CFP Sammelband „I’ll remember this“ – Inszenierung und Bedeutung von Entscheidung im Computerspiel (15.02.2015)
Computerspiele zeichnen sich immer schon dadurch aus, dass sie – neben anderen Herausforderungen – Entscheidungen vom Spieler verlangen, der als Rezipient anders an diesem Medium beteiligt ist als beispielsweise der Leser am Text. Dies gilt nicht nur für narrativ orientierte und komplexe Spiele, sondern für das Computerspiel im Allgemeinen. In den letzten Jahren ist ein Wandel hinsichtlich dieser Entscheidungen beobachtbar: Computerspiele lösen sich von den bisher dominant ökonomisch geleiteten Entscheidungshilfen, die sich an der klassischen Spieltheorie orientieren und eine ‚optimale‘ Lösung für jedes thematisierte Problem bereithalten. Dies geschieht sowohl durch neue Entscheidungskriterien als auch durch veränderte Inszenierung und Kontextualisierung der Entscheidungsmomente, die insbesondere dort, wo Computerspiele dominant narrativ organisiert sind, zunehmend in den Vordergrund treten. Probleme mit einer potentiell optimalen Lösung werden um moralische Dilemmata, sowie wicked und ill-defined problems (Miguel Sicart 2013) erweitert.
Es wird angenommen, dass Entscheidungen eine zentrale Involvierungsstrategie sind, dass sich ihre Qualität aber tendenziell in Richtung einer „emotionalen Involvierung“ (Britta Neitzel 2004, 2012) verschiebt. Diese Veränderung kann möglicherweise als Fortführung dessen betrachtet werden, was Jochen Venus (2012) im Bezug auf die „Darstellung erlebten Handelns“ beschreibt. Bisherige Computerspiele erweisen sich „[o]hne den Kontext sozialer Verantwortlichkeit […] auf eine ganz charakteristische Weise gefühlsmäßig dünn“. Entscheidungen betreffen nun aber immer mehr das Feld von Zwischenmenschlichkeit und Gesellschaft.
Während sich Computerspiele lange Zeit mit dem Äußeren ihrer Welten befasst haben (Grafik, Texturen, instrumentalisierte Erzählung etc.) findet nun zunehmend die Erzählung des Subjekts und damit eine gewisse Innerlichkeit Eingang in dieses Medium. Das unterwandert die bisherige ‚Regelpoetik’ des Computerspiels und bringt eine emotionale, moralische, ethische und narrative Fundierung als handlungsleitenden Impuls für Entscheidungen ins Spiel. Es zeichnet sich also möglicherweise ein Paradigmenwechsel des Computerspiels ab.
In gewisser Weise können die Rollenspiele von BioWare als Vorreiter dieser Entwicklung gelten. So bewerten Dragon Age (2009/2011/2014) und Mass Effect (2007/2010/2012) die Entscheidungen der Spieler aus einer moralischen Perspektive.
Die Spiele der Witcher-Reihe (2007/2011/2015) verlagern die Bewertung der Entscheidungen des Spielers auf das soziale Feedback durch konkurrierende Fraktionen.
Always Sometimes Monsters (2014) oder auch The Banner Saga (2014) hingegen versuchen dem Spieler die Konsequenzen seiner Handlungen aufzuzeigen, ohne sie explizit moralisch zu bewerten.
Die Spiele von Telltale Games The Walking Dead (2012/2013/2014), The Wolf Among Us (2013/2014) und Tales from the Borderlands (2014) setzen auf ein nur noch auf Entscheidungen reduziertes und fixiertes Gameplay und simulieren die Verantwortung des Handelnden durch soziale Konsequenzen.
In den Spielen von David Cage Heavy Rain (2010) und Beyond: Two Souls (2013) findet sich eine Vielfalt von Entscheidungsmomenten, die unüberschaubare Verzweigungen in der Narration erzeugen und die dem Rezipienten keine kurzen und vorhersagbaren Ursache-Wirkungs-Schlüsse mehr erlauben.
The Stanley Parable (2013) schließlich bringt diesen Wandel in einer metareflexiven Schleife auf den Punkt, wenn das Treffen von Entscheidungen zum Spiel mit der oder gegen die Narration (oder hier: den Erzähler) wird.
Der hier von der Redaktion der Zeitschrift für Computerspielforschung PAIDIA (www.paidia.de) geplante Sammelband mit dem Arbeitstitel „I’ll remember this“ – Inszenierung und Bedeutung von Entscheidung im Computerspiel versteht sich als Reflexionsort für diese Veränderungen.
- Wichtige Aspekte und damit Themenfelder für mögliche Beiträge sind:
- Ästhetische Inszenierungsformen von Entscheidungsmomenten
- Prolongierte Kausalität bei Entscheidungen
- Plötzliche und unmarkierte Entscheidungsmomente
- Unabsehbare Konsequenzen einer getroffenen Entscheidung
- Unzulänglichkeit von rationaler Strategie als Entscheidungshilfe
- Betonung der moralisch/ethischen Dimension von Spielentscheidungen
- Fokusverschiebung der Entscheidungen vom Spiel zur Geschichte, damit von der „Sub- zu Mikro-/Makrostrukturen“ (nach Hans-Joachim Backe 2008)
- Erzeugung von Präsenzmomenten durch Zeitdruck
Abstracts
Bei Interesse senden Sie bitte Abstracts mit ca. 400 – 500 Wörtern bis 15.02.2015 an redaktion@paidia.de. Bitte verwenden Sie dabei ein gängiges Format (doc, docx, rtf). Bitte fügen Sie Ihrem Abstract eine Kurzvita hinzu.
Die Mehrfachbearbeitung desselben Spiels durch verschiedene Autoren ist kein Ausschlusskriterium.
Ihnen wird von uns Rückmeldung bis 01.03.15 gegeben.
Die vollständigen Beiträge sollen bis 01.09.15 eingesendet werden.
Mit freundlichen Grüßen,
Franziska Ascher, Robert Baumgartner, Maria Kutscherow, Marcel Schellong, Mireya Schlegel, Andreas Schöffmann, Tobias Unterhuber