ESport gaming setup

Definitionen und Diskussion: Sport, Gaming und E-Sport

30. April 2021

1 Einleitung

Das wettbewerbsorientierte Spielen von digitalen Formaten unter sportlichen Aspekten, der sogenannte E-Sport, gewinnt zunehmend an gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Relevanz. Aufgrund der stärker werdenden Wahrnehmung von E-Sport bei unterschiedlichen Organisationen, Personen und Institutionen findet vermehrt ein gesellschaftlicher Diskurs statt, ob E-Sport als Sport zu werten sei oder nicht.1

Während dabei weltweit Politik und Verbände in rund fünfzig Ländern E-Sport als Sport klassifizieren,2 ist in Deutschland E-Sport bisher nicht offiziell als Sport anerkannt. Unter anderem aufgrund der teilweisen Trennung von Sport und Politik in Form der Autonomie des Sports, sowie der Rolle des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB) darüber entscheiden zu können, was in Deutschland als Sport gilt und was nicht, ist E-Sport bisher nicht als Sport anerkannt worden.3 Die Autonomie des Sports soll sicherstellen, dass der organisierte Sport weitgehend unabhängig von Staat und Politik Entscheidungen treffen kann. Hierdurch soll unter anderem der politische Missbrauch des Sports verhindert werden, wie er etwa beim staatlichen Doping von Spitzenathlet*innen in der DDR stattgefunden hat.4

Der DOSB steht E-Sport kritisch bis ablehnend gegenüber und führt dabei unterschiedliche Argumentationen an. So sei die körperliche Aktivität zu gering, es würden Strukturen fehlen und Videospiele seien teilweise gewaltverherrlichend.5

Die Sportfrage und die Haltung des DOSB zum E-Sport wiederum sind in Deutschland relevant, weil an eine Anerkennung von E-Sport als Sport unterschiedliche Folgen geknüpft wären. Zu nennen ist hier insbesondere eine Förderfähigkeit mit Sportmitteln, weshalb wohl überhaupt die Debatte so verbissen geführt wird.

Die Forschungsfrage dieses Beitrags ist daher, wie E-Sport definiert und diskursiv verhandelt wird, insbesondere hinsichtlich der Frage, ob E-Sport als Sport zu werten ist oder nicht. Um sich der Diskussion zum E-Sport zu nähern, werden folgend die Begriffe "Sport" und "Gaming" betrachtet, da diese grundlegend für das Verständnis vom und die Abgrenzung zum Begriff "E-Sport" sind. Gerade in der Sportdiskussion werden die Begriffe "E-Sport" und "Gaming" häufig gleichgesetzt und bei der Bewertung der Frage nicht differenziert. Daher werden die drei Begriffe in diesem Beitrag einander gegenübergestellt und abgeglichen.

Da es für die Betrachtung der Sportdiskussion zum E-Sport und für die Definition des Begriffs "E-Sport" essentiell ist, dass der Begriff "Sport" definiert wird, werden im Folgenden unterschiedliche Definitionen des Sportbegriffs betrachtet.

2 Sport (traditionell/klassisch)

Traditioneller Sport, auch klassischer Sport genannt, hat sich in seiner Definition historisch verändert und einen Entwicklungsprozess durchlaufen.6 Dabei existieren unterschiedliche Definitionen des Begriffs und des Konzepts "Sport", die sich einander teilweise widersprechen. Im Folgenden wird auf einige Definitionen des Sportbegriffs eingegangen.

2.1 Definitionen des Sportbegriffs in der Literatur

Sutula (2018) definiert Sport auf Basis einer Analyse unterschiedlicher Untersuchungen und Veröffentlichungen wie folgt:

Sport as a special socio-cultural phenomenon, is a historically determined activity of people connected with the use of physical exercises, which is aimed at preparing and participating in a specially organized system of competitions, as well as individual and socially significant results of such activity.7

Burk und Fahrner (2020) wiederum legen unterschiedliche Ansätze zur Definition des Sportbegriffs dar: Sport ist ein gesellschaftliches, schillerndes Phänomen mit unterschiedlichen Ausprägungen und einer enormen gesellschaftlichen Relevanz.8 Die Relevanz ist gekennzeichnet durch etwa erzieherische, politische, ökonomische und massenmediale Aspekte.9 Insgesamt ist der Sportbegriff nicht abschließend und nicht exakt definierbar.10 Die Schwierigkeit bei der Definition des Begriffs "Sport" lässt sich auch in der Geschichte wiederfinden. Historisch wird der Begriff "Sport" in Deutschland erstmals Mitte des 19. Jahrhunderts verwendet.11 Früher findet sich der Begriff in England, wo bereits im 18. Jahrhundert ein Sportbegriff existiert.12 Dieser frühe Sport definiert sich einerseits durch Spiel und Wettkampf inklusive einheitlicher Regeln, andererseits durch eine Unvorhersehbarkeit der Resultate.13

Im Deutschland der Gegenwart steht Sport zumeist als Oberbegriff für unterschiedliche Arten körperlicher Aktivitäten. Dabei ist er kein feststehender Begriff.14 Die Merkmale, die vorhanden sein müssen, welche den Sport definieren, sind demnach veränderbar. Darüber hinaus umfasst der Begriff "Sport" nicht immer die gleichen Sportarten. Vielmehr kann der Begriff "Sport" um neue Entwicklungen erweitert werden.15 Demnach variieren auch Art und Menge der Objekte, die mit dem Begriff "Sport" gemeint sind, je nach zeitlichem Kontext, Herangehensweise und anderer Aspekte.

Die fehlende Abgrenzbarkeit des Sportbegriffs wird auch in anderen Quellen deutlich. Digel (1990) etwa vertritt die Ansicht, dass es vom subjektiven Empfinden des Einzelnen oder von Gruppen abhängen kann, ob etwas als Sport gilt oder nicht.16

In Heinemann (1980/2007) wiederum ist der Sportbegriff durch folgende Merkmale gekennzeichnet, die sich auch teilweise in vorstehend genannten Definitionen wiederfinden:17 Körperlichkeit und Bewegung, Leistungsbezogenheit, Normen und Regeln, Unproduktivität und weitere Variablen (öffentliches Interesse, mediale Aufmerksamkeit, Berufschancen, wirtschaftliches Gewicht, etc.).

Häufig geht mit dem Begriff "Sport" auch das Konzept der Leibesübungen einher, wenn man sich historisch frühe Ansätze zur Definition des Sportsbegriffs anschaut.18

Auch in der Sportdefinition von Tiedemann (2020) findet sich dieser Ansatz, ergänzt um zusätzliche Aspekte:

Sport ist ein kulturelles Tätigkeitsfeld, in dem Menschen sich freiwillig in eine Beziehung zu anderen Menschen begeben, um ihre jeweiligen Fähigkeiten und Fertigkeiten in der Bewegungskunst zu vergleichen – nach selbst gesetzten oder übernommenen Regeln und auf Grundlage der gesellschaftlich akzeptierten ethischen Werte.19

Je nach Definition des Sportsbegriffs können weitere Merkmale in den Quellen genannt sein. Der DOSB zum Beispiel betrachtet unter anderem Leistung als ein Definitionsmerkmal des Sports:20 „Das Streben nach Leistung ist in unserer Gesellschaft und im Wesen des Sports verankert.“

Darüber hinaus betont der DOSB eine Trennung von Sport und Politik. Diese ist in der Literatur nicht immer eindeutig definiert und bezieht sich in diesem Beitrag auf die Autonomie des Sports. Es wäre jedoch eine eindeutige Definition hinsichtlich der Sportautonomie beim DOSB erwartbar, da der DOSB sich auch in der Debatte um den E-Sport auf eben jene beruft.21

Insgesamt bleibt festzustellen, dass beim DOSB keine geschlossene Sportdefinition existiert. Diese ist häufig allenfalls ableitbar, etwa durch das Gutachten des DOSB zum E-Sport und der rechtlichen Ableitung, dass E-Sport kein Sport sei.22 Hier werden dem Sportbegriff Merkmale zugeordnet, in dem ausgeführt wird, dass E-Sport kein Sport sei, weil ihm diese Merkmale fehlen würden, etwa Körperlichkeit.

Es wird deutlich, dass der DOSB verstärkt Bedarf an einer Definition des Sportbegriffs sieht, seitdem darüber diskutiert wird, ob E-Sport eine Sportart sei oder nicht.23

2.2 Sport-Definition: Zusammenfassung

Der Sportbegriff ist nicht genau eingrenzbar. Die Definitionsmerkmale unterscheiden sich je nach Quelle, historischem Zusammenhang, Organisation und Person immens.24 Grundsätzlich gestaltet sich eine allgemeingültige, enge Definition des Sportbegriffs sehr schwierig, vor allem, weil er umgangssprachlich sehr unterschiedliche Verwendung findet.25 Kleinster gemeinsamer Nenner der meisten für diesen Beitrag herangezogenen Sportdefinitionen sind die Aspekte der Körperlichkeit, der Bewegung und einer gewissen Leistungsorientierung, die allerdings nicht zwangsläufig mit der Teilnahme an Wettbewerben oder dem Messen mit anderen Menschen einhergehen muss. Auch ein Bezug zu festen Regeln findet sich in den meisten Sportdefinitionen. Betrachtet man darüber hinaus die Etymologie des Begriffs "Sport", dann ist dieser durch Aphärese aus dem englischen Wort "disport" hervorgegangen, das unter anderem mit dem Begriff "Zeitvertreib" beschrieben werden kann.26 Als Konnotation des Sportbegriffs im historischen Kontext kann darüber hinaus der Wettkampf zwischen Menschen gesehen werden, wie er beispielsweise bei den Olympischen Spielen der Antike stattgefunden hat.27 Hier spielte aber nicht nur der Wettkampf eine zentrale Rolle, sondern beispielsweise auch charakterliche Bildung, Wertevermittlung, Training und die Vorbereitung auf bewaffnete Kämpfe.28

Dass bereits im Sportzusammenhang mehrfach der Begriff "Spiel" auftaucht, man denke etwa an "Fußballspiel“ oder "Handballspiel", führt uns zur Definition unseres nächsten Begriffs: Gaming.

3 Gaming

Mit dem Begriff "Gaming" ist das Spielen von Videospielen gemeint, teilweise einhergehend mit kulturellen Aspekten,29 man denke etwa an die künstlerische Schaffung digitaler Welten, das Kreieren von Musikstücken für Videospiele oder aber Videospiele, welche die Spieler*innen zur Kreativität anregen. Videospiele lassen sich in unterschiedliche Kategorien einteilen und sind entweder alleine (Einzelspieler*in) oder mit- und gegeneinander (Mehrspieler*innen) spielbar.30

Zusätzlich lassen sich Videospiele in unterschiedliche Genres einteilen, wie zum Beispiel Shooter, Echtzeitstrategie, Battle Royale und Sportsimulationen.31 Einzelne Beispiele für Videospiele, die diesen Genres zuzuordnen sind, sind Half-Life, League of Legends, Fortnite und FIFA.

3.1 Definitionen von Gaming in der Literatur

Gaming bezeichnet das Spielen von Videospielen auf den dafür geeigneten Endgeräten mittels Eingabemöglichkeiten. Da Gaming das Spielen von Videospielen meint, ist eine genauere Betrachtung des Begriffs "Videospiel" erforderlich. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Videospielen ist allerdings noch relativ jung.

Ein Videospiel ist im ersten Schritt ein Spiel. Ein Spiel, das mittels audiovisueller Wahrnehmung erlebt wird und oftmals einer Geschichte folgt.32 Hinzu kommen Aspekte wie Narration, also das Erzählen einer Handlung, wie sie sich in vielen Videospielen findet,33 und haptisches Feedback, etwa durch die Nutzung von Controllern mit integriertem Vibrationsmotor oder Neuentwicklungen, wie etwa vibrierende Computermäuse.34 Darüber hinaus ist in der Literatur vom "Homo ludens digitalis" die Rede, also dem spielenden, digitalen Menschen,35 basierend auf dem "Homo ludens", dem spielenden Menschen.36

Außerdem ist das Spiel Kulturgut37 und beständiger Teil der Geschichte der menschlichen Entwicklung. Dabei unterliegt ein Spiel bindenden Regeln und einer Freiwilligkeit in der Handlung, begleitet von unterschiedlichen Emotionen, die auf einer abstrakten Ebene häufig als angenehm oder lustvoll erfahren werden.38 Feste Regeln und Freiwilligkeit finden sich in vielen Bestimmungen des Begriffs "Spiel" als Definitionsmerkmal. Darüber hinaus erfolgt das Spielen abgegrenzt vom Alltagsleben, das Ergebnis des Spielens ist nicht vorhersehbar und die Handlung des Spielens ist unproduktiv, schafft also beispielsweise keine neuen Güter, sondern verschiebt gegebenenfalls lediglich materielles Gut zwischen den Spieler*innen.39 Das Videospiel ist die neuste und modernste Form dieses Spielens.40 Gaming bezeichnet dabei das Spielen eben jener Videospiele.

Die zunehmende Entwicklung innerhalb der Informationstechnologien ermöglichte immer komplexere und grafisch aufwendigere Videospiele. Darüber hinaus entstand die kommerzielle Nutzung des Internets als Möglichkeit der globalen Vernetzung,41 wodurch vor allem Mehrspieler*innen-Inhalte zunehmend erfolgreicher wurden. Videospiele stellen inzwischen einen wichtigen Teil der Lebenswirklichkeit vieler Menschen dar – weltweit spielen rund 2,2 Milliarden Menschen Videospiele.42

Es handelt sich beim Gaming ferner um ein multidimensionales Konstrukt. Ökonomische, mediale und symbolische Aspekte spielen hier eine Rolle, die Gaming insgesamt zu einem komplexen Untersuchungsgegenstand machen. Es handelt sich mitnichten nur um eine Unterhaltungsform für junge Menschen, sondern um ein gesamtgesellschaftliches Phänomen mit vielen unterschiedlichen Aspekten.43 Dies zeigt sich nicht nur durch vielfältige Forschungsperspektiven auf das Thema, etwa im pädagogischen Bereich,44 sondern auch durch den Einfluss von Videospielen auf zum Beispiel kulturelle Entwicklungen,45 beispielsweise digitale Kunstwerke oder die Verbindung neuer technischer Errungenschaften mit kreativen Prozessen.

Der Begriff "Gaming" beschreibt über das eigentliche Spielen hinausgehend auch die Gaming-Kultur sowie die Übertragung von Verhaltensweisen und Erfahrungen der Spieler*innen aus dem Spiel in die analoge Welt.46 Dies ist durchaus vergleichbar mit dem Sport, da auch beim Sport entsprechende Aspekte in andere Lebensbereiche übertragen werden können und demzufolge Spieler*innen und Sportler*innen gleichermaßen ihre Erfahrungen als Grundlage für anderweitige Bereiche und Handlungen heranziehen können.47

3.2 Gaming-Definition: Zusammenfassung

Das bloße Spielen von Videospielen, sei es auf dem PC, Spielekonsolen, Handhelds oder dem Smartphone, wird als Gaming bezeichnet. Gaming ist dabei eines der aktuelleren Phänomene des "Homo ludens", also des spielenden Menschen.48 Beim Gaming sind Wettkämpfe, etwa Ligen und Turniere, insbesondere in einer organisierten Form, ohne eine größere Bedeutung. Gaming meint sowohl das digitale Spielen, einhergehend mit kulturellen Aspekten, als auch die Übertragung von Spielerfahrungen ins Leben außerhalb des Spiels. E-Sport ist ein spezieller Teilbereich des Gaming, der sich durch verschiedene Aspekte vom allgemeinen Gaming unterscheidet, wie im folgenden Kapitel dargelegt wird.

Nachdem nun sowohl auf den Begriff "Sport" als auch auf den Begriff "Gaming" eingegangen wurde, die beide als voraussetzende Definitionen für ein Verständnis von E-Sport angesehen werden können, können wir uns nun diesem Begriff zuwenden.

4 E-Sport

E-Sport beschreibt die wettbewerbsorientierte Form des Gaming unter sportlichen Aspekten. Die Definitionen des Begriffs gemäß Literatur inklusive Online-Quellen sowie die historische Entstehung des Begriffs werden im Folgenden dargelegt.

Darüber hinaus ist zur Wortzusammensetzung festzustellen, dass das "E" in E-Sport für das Wort "elektronisch" steht, wodurch gekennzeichnet wird, dass es sich um eine digital ausgeführte Form von Sport handelt.49 Dieser Begriffsentwicklung folgend wäre E-Sport, zumindest nach der Begriffsbildung, ein Teil des Sports insgesamt.

4.1 Definitionen von E-Sport in der Literatur

Entstanden ist der Begriff "E-Sport" als häufig gebrauchter Begriff Ende der 1990er Jahre.50 Zuvor fand der Begriff eher selten Verwendung. Der Begriff "E-Sport" bezog sich Ende der 1990er Jahre auf das wettbewerbsorientierte Spielen von Videospielen, bei gleichzeitiger Professionalität, weshalb E-Sport in seinen frühen Phasen häufig auch als "Pro Gaming" bezeichnet worden ist.51 Im Folgenden sollen verschiedene bedeutsame Definitionen vorgestellt, analysiert und miteinander verglichen werden.

Die International Esports Federation (IeSF) (2020) definiert E-Sport folgendermaßen: „Esports is a competitive sport performed in a virtual environment in which physical and mental abilities are exercised to create victory conditions through generally accepted rules.“52

Der Begriff "Sport" findet sich in der E-Sport-Definition der IeSF. Hieraus lässt sich ein gewisses Selbstverständnis ableiten, wonach E-Sport im internationalen Kontext als Sport gesehen wird. Denn die IeSF arbeitet dabei mit dem sprachlichen Mittel der Redundanz, da sie den Begriff "Sport" als Teil der Definition des Begriffs "E-Sport" nutzt, um zu verdeutlichen, dass E-Sport ein Sport ist. Daraus ableitbar ist, dass E-Sport im Sinne der IeSF ein Sport ist, der sich allein dadurch vom traditionellen Sport unterscheidet, dass er in einer virtuellen Umgebung stattfindet. Dies wird nicht nur durch die tautologische Satzbildung deutlich („Esports is a competitive sport“), sondern ebenfalls dadurch, dass sich abseits der virtuellen Umgebung alle anderen Definitionsmerkmale des Begriffs "E-Sport" der IeSF auch in vorstehend genannten Sportdefinitionen wiederfinden.

Auf nationaler Ebene wiederum beschäftigen sich Organisationen ebenfalls mit der Definitionsfrage. Der ESBD – eSport-Bund Deutschland e.V. (2020), der sich selbst als deutschen Dachverband des E-Sports sieht,53 definiert E-Sport beispielsweise wie folgt:

„eSport ist der unmittelbare Wettkampf zwischen menschlichen Spieler/innen unter Nutzung von geeigneten Video- und Computerspielen an verschiedenen Geräten und auf digitalen Plattformen unter festgelegten Regeln. Der Vergleich der sportlichen Leistung im eSport bestimmt sich aus dem Zusammenwirken einer zielgerichteten Bedienung der Eingabegeräte in direkter Reaktion auf den dargestellten Spielablauf bei gleichzeitiger taktischer Beherrschung des übergreifenden Spielgeschehens.“54

Vergleicht man die Definitionen von IeSF und ESBD, dann wird deutlich, dass sich einige Schnittmengen ergeben. Beide Organisationen sehen Wettbewerbsorientierung, eine digitale/virtuelle Umgebung und festgelegte Regeln als essentiell für den E-Sport an. Außerdem arbeiten beide Organisationen mit dem sprachlichen Mittel der Redundanz, denn auch der ESBD nutzt den Sportbegriff („sportlichen Leistung“) als Teil der Definition des Begriffs "E-Sport".

Neben den bereits erläuterten Definitionsmerkmalen findet sich beim E-Sport eine Unterteilung in unterschiedliche Disziplinen, die den Genres von Videospielen entsprechen,55 so heißt es in Streppelhoff (2018): „In Anlehnung an den traditionellen Sport werden E-Sport-Titel verschiedenen ‚Disziplinen‘ zugeordnet.“56 Die Unterteilung in Disziplinen erfolgt ausschließlich anhand von Spielegenres oder gar einzelnen Spielen, dies kann sich je nach Quelle unterscheiden. Grundsätzlich erfolgt eine Unterteilung des E-Sports in Disziplinen in den Quellen aber ausschließlich anhand dieser Vorgehensweise, nicht etwa anhand von physischen Erfordernissen oder kognitiven Leistungsmerkmalen.57

Auch Andrade und Qiang (2019) orientieren sich an einer Unterteilung des E-Sports in unterschiedliche Genres respektive Disziplinen.58 Darüber hinaus nehmen sie Bezug auf den Newzoo Global Esports Market Report (2019), in dem E-Sport als die wettbewerbsorientierte, professionelle, organisierte und auf ein Ziel ausgerichtete Form des Gaming definiert wird.59

Im Gegensatz zu den anderen vorstehend erörterten, aktuellen Definitionen, sieht Newzoo Professionalität als einen Teil der E-Sport-Definition an. Dies ist durchaus kritisch zu bewerten, weil Professionalität als Definitionsmerkmal des Begriffs "E-Sport" gegenwärtig zumeist keine Rolle mehr spielt, wenn von E-Sport gesprochen wird. Das wird schon aufgrund der deutschen Breitensportstrukturen im E-Sport deutlich, die vielerlei Organisationen sowie Millionen von Spieler*innen umfassen.60 Wie bei allen bisher genannten Definitionen auch, wird im Global Esports Market Report (2019) Wettbewerbsorientierung als Definitionsmerkmal angegeben.61 Beim Zielaspekt gibt es Schnittmengen zwischen den Definitionen gemäß IeSF und Newzoo. Wenn man festgelegte Regeln als einen Teilaspekt der Organisiertheit sieht, dann findet sich dies bei der IeSF, dem ESBD und Newzoo. Die meisten Definitionen sehen im E-Sport auch den Amateur- und Breitensport inkludiert.62 Da die voranstehenden Definitionen als festsetzende Definitionen verstanden werden können, die den E-Sport-Begriff neu einführen und ihm so Definitionsmerkmale zuordnen,63 ist der Fokus auf Professionalität kritisch zu sehen, schließt er doch dadurch den kompletten Bereich des Breitensports und damit Millionen an Spieler*innen aus.64 Darüber hinaus widerspricht der Fokus auf Professionalität auch dem allgemeinen Breitensport, der nicht auf monetären Gewinn abzielt. Gerade wenn man deskriptiv an den Begriff "E-Sport" herangeht und dabei die Betrachtung des Sprachgebrauchs miteinschließt, lässt sich dies durch ein induktives Vorgehen belegen:65 Professionalität ist und sollte kein definitorisches Merkmal des E-Sports sein.

Doch gibt es nicht nur Widersprüche zwischen verschiedenen E-Sport-Definitionen. Man findet auch nur zu oft, dass sich E-Sport definitorisch nur schwer von Sport abgrenzen lässt.

Der Sportaspekt spielt auch im Bereich der Spielwissenschaften eine Rolle, wenn E-Sport als Untersuchungsgegenstand betrachtet wird. Das Berliner Institut für Ludologie (2020), das sich mit dem Phänomen des Spielens als Forschungsgegenstand befasst, definiert E-Sport etwa folgendermaßen: „Der elektronische Sport (eSports) beschreibt das wettbewerbsorientierte Spielen von digitalen Inhalten, vorwiegend Computer- und Videogames.“66

In einer Pressemitteilung nennt das Institut für Ludologie (2019) darüber hinaus die folgenden Merkmale:

„Feste Regeln und Spielziele, Kommunikation und Teamplay, Fairplay, umfassende Strukturen und Organisiertheit, Wettkampforientierung, Trainingspläne, Analysen von Gegnern, Spielen und dem Meta, Vorbereitung auf Gegner und Wettbewerbe, Planung eines geregelten Tagesablaufs (Ernährung, Ausgleichssport), Ambivalenz und Spannung, Symbolhandeln, Gegenwartsbezogenheit, Nichtalltäglichkeit, Freiheit und freiwillige Teilnahme, Nichtnotwendigkeit, Wiederholbarkeit und Unendlichkeit, Zweckfreiheit, aber Sinnstiftung, Selbstwirksamkeit, Selbstbewusstsein und Identitätsstiftung, Ästhetik.“67

Alle diese Merkmale würden sowohl E-Sport als auch Sport definieren. Dabei nimmt das Institut für Ludologie unter anderem Bezug auf Forschungsergebnisse der Sporthochschule Köln, die E-Sport auch im Hinblick auf Bewegungsaspekte als Sport sehen.68 Darüber hinaus ist anzumerken, dass Definitionsmerkmale wie "Trainingspläne", "Wettkampforientierung" oder "Nichtalltäglichkeit" zwar auch Aspekte von Professionalität enthalten, aber ebenso im Breitensport vorhanden sind, bei dem es ebenso um Organisiertheit und Leistung gehen kann.

Die Anknüpfungspunkte an den traditionellen Sport sind insofern wichtig, da die Aufzählung dieser Definitionsmerkmale eine unmittelbare Reaktion auf ein vom DOSB in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten gewesen ist, das E-Sport aus rechtlicher Perspektive nicht als Sport sieht,69 und als dass das Institut diese Argumentation widerlegen wollte. Außerdem finden sich auch Merkmale des Spielbegriffs, wie er durch Schiller (1793-94) bestimmt worden ist: „Denn, um es endlich auf einmal herauszusagen, der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“70 Das ist insofern relevant, um aufzuzeigen, dass das Spielen sowohl im Sport als auch im E-Sport von Bedeutung ist.

Weitere Definitionen, wie die in Marelić und Vukušić (2019), sehen, wie alle vorstehend genannten Definitionen, den Aspekt der Wettbewerbsorientierung als essentiell zur Definition von E-Sport. Allerdings wird hier E-Sport auch als Subkultur der Gaming-Szene beschrieben.71

Bei Vik-Hansen (2020) wiederum wird E-Sport als wettbewerbsorientiertes Gaming definiert, bei dem darüber hinaus die Aspekte der Unterhaltung von Menschen von großer Bedeutung sind. Zudem sind demnach für E-Sport physische Leistung, Wissen, Kompetenzen und Fähigkeiten von Bedeutung.72

Bei allen genannten E-Sport-Definitionen ließe sich eine stipulative Definition annehmen, wenn angenommen wird, dass der Begriff "E-Sport" nicht mehr jeweils (nur) neu eingeführt wird, sondern der Sprachgebrauch des Begriffs "E-Sport" immer wieder neu beziehungsweise anders geregelt wird.73 Dies geschieht anhand unterschiedlicher und/oder ähnlicher konnotativer Definitionen, da so deutlich gemacht wird, welche Merkmale vorhanden sein müssen, um den E-Sport-Begriff bezeichnen zu können (Intension des Ausdrucks)74 – was offenbar veränderbar ist.

Dies wird auch deutlich, wenn man sich ältere Ansätze anschaut, wie etwa in Hemphill (2005), hier spielt Wettbewerbsorientierung eine untergeordnete Rolle und es wird sich stattdessen auf folgende Aspekte konzentriert: „Physische Aktivität, ein hohes Maß an erforderlichen Fähigkeiten und kognitive Leistung.“75

Der Blick auf eine vergleichsweise frühe Definition von E-Sport, wie sie in Hemphill (2005) zu finden ist, zeigt, wie sich der Begriff E-Sport über die Jahre in seiner Definition präzisiert und verändert hat, wenn man ihr die jüngeren hier genannten Definitionsansätze gegenüberstellt. Das verdeutlicht, dass sich Definitionen verändern, anpassen und weiterentwickeln können.

Außerdem findet sich in frühen Definitionsansätzen des Begriffs "E-Sport" häufig keine Unterteilung in Disziplinen. Inzwischen hat sich dies verändert, wie bereits vorstehend erörtert worden ist. Häufig wird E-Sport mittlerweile als eigene Sportart beschrieben, die sich wiederum in unterschiedliche Einzelsportarten (Disziplinen) untergliedert, etwa die Genres Shooter und Echtzeitstrategiespiele,76 ähnlich der Leichtathletik, die unter den Oberbegriff "Sport" fällt und sich gleichzeitig in Einzelsportarten auffächern lässt, etwa Kugelstoßen, Sprint oder Weitsprung.77

4.2 E-Sport-Definition: Zusammenfassung

Essentiell für E-Sport ist eine Wettbewerbsorientierung beim Spielen von Videospielen. Wettbewerb als Definitionsmerkmal findet sich direkt oder indirekt in allen für diesen Beitrag herangezogenen, neueren Literaturquellen. Diese Wettbewerbsorientierung grenzt E-Sport vom Gaming am stärksten ab. Das gilt für alle Genres und Disziplinen im E-Sport und daher für all jene digitalen Spiele, die wettbewerbsorientiert gespielt werden können. Das bedeutet, dass sobald beim Gaming ein wettbewerbsorientierter Charakter vorliegt, dies als E-Sport zu werten ist. Dabei muss keine Professionalität gegeben sein. So ist etwa das Spielen auf lokalen Veranstaltungen, bei denen ein kompetitiver Ansatz vorhanden ist, als E-Sport zu werten. Darüber hinaus geht es beim E-Sport um Effizienz und Leistung beim Spielen.78

Hinzu kommen weitere Faktoren. Hier sind gemäß Literatur vor allem feste Regeln und ein gewisser Grad an körperlicher Leistung zu nennen. Auch wird in der Literatur auf sportliche Aspekte verwiesen, die E-Sport vom Gaming unterscheiden. Da der Sportbegriff kaum allgemeingültig definierbar ist, wie unter Punkt 2.2 erörtert wird, ist der Verweis auf den Sportbegriff als Teil der E-Sport-Definition und zur Abgrenzung an dieser Stelle wenig zielführend. Darüber hinaus fußen viele Definitionen des Begriffs "E-Sport" auf den bereits schwer zu definierenden Begriffen "Spiel" und "Sport", was das Definitionsproblem hinsichtlich des Begriffs "E-Sport" zusätzlich verstärkt.

Ferner hat der E-Sport-Begriff sich über circa zwanzig Jahre entwickelt und dabei eine Wandlung durchlaufen.

5 Tabellarischer Abgleich von Sport, Gaming und E-Sport

Wie sich gezeigt hat, verwischen die Definitionsgrenzen zwischen Sport, Gaming und E-Sport immer wieder. In der folgenden Tabelle werden daher einige der beschriebenen und erörterten Definitionsmerkmale der Begriffe einander gegenübergestellt und verglichen. Eine Abwesenheit des jeweiligen Definitionsmerkmals beim jeweiligen Begriff ist rot markiert, eine Anwesenheit ist grün markiert. Dabei ist zu beachten, dass nicht alle Definitionsmerkmale bei jeder Definition des jeweiligen Begriffes vorkommen und teilweise auch kritikwürdig sind. Beispiele hierfür sind die Professionalität beim E-Sport und beim Sport, da diese im allgemeinen Sprachgebrauch und bei den meisten Definitionen kein Definitionsmerkmal ist, ebenso wie die Wettbewerbsorientierung beim Sport, da etwa im allgemeinen Sprachgebrauch auch etwas als Sport gelten kann, das keinem Wettbewerb unterliegt, beispielsweise, wenn jemand im Wald aus ‚Spaß an der Freude‘ joggt.

Darüber hinaus sind die Trennlinien bei einigen Definitionsmerkmalen in der Literatur nicht scharf und messbar ausdifferenziert. Eine körperliche Betätigung findet sich beispielsweise auch beim Gaming, da hier mithilfe von Eingabegeräten agiert wird. Bei der Wettbewerbsorientierung wiederum könnte man anführen, dass diese etwa auch bei einer lokalen Rivalität zwischen Gaming-Gruppen vorhanden sein kann, wenn man in einem Spiel bei einer lokalen Veranstaltung aufeinandertrifft, selbst, wenn die Veranstaltung keine kompetitive Ausrichtung hat. Auch bei der Messbarkeit von Ergebnissen kann angeführt werden, dass diese auch im Gaming vorhanden ist, etwa bei einem Scoreboard im Spiel oder bei Spielfortschritten. Daher werden in der folgenden Tabelle ausschließlich Merkmale der Begriffe von den genannten Definitionen aus diesem Beitrag behandelt. Dennoch gilt, dass die Grenzen bei der Abwesenheit respektive Anwesenheit eines Definitionsmerkmals fließend sein können. Es kann dabei angenommen werden, dass etwa die Intensität der Erfüllung eines Definitionsmerkmals bei den genannten Definitionen relevant ist. Während also beim Gaming körperliche Aspekte Berücksichtigung finden, ist die Intensität dieser Aspekte beim E-Sport höher. So schaffen E-Sportler*innen bis zu 400 Aktionen pro Minute und haben eine deutlich erhöhte Herzfrequenz, was bei Gamer*innen weniger erwartbar ist.79

Ein „X“ in der Tabelle kennzeichnet, dass das Definitionsmerkmal mindestens in einer der erörterten Definitionen des jeweiligen Begriffes in diesem Beitrag von Relevanz ist.

Folgend werden die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zusammengefasst:

Tabellarischer Abgleich Sport, Gaming und E-Sport

Tabelle 1: Tabellarischer Abgleich Sport, Gaming und E-Sport. (Eigene Darstellung von Timo Schöber im Rahmen dieses Beitrags).

Sport und Gaming:

  • 9 Gemeinsamkeiten
  • 12 Unterschiede

Gaming und E-Sport:

  • 13 Gemeinsamkeiten
  • 8 Unterschiede

Sport und E-Sport:

  • 17 Gemeinsamkeiten
  • 4 Unterschiede

Es wird deutlich, dass der Begriff "Gaming" sich deutlich vom Begriff "Sport" unterscheidet, während der Begriff "E-Sport" mit den beiden anderen Begrifflichkeiten mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede aufweist. Hieraus ist ableitbar, dass E-Sport gemäß dieser Tabelle sowohl ein Teil des Gaming, als auch ein Teil des Sports ist, wobei die Gemeinsamkeiten mit dem Sport größer sind. Darüber hinaus wurde so die in diesem Beitrag aufgezeigte Abgrenzbarkeit der Begriffe "Gaming" und "E-Sport" verdeutlicht und bestätigt, da acht Unterschiede vorhanden sind.

Daraus wiederum ist ableitbar, dass E-Sport per Definition deutlich eher als Sport zu werten ist, als dass dies nicht der Fall ist. Drei der vier Unterschiede zwischen den Begriffen "Sport" und "E-Sport" (virtuelle Umgebung im Spiel, Plattformen/Eingabegeräte und Digitalisierung) beziehen sich direkt oder indirekt auf den digitalen beziehungsweise virtuellen Charakter des E-Sports. Das bedeutet, dass sich diese Unterschiede aufgrund der Neuartigkeit des E-Sports als digitales Phänomen ergeben und in älteren Sportdefinitionen, insbesondere jenen, bei denen die Digitalisierung keine oder eine untergeordnete Rolle in der Gesellschaft eingenommen hat, schon aufgrund des historischen Zusammenhangs keine Berücksichtigung gefunden haben können.

Abschließend bleibt festzustellen, dass E-Sport anhand der beschriebenen Definitionen deutlich mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede mit dem Begriff "Sport" hat und dass sich die Unterschiede zu einem großen Teil durch die Neuartigkeit des E-Sports als digitales/virtuelles Phänomen und daraus ableitbar per Definition neuartige Sportart ergeben. Es mutet daher merkwürdig an, dass sich insbesondere der DOSB einer Anerkennung des E-Sports als Sport vehement entgegenstellt.

An diese Anerkennung sind vielerlei praktische Folgen geknüpft, etwa die durch die Abgabenordnung geregelte Gemeinnützigkeit, die wiederum etwa mit steuerlichen Vorteilen einhergeht.80 Daher ist die Betrachtung und der Abgleich der entsprechenden Begriffsdefinitionen von hoher Relevanz, auch im Abgleich mit dem Begriff "Gaming", um hier eine Abgrenzung der Phänomene "Gaming" und "E-Sport" sowie Gemeinsamkeiten der Begriffe "E-Sport" und "Sport" aufzuzeigen. Im Folgenden wird die Sicht des DOSB auf den E-Sport dargelegt, da dieser in Deutschland bei der Anerkennung einer Sportart eine herausragende Stellung einnimmt und darüber hinaus den E-Sport gleichzeitig kritisch bewertet.

6 Der DOSB und E-Sport

Durch die Autonomie des Sports und die Rolles des DOSB darüber entscheiden zu können, was offiziell in Deutschland als Sport anerkannt wird, ist für diesen Beitrag eine Betrachtung der Position des DOSB zum E-Sport relevant.

Grundsätzlich beschäftigt sich der DOSB häufig eher mit der Frage, ob E-Sport in seiner Gesamtheit unter das Dach des organisierten Sports passt oder nicht.81 Dabei wird nicht immer auf die Frage eingegangen, ob E-Sport nun Sport sei oder nicht, sondern eher auf die Einordnung von E-Sport im Hinblick auf die Statuten des DOSB. Die Positionierung des DOSB im Hinblick auf den E-Sport ist im ersten Schritt also nicht, ob E-Sport per Definition als Sport zu werten ist, sondern vielmehr die Frage, ob E-Sport unter das Dach des DOSB passt.

Nichtsdestotrotz beschäftigt sich der DOSB häufig mittelbar mit der Sportfrage im Hinblick auf den E-Sport. Dies wird etwa durch das Auftragsgutachten zur Einordnung des E-Sports im rechtlichen Sinne deutlich,82 das auch medial als Positionierung des DOSB gegen eine Einordnung von E-Sport als Sport aufgefasst worden ist.83 In Summe lehnt der DOSB E-Sport als Sport also ab.

Dennoch nimmt der DOSB eine Kategorisierung der einzelnen Genres von Videospielen im Hinblick auf ihre Einordnung im Sinne des Verbandes vor, wie folgend grafisch dargestellt ist:84

Differenzierung des DOSB von E-Sport und eGaming

Abb. 1: Differenzierung des DOSB von E-Sport und eGaming. Deutscher Olympi-scher Sportbund (DOSB): DOSB und "eSport" - kurz erklärt.

Der Begriff "eGaming" findet weltweit nur beim DOSB Verwendung, es handelt sich also um eine Minderheitenmeinung, und meint alle Videospiele außer Sportsimulationen. Virtuelle Sportsimulationen wiederum seien laut DOSB anders zu bewerten als andere Videospiele. Diese könnten theoretisch im DOSB organisiert sein, weil sie zumindest Sport simulieren würden. Eine Aufnahme von Sportsimulationen in den DOSB ist bisher aber nicht erfolgt. Grundsätzlich sei E-Sport in seiner Gänze aber kein Sport, vor allem, weil beim E-Sport nicht das Gemeinwohl im Vordergrund stünde, die Regeln nicht demokratisch erarbeitet würden und das Töten von virtuellen Gegner*innen auf dem Bildschirm bei vielen Spielen mit den ethischen Werten des Sports des DOSB unvereinbar sei.85 Die Positionierung des DOSB zum E-Sport erscheint teilweise also widersprüchlich. Einerseits könnten Sportsimulationen im DOSB organisiert sein, andererseits führt der DOSB Argumente gegen den E-Sport an, die auch für Sportsimulationen gelten, etwa, dass E-Sport keine demokratisch erarbeiteten Regeln hätte. Schließlich bestimmen die Feinheiten einzelner Regeln in Sportsimulationen die Publisher, wie in anderen Videospielen auch.

Zu den vom DOSB angebrachten Kritikpunkten am E-Sport ist anzumerken, dass im traditionellen Sport ebenso gewinnorientierte Unternehmen aktiv sind, etwa Sportausrüster wie Adidas, Puma und Nike86 , ebenso wie Medienunternehmen wie Sky oder DAZN.87 Gleichzeitig wird der DOSB selbst von gewinnorientierten Unternehmen unterstützt, etwa Adidas und Toyota.88 Aus diesem Grund ist fraglich, ob dem „Gemeinwohl“ in der Praxis wirklich ein so hoher Stellenwert zukommt, wie vom DOSB angeführt, auch, wenn Aspekte der Jugendarbeit und des Ehrenamts durchaus vorhanden sind. Diese finden sich allerdings auch im Breitensportbereich des E-Sports.

Außerdem werden auch die Regeln im traditionellen Sport nicht zwangsläufig demokratisch erarbeitet, sondern sie ergeben sich auch aus historischen Entwicklungen oder dem Aspekt, dass Sport für Zuschauer*innen attraktiv sein soll.89 Beim Thema Gewalt werden bestimmte Videospiele vom DOSB abgelehnt. Gleichzeitig sind im DOSB die Spitzenverbände von Sportarten wie Karate, Schützensport, Kickboxen und Boxen organisiert.90 An dieser Stelle könnte man anmerken, dass der Grad der Gewaltdarstellung relevant sein könnte, der allerdings durch die Verlagerung der Gewaltdarstellung in ein spielerisches Umfeld und die sportliche Veranlagung der Rezipient*innen ausgehebelt wird.

Kritisch am E-Sport anzumerken ist jedoch, dass die Spiele, also quasi die Sportarten, jemandem gehören, nämlich den Publishern.91 Das stattet die Publisher mit einer erheblichen Machtfülle aus, etwa bei der Vergabe von Lizenzen für Wettbewerbe.92 Darüber hinaus agieren Publisher mit Geschäftsmodellen, die auf Gewinnmaximierung ausgelegt sind und dabei mit unterschiedlichen Mustern arbeiten, die teilweise kritikwürdig sind, weil sie etwa eine Geldillusion erzeugen und Spieler*innen, vor allem junge Menschen, zum Ausgeben von Geld anregen.93

In Summe ist dennoch festzuhalten, dass die vom DOSB gegen den E-Sport ins Feld geführten Argumente um E-Sport nicht als Sport anzuerkennen paradox im Hinblick auf die bereits vorhandenen Strukturen des DOSB und die ökonomischen Systeme vieler Sportarten, die sich im DOSB organisieren, sind. Darüber hinaus lässt der DOSB die im Beitrag erörterte Breitensportlandschaft des E-Sports außer Acht.

Die Weigerung des DOSB E-Sport in seiner Gänze als Sport anzuerkennen dürfte mit vielerlei Folgen, die mutmaßlich an eine Anerkennung geknüpft wären, zusammenhängen. Hierunter fällt insbesondere offenbar die Befürchtung seitens des DOSB, dass E-Sport durch eine Anerkennung als Sport an staatlich finanzierte Fördertöpfe für den Sport gelangen könnte.94 Somit könnte die ablehnende Haltung nicht nur ideologisch motiviert sein, sondern vor allem der Verhinderung von Verteilungskämpfen dienen. Beides würde aber darauf hindeuten, dass es eigentlich nicht darum geht, ob und inwiefern E-Sport wirklich Sport ist. Dies erscheint hier eher als ein vorgeschobenes Argument, auch, wenn die Frage, ob E-Sport Sport sei oder nicht, vom DOSB häufig nur mittelbar behandelt wird.

7 Diskussion: Ist E-Sport per Definition Sport?

Ist E-Sport per Definition Sport? Das hängt von der jeweiligen Sportdefinition gemäß Literatur ab. Außerdem davon, wie der Sportbegriff individuell oder kollektiv definiert und genutzt wird, was sich je nach Person, Land und Organisation stark unterscheiden kann.95

Legt man jedoch große Teile der Literatur zum Sportbegriff und zum E-Sport zugrunde, dann wäre E-Sport per Definition größtenteils als Sport zu werten, weil Wettbewerb, Leistungsbezogenheit und feste Regeln bei beiden Phänomenen grundlegende Definitionsmerkmale sind.96 Das gilt auch für die aus diesen Definitionsmerkmalen indirekt resultierenden Aspekte, etwa die Notwendigkeit von Training.

Darüber hinaus spielen bei beiden Phänomenen körperliche Aspekte und Aktivität eine entscheidende Rolle. Auch lassen sich E-Sport und traditioneller Sport in unterschiedliche Disziplinen gliedern.97

Je nach Quelle werden darüber hinaus weitere Merkmale genannt, die sich im traditionellen Sport und im E-Sport finden lassen, etwa eine Freiwilligkeit bei der Ausübung sowie Grundwerte, beispielsweise Fairplay.

Dass E-Sport in Deutschland bisher nicht flächendeckend als Sport gesehen wird, dürfte auch an der umgangssprachlichen Verwendung der Begriffe liegen, insbesondere an der Fehleinschätzung vieler, dass Sport sich primär oder ausschließlich über die Körperlichkeit definieren würde und diese beim E-Sport gleichzeitig nicht vorhanden sei. Die erörterten Definitionen der Begriffe machen deutlich, dass es sich hierbei um eine Fehleinschätzung im allgemeinen Sprachverständnis handelt.

Popper (1994) beschreibt, dass die Verwendung eines Begriffs dessen Definition vorgibt: „Nicht durch die Definition wird die Anwendung eines Begriffes festgelegt, sondern die Verwendung des Begriffes legt das fest, was man seine ‚Definition‘ oder seine ‚Bedeutung‘ nennt. Anders ausgedrückt: Es gibt nur Gebrauchsdefinitionen.“98 Daraus lässt sich die Vermutung ableiten, dass E-Sport in der deutschen Gesellschaft zukünftig mehr und mehr als Sport wahrgenommen werden wird, wenn der Begriff "E-Sport" im sportlichen Kontext vermehrt Verwendung findet. Diese Entwicklung zeigt sich bereits gegenwärtig, etwa durch die Einordnung des E-Sports bei deutschen Medienanstalten im sportlichen Kontext. So finden sich E-Sport Inhalte beispielsweise beim Sportsender SPORT1,99 dem Fußball-Magazin kicker100 und der Sportzeitschrift Sport Bild.101 Daher ist die Einordnung des DOSB, ob E-Sport Sport ist oder nicht, zwar praxisrelevant, weil daran etwa Möglichkeiten zur Gemeinnützigkeit des E-Sports geknüpft sind. Im allgemeinen Sprachgebrauch oder dem, was Menschen unter Sport verstehen, spielt die Meinung des DOSB aber nur eine von vielen Rollen, da Sport das ist, was Menschen mit dem Begriff meinen, wenn sie ihn verwenden.102

8 Fazit

Sport ist weniger eng und klar definiert als E-Sport. E-Sport definiert sich primär durch Wettbewerb, die virtuelle Umgebung und Regeln, während der Sportbegriff sehr mannigfaltig in seinen Definitionsausprägungen ist. Folgt man den Sportdefinitionen, die Sport auch durch Wettbewerb, Regeln und Leistungsbezogenheit definieren, dann passt E-Sport insgesamt unter den Sportbegriff. Dies gilt auch hinsichtlich von Bewegungsaspekten. Erweitert man die Sportdefinition um zusätzliche Aspekte, etwa eine rechtliche Perspektive (s. u.), dann ist die Frage, ob E-Sport als Sport zu werten ist oder nicht, deutlich streitbarer. Insgesamt ist aus den Erkenntnissen dieses Beitrags festzustellen, dass E-Sport deutlich eher als Sport zu definieren ist als nicht unter den Sportbegriff zu fallen. Zumal der in Deutschland wahrscheinlich bekannteste Kritiker des E-Sports als Sport, nämlich der DOSB, keine eigene geschlossene Sportdefinition verwendet und es dementsprechend kritikwürdig ist, dass E-Sport ohne eigene Sportdefinition durch den DOSB als Sport abgelehnt wird.

Eine Anerkennung des E-Sports als Sport würde mit zahlreichen rechtlichen Folgen einhergehen. Unter anderem würde E-Sport unter §52 (2) Nr. 21 der Abgabenordnung fallen.103 Somit könnten E-Sport-Vereine als gemeinnützig gelten, was unter anderem steuerliche Vorteile hätte, den Zugang zu einer staatlichen Förderung erleichtern würde und auch die gesellschaftliche Wahrnehmung des E-Sports verändern könnte. Darüber hinaus würden traditionelle Sportvereine mit einer E-Sport-Sparte nicht ihre Gemeinnützigkeit riskieren. Daher ist die Diskussion, ob E-Sport als Sport zu werten sei oder nicht auch mit einer hohen praktischen Relevanz verknüpft. Gegenwärtig besteht keine Rechtssicherheit für zum Beispiel traditionelle Sportvereine, die eine E-Sport-Sparte eröffnen möchten, da sie somit etwas in ihre Struktur implementieren würden, das nicht als gemeinnützig gilt – und somit könnte jeder dieser Vereine die Gemeinnützigkeit gefährden.104

Gerade aufgrund der Überschneidung der Definitionen von Sport und E-Sport, die auch durch die Vagheit des Kompositums bedingt ist, steht einer Einordnung von E-Sport als Sport wenig entgegen, außer Ressentiments und wirtschaftliche Interessen. Die Summe an Indizien, um E-Sport als Sport einordnen zu können, ist enorm. Daher ist E-Sport per Definition eher als Sport zu werten, als dass eine Einordnung von E-Sport als Sport unzulässig wäre. Nicht zuletzt wird dies auch dadurch deutlich, dass E-Sport im internationalen Kontext vielfach offiziell als Sport eingeordnet wird, während dies in Deutschland, vorwiegend aufgrund des DOSB, von offizieller Seite noch nicht erfolgt ist. Die Gründe hierfür liegen offenbar weniger in einer ergebnisoffenen Beschäftigung des DOSB mit E-Sport als Sport, als vielmehr in verbandspolitischen Interessen.105

 

Medienverzeichnis

Abbildungen

Titelbild: Ella Don, Unsplash.

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So zitieren Sie diesen Artikel:

Schöber, Timo: "Definitionen und Diskussion: Sport, Gaming und E-Sport". In: PAIDIA – Zeitschrift für Computerspielforschung. 30.04.2021, https://paidia.de/definitionen-und-diskussion-sport-gaming-und-e-sport/. [21.12.2024 - 14:11]

Autor*innen:

Timo Schöber

Timo Schöber absolvierte nach seinem Abitur ein Studium der Betriebswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Personalwesen und Gesundheitsmanagement, sowie dem Nebenfach Englisch an der Fachhochschule Flensburg. Dieses hat er als Diplom-Kaufmann (FH) sowie als Semesterbester in beiden Schwerpunkten abgeschlossen. Anschließend forschte er im Bereich des Employer Brandings an der Europa-Universität Flensburg. Seit 2011 arbeitet er in der Personalabteilung der Krones AG und ist darüber hinaus seit 2020 Personalleiter bei der mienjung GmbH. Seit 2019 ist er externer Doktorand an der Europa-Universität Viadrina. Forschungsschwerpunkte sind E-Sport und Gaming. Er ist Autor von vier E-Sport-Büchern, darunter das als Standardwerk geltende „Bildschirm-Athleten“, sowie Co-Autor von vier weiteren Büchern zum Thema E-Sport. Er ist schriftstellerischer Leiter der E-Sport-Enzyklopädie Esportpedia, die seit 2021 beim Meyer & Meyer Verlag erscheint. Ferner ist er Dozent an Hochschulen in Frankfurt (Oder), Berlin und Stuttgart.