Geschichten, die das Spielen schreibt. Werteerziehung mit Clash of Clans.

21. Dezember 2015
Abstract: Das gerade bei Kindern und Jugendlichen sehr beliebte Spiel Clash of Clans ist ein Massively-Multiplayer-Online-Spiel mit emergenten Narrationen – Player-Storys, deren Handlungen sich einzig aus der Performanz der beteiligten Spieler ergeben. Die für moralische Diskussionen notwendigen Konflikte resultieren daher nicht aus der Auseinandersetzung der Spieler mit der computergesteuerten Spielwelt, sondern einzig aus ihrem Verhalten gegenüber ihren Mitspielern. Der Beitrag zeigt, dass eine genaue Kenntnis eines Spielsystems, seiner Mechaniken und Dynamiken, ungeahnte Konfliktpotenziale freilegen kann, bei deren Bewältigung implizite oder explizite Werteentscheidungen getroffen werden müssen. Die daraus entstehenden Abläufe lassen sich im Unterricht thematisieren und auf ihren ethischen Gehalt hin diskutieren.

Ethik-Didaktik: Werteerziehung mit Computerspielen

Die Erziehung zu wertorientiertem Handeln gehört zu den nobleren Aufgaben des Bildungssystems. Während Schulen bei manchen Werten eine klare Erziehungsfunktion zukommt, die bis zur Durchsetzung von Strafen keine inhaltliche Abweichung zulässt, z.B. bei der Menschwürde oder bei der Beachtung der Menschenrechte, muss sie bei anderen Werten zwecks Vermeidung von moralischer Indoktrination auf eine klare Eigenposition verzichtet, z.B. beim Verhältnis von Freiheit und Sicherheit, bei Fragen der Religiosität oder bei der Beziehung von Loyalität zu Solidarität.

Ein gängiger Weg der Werteerziehung ist die Diskussion von moralischen Konflikten, bei denen eine nicht-moralische, weil nicht-verallgemeinerbare Handlung im Widerspruch zu einer aus einem moralischen Wert gebotenen Handlung steht, z.B. Eigennutz gegen Hilfsbereitschaft, Gier gegen Eigentum oder Faulheit gegen Fleiß. In der Werte-Erziehung, von den Gleichnissen der Bibel über Max und Moritz bis zur aktuellen Jugendliteratur, dienen solche Fälle dazu, kognitiv die Einsicht in die Bedeutung der Werte zu erhöhen, affektiv die Akzeptanz des zu lehrenden Moralverständnisses zu steigern und praktisch zu „richtigem“ Handeln anzuleiten. 1

Eine Erziehung zur selbstständigen und kritischen Auseinandersetzung mit Werten wird durch diese Geschichten jedoch nur eingeschränkt gefördert. So wichtig es für eine Gesellschaft ist, einen gemeinsamen Bestand verbindlicher Werte zu teilen, die für eine Demokratie unerlässliche Pluralität der Weltsichten kann nur über die Einsicht vermittelt werden, dass in einer Situation unterschiedliche aber doch gleichberechtigte Entscheidungen möglich sind, die auf verschiedenen Werten beruhen. Dafür gilt es, Entscheidungen auf die ihnen zu Grunde liegenden Werte zurückführen zu können.

Immanuel Kant hat in seiner dritten Kritik die dafür notwendige Kompetenz benannt: „Urteilskraft überhaupt ist das Vermögen, das Besondere als enthalten unter dem Allgemeinen zu denken. Ist das Allgemeine (die Regel, das Prinzip, das Gesetz) gegeben, so ist die Urteilskraft, welche das Besondere darunter subsumiert, […] bestimmend.“ 2 Die Subsumtion einer Handlung unter den passenden Wert, ist eine Anwendung dieser bestimmenden Urteilskraft. Ihre Ausbildung ist, wie alle Anwendungen von Urteilskraft, nicht lehr- aber lernbar. 3 Lehrbar ist sie nicht, weil es kein unabhängiges Kriterium für eine korrekte Subsumtion gibt. Es kann keine Regel und kein Prinzip angegeben werden, mit dem unabhängig vom Fall entschieden werden kann, ob ein gewählter Oberbegriff korrekt ist, weil die Anwendung dieser Regel ihrerseits bereits Urteilskraft voraussetzen würde. Lernbar ist sie, weil die angeleitete Anwendung zur Verfeinerung des eigenen Urteilsvermögens führt, gelernt wird durch den Umgang mit praktischen Beispielen, die anschließend diskutiert werden. Hierin unterscheidet sich die moralische nicht von der medizinischen oder der juristischen Urteilskraft, deren Ausbildung ein Studium von allgemeinen Regeln, Prinzipien und Gesetzen mit beständiger Diskussion von Fällen umfasst, sei es in Form von Diagnosen oder Rechtsauslegungen. Die moralische Urteilskraft zielt auf die Subsumtion einer Handlungsintention unter moralische Werte, ihre Ausbildung ist zentraler Bestandteil einer Werteerziehung. 4

In der Ethikdidaktik hat sich spätestens seit Kohlberg 5 das moralische Dilemma als geeignete Methode etabliert, über Entscheidungen und die ihnen zugrunde liegenden Werte miteinander ins Gespräch zu kommen. 6 Ein moralisches Dilemma liegt vor, wenn es zwei miteinander konkurrierende Werte gibt, die zu unterschiedlichen Handlungsempfehlungen führen. Berühmt ist Kohlbergs Beispiel der kranken Frau, die nur durch ein gestohlenes Medikament geheilt werden könnte, wobei die Befragten sich zwischen den Werten Eigentum und Menschenleben entscheiden müssen. Gerade weil Dilemmata keine eindeutige und richtige Lösung aufweisen, eigenen sie sich gut für Diskussionen zur Freilegung von Wertvorstellungen, die nicht mehr gegeneinander aufgerechnet werden können. Unterrichtsmaterial für dieses Vorgehen gibt es reichlich: Dilemmageschichten aus der Ethikdidaktik 7 oder das Kartenspiel „jetzt mal ehrlich“ der Bundeszentrale für politische Bildung mit Dilemmata aus den Bereichen Zivilcourage, Straftaten, Sozialverhalten und Politischer Einstellung, mit Material für Diskussionen inkl. Hinweise für Lehrer, die es in einer Unterrichtseinheit „Gesellschaft“ einsetzen wollen. 8 Einen ähnlichen Weg verfolgt die Fachgruppe „Ethik“ der Gesellschaft für Informatik e.V., die längere Fallbeispiele über den fragwürdigen Einsatz von digitalen Technologien vorstellt und in einer Reihe von Fragen enden lässt 9 Weitere Quellen für moralische Dilemmata sind Erzählungen, zu finden in Büchern, Filmen oder Comics. Auch Computerspiele können Geschichten anbieten, über die es sich zu sprechen, oder genauer: anhand derer die Bildung der eigenen moralischen Urteilskraft sich einzuüben lohnt.

Ein entscheidendes Merkmal dieser Geschichten ist ihre Fiktionalität, die dort beschriebenen Konflikte und Dilemmata sind nicht in der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler verankert und nur selten kann eine Kenntnis ähnlicher Fälle vorausgesetzt werden. Dies mag bei Erzählungen noch durch die Möglichkeit der empathischen Rollenübernahme ausgeglichen werden, 10 bei Computerspielen wird eine Wertediskussion aber zusätzlich dadurch erschwert, dass Spielentscheidungen nicht nur aus der Erzählwelt heraus getroffen werden, sondern die Spieler darin immer auch den weiteren Spielverlauf berücksichtigen müssen.

Unterrichtsmaterial: Progressive und emergente Spiele

Moralische Betrachtungen von Computerspielen beruhen regelmäßig auf der Bewertung von Entscheidungen in Spielen mit vorgeplanter Narration, die sich ggfs. in verschiedene Alternativen teilt. Diese heißen nach Jesper Juul ‚progressive Spiele’:

In progression games, the player has to perform a predefined set of actions in order to complete the game. One feature of the progression game is that it yields strong control to the game designer: Since the designer controls the sequence of events, this is also where we find the games with cinematic or storytelling ambitions. 11

Die diskussionswürdigen Handlungen werden dabei im Spannungsfeld von Erzählung und Spielmechanik getroffen, zum Voranbringen des Spielverlaufs wird der Spieler vor Entscheidungen gestellt, die ein Abwägen verschiedener Werte innerhalb der Spielwelt erfordern. Soweit bewegt sich die Analyse auf narratologischem Grund, ein Protagonist steht vor einer Entscheidung, deren Alternativen innerhalb der Diegese sinnbehaftete Werte repräsentieren. Aus dem Ergebnis der Abwägung wird anschließend auf die moralische Verfasstheit des steuernden Spielers geschlossen.

Eine moralische Bewertung dieser Abwägung fällt jedoch schwer, wenn eine narrativ fragwürdige Entscheidung (z.B. der Tod einer Spielfigur) spielerische Vorteile (z.B. Ressourcen) verspricht, die weniger narrativ als vielmehr spielmechanisch relevant sind. Während das Inkaufnehmen spielerischer Nachteile für narrative Vorteile als ehrenwertes Opfer gesehen wird, z.B. in Bioshock (Irrational Games 2007) darauf zu verzichten, die Little Sisters zu ernten – gilt umgekehrt der Tausch narrativer Nachteile für spielerische Vorteile als moralisch fragwürdig bis unethisch. Der narrativen und audiovisuellen Bedeutungsebene eines Spiels wird bei einer solchen Bewertung ein höherer Stellenwert beigemessen als der ludischen, die mit Siegbedingungen und Spielmechaniken eigene Handlungsoptionen nahelegt, die mitunter quer zu den Erwartungen der Erzählung stehen. Ganz anders fällt das Urteil in abstrakten Spielen wie Schach oder Go aus, in denen das Opfern von Spielfiguren für positionelle Vorteile als valide Option und Zeichen für fortgeschrittene Strategie gilt.
Besonders problematisch wird diese Priorisierung der Erzählung, wenn der spielerische Gewinn aus nichts weniger als der Fortsetzung des Spiels besteht, der narrative Verluste in den Weg gestellt werden: Auslösen der Phosphor-Bomben in Spec Ops: The Line (Yager 2012), Foltern des Informanten in GTA V (Rockstar 2013), Umbringen des Chirurgen in The Last of Us (Naughty Dog 2013). Zwar ist das Aufgeben eines Spiels immer eine Option, der Verzicht darauf erfolgt aber nicht unter denselben Wertmaßstäben, die von der Narration nahegelegt werden. Die Frage lautet dann nicht „wie viel ist Dir diese Spielfigur wert“, sondern „wie viel ist Dir das Spiel wert?“.

Der oben erwähnte Konflikt entsteht, wenn die ideale, als moralisch „gut“ konnotierte Progression der Storyereignisse durch Spielhandlungen unterlaufen werden kann bzw. durch ludische Anreize sogar unterwandert werden soll. Ein solcher Widerspruch zwischen Erzählung und Spielmechanik, die ludo-narrative Dissonanz, 12 in Einzelspielerspielen mit progressiver Narration kann sowohl die moralische Bewertung von Spielerentscheidungen als auch die Werte-Diskussion mit Schülerinnen und Schülern prägen, wenn zunächst die Prioritäten zwischen Spielerzählung mit fiktiven Konflikten und Spielmechanik zu klären sind, wenn auf die Frage „wieso hast Du der alten Frau das Essen gestohlen?“ die Antwort lautet „damit ich meine Lebenspunkte auffrischen konnte!“.

Von progressiven Spielen unterscheidet Juul die emergenten: „Emergence is the primordial game structure, where a game is specified as a small number of rules that combine and yield large numbers of game variations, which the players then design strategies for dealing with.“ 13 Emergente Spiele definieren sich durch vorgegebene Regeln, die den Verlauf eines Spiels bestimmen, ohne dass eine auktorial erstellte Erzählung verschiedene Ereignisse zusammenklammert. Die Narrationen ergeben sich aus dem Spielverlauf in Form von Player Stories. Ein typisches Beispiel außerhalb der Computerspiele ist Fußball, dessen Regelsystem zwar keine Narration enthält, dennoch Spielern wie Zuschauern nach einem Spiel eine Menge zu berichten, zu interpretieren, zu diskutieren und zu bewerten gibt. Diese Erzählungen sind für das Sportereignis ebenso wichtig wie für die Erinnerungskultur, weswegen Sportberichterstatter den Spielverlauf in Echtzeit in eine lineare Narration transformieren. Computersportspiele wie FIFA (EA Sports, Kommentare seit 1997) oder NBA (EA Sports, Kommentare seit 1999) versuchen, diesen Transformationsprozess semi-prozedural zu simulieren, wenngleich mit mäßigem Erfolg.
Die Leidenschaft, mit der jugendliche Spieler und Zuschauer ihre Spiel- und Rezeptionserlebnisse referieren, übersteigt den Eifer der Nacherzählung vorgefertigter Narrationen bei weitem. Eine gut erzählte Geschichte bleibt im Gedächtnis, eine selbstgestaltete aber will mitgeteilt werden, sei es auf dem Pausenhof, in selbst produzierten Let’s-Plays oder im Unterricht.
Emergente Geschichten sind authentisch, weil sie von Spieler nicht bloß rezipiert, sondern co-produziert werden. In emergenten Multiplayerspielen stecken hinter den anderen Figuren echte Menschen, die gemeinsam eine Geschichte entwickeln, von keinem Autor geplant, bislang von niemandem erzählt und die gerade deshalb nicht in die Welt der Fiktionen gehört.
Zu den Aufgaben einer an Werteerziehung interessierten Computerspielbildung gehört es, Handlungen in emergenten Spielverläufen zusammen mit den Spielerinnen und Spielern unter moralische Werte zu subsumieren und damit einer ethischen Reflexion und Diskussion zugänglich zu machen.

Fallbeispiel: Clash of Clans

Eine Diskussion im Klassenverband erfordert einen gemeinsamen Zugang zum Unterrichtsmaterial. Aus diesem Grund eignet sich das erwähnte Fußball oder andere Mannschaftssportarten – emergente Multiplayer-Spiele mit zahlreichen Handlungen, die auf Werteentscheidungen basieren – nur eingeschränkt für die Diskussion, weil der Zugang zum Spiel für viele Schülerinnen und Schüler mit hohem persönlichen Aufwand verbunden ist.

Computerspiele können einen virtuellen Erfahrungsraum bilden, der einerseits genügend Konfliktpotenzial bietet, um wertorientierte Diskussionen anzuregen, andererseits niederschwellig genug ist, um von einer Klasse gemeinsam aufgesucht zu werden. Empfehlenswert ist es, wenn das ausgewählte Spiel bereits eine solide Verbreitung hat, weil dadurch sowohl die notwendigen Spielkompetenzen vorhanden sind als auch die Motivation höher ist, über einen positiv besetzten Teil der eigenen Lebenswelt zu sprechen.
Das gerade bei Kindern und Jugendlichen sehr beliebte Spiel Clash of Clans (Supercell 2010) ist ein Massively-Multiplayer-Online-(MMO-)Spiel mit emergenten Narrationen – Geschichten, deren Konflikte und Lösungen sich einzig aus der Spielmechanik und der Performanz der verschiedenen Spieler ergeben. Derartige kollektiven Erzählungen werden, zumindest nach meinen Erfahrungen, von den Spielerinnen und Spielern intensiver wahrgenommen, diskutiert und verhandelt als die progressiven Fiktionen der altersgemäßen Alternativtitel. Die für moralische Diskussionen notwendigen Konflikte ergeben sich bei emergenten Multiplayer-Spielen nicht aus der Auseinandersetzung von regelkonformen Entscheidungen mit narrativen Elementen, sondern einzig aus dem Verhalten von Spielern gegenüber ihren Mitspielern.

Clash of Clans eignet sich aus verschiedenen Gründen hervorragend für eine Diskussion von Werteentscheidungen im Schulunterricht:

  • Das Spiel ist geeignet für die Zielgruppe, das empfohlene Alter liegt bei 10 Jahren. 14
  • Als Free-to-Play-Titel steht es auf nahezu jeder mobilen Plattform kostenlos zur Verfügung, durch Einsatz von Emulatoren auch auf stationären PCs. Es kann daher sehr einfach als Unterrichtsmaterial genutzt werden.
  • Die bereits vorhandene hohe Verbreitung stellt sicher, dass viele Schülerinnen und Schüler Vorkenntnisse in die Diskussion mitbringen und damit in ihrer Lebenswelt abgeholt werden.
  • Zu beachten ist dabei, dass Clash of Clans bevorzugt von Jungen gespielt wird 15, was einen Einsatz in gemischten Lerngruppen nicht ausschließt, aber zu entsprechendem Rezeptions- und anschließendem Diskussionsverhalten beitragen dürfte.
  • Unterschiede in der Spielkompetenz werden durch das Ligensystem ausbalanciert, das dafür sorgt, dass Spieler mit vergleichbar gut ausgebauten Dörfern unter sich bleiben. Die weiter unten beschriebenen Phänomene können hingegen in jeder Liga beobachtet werden, womit das Spiel auch in Gruppen mit heterogenen Vorkenntnissen besprochen werden kann.
  • Obwohl das Setting fiktiv ist, sind die Konflikte real. Jeder Clan besteht aus echten Spielern, nicht aus computergesteuerten Figuren. Wer diese Gruppe im Konfliktfall im Stich lässt, keine Truppen spendet oder im Clanchat pöbelt, beeinträchtigt das Spielerlebnis anderer Menschen, die entsprechend reagieren werden. Die Ergebnisse der Diskussion über wertegesteuertes Handeln in Computerspielen lassen sich damit deutlich einfacher auf andere Lebensbereiche übertragen als Beobachtungen einer Spielfigur, die, wie in Mass Effect, in einem intergalaktischen Konflikt unpopuläre Entscheidungen treffen muss, von denen nur die künstlichen Intelligenzen im Computer betroffen sind.

 

Nicht unerwähnt bleiben darf an dieser Stelle die Kritik, Free-to-Play-(F2P-)Spiele wie Clash of Clans seien ethisch bedenklich, weil sie mit suchtfördernden Mechaniken Spieler in den Konsum zwingen. 16 Ohne die Diskussion über F2P-Titel an dieser Stelle führen zu können, sollten diese Sorgen zwar zur Kenntnis genommen, ihre Warnungen aber differenziert betrachtet werden. Der Kauf von Premiumwährung zur Verringerung von Wartezeiten ist in den meisten F2P-Spiel keinesfalls erforderlich. Da sich die meisten Schüler die prohibitiv teure Premiumwährung ohnehin nicht leisten können, finden sie andere Umgangsformen mit derartigen Spielen. Ihr Spielstil ändert sich von den bei Konsolenspielen üblichen wenigen, zusammenhängenden Zeitblöcken in zahlreiche kurze Spielabschnitte. Die Wartezeit zwischen diesen Abschnitten ist Teil des F2P-Erlebnisses, das man mögen kann oder nicht, das aber keineswegs als Belastung oder gar als Bedrohung empfunden werden muss. Der Umgang mit derartigen Spielen erfordert vielmehr eine andere Strukturierung der Spielzeit im Vergleich zu gewohnten Vollpreistiteln, was aber vor allem eine Frage der Gewöhnung ist. Gerade bei Clash of Clans verlängern sich die anfänglichen Spielpausen rasch vom Minuten- zum Stundentakt, der nicht in Konkurrenz mit anderen Beschäftigungen steht.

Um die Möglichkeiten zu verstehen, wie durch Clash of Clans mit Schülern Gespräche über Werte zustande kommen können, muss im Folgenden zunächst das Spiel kurz vorgestellt werden. Dabei beschränkt sich die Darstellung auf die für die anschließenden Ausführungen notwendigen Spielmechaniken unter Umgehung der Feinheiten. Diese sollten bei Thematisierung des Spiels im Unterricht freilich präsent sein, eigene differenzierte Spielerfahrung ist auf Lehrer- wie SchülerInnenseite unerlässlich.

Clash of Clans ist ein MMO-Tower-Defense-Spiel des finnischen Entwicklers Supercell, das seit 2012 für iOS und seit 2013 für Android-Geräte verfügbar ist.

Abbildung 1: Ein Dorf mit zentralem Rathaus und vollen Truppenlagern. (Screenshot aus "Clash of Clans" 2012)

Abbildung 1: Ein Dorf mit zentralem Rathaus und vollen Truppenlagern. (Screenshot aus "Clash of Clans" 2012)

Der Spieler ist für ein Dorf verantwortlich, das aus einem Rathaus und verschiedenen Gebäuden besteht, die durch Mauern geschützt werden (Abb. 1). Spieler können andere, zufällig ausgewählte Dörfer mit im Vorfeld trainierten Truppen überfallen und ausrauben, wobei die erbeuteten Ressourcen des Überfallenen als Nullsummenspiel dem Angreifer gutgeschrieben, zerstörte Gebäude aber automatisch und kostenfrei wieder aufgebaut werden.

Bei einem Angriff können je nach Zerstörungsgrad bis zu drei Sterne gewonnen werden:

Die Zerstörung von mehr als 50% der Gebäude wird mit einem Stern belohnt. Die Zerstörung des Rathauses alleine ist ebenfalls einen Stern wert. Eine vollständige Zerstörung aller Gebäude (100%) ergibt einen weiteren Stern. Ein Angriff gilt für den Angreifer als gewonnen, wenn mindestens ein Stern erhalten wurde. Neben den erbeuteten Ressourcen sind die Siegsterne Berechnungsgrundlage für eine bestimmte Anzahl Pokale, die ebenfalls vom Verlierer zum Sieger wechseln. Ein gewonnener Angriff bringt dem Angreifer Pokale ein, ein verlorener kostet ihn Pokale. Das Rathaus nimmt in einem Dorf insofern eine zentrale Stellung ein, weil dessen Zerstörung bereits über Sieg und Niederlage entscheidet und mit dessen Ausbau (s.u.) weitere Spieloptionen freigeschaltet werden können.

Die Kernmechanik des Spiels ist eine sorgfältig ausbalancierte Ökonomie, bestehend aus den drei Basisressourcen, Gold, Elixier und Dunkles Elixier. Hinzu kommen zahlreiche weitere Währungen, darunter Level, Clanränge, Pokale, Ligen, Kriegssterne etc. (Abb. 2), auf deren Vorstellung aber an dieser Stelle verzichtet werden muss. Zentral ist die Anzahl der durch Angriffe gewonnenen Pokale, die direkt über die Zugehörigkeit zu einer Liga entscheiden (Abb. 3).

Abbildung 2: Spielerprofil mit Übersicht über die akkumulierten Erfolge (Screenshot aus "Clash of Clans" 2012)

Abbildung 2: Spielerprofil mit Übersicht über die akkumulierten Erfolge (Screenshot aus "Clash of Clans" 2012)

Spielziele bestehen darin, den eigenen Rang in einer oder mehrerer der zahlreichen Listen zu verbessern, die durch den Besitz der einzelnen Spielwährungen geführt werden. Dies kann u.a. über das Sammeln von Ressourcen zum Auf- und Ausbau des eigenen Dorfes, insbesondere des Rathauses, oder über das Gewinnen von Pokalen und die damit verbundene Zugehörigkeit zu einer Liga erreicht werden. Als Premiumwährung, eines der typischen Merkmale von F2P-Titeln, werden Diamanten von Supercell gegen Echtgeld verkauft und in geringen Mengen auch im Spielverlauf kostenlos zur Verfügung gestellt. Diamanten können in andere Ressourcen und vor allem in Zeit umgetauscht werden, die für den Auf- und Ausbau von Gebäuden oder das Trainieren von Truppen erforderlich ist. Der Kaufanreiz ist im Spiel zwar sehr präsent, das Geld aber in der Regel nicht, sodass die meisten Spieler nicht nur auf den Kauf von Diamanten verzichten, sondern es im Gegenteil sogar als unehrenhaft empfinden, ihren Spielfortschritt über Zahlung von Geld zu beschleunigen. 17

Spieler können sich zu Gruppen, den Clans, zusammenschließen, was mehrere Vorteile bietet:

  1. Im Clanchat können Nachrichten ausgetauscht werden, die außerhalb des Clans nicht sichtbar sind.
  2. Clanmitglieder haben die Möglichkeit, sich gegenseitig Truppen für Angriffe oder Verteidigung zu spenden.
  3. Ab 10 Mitgliedern können Clankriege gestartet werden, bei denen der Clan gewinnt, der innerhalb von 24 Stunden mehr Siegsterne bei Angriffen auf gegnerische Dörfer sammelt, wobei jedes Clanmitglied in dieser Zeit bis zu zwei Dörfer angreifen kann.

Durch diese soziale Komponente schließen sich daher nicht selten Cliquen einer Schulklasse gemeinsam einem Clan an oder gründen einen eigenen. Damit verfügt das Spiel über ein soziales „Innen“, das von einem „Außen“ getrennt ist, was zu Erwartungshaltungen in Bezug auf das Verhalten und die Loyalität der Clanmitglieder zu ihrer Gruppe führt. In diesem Zusammenhang kann mit der Klasse diskutiert werden, wie der Kauf von Premiumwährung und damit von Spielfortschritt zu bewerten ist. Vor allem reichere Kinder könnten versucht sein, ihr ökonomisches Kapital in Prestige zu tauschen, das mit bessern Spielstatistiken einhergeht. Für den Clan ist ein starkes Mitglied allerdings ohne Bedeutung, einerseits profitiert er von starken Truppen, andererseits wird bei Clankriegen ein ähnlich strukturiertes Dorf auf der Gegenseite ausgewählt, wodurch sich die Vorteile kompensieren.

Strategien

Die zahlreichen dokumentierten Spielstrategien 18 gliedern sich in zwei grundsätzlich unterschiedliche Varianten, um die verschiedenen Spielziele zu erreichen, jeweils in einer offensiven und einer defensiven Ausprägung:

  1. Pokale sammeln (trophy hunter): Die Anzahl der Pokale und damit die Ligenzugehörigkeit (Abb. 3) soll maximiert werden. Dabei wird das Rathaus im Inneren des Dorfes beschützt und Pokale entweder durch erfolgreiche Angriffe oder durch erfolgreiche Verteidigungen erworben. Beides kostet Ressourcen, weil ein erfolgreicher Angriff nur über teure Truppen möglich ist und ein entschlossener Gegner auf dem Weg zum Rathaus zahlreiche Ressourcen erbeuten wird. Pokalsammler greifen entweder schwächere Gegner an, die vollständig besiegt werden können und damit viele Pokale versprechen, oder aber Farmer mit exponiertem Rathaus (s.u.), welches, mit wenigen Truppen zerstört, zwar weniger Pokale Wert ist als ein 100-Prozent-Sieg, diese aber im Verhältnis zu den eingesetzten Truppen deutlich billiger sind.
  2. Ressourcen sammeln (farmer): Die Anzahl der Ressourcen und damit der Ausbau des eigenen Dorfes soll maximiert werden. Das Rathaus wird dabei vor die Dorfmauern gestellt (Abb. 1), was leichte Angriffe provoziert, die bei Zerstörung des Rathauses bereits mit einem Stern als gewonnen gelten. Die verlorenen Pokale werden gegen ein Schild eingetauscht, welches das Rathaus und damit auch die Ressourcensammler über einen halben Tag vor weiteren Angriffen beschützt. In der Offensive greifen Farmer ausschließlich Ressourcensammler und Lager an, selbst um den Preis, dabei keine Pokale zu gewinnen. Wichtig ist ihnen allein das Verhältnis zwischen Kosten und Dauer der Truppenausbildung zum erzielten Gewinn. 19

Abbildung 3: Ligen und die für sie erforderlichen Pokalzahlen. (Screenshot aus "Clash of Clans" 2012)

Die Symbiose zwischen Farmer und Pokalsammler

Die Entscheidung zwischen Pokalen oder Ressourcen ist eine Entscheidung zwischen Prestige oder Entwicklung, zwischen sozialem Ansehen oder effizienter Infrastruktur. Pokalsammler und Farmer gehen damit ein symbiotisches Verhältnis ein, der Farmer tauscht Schild gegen wenige Pokale, die der Pokalsammler im Gegenzug für wenige eingesetzte Ressourcen gewinnt. 20 Beide profitieren von diesem Handel in Bezug auf ihre jeweiligen Spielziele. Dieser stillschweigende Vertrag ist Grundlage für die folgenden Fragen, die mit Schülerinnen und Schülern diskutiert werden können.

Sollte das freistehende Rathaus eines Farmers angegriffen werden oder nicht?

Hierbei geht es um die grundlegende Frage, ob das angesprochene Vertragsverhältnis überhaupt respektiert werden sollte. Zum einen werden die Pokale vom Pokalsammler nicht in einem ehrlichen Kampf gewonnen, sondern als Geschenk entgegengenommen. Zum anderen führt das Schild des Farmers zu einem unangreifbaren Dorf, ohne dass dies durch nennenswerte Verluste gerechtfertigt wäre. Die Diskussion basiert auf dem Wert, der Pokalen oder Ressourcen beigemessen wird, und auf der Fähigkeit, andere Prioritäten akzeptieren zu können oder nicht. Der allein auf die im Kampf gewonnenen Pokale und auf das damit verbundene Prestige orientierte Spieler empfindet sowohl das Verschenken als auch das Annehmen von Pokalen als unehrenhaft, der ökonomisch denkende Spieler sieht die Vorteile des Handels.

Sollte ein Farmer gefarmt werden, ohne ihm ein Schild zu gewähren?

Der Farmer bietet Pokale gegen den bestmöglichen Schutz seiner Ressourcen an. Ein Angreifer, der lediglich die Ressourcen eines Farmers stiehlt, ohne ihm im Austausch diesen Schutz zu gewähren, weil er weder das Rathaus, noch genügend Gebäude zerstört, „behandelt einen anderen Menschen auf eine Art und Weise, die diesem Menschen etwas Leid zufügt und vollständig die Wünsche dieses Menschen vernachlässigt. Diese Handlung […] ist unmoralisch.“ 21 Auf der anderen Seite kann ein schildloses Dorf evtl. in kurzer Zeit erneut angegriffen werden, was z.B. ein essentieller Bestandteil der Strategie des „low trophy farming“ ist. 22

Darf ein ausgestelltes Rathaus durch Fallen (z.B. verborgene Teslas) gesichert werden?

Ziel dieser Taktik ist es, einen ‚Rathaus-Sniper‘ (Pokalsammler, der lediglich freistehende Rathäuser angreift) zum Aufgeben zu bewegen, was sich in Form von Pokalen für den Verteidiger auszahlt. Damit wird ebenfalls die Vereinbarung zwischen Farmer und Pokalsammler verletzt, weil ein Tauschangebot suggeriert wird, ohne es einzulösen. Schlimmer noch, diese Taktik untergräbt generell das Vertrauen in freistehende Rathäuser. Der falsche Farmer beschädigt damit das symbiotische Verhältnis von Pokalsammlern und Farmern, mit Auswirkungen auf unbeteiligte Dritte.

Darf man sich an einem Rathaus-Sniper rächen?

Jeder Angriff kann aus dem Verteidigungslog heraus direkt vergolten werden, in dem die vergangenen Angriffe und Verteidigungen gelistet sind. Dies kostet keine Suchgebühr, ein solcher Angriff kann vorbereitet und anschließend nicht erneut vergolten werden. Ein Rathaus-Sniper hat seinen Teil des Vertrags erfüllt, Pokale gegen Schild zu tauschen. Eine Rache ist möglich, aber als Verhalten zumindest diskussionswürdig.

Sozialverhalten in Clans

Als soziale Formation sind Clans von dem gemeinsamen Ziel ihrer Mitglieder getragen, zusammen mehr zu erreichen als alleine. In vielen Clans kennen sich die Mitglieder persönlich, dennoch kommt es regelmäßig zu problematischen Verhaltens- und Konfliktmustern, 23 24 für die soziale Ausgleichsregeln gefunden werden müssen. Konflikte in einem Clan zu lösen, setzt Sozialkompetenzen und Gruppenleitungsfähigkeiten voraus, bei der mitunter unpopuläre Entscheidungen zu treffen sind, wenn z.B. unsoziale Mitglieder aus dem Clan geworfen werden müssen. Im folgenden Abschnitt werden typische Problemspieler vorgestellt, deren Verhalten als Diskussionsgrundlage über soziale Regeln in Online-Communities genutzt werden kann.

Leecher bitten regelmäßig um Truppen, spenden aber keine eigenen. Als Reaktion stellen viele Clans Regeln zum Spenden-Gespendet-Verhältnis auf. Dennoch gibt es außer sozialem Druck kein technisches Mittel, diese Regeln auch durchzusetzen.

Farmer beteiligen sich nicht an Clankriegen, weil sie die dafür notwendigen Ressourcen lieber zum Ausbau ihres Dorfes verwenden. Wenn sie ihre Angriffe in Kriegen aber nicht nutzen, fehlen entscheidende Sterne. Auch hier müssen klare Regeln formuliert sozial durchgesetzt werden. Inzwischen kann jedes Clanmitglied im Profil (Abb. 2) angeben, ob eine Teilnahme an Clankriegen gewünscht ist oder nicht. Der Spieler kann jedoch ungeachtet dieser Information als Teilnehmer in einem Clankrieg angemeldet werden, was jedoch die Frage nach der Legitimität einer solchen Anmeldung mit sich führt.

Griefer werden Mitglied in einem Clan, lassen sich zum Ältesten oder Vize-Anführer befördern und werfen aus dieser Position grundlos rangniedrigere Clanmitglieder aus dem Clan. Die dadurch entstehende Unruhe kann zur völligen Auflösung des Clans führen. Viele Clans reagieren auf dieses Verhalten, indem sie jedes Neumitglied automatisch zu Vize-Anführern befördern, die lediglich vom Anführer gekickt werden können. Dies entwertet jedoch die Clanränge, die sowohl soziale als auch operationale Funktionen haben.

Hopper werden Mitglied in einem Clan, bitten um Verstärkertruppen und treten anschließend sofort wieder aus.

Spender sind das Gegenteil von Hoppern, sie treten in einen Clan ein, um Truppen zu spenden und damit Levelpunkte zu sammeln. Anschließend verlassen sie den Clan wieder.

Trolle provozieren und schimpfen im Clanchat, vandalieren in der Clanbeschreibung und versuchen, den Clan von innen heraus zu zerstören.

Diven erwarten eine besondere Behandlung, sei es aufgrund tatsächlich erbrachter Leistungen oder aus einem überzogenen Selbstverständnis heraus.

Virtuelles Kriegsrecht

Auch Clankriege bergen zahlreiche soziale Konfliktsituationen, ausgelöst durch Verhalten, das dem Kernziel entgegensteht, Sterne und damit Siegpunkte für den eigenen Clan zu sammeln:
Ein Spieler wird gegen seinen Willen zu einem Clankrieg angemeldet; eine Spielerin bekundet ihre Bereitschaft, sich an einem Clankrieg zu beteiligen, greift aber nicht an; ein Spieler verwendet ein Farmer-Layout mit exponiertem Rathaus im Clankrieg; eine Spielerin greift im Clankrieg zu starke Gegner an, wodurch weniger Sterne als möglich gesammelt werden; ein Spieler greift zu schwache Gegner an, und nimmt damit schwächeren Clanmitgliedern die Möglichkeit, Sterne zu sammeln; eine Spielerin greift einen Gegner erneut an, um evtl. einen Zusatzstern zu gewinnen, anstatt einen neuen Gegner zu wählen; ein Spieler greift im Clankrieg die Ressourcen des Gegners an und verzichtet auf Sterne.

Eine Besonderheit ist der Akt des Spionierens. Dabei tritt während der Vorbereitungsphase eines Clankriegs ein Spieler in den gegnerischen Clan ein, dokumentiert die Fallen und Verstärkungstruppen und teilt diese Informationen seinem Clan mit. Zu behandeln wären die Fragen, ob dies eine Art des Schummelns ist, ein Versuch, in die Karten des Gegners zu blicken, oder ob es vielmehr eine besonders raffinierte Taktik ist und in einem gespielten Krieg jeder mögliche Zug auch als legitim angesehen werden sollte.

Ansätze zur Unterrichtsgestaltung

Aus den Ausführungen wird deutlich, dass eine wertbezogene Diskussion über die sozialen Konflikte in emergenten Multiplayerspielen eine detaillierte Kenntnis der Spielmechaniken und -dynamiken voraussetzt. Dies kann nur von einer Lehrkraft geleistet werden, die sich über einen längeren Zeitraum mit dem Spiel beschäftigt hat, was angesichts der demoskopischen Spielerverteilung aber nicht unwahrscheinlich ist. 25 Vergleichbare Diskussionen ließen sich auch über andere Computerspiele mit Online-Communities führen, von FIFA (EA Sports) über Minecraft (Mojang) bis zu World of Warcraft (Blizzard). Der Vorteil von Clash of Clans ist der kostenlose Zugang, die hohe Verbreitung unter Schülern, die geringe Hardware-Anforderung, eine überschaubare Spielmechanik, die aber individuell verschiedene und gegenläufige Spielziele ermöglicht. Für eine derart intensive Spiel- und Gruppendynamik benötigen andere Spiele deutlich komplexere Systeme, die weder von Lehrern noch von Schülern in überschaubarer Zeit in einem für die hier vorgestellten Diskussionspunkte erforderlichen Ausmaß gemeistert werden können.

Bei der Planung einer Unterrichtseinheit könnten mögliche Unterrichtsphasen die folgenden Punkte umfassen:

Geschichten sammeln: Die Schülerinnen und Schüler beschreiben ihre eigenen Erfahrungen mit dem Spiel, mit seiner Mechanik und Dynamik, sie stellen ihre Strategien vor und berichten von eigenen oder beobachteten Partien.

Konflikte identifizieren und katalogisieren: Ähnliche Geschichten und Erlebnisse führen zur Identifizierung typischer Probleme sowohl mit Einzelspielern als auch in Clans. Dabei spielen die Handlungsgründe noch eine untergeordnete Rolle, zunächst geht es um eine Liste typischer Konfliktsituationen.

Handlungsleitende Werte herausarbeiten: In diesem Schritt geht es um die bestimmende Urteilskraft, darum, die Motivation von Handlungen zu verstehen, sowohl die eigene als auch die der anderen. Rollenübernahme kann dabei helfen, eigenes Verhalten zu reflektieren und das von anderen einzuordnen. Der Versuch, gegenläufige Spielziele zu erreichen, wird als spielinternes Dilemma verstanden und vermeintliches Fehlverhalten anderer ggfs. auf unterschiedliche Prioritäten zurückgeführt.

Strategien des Umgangs diskutieren: Im letzten Schritt geht es um die Aufstellung eines Verhaltenskodex für Spieler und Clans. Ein Transfer auf realweltliche Gruppenerfahrungen ist möglich, weil ein Clan eine echte Gruppe ist, in der Menschen versuchen, ihre Ziele zu koordinieren. Das Spiel gewinnt damit den Charakter des Probehandelns, wobei sozial ausgehandelte Regeln dafür sorgen sollen, die als störend empfundenen Auswüchse der Spieldynamik zu vermeiden.

Eine derartige Unterrichtseinheit zu einem Computerspiel ist allerdings nur möglich, wenn die Begeisterung für das Spiel auf Schülerseite bereits vorhanden ist. Clash of Clans ist keine Hausaufgabe, sondern ein Aufhänger, um Schülerinnen und Schülern zu verdeutlichen, dass moralische Kategorien auch auf ihren außerschulischen Alltag und sogar auf ihr Handeln in Computerspielwelten anwendbar sind. Dass es keine Begriffe sind, die sich nur für die Bewertung eines fiktiven Diebstahls von lebensrettenden Medikamenten eignen, sondern das eigene Verhalten und das von anderen zu reflektieren, zu diskutieren und zu verstehen helfen.

Fazit

Trotz seiner unscheinbaren, comichaften Präsentation ist Clash of Clans ein Spiel von erstaunlicher Komplexität und Tiefe. In seinem Verlauf werden von den Spielern u.a. Werte wie Freundschaft, Solidarität, Treue, Ehre, Respekt, Risikobereitschaft, Gerechtigkeit, Macht, Leistung oder Geduld gefordert und verhandelt. 26 Sie artikulieren sich in der Sandkastenumgebung eines MMOs mit emergenter Dynamik ebenso deutlich wie im echten Leben, weil Spiele Teil dieses Lebens sind. Die Diskussion über die Beweggründe anderer Spieler, die zur Anerkennung verschiedener, aber gleichwertiger Spielziele oder zur Ablehnung unsozialen Verhaltens führen, kann helfen, Toleranz gegenüber alternativen Handlungszielen zu entwickeln und die Einsicht in die Notwendigkeit sozialer Regeln zu stärken.

Verzeichnis verwendeter Medien 

URLs ohne Autorenangabe werden in Fußnoten angeführt und finden ihren Weg nicht ins Quellenverzeichnis. Alle Internet-Adressen wurden im November 2015 überprüft.

Spiele

BioWare: Mass Effect. 2007-2012
EA Sports: FIFA. Soccer 97. 1997.
EA Sports: NBA Live 99. 1999.
Irrational Games: Bioshock
Naughty Dog: The Last of Us. 2K 2013.
Rockstar: Grand Theft Auto V. 2013.
Supercell: Clash of Clans.
Yager: Spec Ops: The Line. 2012

Texte

Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Jetzt mal ehrlich. 60 heikle Situationen. 3. Aufl. Bonn: bpb 2015.
<http://www.bpb.de/shop/lernen/spiele/34263/jetzt-mal-ehrlich-1>
Ernst, Zachary: Clash of Clans From A Way Too Analytic Perspective. 2014.
<http://zacharyernst.blogspot.de/2014/04/clash-of-clans-from-way-too-analytic.html>
Hocking, Clint: Ludonarrative Dissonance in Bioshock. 2007.
<http://clicknothing.typepad.com/click_nothing/2007/10/ludonarrative-d.html>
Juul, Jesper: The Open and the Closed: Game of emergence and games of progression. In: Mäyrä, Frans (Hg.): Computer Games and Digital Cultures Conference Proceedings. Tampere: Tampere University Press 2002, S. 323–329.
<http://www.jesperjuul.net/text/openandtheclosed.html>
Kant, Immanuel: Kritik der Urteilskraft. 1790. Hrsg. v. Wilhelm Weischedel. Frankfurt/Main: Suhrkamp 1974.
Köck, Peter: Handbuch des Ethikunterrichts: Fachliche Grundlagen, Didaktik und Methodik, Beispiele und Materialien. Augsburg: Auer Verlag 2013.
Kohlberg, Lawrence: The Development of Modes of Thinking and Choices in Years 10 to 16. Chicago: University of Chicago 1958.
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<http://www.mpfs.de/fileadmin/KIM-pdf14/KIM14.pdf>
Nucci, Larry: Education for Moral Development. In: Killen, Melanie; Smetana, Judith (Hrsg.): Handbook of Moral Development. New Jersey: LEA 2006, S. 657–681.
Pfeifer, Volker: Didaktik des Ethikunterrichts: Bausteine einer integrativen Wertevermittlung. 3. Aufl. Stuttgart: Kohlhammer 2013.
Rigney, Ryan: These Guys’ $5K Spending Sprees Keep Your Games Free to Play. 2012.
<http://www.wired.com/2012/11/meet-the-whales/>
Rocha, James: Ethics and Clash of Clans. 2015.
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Staines, Dan: Videogames and Moral Pedagogy: A Neo-Kohlbergian Approach. In: Schrier, Karen; Gibson, David: Ethics and Game Design: Teaching Values through Play. Hershey: IGI Global 2010, S. 35–51.
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Wieland, Wolfgang: Was heißt und zu welchem Ende vermeidet man den Gebrauch der Urteilskraft? Strategien zu ihrer Umgehung. In: Rodi, Frithjof (Hrsg.): Urteilskraft und Heuristik in den Wissenschaften. Zur Entstehung des Neuen. Weilerswist: Velbrück Wissenschaft 2003, S. 9–33.

Bildquellen

Das Artikelbild und alle Abbildungen sind Screenshots des Autors.

  1. Vgl. Nucci: Education for Moral Development. 2006. []
  2. Kant: Kritik der Urteilskraft. 1790, B XXV, XXVI. []
  3. Vgl. Wieland: Was heißt und zu welchem Ende vermeidet man den Gebrauch der Urteilskraft? 2003, S. 19 f. []
  4. Vgl. Pfeifer: Didaktik des Ethikunterrichts: Bausteine einer integrativen Wertevermittlung. 2013. []
  5. Kohlberg: The Development of Modes of Thinking and Choices in Years 10 to 16. 1958. []
  6. Köck: Handbuch des Ethikunterrichts. 2013. Kapitel 5. []
  7. Köck: Handbuch des Ethikunterrichts. 2013. Anhang C. []
  8. Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Jetzt mal ehrlich. 2015. []
  9. Weber-Wulff et al.: Gewissensbisse: Ethische Probleme der Informatik. 2009. []
  10. Vgl. Staines: Videogames and Moral Pedagogy: A Neo-Kohlbergian Approach. 2010. []
  11. Juul: The Open and the Closed: Game of emergence and games of progression. 2002. []
  12. Hocking: Ludonarrative Dissonance in Bioshock. 2007. []
  13. Juul: The Open and the Closed: Game of emergence and games of progression. 2002. []
  14. <http://www.spielbar.de/neu/2013/04/clash-of-clans> []
  15. MPFS 2014, S. 49. []
  16. Vgl. z.B. Rose: Chasing the Whale: Examining the ethics of free-to-play games. 2013. []
  17. Rigney: These Guys’ $5K Spending Sprees Keep Your Games Free to Play. 2012. []
  18. <http://clashofclans.wikia.com/wiki/Category:Attack_Strategies> []
  19. Ernst: Clash of Clans From A Way Too Analytic Perspective. 2014. []
  20. Rocha: Ethics and Clash of Clans. 2015. []
  21. „involves engaging with another human in a way that causes that human some harm, and completely disrespects that human’s desires. The performance […] is an immoral act.“ Rocha: Ethics and Clash of Clans. 2015 (Übersetzung vom Autor). []
  22. <http://clashofclans.wikia.com/wiki/Attack_Strategies/Low_Trophy_Farming> []
  23. <http://metro.co.uk/2015/07/02/the-18-worst-kinds-of-clash-of-clans-players-you-have-definitely-encountered-5273946/> []
  24. <http://clashofclans.wikia.com/wiki/Clans> []
  25. <http://www.newzoo.com/insights/supercell-vs-king-how-do-their-gamers-compare/> []
  26. Vgl. <http://kidsandteensonline.com/2013/09/09/millions-of-children-play-clash-of-clans/> []

Schlagworte:

Spiele: 

So zitieren Sie diesen Artikel:

Koubek, Jochen: "Geschichten, die das Spielen schreibt. Werteerziehung mit Clash of Clans.". In: PAIDIA – Zeitschrift für Computerspielforschung. 21.12.2015, https://paidia.de/geschichten-die-das-spielen-schreibt-werteerziehung-mit-clash-of-clans/. [11.11.2024 - 07:14]

Autor*innen:

Jochen Koubek

Prof. Dr. Jochen Koubek studierte Mathematik, Philosophie und Informatik in Darmstadt und Bordeaux. Er promovierte in Kulturwissenschaft mit einer Arbeit über kulturelle Auswirkungen des Internets. Anschließend arbeitete er als wissenschaftlicher Assistent am Institut für Informatik der Humboldt-Universität zu Berlin mit dem Forschungsschwerpunkt informatische Bildung. Seit 2009 ist er Medienwissenschaftler an der Universität Bayreuth mit dem Schwerpunkt Computerspiele, einem Medium, das alle der angeführten Disziplinen für eine angemessene Beschreibung erfordert.