur bekannter ist, und andererseits die Tatsache, dass Vogler Campbells Modell modifizierte, um es den Gegebenheiten moderner populärkultureller Medienprodukte anzupassen. Vgl. Campbell: Heros. 2011; Vogler: Odyssee. 2010.[]
  34. Der vorgesehene Ablauf einer Quest sieht dabei vor, dass Studierende diese Texte schreiben, welche von der Community im entsprechenden Forum kommentiert werden. Auf dieser Grundlage überarbeiten die Verfasser_innen die Texte, welche erneut der Community vorgelegt werden, welche diese, nach erfolgreicher Absolvierung, anerkennen, sodass die Verfasser_innen zur nächsten Quest voranschreiten können. Dergestalt werden vier Quests mit vier verschiedenen Textsorten durchlaufen, ehe die Spieler_innen den höchsten Rang erhalten, der sie dann auch berechtigt, alle Textsorten zu besprechen.[]
  35. Im zweiten Akt der Heldenreise muss der/die Held_in z. B. verschiedene Herausforderungen bestehen, die letztlich Manifestationen des Lernprozesses der Figur sind. Die Annahme der Figurenkonzeption durch Spieler_innen soll dazu beitragen, die Rolle des lernenden Subjekts anzuerkennen. Wie der/die Held_in lernt, so lernen auch die Studierenden. Durch narrative Anreicherung kann es Lerner_innen somit erleichtert werden, bestimmte Lernhaltungen einzunehmen und dementsprechend zu handeln, wobei sie letztlich durch das (implizite) Wissen über den positiven Ausgang der Geschichte zusätzlich motiviert werden können.[]
  36. Den Spieler_innen kommt hierbei gewissermaßen eine Doppelrolle zu. Im Rahmen ihrer eigenen Heldenreise sind sie Lerner_innen, durch den kollaborativen Schreibcharakter, der auf Kommentare und Feedback angewiesen ist, werden sie aber auch zu Lehrer_innen, die anderen Spieler_innen helfen, deren Heldenreise zu vollenden. Die Funktion als Lehrer_in korrespondiert hierbei mit den narrativen Figuren von Mentor_in und Verbündeten, die dem/der Held_in bei ihren Quests helfen.[]
  37. Vgl. Ryan/Deci: Self-Determination Theory. 2017.[]
  38. Zum Verhältnis von medial implementierten und personal generierten Geschichten in Spielen vgl. Matuszkiewicz: Wer erzeugt die Geschichte? 2017.[]
  39. Unter Korrumpierungseffekt versteht man in der Psychologie die Überlagerung einer primären durch eine sekundäre Motivation. Wenn die Gamification z. B. derart gestaltet ist, dass Lerner_innen nur noch an einem Lernszenario teilnehmen, um Punkte
    oder Auszeichnungen zu sammeln, so kann dies dazu führen, dass die primäre (intrinsische) Motivation überlagert oder verdrängt wird.[]
  40. Diese Ausprägung der Gamification führt den spielbezogenen Vermittlungsansatz in die Nähe von Serious Games, da die Spielartigkeit der gamifizierten Entität insgesamt gesteigert wird. Ob es sich hierbei aber um ein (vollwertiges) Spiel handelt und somit letztlich um ein vollwertiges Serious Game, lässt sich bei aktuellem Kenntnistand nicht gesichert feststellen. Diese Einordnung hängt von der Beurteilung einer ludisch gamifizierten Entität als Spiel ab, welche zum einen ontologisch und zum anderen via Zuschreibung von Nutzer_innen bestimmt werden kann. Eine differenzierte und fundierte Aussage dieser komplexen Fragestellung ist im Rahmen der bisherigen Untersuchungen deshalb nicht artikulierbar. Eine solche Einschätzung ist aktuell aber auch noch nicht notwendig, da die Entwicklung eines weiteren Gamification-Ansatzes bisher im Vordergrund steht. []
  41. Vgl. Sicart: Ethics. 2009, S. 214 ff.[]

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So zitieren Sie diesen Artikel:

Matuszkiewicz, Kai: "Spielerisch wissenschaftlich Schreiben lernen? Das gamifizierte wissenschaftliche Schreibforum ‚Being a Scientist‘". In: PAIDIA – Zeitschrift für Computerspielforschung. 25.06.2020, https://paidia.de/spielerisch-wissenschaftlich-schreiben-lernen/. [21.12.2024 - 13:41]

Autor*innen:

Kai Matuszkiewicz

Dr. Kai Matuszkiewicz ist Medienwissenschaftler und befasst sich neben Game Studies, Medien- und Hochschuldidaktik, Medienproduktion und -rezeption sowie Medien- und Kulturtheorie mit Open Science, Open Access und Wissenschaftskommunikation. Nach einer computerspielwissenschaftlichen Dissertation in Göttingen war er Mitarbeiter in Projekten zur spielbasierten Vermittlung in Kassel und ist gegenwärtig wissenschaftlicher Koordinator des medienwissenschaftlichen Open-Access-Fachrepositoriums "media/rep/" in Marburg. Zudem ist er Mitherausgeber des Open-Media-Studies-Blogs der Zeitschrift für Medienwissenschaft.