CfP Das ludische Selbst: Subjekt-Objekt-Verhältnisse im Computerspiel (30.11.2015)

16. Oktober 2015

Die Game Studies öffnen sich momentan nur behutsam kulturwissen­schaft­lichen Fragestellungen. Ralf Adelmann und Hartmut Winkler etwa beklagen den Mangel an Forschung zum Handlungsbegriff und zur Subjekt­bildung, die durch unscharfe Begriffe wie Interaktivität ersetzt würden, die den his­torischen und kulturellen Kontext ausblenden. 1  Die geplante Sonder­aus­gabe von Paidia setzt sich deswegen das Ziel, über die Ränder der Games selbst hinauszuschauen und die Verhältnisse von Subjekt und Objekt im Com­pu­ter­spiel genauer zu beleuchten. So muss beispielsweise gefragt wer­den, welcher Zusammenhang zwischen den Positionen des spielenden/spiele­risch­en Subjekts und dem allgemeinen Dispositivcharakter des Me­di­ums besteht. Von besonderem Interesse sind hier u.a. die technisch-apparativen und sozialräumlichen Ausprägungen der Spielenutzung (z.B. offline vs. online vs. mobil), die konkreten Ausgestaltungen virtueller Embodiments sowie die Subjekt­normen, die innerhalb der narrativen Weltentwürfe pro­duziert werden. Dabei ist die Produktion von Subjektivität insbesondere auch in ihrer (medien-)historischen wie auch (medien-)kul­turellen Kon­textualität zu berücksichtigen: Inwiefern tangiert etwa die aktuelle Tendenz zur Verschränkung virtueller, realer und sozialer Spiel­räume traditionelle Vorstellungen des bürgerlichen Subjekts, die sich maß­geblich auf einer Unterscheidung von öffentlichen und privaten Hand­lungs­kontexten grün­den? Weitere Aspekte umfassen die Reflexion und Thema­ti­sierung des Spielersubjekts in den ‚konventionellen‘ Medien und das aus der Subjekt­perspektive entspringende Potenzial geistes- und kultur­wis­sen­schaft­licher Perspektiven für die Game Studies.
Diese Sonderausgabe von Paidia fragt also insgesamt nach spezifischen Bei­spielen, Detailanalysen, theoretischen Verortungen und Veränderungen in der Produktion von Subjektivität in ludischen Kontexten.  Nur ein Blick auf solche Verzahnungen, der dem soziokulturellen Impact von Spielpraktiken gerecht wird, kann die kulturellen Muster aufdecken, die das Dispositiv „Computerspiel“ mit Bedeutung aufladen.
Themenbereiche
Die Sonderausgabe möchte sich derartigen Fragestellungen aus einer interdisziplinären Perspektive nähern, wobei geistes- und kultur­wissen­schaft­liche Betrachtungsweisen im Zentrum stehen. Willkommen sind sowohl Beiträge mit einem theoretischen als auch analytischen Schwer­punkt. Mögliche Perspektiven können darstellen (sind aber nicht begrenzt auf):
1. Subjekt-Objekt-Verhältnisse

  • Theoretische Ansätze zu Subjektvierung und Objektivierung im Computerspiel
  • Der digitale Medienwandel und das bürgerliche Subjekt
  • Praktiken der Subjektherstellung: ‚virtuell‘ vs. ‚analog‘
  • Subjektpositionen im Spieldispositiv vs. narrative Subjektnormen
  • Reflexion des Subjekt-Objekt-Verhältnisses in narrativen Strukturen und Spielmechaniken
  • Fiktionen des Spielersubjekts in den ‚traditionellen‘ Medien

2. Das ludische Selbst

  • Praktiken der Selbst- und Fremdsteuerung im Spiel
  • Medienwirkungen von Subjektivierung und Objektivierung
  • Subjekte der Anschlusskommunikation des Computerspiel-Dispositivs
  • (alternative) Spiel-/Fankulturen – alternative Subjekte?
  •  Kulturelle Folgerungen: „Die verspielte Gesellschaft“ vs. „Toxic Gamer Culture“

Informationen zum Ablauf
Die Beiträge sollen einen Umfang von max. 40.000 Zeichen (inkl. Leer­zeichen) aufweisen.
Bei Interesse senden Sie bitte einen Abstract mit max. 500 Wörtern bis zum 30.11.2015 an redaktion@paidia.de. Bitte verwenden sie dabei ein gängiges Format (doc, docx, rtf). Da wir alle Vorschläge im Blind-Peer-Review-Ver­fahren sichten werden, achten Sie bitte darauf, dass Ihr Textdokument selbst anonymisiert ist.
Ihnen wird von uns Rückmeldung bis Mitte Dezember gegeben.
Die vollständigen Beiträge sollen bis 31.03.16 eingesendet werden.
Die Veröffentlichung der Beiträge ist für April hier auf Paidia geplant angestrebt. Paidia ist ein wissenschaftliches non-profit Projekt, weshalb veröffentlichte Beiträge nicht finanziell entlohnt werden können. Im Rahmen der Veröffentlichung ist auch ein gemeinsamer Workshop der Beiträger vorgesehen.
Für Rückfragen zum Thema stehen Ihnen die Herausgeber der Sonder­aus­gabe unter Martin-Hennig@uni-passau.de und i.kreknin@gmx.net gerne zur Verfügung.
Martin Hennig & Innokentij Kreknin

  1.  Vgl. Adelmann, Ralf/Winkler, Hartmut (2015): Kurze Ketten – Handeln und Subjektkonstitution in Computerspielen. In: Böhme,Stefan/Nohr, Rolf F./Wiemer, Serjoscha (Hgg.): Diskurse des strategischen Spiels. Medialität, Gouvernementalität, Topografie. Münster: LIT, S. 69-71. []

So zitieren Sie diesen Artikel:

Hennig, MartinKreknin, Innokentij: "CfP Das ludische Selbst: Subjekt-Objekt-Verhältnisse im Computerspiel (30.11.2015)". In: PAIDIA – Zeitschrift für Computerspielforschung. 16.10.2015, https://paidia.de/das-ludische-selbst-subjekt-objekt-verhaltnisse-im-computerspiel-30-11-2015/. [21.11.2024 - 15:47]

Autor*innen:

Martin Hennig

Dr. Martin Hennig ist Medienkulturwissenschaftler. 2016 promovierte er mit der Arbeit Spielräume als Weltentwürfe. Kultursemiotik des Videospiels (Marburg: Schüren 2017). In den letzten Jahren arbeitete er als Postdoc am DFG-Graduiertenkolleg 1681/2 „Privatheit und Digitalisierung“ und vertrat 2019–2020 den Lehrstuhl für Medienkulturwissenschaft (Schwerpunkt: Digitale Kulturen) an der Universität Passau. Aktuell ist er Postdoc am Internationalen Zentrum für Ethik in den Wissenschaften an der Universität Tübingen. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen: Digitale Kulturen, Game Studies, Narratologie, transmediales und serielles Erzählen, mediale Entwürfe von Gender und kultureller Identität, Raum- und Subjekttheorie.

Innokentij Kreknin

Dr. Innokentij Kreknin, Jahrgang 1979. Er schloss ein Magisterstudium in Germanistik, Russistik und Neuerer deutscher Literatur an der Universität Greifswald ab und promovierte an der Graduate School ‚Practices of Literature‘ (Universität Münster) über Subjektpoetiken, Autorschaft und Autofiktion (Kreknin: Poetiken des Selbst. 2014). Nach Beschäftigungen und Lehraufträgen an den Universitäten Münster, Greifswald und Bielefeld war er von 2014 bis 2015 Postdoc am DFG-Graduiertenkolleg „Privatheit“ der Universität Passau. Seit 2016 ist er mit einem Habilitationsprojekt Mitarbeiter der TU Dortmund und beschäftigt sich vorwiegend mit Fiktionstheorien, Privatheitsmodellen und Schlüsselliteratur aus diskurstheoretischer Perspektive. Weitere Forschungsschwerpunkte umfassen Autobiographie, Medien- und Literaturtheorie sowie Pop-Literatur.