Der Teufel steckt im Detail: Intermediale Anspielungsvielfalt in 'The Witcher III: Hearts of Stone'
Zahlreiche literarische Werke verschiedenster Epochen arbeiten mit Referenzen auf andere Schriften, Sagen oder Mythen, um durch bereits Bewährtes Spannung bei den Leser*innen zu erzeugen und sie durch den Wiedererkennungseffekt emotional zu fesseln. Dadurch stiften gemeinsame Intertexte ein Zugehörigkeitsgefühl in Form einer Inklusion, da man sich als Leser*in integriert fühlt, wenn man die vom/von der Autor*in intendierte Anspielung erkennt und versteht.
Auch in digitalen Spielen, in denen Narration im Vordergrund steht, kann man schnell auf verschiedene Anspielungen stoßen, die sich in unterschiedlichen Formen manifestieren: So können beispielsweise inhaltliche Verweise auf bekannte literarische Werke und Stoffe, auf bestimmte Motive1 oder auch andere Medien aufgefunden werden.2
So zum Beispiel im DLC Hearts of Stone des Spiels The Witcher III: Wild Hunt. Wer dieses gespielt hat, dem ist wohlmöglich aufgefallen, dass es auf der narrativen Ebene zahlreiche inhaltliche Anspielungen auf Goethes Werk Faust gibt: Beispielsweise schließt eine der Hauptfiguren des Spiels einen Pakt mit einer teuflischen Kreatur, um die irdische Wissenssphäre zu überschreiten, wobei als Einsatz die Seele des Protagonisten auf dem Spiel steht.
In diesem Beitrag soll dieses DLC näher in den Blick genommen werden, an dem exemplarisch gezeigt werden soll, wie intermediale Bezüge zwischen Literatur und digitalem Spiel umgesetzt werden können, auf welchen Ebenen sie zu finden sind und welche Funktionen sie letztlich einnehmen können. In diesem Kontext soll ebenfalls kritisch reflektiert werden, welche Möglichkeiten sich für eine literaturtheoretische Betrachtung digitaler Spiele ergeben und worin hierbei die Grenzen liegen. Diesbezüglich werden Sequenzen aus dem DLC Hearts of Stone analysiert und vor allem hinsichtlich intermedialer Bezüge beleuchtet.
Doch vor dieser Analyse soll zunächst ein Blick auf den Forschungsstand geworfen werden, da die literaturtheoretischen Konzepte hinter Anspielungen und Referenzen recht komplex und in der Forschung kontrovers diskutiert sind. Im Anschluss wird kurz das Easter Egg als bekannte Erscheinung in digitalen Spielen differenziert betrachtet, wobei kurz erörtert wird, inwiefern dieses Konzept ausreicht, um Anspielungen und Bezüge im digitalen Spiel zu klassifizieren.
Von Intertextualität zur Transmedialität – Mit welchen Konzepten lassen sich Verweise und Anspielungen erschließen?
Beleuchtet man Anspielungen und Referenzen auf andere Texte aus literaturtheoretischer Perspektive, so stößt man in der Forschungsliteratur rasch auf den Begriff „Intertextualität“. Das Metzler Literaturlexikon versteht unter dem Phänomen der Intertextualität einen Bezug eines literarischen Textes zu anderen (nicht-)literarischen Texten.3 Weil Intertextualität per se aber ein historisch gewachsener und hochkomplexer Begriff ist, über den kontrovers in der Forschung diskutiert wurde,4 ist es nicht einfach, eine einheitliche Definition zu finden.
Da es sich bei Intertextualität zudem um eine Erscheinung aus der Literaturtheorie handelt, drängt sich die Frage auf, inwieweit diese Technik auch im Kontext digitaler Spiele angewendet werden und welche Funktionen sie dort einnehmen kann.
In ihrem Aufsatz zum Verhältnis digitaler Spiele und Literatur reflektiert Britta Neitzel, inwiefern das Computerspiel ein literarisches Genre darstellt, was sie mit zahlreichen konkreten Beispielen untermauert. Dabei stellt sie in den Mittelpunkt ihrer Beobachtungen, auf welche Weise die Literaturwissenschaft an sich zur Analyse digitaler Spiele beitragen kann und wo die Grenzen solcher Betrachtungen liegen.5 Nach einigen Überlegungen dazu, ob man ein Computerspiel als Erzählung oder als Spiel beleuchten müsse, stellt sie fest, dass heutzutage in zahlreichen Spielen die Story einen elementaren Stellenwert einnehme. Dementsprechend würden Computerspiele als eine Art Hybridform zwischen reinem Spiel und Erzählung aus verschiedenen Blickwinkeln und Wissenschaftsperspektiven gewinnbringend analysiert werden können.6
Diese Ausführungen zeigen, dass digitale Spiele einerseits auf der ludischen, andererseits aber auch auf der narrativen Ebene jeweils von unterschiedlichen Standpunkten aus beleuchtet werden können. Gerade der Bereich des Narrativen im digitalen Spiel hat sich in den letzten Jahrzehnten gewandelt und stetig weiterentwickelt. Hans-Joachim Backe konstatiert in seinem Beitrag, dass seit den 1970er-Jahren immer komplexere Erzählwelten entstünden. Während anfangs eher eine archetypische Einfachheit des Erzählens im Mittelpunkt gestanden habe (beispielsweise eine Prinzessin zu retten), wäre die Bandbreite und Qualität der Erzählungen inzwischen stetig gewachsen.7
Da die narrative Ebene im digitalen Spiel folglich immer komplexer wird, was unter anderem zur Folge hat, dass möglichst vielschichtige und fesselnde Geschichten in der Welt des Spiels kreiert werden können, mussten auch neue Kriterien und Konzepte entwickelt werden, mit denen medienübergreifende Phänomene analysiert und interpretiert werden können.
Besonders im Kontext medienübergreifender Erscheinungen müssen als Erweiterung der reinen Intertextualität, die sich vorwiegend auf literarische Texte bezieht,8 die Begriffe Inter- und Transmedialität konsultiert werden.
Hanns Christian Schmidt versucht sich dem Konzept der Transmedialität anzunähern, indem er verschiedene Stimmen aus der Forschung, die sich mit diesem oder ähnlichen Phänomenen beschäftigen, gegeneinander abwägt. Dabei stellt er heraus, dass es sich bei Transmedialität um Zusammenhänge handle, die zwischen jedweden medialen Artefakten hergestellt würden, wobei durch die Zusammenführung derer neue Bedeutungshorizonte entstünden. Verwandt damit sei das Konzept der Intermedialität, wobei Transmedialität noch mehr Phänomene von Medienreferenzialität beschreibe, die außerhalb von Mediengrenzen vonstattengingen.9
Tatsächlich handelt es sich bei der verwandten Intermedialität ebenfalls um ein hochkomplexes Phänomen, das vielfach definiert und von verschiedenen Standpunkten aus erklärt wurde. Irina Rajewsky sieht Intermedialität als ein Hyperonym, das alle Phänomene bezeichnet, die Mediengrenzen überschreiten.10
Zugespitzt gesagt zeichnet sich Intermedialität dadurch aus, dass es um zwei konkret unterschiedliche Medien geht, während Transmedialität eher medienunspezifischer ausgelegt ist.11
Für die Zwecke dieses Aufsatzes scheinen folglich allen voran intermediale Konzepte gewinnbringend, da inhaltliche Bezüge und Referenzen zwischen dem DLC von The Witcher und mit Goethes Faust näher betrachten werden sollen, wobei in diesem Fall eine Überschreitung zweier Mediengrenzen (Drama und digitales Spiel) im Sinne einer Intermedialität vorliegt.
Das Konzept der Easter Eggs
Sowohl in Haupt- als auch Nebenquests digitaler Spiele lassen sich intermediale Bezüge finden, wobei die Erscheinungsform und die Art der Bezüge variabel ist. Eine häufige Subkategorie solcher Anspielungen im digitalen Spiel stellt das sogenannte „Easter Egg“ dar. Zdenko Mago definiert als Easter Eggs in seinem Aufsatz alle versteckten und anspielenden Elemente, die vor allem in der Pop Kultur auftreten würden, wobei man sie besonders mit digitalen Spielen assoziiere.
Außerdem führt er an, dass diese als Belohnung dafür fungierten, dass Spielende nicht nur ihre Zeit mit dem Spielen verbringen, sondern darüber hinaus versuchten, alles zu entdecken, was das Spiel zu bieten hätte.12
Diese Beobachtungen passen zum allgemeinen explorativen Konzept von Open-World-Spielen wie The Witcher III: Oftmals treffen die Spieler*innen im Rahmen von Quests oder scheinbar ganz zufällig – beim Erkunden der Landschaft der Open-World – auf geheime Orte, an denen sie bestimmte Belohnungen finden.13
Das, was die spielende Person in der Open World von The Witcher auffindet, kann wiederum verschieden gestaltet sein: Notizen mit Zusatzinformationen, Tagebucheinträge, neue Rezepturen für alchemistische Tränke und Substanzen oder gar ein neues Schwert für den Kampf. Die Belohnung für Easter Eggs oder gefundene Geheimnisse liegt also entweder in der Entdeckung und Aufschlüsselung des Verweises auf ein anderes Medium/Motiv per se oder sogar in einem hilfreichen, optionalen Gegenstand.14
Gerade bei solchen – ohnehin schon versteckten Nebenquests und Orten – bietet es sich an, diese mit noch weiteren Geheimnissen, die die Spielenden erkunden können, auszustatten: So trifft man in The Witcher III an verschiedensten Orten zusätzliche Inhalte oder Events, die inhaltlich und/oder optisch etwas anderes rezipieren.
Mago fügt seiner Definition von Easter Eggs noch hinzu, dass sich diese vor allem durch ihre versteckten, geheimen und überraschenden Eigenschaften auszeichneten, jedoch in ihrer Erscheinungsform variierten: So könnten beispielsweise Tricks, Objekte, aber auch ungewöhnliche Verhaltensweisen Easter Eggs darstellen.15
Die Subkategorie der Easter Eggs reicht allerdings nicht aus, um die intermedialen Bezüge zwischen Hearts of Stone und Goethes Faust hinreichend zu erfassen. Dies liegt allen voran daran, dass sich die Referenzen und Bezüge nicht nur auf einzelne versteckte Events oder Gegenstände beziehen, sondern auf grundlegende Aspekte der narrativen Ebene wie die Personen- und Charaktergestaltung bezieht, sodass letztlich sowohl narrative als auch ludische Elemente im DLC betroffen sind. Bevor die intermedialen Bezüge im DLC näher thematisiert werden, soll zu Beginn ein kurzer Überblick über die wichtigsten Figuren und die Handlung der Erweiterung gegeben werden, in der eine düstere Atmosphäre, das Eingreifen einer satanischen Macht in das Geschehen und eine böswillige arkane Magie auf dem Plan stehen.
Der Teufel steckt im Detail: Goethes Faust und The Witcher III, passt das überhaupt zusammen?
Der Protagonist Geralt ist bei der Ausführung eines vermeintlich harmlosen Auftrags in eine scheinbar ausweglose Situation geraten: Wegen der Ermordung des Prinzen von Ophir (ein Land jenseits des Meeres), der durch einen Fluch in eine riesige und giftige Kröte verwandelt wurde, wird Geralt inhaftiert und auf einem Schiff in das Land der Ophiri gebracht. Eines Nachts gesellt sich ein mysteriöser Mann zu Geralt und spricht ihn von außerhalb der Zelle an, wobei er sich als Gaunter O'Dim vorstellt, obwohl sich die beiden in einer belanglosen Nebenszene zu Beginn des Hauptspiels bereits gesehen haben. Er bietet Geralt in seiner verzwickten Lage Hilfe gegen einen späteren Gefallen des Hexers an. Geralt nimmt das Angebot – nolens volens – an und trifft bald wieder auf O'Dim, der zwar einerseits sehr höflich und gebildet, auf der anderen Seite aber auch unheimlich und düster scheint.
Er fordert den Hexer auf, als sein Stellvertreter zu agieren und dem Adligen Olgierd von Everec drei Wünsche zu erfüllen. Im Laufe dieser drei Missionen, deren Ausführung einem Normalsterblichen völlig unmöglich wäre,16 offenbart sich der Grundkonflikt des DLCs: Gaunter O'Dim hat mit Olgierd einen Pakt geschlossen nach dessen Erfüllung er seine Seele an den dämonischen O'Dim abgeben muss.17
Der Grund für das Entstehen des Paktes liegt in Olgierds Bestreben, die menschliche Sphäre zu überschreiten und Kontakt zum Geheimnisvollen, Arkanen und Obskuren zu suchen. Diese Gier nach übernatürlichen und dämonischen Kontakten – für die er schließlich bereit war, alles zu riskieren – zerstört letztendlich auch seine vormals glückliche Ehe und Beziehung. Um den menschlichen Horizont zu überschreiten, opfert Olgierd unter anderem seinen geliebten Bruder. Aufgrund seiner Interessen an Unsterblichkeit und den Grundprinzipien der Schöpfung stellt der scheinbar allmächtige Gaunter O'Dim – es sei auch auf die Initialen des Namens 'GOD' verwiesen – das letzte Mittel zur Befriedigung von Olgierds Wünschen dar. Mit seiner so erhandelten Unsterblichkeit kommt allerdings auch ein unerwünschter Effekt zum Vorschein: Olgierd verliert zunehmend die Fähigkeit, Gefühle für Menschen und seine Umwelt zu empfinden. Sein Herz wird zu Stein.
Gaunter O'Dim zeigt sich als überlegene Kreatur, die interessiert an Pakten, Wortspielen und Wetten (mit dem höchsten Preis) ist und scheinbar jeden Wunsch erfüllt. Er beruft sich allerdings wörtlich auf den mündlich ausgemachten Vertrag und verdreht alles so zu seinem Vorteil, dass er all seine Opfer zu Grunde gehen sieht, wobei er sich an deren Leid und Schmerz ergötzt. Das ganze Spiel über bleibt unklar, was Gaunter O'Dim genau darstellt, einen Dämon, einen Dschinn, den Teufel selbst? In der gesamten Erweiterung ist er omnipräsent und stellt die Inkarnation des Bösen dar, gewissermaßen eine korrumpierte himmlische Sphäre, die auf irdische Gegenspieler trifft.
Bereits in diesen Grundbeobachtungen lassen sich zahlreiche Überschneidungen mit Goethes Faust finden, doch betrachten wir hierzu einen Ausschnitt aus dem Prolog im Himmel, in dem Mephistopheles und Gott selbst aufeinandertreffen:
Der Herr, die himmlischen Heerscharen, nachher Mephistopheles
Der Herr: Kennst du den Faust?
Mephistopheles: Den Doctor?
Der Herr: Meinen Knecht!
Mephistopheles: Fürwahr! Er dient euch auf besondre Weise.
Nicht irdisch ist des Toren Trank noch Speise.
Ihn treibt die Gärung in die Ferne,
Er ist sich seiner Tollheit halb bewußt;
Vom Himmel fordert er die schönsten Sterne,
Und von der Erde jede höchste Lust,
Und alle Näh und alle Ferne
Befriedigt nicht die tiefbewegte Brust. [...]Mephistopheles: Was wettet ihr? den sollt ihr noch verlieren,
Wenn ihr mir die Erlaubnis gebt
ihn meine Straße sacht zu führen. […]Mephistopheles: Da dank' ich Euch; denn mit den Todten
Hab' ich mich niemals gern befangen.
Am meisten lieb' ich mir die vollen frischen Wangen.
Für einen Leichnam bin ich nicht zu Haus;
Mir geht es wie der Katze mit der Maus.18
Im Gespräch über Faust erläutert Mephistopheles, dass die Bestrebungen Fausts nicht irdisch seien, er in die Ferne getrieben werde und sich seines Wahnsinns nur halb bewusst sei. Nichts könne seine tiefbewegte Brust befriedigen, weil seine Absichten und Ambitionen den menschlich fassbaren Bereich überschritten. Diese Beschreibung lässt sich fast identisch auf Olgierd anwenden: Auch Olgierd gibt sich nicht mit seinem irdischen Leben ab, sondern will seine Grenzen überschreiten, ohne wirklich zu wissen, welche Konsequenzen darauf folgen werden.
Auch in Mephistopheles' Handlungsschema zeigen sich Parallelen zu Gaunter O'Dim: Mephisto schließt mit Gott eine Wette ab und will Faust durch seine Tricks und Mittel auf Abwege locken. Dabei begnüge er sich nicht mit Leichen, sondern wolle ein Katz-und-Maus-Spiel treiben. Auch Gaunter O'Dim ist an Wortspielen und Wetten interessiert und führt seinen Plan wie eine Katze auf der Jagd aus: er lauert seinen Opfern auf, schließt mit ihnen einen Pakt und beobachtet, wie die Leben seiner Vertragspartner Stück für Stück an den Regeln des Pakts bzw. dessen Folgen zerbrechen.
In einem Beitrag zur Gestalt des Mephisto erläutert Johannes Anderegg, dass dieser nicht nur ein vielgestaltiger Alleskönner sei, sondern auch die Show liebe und dabei demonstriere, was er könne.19 Mephisto zeigt dabei die ganze Bandbreite seiner magischen Künste und erscheint beispielsweise beim ersten Aufeinandertreffen als Pudel, wobei er sich anschließend verwandelt.20 Gaunter O'Dim agiert in sehr ähnlicher Weise und präsentiert nur zu gern seine magischen Fähigkeiten, indem er vor Geralt die Zeit anhält, um ein ruhiges Gespräch mit ihm führen zu können.
Der gebildete O'Dim kommentiert im Laufe der Handlung außerdem permanent das Geschehen und gibt Ratschläge zum irdischen Leben, so spricht er häufig über den menschlichen Umgang mit Zeit. Auch in diesem Punkt ähneln sich Mephisto und O'Dim, da auch Mephisto hin und wieder das gesellschaftliche Leben in der Geschichte mit geistreichen Kommentaren erhellt.21
Wie auch Mephisto in Goethes Faust erweckt O'Dim durch seine breitgefächerte Bildung und Weisheit teilweise ein Gefühl der Sympathie bei den Spieler*innen, vor allem auch durch sein charmantes Auftreten, das sich stets durch Höflichkeit profiliert.22
An diesen Beobachtungen wird deutlich, dass im Spiel darauf gesetzt wird, einen mysteriösen Gegenspieler zu konstruieren, wobei O'Dim viele Gemeinsamkeiten mit Mephisto in Goethes Faust aufweist. Dies passiert nicht etwa auf optischer Ebene, sondern in der Darstellung von Charakterzügen, Auftreten und Interaktion mit den anderen Figuren. Der intermediale Bezug ist folglich auf der Ebene der Figurenkonstruktion und Gestaltung umgesetzt: Gerade die Figur O’Dims hat ähnliche Charaktereigenschaften wie Mephisto, ein ähnliches Auftreten und letztendlich die gleiche Mission: nämlich Olgierds Seele für sich zu gewinnen.
Durch die intermedialen Bezüge wird in The Witcher ein Gegenspieler geschaffen, dessen Gesamtkonzept den Spielenden schlüssig scheint, da die Figur gut in ihre Rolle passt: Wie schon in Goethes Faust Mephisto wirkt auch O'Dim durch seine Eigenschaften und sein Auftreten wie der perfekte mysteriöse Antagonist.
An dieser Stelle ist es lohnenswert, einen Blick auf die Typologie der Intermedialität, die Rajewsky vorgenommen hat, zu werfen. Sie unterteilt Intermedialität in Medienwechsel, Medienkombination und intermediale Bezüge. Unter einem intermedialen Bezug versteht sie ein „Verfahren der Bedeutungskonstitution eines medialen Produkts durch Bezugnahme auf ein Produkt (= Einzelreferenz) oder das semiotische System (= Systemreferenz) eines konventionell als distinkt wahrgenommenen Mediums mit den dem kontaktnehmenden Medium eigenen Mitteln; nur letzteres ist materiell präsent.“23
In unserem Fall wird Bezug auf die Gestaltung und Eigenschaften der Figuren aus Faust genommen, wobei das kontaktnehmende Medium (also das The-Witcher-DLC) die Einzelreferenzen auf die Figuren durch seine eigenen Mittel umsetzt, was beispielsweise durch die Gestaltung der Dialoge, das Auftreten der Figuren und ihre konkreten Verhaltensweisen in Interaktion mit den Spielenden erreicht wird. Dementsprechend lässt sich das DLC als intermedialer Bezug im Sinne Rajewskys auffassen.
Um einen noch differenzierteren Einblick in die Ähnlichkeit des Adligen Olgierds mit dem Gelehrten Faust zu erhalten, wollen wir kurz noch das wohl bekannteste Textstück aus Goethes Faust betrachten, den vielfach rezitierten Beginn des ersten Kapitels, der den Beginn der sogenannten 'Gelehrtentragödie' einläutet:
Faust: Habe nun, ach! Philosophie,
Juristerey und Medicin,
Und leider auch Theologie!
Durchaus studirt, mit heißem Bemühn.
Da steh' ich nun, ich armer Thor!
Und bin so klug als wie zuvor. […]
Mich plagen keine Scrupel noch Zweifel,
Fürchte mich weder vor Hölle noch Teufel – […]
Drum hab' ich mich der Magie ergeben,
Ob mir durch Geistes Kraft und Mund
Nicht manch Geheimniß würde kund; […]
Dass ich erkenne, was die Welt
Im Innersten zusammenhält,
Schau' alle Wirkenskraft und Samen,
Und thu' nicht mehr in Worten kramen.24
Dieser Abschnitt zeigt, dass sich der Gelehrte Faust alles auf profanem Weg Erlernbare angeeignet hat, und nun danach strebt, seinen eigenen Horizont zu überschreiten. Dabei fürchte er sich weder vor der Hölle noch dem Tod und habe sich der Magie ergeben, um zu erfahren, was die Welt im Innersten zusammenhalte. Auch diese Inhalte spiegeln sich in der Figur Olgierds in hohem Maße wider: Verzweifelt versucht er in seinem Haus durch Geistesbeschwörungen und Rituale, die irdische Sphäre zu überschreiten, wobei er sich mit verschiedensten geheimnisvollen und dunklen Mächten und Kräften umgibt. Faust und Olgierd verfolgen also ein sehr ähnliches Ziel und wählen dementsprechende Mittel zum Erreichen ihres innigsten Verlangens. Olgierd ist also mit ähnlichen Charakterzügen ausgestattet wie Faust und auch die Folgen dieser Einstellung wirken sich bei beiden recht gleich aus.
Im DLC findet sich noch eine weitere deutliche Anspielung an Goethes Faust, diesmal allerdings wieder im Rahmen einer Nebenquest und ohne Bezug auf Olgierd. Geralt trifft im Laufe des Spiels auf einen Runenschmied der Ophiri, der den langen Weg über das Meer auf sich genommen hat, um seine Kunst auf dem Festland anbieten zu können. Auf Geralts Frage hin, weshalb er in diese Gegend gereist sei, antwortet der Runenschmied Folgendes:
„Ganz einfach – der Wissensdurst. Mein Mentor hatte mir alles beigebracht, was er wusste. Ich habe all unsere Sprachen erlernt, ich kenne die Namen all unserer Pflanzen und Tiere. Im Überfluss hätte ich zu Hause leben können, respektiert für die Schönheit und Wichtigkeit meiner Kunst. Aber das wäre nicht erfüllend gewesen. Groß und vielfältig ist die Welt, da ihre Erschaffung weiterhin andauert. Ein Rätsel ist sie, das durch Symbole spricht. Die Sprache der Welt will ich erlernen, die Zeichen entdecken, durch die sie spricht, und ihre Syntax beherrschen, um die Prinzipien der Schöpfung selbst zu begreifen.“25
Diese Aussagen des Runenschmiedes lassen sich fast identisch auf die Verhältnisse in Goethes Faust transferieren: Beide haben sich alles Erlernbare angeeignet, beide sind für ihre Erkenntnisse bei der Bevölkerung angesehen,26 beide wollen die Rätsel der Welt überwinden und verstehen. Diese – sehr deutliche – Referenz auf die Gelehrtentragödie in Faust könnte letztlich einen gewissen Archetypus des Menschen präsentieren: Wegen einer persönlichen (oder durch höhere Mächte inspirierten) Bestrebung, seine eigenen Grenzen zu überschreiten, ist der Mensch bereit, jedes Opfer zu erbringen und jeden Preis zu bezahlen – unabhängig der Folgen für sich selbst und die Umwelt.
Die intermediale Anspielung geht hier also sogar noch über die Ebene der Figurenkonstruktion hinaus, da sie durch die fast wörtliche Faust-Rezeption auf ein typisch menschliches Handlungsmuster verweist.
Frauke Berndt und Lily Tonger-Erk verweisen darauf, dass man im Rahmen von Intermedialität immer darauf schauen müsse, welche dargestellten Inhalte aus der Vorlage ausgewählt, weggelassen oder hinzugefügt worden seien. Außerdem müsse beachtet werden, dass sich bei der medienübergreifenden Übertragung von Elementen immer der Inhalt verändere.27 In unserem Fall wird der Inhalt zwar an das neue Setting und die neue Geschichte angepasst (Problematik der Gelehrtentragödie als persönliches Dilemma eines gelehrten Runenschmiedes), der Grundkonflikt bleibt aber ähnlich. Zudem wird auf ein existentielles menschliches Bestreben rekurriert.
Dass dieser abstrakte Stoff auch außerhalb der Hauptgeschichte im Rahmen einer optionalen Nebenquest verarbeitet wird, weitet die Thematik über die Hauptstoryline hinaus aus, sodass sie im gesamten DLC präsent ist: Die einzelnen Aufgaben passen allesamt zum Grundsetting des DLCs und unterstützen die düstere Gesamtatmosphäre. So wie in Faust – passend zum literarischen Stoff – weite Teile der Szenerie als unheimlich und obskur beschrieben werden, herrscht auch in The Witcher ein unheimliches Moment vor. Für die Spielenden hat dies die Konsequenz, dass sie in allen Teilen des DLCs aus den Perspektiven verschiedener Figuren mit diesem Thema konfrontiert werden. Der Grundkonflikt wird dementsprechend omnipräsent und in fast jeder Situation für die Spielenden greifbar.
Die inhaltliche Gestaltung der Geschichte und die visuelle Atmosphäre passen sich also dem Thema an. Dementsprechend wirken sich die intermedialen Bezüge auch auf die Gestaltung der Storywelt aus, die obskur und schattenhaft gestaltet ist.28
Auch an dieser Stelle lässt sich wieder auf Rajewskys angeführte Definition intermedialer Bezüge anknüpfen: Das kontaktnehmende Medium setzt die literarische Vorlage mit seinen eigenen Mitteln um, indem auch die visuelle und optische Ebene im digitalen Spiel angepasst wird, die sich in rein literarischen Werken wie Faust nur mit Worten beschreiben lässt.29
Uwe Wirth diskutiert im Rahmen einer Beschreibung medialer Kreuzungen die Möglichkeiten und Funktionen der Intermedialität und führt dabei an, dass durch das Verfahren der Intermedialität ermöglicht werden könne, die grundlegenden Eigenschaften eines Mediums besonders in Szene zu setzen, sodass auf eine Ausweitung der jeweiligen Möglichkeiten eines Mediums abgezielt werden könne. In diesem Kontext würden im Rahmen der intermedialen Bezüge die Funktionen des alten Mediums durch das neue aufgegriffen und neu definiert werden.30
Diese Ausführungen passen auch zu den Beobachtungen, dass das DLC in sämtlichen Bereichen von den intermedialen Anspielungen durchzogen ist: Die Referenzen auf den Faust-Stoff werden auf verschiedensten Ebenen im digitalen Spiel umgesetzt. Dabei gibt es Überschneidungspunkte mit Merkmalen des alten Mediums als literarische Gattung (beispielsweise die Inhalte der Dialoge oder die Gestaltung des Grundkonfliktes), aber auch eine Erweiterung und Neudefinition der Inhalte durch die zusätzlichen Möglichkeiten im digitalen Spiel. Dazu zählen beispielsweise die graphische Gestaltung, die zum Inhalt passt oder eine konkrete Visualisierung der einzelnen Prozesse. Letztlich ermöglicht das digitale Spiel neben der Ebene des Narrativs auch eine ludische Umsetzung des Faust-Stoffs, der die Spielenden intensiv einbindet.
Im weiteren Verlauf seiner Beschreibung kommt Wirth auch darauf zu sprechen, dass mediale Konfiguration die Grundlage für eine „intermediale Ästhetik“ schaffe, wobei durch die intermediale Kopplung die Differenz der miteinander gekoppelten medialen Ausdrucksformen besonders zu Tage trete. Im Rahmen der Intermedialität würden die Unterschiede zwischen den Medien folglich nicht eingeebnet, sondern produktiv umgesetzt werden.31
Besonders darin zeigt sich das Potential intermedialer Anspielungen im digitalen Spiel, durch die beispielsweise bekannte literarische Stoffe, die typisch menschliche oder archetypische Grundkonflikte thematisieren, aufgegriffen und nach den Möglichkeiten des neuen Mediums ausgestaltet und erweitert werden können.
Zusammenfassung
Gerade bei so kontrovers diskutierten Konzepten wie Intertextualität bzw. Intermedialität fällt es schwer, einheitliche Definitionen zu finden oder Funktionen solcher Phänomene zu eruieren. Da sich aber – wie gezeigt wurde – auch im digitalen Spiel auf vielerlei Ebenen Bezüge aus diesen Kategorien auffinden lassen, sind die Konzepte durchaus dazu geeignet, vor allem Erscheinungen von Intermedialität im narrativen Bereich digitaler Spiele zu analysieren. Während das allgemeinbekannte Easter-Egg einen guten Anhaltspunkt für einzelne Anspielungen bietet, muss man allerdings tiefer in die Materie einsteigen, wenn komplexere Referenzen vorliegen wie im The-Witcher-DLC. Hier wurde aufgezeigt, dass sich intermediale Bezüge von der Gestaltung des Grundkonflikts bis hin zur visuellen Ausarbeitung und der Gestaltung eines zum Stoff passenden Settings auf verschiedenste Ebenen erstrecken können. Das Potential der Intermedialität liegt dabei besonders darin, dass die eigentümlichen Eigenschaften des ursprünglichen Mediums – hier der literarischen Vorlage Faust – durch das jeweils andere Medium – das digitale Spiel – erweitert und auf verschiedene Bereiche ausgeweitet werden können. So werden einerseits Teile des Faust-Stoffes sowohl rein inhaltlich in Dialogform rezipiert, andererseits wird die Geschichte um Kategorien, die im digitalen Spiel umsetzbar sind, erweitert und in die neue Geschichte des DLCs eingebettet. Dementsprechend tragen solche – durch den/die Spieler*in entdeckten – Anspielungen insofern zum tieferen Eintauchen in die digitale Welt ein, als sie die Spieler*innen emotional fesseln und eine Gruppenzugehörigkeit ermöglichen können.
Medienverzeichnis
Spiele
CD Projekt Red: The Witcher 3. Wild Hunt (PC). Polen: 2015.
CD Projekt Red: The Witcher 3. Wild Hunt. Blood and Wine (PC). Polen: 2016.
CD Projekt Red: The Witcher 3. Wild Hunt. Hearts of Stone (PC). Polen: 2015.
Bilder
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Literatur
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Backe, Hans-Joachim: Computerspiel. In: Erzählen. Ein interdisziplinäres Handbuch. Hrsg. v. Matías Martínez. Stuttgart 2017. S. 33-36.
Berndt, Frauke / Tonger-Erk, Lily: Intertextualität: Eine Einführung (Grundlagen der Germanistik 53), Berlin 2013.
Froehlich, Jonas: Ritter & Burg? Reflexion einer populären Relation. In: Mittelalter. Interdisziplinäre Forschung und Rezeptionsgeschichte. Jg. 2021 (01.08), H. 4, S. 14–32. https://mittelalter.hypotheses.org/23671 [23.12.2022].
Goethe, Johann Wolfgang (1808): Faust. Eine Tragödie, hg. v. Bohnenkamp, Anne [u. a.]. Frankfurt a. M. [u. a.] 2018. https://www.faustedition.net/print/faust [03.02.2023].
Höckbert, Leonie: Looten und Leveln. Gegenstände als narratives Werkzeug im Videospiel und in der Erzählliteratur des Mittelalters. In: Paidia. Zeitschrift für Computerspielforschung. Jg. 2021 (21.08), S. 1–15. https://www.paidia.de/looten-und-leveln-gegenstaende-als-narratives-werkzeug-im-videospiel-und-in-der-erzaehlliteratur-des-mittelalters [23.12.2022].
Mago, Zdenko: Easter Eggs in Digital Games as a Form of Textual Transcendence (Case Study). In: Acta Ludologica. Jg. 2019. H. 2 (2), S. 48–57.
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Rajewsky, Irina O.: Intermedialität. Tübingen [u. a.] 2002.
Rajewsky, Irina O.: Intermedialität – eine Begriffsbestimmung. In: Intermedialität im Deutschunterricht (Diskussionsforum Deutsch Bd. 15). Hrsg. v. Martion Bönnighausen / Heidi Rösch. Baltmannsweiler 2004. S. 8-30.
Schmidt, Hanns Christian: Transmedialität. In: Game Studies. Hrsg. v. Benjamin Beil [u. a.]. Wiesbaden 2018, S. 251-266.
Schulte-Middelich, Bernd: Funktionen intertextueller Textkonstitution. In: Intertextualität. Formen, Funktionen, anglistische Fallstudien (Konzepte der Sprach- und Literaturwissenschaft Bd 35). Hrsg. v. Ulrich Broich / Manfred Pfister. Tübingen 1985: S. 197-242.
Söller-Eckert, Claudia: Transmediales Erzählen. In: Erzählen. Ein interdisziplinäres Handbuch. Hrsg. v. Matías Martínez. Stuttgart 2017: S. 108-110.
Van Beek, Alan Lena: Unicorn Symbolism in The Witcher Storyworld. In: Paidia. Zeitschrift für Computerspielforschung. Jg. 2021 (24.09), S. 1–13. https://www.paidia.de/unicorn-symbolism-in-the-witcher-storyworld/ [02.01.2023].
Wirth, Uwe: Intermedialität. In: Handbuch Literaturwissenschaft. Gegenstände – Konzepte – Institutionen. Hrsg. v. Thomas Anz. Stuttgart 2013. S. 254–264.
- Stellvertretend sei beispielsweise die mittelalterliche Einhorn-Motivik in The Witcher III genannt. Vertiefende Informationen hierzu in einem Aufsatz von Alan Lena van Beek, in dem der Autor intensiv die religiöse Symbolik und Rezeption von Einhörnern im Witcher-Universum entfaltet, wobei zahlreiche Bezüge zu mittelalterlichen Quellen und Ursprüngen geschaffen werden, vgl. van Beek, Alan Lena: Unicorn Symbolism. 2021. https://www.paidia.de/unicorn-symbolism-in-the-witcher-storyworld [02.01.2023].[↩]
- Im DLC Blood and Wine muss der Hauptcharakter Geralt beispielsweise im Rahmen der Nebenquest ‚Papierkrieg‘ an einer Bank den sogenannten Passierschein A38 finden. Dabei handelt es sich um eine Referenz an den Film ‚Asterix erobert Rom‘ aus dem Jahre 1976, in dem Asterix und Obelix gewissermaßen mit bürokratischen Hürden der Verwaltung zu kämpfen haben, um den besagten Passierschein erlangen zu können.[↩]
- Martínez, Matías: Art. Intertextualität. 2007. S. 357.[↩]
- Schulte-Middelich, Bernd: Funktionen intertextueller Textkonstitution. 1985. S. 198f. Dass Intertextualität schon in diesem 1985 erschienenen Aufsatz als hochkomplexes Phänomen bezeichnet wird, verdeutlicht die lang andauernde Debatte um eine einheitliche Definition.[↩]
- Neitzel, Britta: Computerspiele – ein literarisches Genre? 2005. S. 111.[↩]
- Ebd. S. 112f.[↩]
- Backe, Hans-Joachim: Computerspiel. 2017. S. 33. Backe verweist auch darauf, dass eine große Herausforderung der wissenschaftlichen Betrachtung des Computerspiels seitens der Literaturwissenschaft darin bestehe, dass es keine einheitliche Definition eines Textbegriffes gebe. So könnte beispielsweise gewissermaßen der Programmcode bereits als erste originäre Textsorte verstanden werden, ebd. S. 34.[↩]
- H. C. Schmidt verweist in seinem Beitrag darauf, dass es sich bei Inter- und Transtextualität eher um Konzepte handle, die sich auf implizite und explizite Verbindung hauptsächlich literarischer Texte beziehen würden, vgl. Schmidt, Hanns Christian: Transmedialität. 2018. S. 252; Auch F. Berndt erläutert, dass es sich gewissermaßen um einen „blinden Fleck“ der Intertextualitätstheorie handle, wenn sich die Bezüge auf verschiedene Medialitäten ausdehnten, vgl. Berndt, Frauke / Tonger-Erk, Lily: Intertextualität. 2013, S. 157.[↩]
- Schmidt: Transmedialität. S. 252f.[↩]
- Rajewsky, Irina O.: Intermedialität – eine Begriffsbestimmung. 2004. S. 8–12. Das Gegenstück dazu stellt die Intramedialität dar, die laut Rajewsky beispielsweise die Bezugnahme eines literarischen Textes auf einen anderen Einzeltext bezeichne; bei diesem Konzept werde die Mediengrenze also nicht überschritten. Sie verweist darauf, dass beispielsweise Bezüge eines Films auf einen anderen in die Kategorie der Intramedialität fielen; es ging also um Bezüge qua System. Ebd. S. 12. Auch im digitalen Spiel findet man durchaus intramediale Bezüge: Beispielsweise erscheint Geralt von Riva als Protagonist der The-Witcher-Spiele in der Nebenquest „Unerwartete Gefährten“ im Spiel Monster Hunter: World (2018).[↩]
- Rajewsky, Irina O.: Intermedialität. 2002. S. 13. I. Rajewksy liefert hier konkrete Definitionsansätze zur Unterscheidung der verwandten Begriffe; C. Söller-Eckert verweist darauf, dass transmediales Erzählen dazu beitragen könne, eine komplexe Erzählwelt zu schaffen. Allen voran crossmediale Adaptionen (franchise entertainment), im Rahmen derer die einzelnen Storywelten mit weiteren Figuren und Erzählsträngen verknüpft würden, zeigten das Potential der Transmedialität, vgl. Söller-Eckert, Claudia: Transmediales Erzählen. 2017. S. 108.[↩]
- Mago, Zdenko: Easter Eggs. 2019. S. 49.[↩]
- An dieser Stelle sei auch vermerkt, dass bestimmte Orte im digitalen Spiel Narrative evozieren können. Ausführungen mit konkreten Beispielen zum sogenannten „Environmental Storytelling“ im digitalen Spiel finden sich beispielsweise in nachfolgendem Aufsatz: Ascher, Franziska: Die Narration der Dinge Teil II. https://paidia.de/die-narration-der-dinge-teil-2/ [27.12.2023].[↩]
- Weiterführend zur Rolle von Items und Gegenständen im Digitalen Spiel: Höckbert: Looten und Leveln. 2021. https://www.paidia.de/looten-und-leveln-gegenstaende-als-narratives-werkzeug-im-videospiel-und-in-der-erzaehlliteratur-des-mittelalters [23.12.2022]. L. Höckbert entwirft in ihrem Beitrag ein Schema der Objektnarration, das sie gleichermaßen auf Videospiele und mittelalterliche Literatur projiziert.[↩]
- Vgl. Mago: Easter Eggs. 2019. S. 49.[↩]
- Geralt muss im Laufe der Erweiterung den Familienschatz einer sehr reichen Persönlichkeit rauben, dem Bruder Olgierds (der längst verstorben ist) mit Hilfe eines Blutzaubers die Sause seines Lebens bereiten und zu guter Letzt die Rose, die Olgierd seiner Frau hinterlassen hat, aus einer gemalten Phantasie- bzw. Geisterwelt bergen.[↩]
- Vgl. CD Projekt Red: Hearts of Stone. 2015.[↩]
- Goethe: Faust. 1808/2021. V. 299–322.[↩]
- Anderegg: Zur Gestalt des Mephisto. 2014. S. 346.[↩]
- Erscheinung Mephistos als Pudel: Goethe: Faust. 1808/2021. V. 1323.[↩]
- Anderegg: Zur Gestalt des Mephisto. 2014. S. 344. Anderegg erläutert, dass Mephisto das gesellschaftliche, wissenschaftliche und kulturelle Leben im Allgemeinen kommentiere und beurteile.[↩]
- Anderegg führt an, dass Mephisto neben seiner Rolle als Furcht und Schrecken verbreitender Dämon zuweilen auch die Sympathie des Lesers erwecke und von ihm bedauert werde. Die Beobachtung bezüglich der Sympathie lässt sich auch auf O'Dims Auftreten übertragen, Anderegg: Zur Gestalt des Mephisto. 2014. S. 351.[↩]
- Rajewsky: Intermedialität. 2002. S. 159.[↩]
- Goethe: Faust. 1808/2021. V. 354–385.[↩]
- CD Projekt Red: Hearts of Stone. 2015.[↩]
- In der Szene 'Vor dem Tor' gehen Faust und Wagner (dessen Gehilfe) spazieren, wobei Faust von der Bevölkerung für seine Taten im medizinischen Bereich gepriesen wird, vgl. Goethe: Faust. 1808/2021. V. 941–1010.[↩]
- Berndt: Intertextualität. 2013. S. 158.[↩]
- Auch die Szenerie in vielen Kapiteln in Faust ist düster und unheilvoll beschrieben. Ein Beispiel hierfür ist das Kapitel „Walpurgisnacht“, in dem Mephisto und Faust am Blocksberg nachts auf Hexen treffen.[↩]
- Rajewksy: Intermedialität. 2002. S. 159.[↩]
- Wirth zitiert hier vor allem M. McLuhans Beobachtungen zur Integrationsfunktion intermedialer Bezüge, vgl. Wirth, Uwe: Intermedialität. 2013. S. 256.[↩]
- Ebd. S. 257.[↩]