Von der Jungfer und Verführerin zur Heldin und Häretikerin: Fantasy als Werkzeug weiblicher Ermächtigung in Rollenspielen mit mittelalterlichem Setting
Einleitende Worte: Monotone Mutterfiguren im gespielten Mittelalter
„You always were an unruly child. I adored that about you”, gesteht der ältliche Mentor Vesemir der jungen Cirilla im Fantasy-Rollenspiel The Witcher 3: Wild Hunt (2015)1. Aussagen wie diese sind in Digitalen Spielen aus mehreren Gründen selten. Zum einen sind weibliche Charaktere dort noch immer unterrepräsentiert und oft v.a. in stereotypisierenden Rollen vorhanden, welche ausschließlich in Relation zu den männlichen Protagonisten existieren.2 Zum anderen scheint es jedoch so, als ob gerade in Digitalen Spielen, die wahlweise historisch inspiriert sind oder aber im Marketing oder in Entwickler*innen-Aussagen den problematischen Begriff der historischen Authentizität für sich beanspruchen, Frauencharaktere abseits der dekorativen Verführerin und der sorgevollen Mutterfigur unmöglich erscheinen.3
Digitale Spiele mit geschichtlichem oder geschichtlich inspiriertem Setting gehören aktuell zu den finanziell erfolgreichsten Produktionen des Mediums.4 Was erfolgreich ist, wird reproduziert, und was reproduziert wird, wird allmählich im Bewusstsein der Konsument*innen naturalisiert. Das Fantasy-Genre, welches wie Digitale Spiele lange von der Forschung als wissenschaftlich wertlos angesehen wurde,5 scheint dabei durch die genretypische (Teil-)Abkehr vom Mimetischen sowie die inhärente Fülle an Möglichkeiten wie ein Gegenpol zur Forderung nach historischer Authentizität, wie sie in diesem Aufsatz definiert wird.
In diesem Aufsatz soll diskutiert werden, in welchem Spannungsverhältnis der Begriff der historischen Authentizität aber auch generell historisch inspirierte Settings zur Repräsentation von Gender und zur Ermächtigung weiblicher Charaktere in Digitalen Spielen mit mittelalterlichem Setting steht. Dies beinhaltet auch die generelle Frage danach, warum historische Settings gerade aus ludischer Sicht für Entwickler*innen-Studios attraktiv sind.
Authentizität meint in diesem Aufsatz dezidiert jenes von Umbach und Humphrey6 benannte Phänomen, einer Sache oder Narrative eine natürliche (und damit unveränderbare) Richtigkeit zuzuschreiben, eine „Eigentlichkeit“ und „Echtheit“7, welche letztlich dazu dient, den wiederum problematischen und ideologischen Terminus einer (singulären) Realität zu konstituieren. Diese Zuschreibung als authentisch kann von Seiten der Entwickler*innen, oftmals jedoch auch von Seiten der Spieler*innen passieren. Umbach und Humphrey unterstellen dabei gerade Geschichte ein intimes und problematisches Verhältnis zu dieser Form von Authentizitätsbildung: „[H]istory produces ideology, but also […] ideology produces history.“8 Der Gedanke einer (singulären) historischen Realität führt naturgemäß dazu, dass eine starke Eingrenzung in Bezug auf Setting und Charaktere stattfindet, aus der die Digitalen Spiele schöpfen. Historisch inspirierte Medien9 unterwerfen sich ebenfalls zum Teil dieser Eingrenzung, indem sie sich an bestimmten geschichtlichen Eckpfeilern orientieren.
Dieser Einschränkung, die durch das Authentizitätsstreben stattfindet, wird Fantasy als vermeintlich ermächtigendes Element von mir entgegengesetzt, wobei auf die traditionelle Nutzung von Fantasy in Medien und populäre Inspirationsquellen eingegangen wird. Fantasy meint, in Abgrenzung zum Fantastischen, „a substantial and irreducible element of supernatural or impossible worlds, beings or objects.“10 Fantasy umfasst also dezidiert Elemente, die keinem Geschichtsverständnis entsprechen.11 Laut Attebury erlaubt Fantasy ganz präzise die Fiktionalisierung von Geschichte und erlaubt Vergangenheit und Gegenwart, in einen Diskurs miteinander zu treten.12 Anschließend an diese Begriffsklärung wird an drei Fallbeispielen, namentlich Kingdom Come: Deliverance (2018)13, A Plague Tale: Innocence (2019)14 und The Witcher 3: Wild Hunt (2015), untersucht, ob und in welcher Weise Fantasy in Rollenspielen mit mittelalterlichem Setting der letzten zehn Jahre von Entwickler*innen genutzt wurde, um die durch den Authentizitätsanspruch bedingten Grenzen jener Settings und Gesellschaften in Bezug auf Gender aufzubrechen.15 Die Arbeit bedient sich dabei der Methode des Close Readings (von Narrativ und Gameplay), schöpft jedoch ebenso aus genreanalytischen Ansätzen zu Fantasy und Vorüberlegungen zum Authentizitätsbegriff und zur Repräsentation in Digitalen Spielen.
Authentizität als hegemonialer Kampfbegriff
Digitale Spiele sind dafür bekannt, dass gerade weibliche Charaktere oft unterrepräsentiert und stereotypisiert sind.16 Nach Hall et al. ist Stereotypisierung ein Vorgang, die komplexe menschliche Natur zu einigen einfachen, essentiellen Charakteristiken zu reduzieren, welche als natürlich repräsentiert werden.17 Dies wird vor allen Dingen genutzt, um eine Abgrenzung zwischen dem komplex gedachten Selbst und dem schlichter gedachten Anderen zu schaffen und damit die eigene Identität zu festigen. Repräsentation umfasst laut Krijnen und van Bauwel die Frage danach, in welchem quantitativen Verhältnis die Repräsentation von Geschlechtern in Medien zueinander steht und welche Rollen die Vertreter*innen dieser Geschlechter einnehmen, doch lässt sich diese Frage noch weiter ausführen: „On the other hand, representation refers to the portrayal and imagining of gender, questioning how women and men are portrayed in media and the meanings attached to these portrayals.”18
Dabei widersetzt sich gerade der von #GamerGate geprägte Teil der Community oft wortreich einem Streben nach gleichberechtigter Repräsentation, wie Jane Draycott beispielsweise in ihrer Einleitung zum Band Women in Historical and Archaeological Video Games dezidiert in Bezug auf historisch inspirierte digitale Spiele ausführt.19 Die Gesellschaft, die Medien rezipiert, und deren Medien stehen in einem komplexen Wechselverhältnis zueinander. Gender als soziales Konstrukt ist von Medien beeinflusst, die ihrerseits Produkte der Gesellschaft sind.20 Die Art, wie Digitale Spiele Gender repräsentieren, unterscheidet sich von älteren Medien21 durch die aktive Einbindung der Spieler*in, das Zusammenspiel von Gameplay22 und Narration in Digitalen Spielen, ebenso wie durch die Tatsache, dass sie häufig fähigkeits- und entscheidungsbasiert sind. Mediale Stereotype spielen in punkto Repräsentation eine wichtige Rolle, da sie komplexitätsreduzierende Äußerungen über soziale Gruppen und deren Mitglieder tätigen,23 deren Attribute und Verhaltensweisen eine emotionale Wertung zugeschrieben wird.
„Das Problem an medialen Stereotypen ist, dass sie Vielfalt und Differenz (z.B. innerhalb der Gruppe der Frauen) reduzieren und auch naturalisieren.“24 Female empowerment wirkt stereotypisierenden Bildern direkt entgegen. Dieses besteht aus fünf Komponenten: „[W]omen’s sense of self-worth; their right to have and to determine choices; their right to have access to opportunities and resources; their right to have power to control their own lives […]; and their ability to influence the direction of social change to create a more just social and economic order, […].”25 Als besonders wichtig tut sich dabei der gleichberechtigte Zugang zu Bildung und gesellschaftlichen Rollen hervor. Eine gleichberechtigte Repräsentation, in der Geschlechter gleichermaßen ermächtigt werden, wirkt direkt der Naturalisierung einseitiger Geschlechterbilder entgegen.
Digitale Spiele haben von ihren Anfängen an mit Geschichte gespielt, da Geschichte etliche narrative Ansätze bietet, die leicht in Digitale Spiele überführt werden können.26 Zugleich scheinen Äußerungen von Entwickler*innen zu hoher Authentizität oft auch mit einer Negation von (besonders geschlechtlicher und ethnischer) Diversität einherzugehen, wie der Diskurs um Kingdom Come: Deliverance besonders deutlich gemacht hat.27 Dies entspricht der Eingangsdefinition von Authentizität als ideologischem Konstrukt. Debatten bezüglich der Authentizität von Genderrollen erscheinen dabei besonders absurd, wenn sie über Spiele geführt werden, die trotz mittelalterlicher Inspiration offenkundig dem Fantasy-Genre zuzuordnen sind, wie zum Beispiel The Witcher 3: Wild Hunt.28 Historische Authentizität wirkt im öffentlichen Diskurs um Genderrollen in Digitalen Spielen oftmals geradezu wie die Antithese zu einer Forderung nach geschlechterspezifischer Gleichberechtigung. Dabei ist der Begriff der Authentizität, wie sich vielfach in aktuellen Publikationen nachlesen lässt, aufgrund seiner Ambiguität und der oft anhaftenden ideologischen Komponente selbst äußerst problematisch.29 Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von Bedeutungsmöglichkeiten, die den Begriff je nach Kontext ambivalent bis sinnentleert erscheinen lassen. In Bezug auf Geschichte lässt der nach Umbach und Humphrey bereits darlegte Authentizitätsbegriff die Vergangenheit als unveränderliche Größe erscheinen, welche dann genutzt werden kann, um nationalistische Identitätskonstruktionen zu stützen.30 Die Forderung nach geschichtlicher Authentizität ist vielfach der Versuch einer ideologischen Selbstbestätigung in einer pluralistischen Welt31 und wird in den Debatten um Gender oft genutzt, um feministische Kritik bezüglich Digitalen Spielen zum Verstummen zu bringen. So heißt es dann, wie Rose in ihrem Artikel zu Steampunk als Form historischer Repräsentation diskutiert, dass Kritiker*innen argumentieren, Populärkultur würde die Vergangenheit schlichtweg falsch, also abseits etablierter Fakten, repräsentieren.32 Geschichte ist in jener Auffassung einer singulären Wahrheit also binär, wahlweise korrekt repräsentiert oder inkorrekt – so wie auch Gender in diesem Bild rigide binär, statt fließend und veränderlich ist. Historisch inspirierte Spiele stehen dabei, auch wenn die Entwickler*innen (wie bei offenkundigen Fantasy-Titeln wie The Witcher 3: Wild Hunt) gar nicht auf Authentizität abzielen, stets trotzdem in der Pflicht, sich gegenüber Spieler*innen für scheinbar inkorrekte Elemente rechtfertigen zu müssen. Dies führt dazu, dass geschichtlich inspirierte Szenarien ungewollt dieselbe Einengung erfahren, die bei proklamierter Authentizität andere Spiele freiwillig auf sich nehmen. Dabei wird das Digitale Spiel von Spieler*innen nicht mehr als Kunstobjekt betrachtet, sondern steht in der unmöglich zu erfüllenden Pflicht, die Vergangenheit ganzheitlich getreu wiederzugeben. Dagegen spricht vieles, geschichtlich, kulturwissenschaftlich und ideologisch.
Geschichte wird in dem oben genannten Verständnis nicht als multiperspektivisch und mehrdimensional wahrgenommen, sondern als linear, was laut Schwarz der Geschichtsforschung in demokratischen Gesellschaften grundsätzlich widerspräche.33 Burckhardt beschreibt Geschichte folgendermaßen: „[History is] on every occasion the record of what one age finds worthy of note in another.”34 Kulturwissenschaftlich betrachtet ist ein ganzheitliches Bild, beispielsweise ein Mittelalterbild, in Medien unmöglich. Fotos sind in ihrem Ausschnitt begrenzt, Digitale Spiele hingegen durch technische und ökonomische Belange. Digitale Spiele sind limitierte Szenarien mit einem limitierten Möglichkeitsspektrum. Da jedes Spiel ein Kunstprodukt ist, ist die Wahl der Inhalte und ihrer Repräsentation orchestriert – Entwickler*innen wägen genau ab, was und in welcher Weise gezeigt und möglich gemacht wird. Ein Spielerlebnis, in dem Frauencharaktere unterwürfig erscheinen, während der männliche Held seine Heldengeschichte durchlebt, ist damit kein Zeugnis von Authentizität im Sinne einer (utopischen) historischen Korrektheit, sondern eine ganz bewusste Wahl dessen, was gezeigt und welche ludischen Möglichkeiten gegeben werden. Der Mangel an Diversität, der in historischen Settings gezeigt wird, gibt demnach im hohen Maße die Wahrnehmung des benannten Settings in der Gegenwart35 sowie das gegenwärtige ideologische Mindset wieder.
Authentizität ist daher nicht nur ein Gefühl, wie Zimmermann betont36, sondern anknüpfend an die anfängliche Definition ein ideologischer Kampfbegriff, vergleichbar mit dem Begriff „Kultur“. Authentizität ist ein hegemoniales Narrativ, welches die Deutungshoheit über eine bestimmte Sichtweise (oder hier Epoche) beansprucht und pluralistische Ansichten verneint. Es naturalisiert, gerade in Digitalen Spielen, für viele eine männliche Machtposition, die mit einer traditionell männlichen Heldengeschichten einhergeht.37 Authentizität ist allzu oft ein Argument, um Queerfeindlichkeit, Misogynie und/oder Rassismus in Digitalen Spielen zu rechtfertigen.
Dennoch herrscht laut Young in Digitalen Spielen angeblich ein hoher Bedarf nach eben jener Authentizität, da dies, so Young weiter, die Glaubwürdigkeit der Spielwelten für Spieler*innen erhöhen würde.38 Dies rührt zum einen von den vagen Kenntnissen her, die Spieler*innen bezüglich Geschichte haben. Brandenburg behauptet z.B., dass Spieler*innen selbst gar nicht zwischen historischem Mittelalter und Fantasy unterscheiden würden.39 Statt eines Bedarfs an Authentizität in Form eines singulären, vereinnahmenden Geschichtsverständnisses ist von einem Bedarf an geschichtlich inspirierten Settings auszugehen, der nicht nur von der Community, sondern auch von den Entwickler*innen herrührt.
Ein äußerst pragmatischer Grund dafür seitens der Spieleentwicklung, ist der, dass man sich bei einem historisch inspirierten oder authentisch intendierten Setting Exposition sparen kann. Die Informationsvermittlung in vielen Digitalen Spielen aus der AAA-Industrie ist noch immer stark an traditionellere Erzähltechniken filmischer oder literarischer Natur angelehnt, die die Spieler*in passivieren statt interaktiv einzubinden. So wird Worldbuilding oft filmisch (Cut-Scenes, Intros) und literarisch (Dialoge, Bestiarien, Bücher, Item-Beschreibungen) vermittelt. Spiele wie Skyrim (2011)40 verlassen sich daher darauf, der Spieler*in ein popkulturell inspiriertes Wikinger-Standardmittelalter als Grundlage anzubieten und nur die Spezifika, die von diesem Bild abweichen, wie die Präsenz von Drachen, zu erklären, um jene passiven Momente optional zu machen. Historische Elemente in Digitalen Spielen können daher auch als Abkürzung gelesen werden, um Worldbuilding zu vereinfachen und sich anderen Elementen zu widmen. Ein zweiter Grund, der dem Digitalen Spiel eigen ist, ist der, dass sich Konflikte als geschichtliche Thematik (z.B. Kriege) besonders gut in Spielmechaniken übersetzen lassen.
Fantasy und Frauen: Schwert und Magie als die großen Gleichmacher
Die neomedievalistische Szenarien41, die typischerweise als Abkürzung für Digitale Spiele gewählt werden, sind im popkulturellen Bewusstsein patriarchal belegt, beispielsweise mit den kämpfenden und raubenden Männerbanden der „Wikingerzeit“ oder den männlichen Streitern und passiven Prinzessinnen im popkulturellen Mittelalter. Eine stärkere Hinwendung zur Fantasy, die Anknüpfpunkte an die irdische Geschichte verneint, bietet daher für Autoren wie Attebery oder Sinclair eine Alternative, um ein Grundnarrativ zu ändern und diese historisch belegte oder popkulturell informierte Repräsentation von Geschlechterrollen aufzuweichen.42 Fantasy kann jedoch mehr: Das Einfügen von Fantasy als Spielelement kann eine breitere Palette an Repräsentationen und Identifikationsangeboten für Spieler*innen fördern. Immer wieder wird im wissenschaftlichen Diskurs um Fantasy darauf referiert, dass Fantasy das Potential hätte, alternative Realitäten, soziale Umstände, politische Konstellationen, Beziehungsmodelle und Sexualitäten anzubieten und so bestehende Konstanten zu hinterfragen.43 Die Präsenz von Ritterinnen als ermächtigte Frauen und Fantasyelement in einem mittelalterlich inspirierten Setting könnte, neben anderen Identifikationsangeboten, also beispielsweise die Repräsentation von Frauenrollen diversifizieren und naturalisieren. Dadurch könnte sich eine breitere Palette an Spieler*innen angesprochen und repräsentiert fühlen, zur gleichen Zeit, um auf einen vorherigen Punkt zurückzukommen, würde jene Repräsentation ausgewogenerer Machtverhältnisse die Medienlandschaft insgesamt beeinflussen. Dies würde natürlich nicht automatisch die Kritik von Spieler*innen am falschen Mittelalter zum Verstummen bringen, jedoch dazu beitragen, den gedacht engen Rahmen an Repräsentationen im Digitalen Spiel, besonders im historisch inspirierten/authentischen, zu sprengen. Zur selben Zeit könnte sie den Diskurs jedoch auf andere Fragen lenken, wie zum Beispiel, warum bestimmte historische Elemente genutzt wurden und welche Funktion diese in unserer Erinnerungskultur haben.
Fraglich ist jedoch, ob das eine realistische Forderung an das Fantasy-Genre ist. (Medien)geschichtlich spricht vieles dagegen. Gerade traditionelle Fantasy wie Tolkiens Werke, jedoch überhaupt ein Großteil der massentauglichen Franchises sind laut Baker Teil der regressiven „affirmative culture“44. Typischerweise finden sich hier neben Nationalismus auch Xenophobie, Sexismus und eine vereinfachte Gut-gegen-Böse-Struktur.45 Die Digitalen Spiele der 1970er- und 1980er-Jahre wurden stark von Pen & Paper-Rollenspielen wie Dungeons and Dragons beeinflusst, die ihrerseits stark aus der vorangehenden Fantasy-Literatur schöpften.46 Dieser Einfluss wird noch heute gerade in Rollenspielen deutlich, welche beispielsweise ihre Charaktererschaffung, ludische Attribute und das Erfahrungspunkte-System oft noch immer dem traditionellen Pen & Paper entlehnen.47
Fantasy selbst zehrt von Mythen und volkstümlicher Literatur, von Kunstmärchen und Aufzeichnungen mittelalterlicher Romantik, die spätestens seit dem 20. Jahrhundert die Archetypen des Genres bilden.48 Dazu gehören zum Beispiel laut Frontgia der männliche Held, der Antagonist und die weise Frau.49 Die zugewiesenen Geschlechter sind dabei nicht zufällig – der Held, welcher traditionell mit dem Archetypen des Kriegers in Verbindung gebracht wird50, ist regelmäßig männlich in Mythen und den sich daraus speisenden Fantasy-Genres. So muss Herakles zwölf scheinbar unmögliche Aufgaben absolvieren, die seine Geschichte ebenso strukturieren wie Quests ein Digitales Spiel strukturieren können. Fantasy des 21. Jahrhunderts bedient sich jedoch selten direkt aus diesem Mythenfundus. Terry Pratchett, dessen Werke selbst oft als diversitätsfördernd angesehen werden,51 kritisierte, dass Fantasy sich aus einer Art Public Domain für Handlungsstränge speist, die patriarchal geprägt ist und von ihm als „consensus fantasy universe“52 bezeichnet wird. So sind die neueren Iterationen von zauberkundigen Mentorfiguren wie Merlin, sei es Gandalf oder Dumbledore, weiterhin männlich, ebenso wie die respektiven Helden, denen sie Rat erteilen. Pratchett sieht Drachen, Quests, die Gegenstände der Macht (magische Schwerter, verzauberte Amulette) und die Präsenz und Darstellung von Magienutzer*innen als Teil jenes „consensus fantasy universe“, das in den letzten Jahrzehnten gerade von den Arbeiten Walt Disneys ebenso wie vom benannten Dungeons and Dragons geprägt wurden. Jene oft klischee-lastigen Teile werden wie Mosaiksteine in Fantasy-Werke eingefügt. „Elves are tall and fair and use bows, dwarves are small and dark and vote Labour. And magic works.”53
Campbells The Hero with a Thousand Faces (1949) gilt noch immer als Ideenfundus für Fantasy-Geschichten jedes Mediums.54 Er vergleicht Helden in Mythen, Märchen und religiösen Erzählungen aus diversen Kulturräumen, um daraus eine einheitliche Grundstruktur zu destillieren: die Heldenreise.55 In Campbells Werk finden Heldinnen jedoch keine Erwähnung. Alle traditionellen Archetypen in Campbells Monomythos – die Jungfrau, die Ehefrau, die Verführerin und die Muse – existieren in Abhängigkeit zur männlichen Figur.56 Weiterhin ist Campbells Heldenwerdung davon geprägt, dass der männliche Held durch benannte Heldenreise eine andere Seite seiner selbst entdeckt, die in seinem Unterbewusstsein schlummert.57 In The Power of Myth (1988) geht Campbell davon aus, dass der Übertritt ins Erwachsenenleben für Jungen schwerer sei, weil sie diese Reise antreten müssen – Mädchen hingegen werden durch die Menstruation und die für Campbell logisch darauf folgende Schwangerschaft automatisch Frauen.58
Das Problem ist demnach mehr der Ideenfundus der Fantasy als Fantasy als Genre selbst. Entgegen des alten Vorwurfs, Fantasy sei ein vom Eskapismus geprägtes Genre59, existieren Fantasywelten immer in Relation zur Welt des*der Rezipient*in, wodurch ein automatischer Vergleich stattfindet.60 Diese Szenarien können also dazu dienen, aus Denkmustern auszubrechen und ideologische Konzeptionen durch den Abgleich zwischen (Fantasy-) Erstwelt und (realer) Zweitwelt zu hinterfragen. Vaughn sieht Fantasy demnach im besonderen Maße in der Lage, der*dem Rezipient*in neue Genderrollen, neue Lebenswege, Muster und Archetypen zu vergegenwärtigen, bemängelt jedoch, das sie von diesem Potential oft keinen Gebrauch macht.61
Frauenrollen im ludischen Mittelalter der letzten zehn Jahre
Im Folgenden sollen Kingdom Come: Deliverance (KC:D), A Plague Tale: Innocence (2019) (APT:I) und The Witcher 3: Wild Hunt (TW3) als Fallbeispiele analysiert werden. Gewählt wurden diese Spiele, da sie zum einen als äußerst populäre und vielverkaufte Computerspiele62 ein repräsentatives Bild des Mainstreams anbieten, zum anderen ein mittelalterliches Setting63 aufweisen und zudem Rollenspiele sind, die aus dem oben beschriebenen, oft von Fantasy inspirierten Themenfundus schöpfen.64 Die folgende Analyse besteht aus drei Teilen: Im ersten werden die unterschiedlichen Settings mit Authentizitäts- und Fantasy-Markern gegeneinander abgewogen. Authentizitätsmarker sind vom Konzept her an Elliots und Horswells „crusading icons“ angelehnt65, welche den zeichentheoretischen Ansatz von Peirce auffassen. Bestimmte Tropen und historische Icons haben sich demnach etabliert, um einen Anschein von historischer Authentizität zu vermitteln. Authentizitätsmarker sind in meinem Verständnis beispielsweise historische Persönlichkeiten, Jahreszahlen oder reale Orte. Es handelt sich um Spielelemente, die den Eindruck eines historisch gefußten Settings vermitteln, welche Spieler*innen zur Annahme führen könnte, es sei entsprechend ihres Eigenbildes geschichtsgetreu, d.h. authentisch. Im zweiten Schritt wird die ludische Geschlechterrepräsentation der narrativen gegenübergestellt, ehe im dritten Schritt auf die Rolle von Fantasy als potentielles Ermächtigungsinstrument eingegangen wird. Zitiert wird entsprechend der Spiel-Strukturen nach Kapiteln und/oder Quests.
Authentizitäts- und Fantasy-Marker
Die drei gewählten Spiele bilden ein Spektrum zwischen intendierter Authentizität und Fantasy ab. KC:D stellt dabei von allen das dichteste Gewebe an Authentizitätsmarkern der geringsten Menge an offenkundigen Brüchen durch Fantasyelemente entgegen. Das Spiel kündigt im Intro an, das Königreich Böhmen um das Jahr 1403 abzubilden. Von Architektur und Kleidung bis hin zu Bräuchen, historischen Ereignissen und Personen geht das Spiel auch tatsächlich dem Ziel nach, zumindest einen Querschnitt Böhmens während des 15. Jahrhunderts zu präsentieren. Viele Abweichungen sind dort anzutreffen, wo historische Vorgaben mit dem spielerischen Unterhaltungswert in Konflikt stehen. So nennt Joanna Nowak, die als Historikerin an dem Spiel arbeitete, als Beispiel die historisch inkorrekte Bekleidung eines Charakters, die dazu dienen soll, dass der Charakter leichter von der Spieler*in wahrgenommen wird, ebenso wie eine Angleichung des Schwertkampfes, der ansonsten „langweilige Schufterei“ (org. „boring slogs“) wäre.66 Alchemie als ermächtigendes Element und andere offenkundige Fantasy-Elemente sind nicht zentral für die Geschichte.
APT:I nimmt aufgrund einer Fülle an magischen Elementen, die auch das Zentrum der Handlung bilden, die Mittelposition ein. Es spielt im ländlichen Aquitanien des 14. Jahrhunderts, das unter der Invasion der englischen Armee während des Hundertjährigen Krieges und der grassierenden Beulenpest leidet. Das Spiel unterscheidet sich signifikant von KC:D, da es einen besonders eng choreographierten Ausschnitt zeigt, der für Entwickler*innen leichter zu kontrollieren ist als eine Open World. In diesem gehen Geschichte und Fantasy nahtlos ineinander über, ohne dass die Möglichkeit besteht, dass den Entwickler*innen die Kontrolle über die Ereignisse entgleist. Historische Eckpfeiler wie der Ausbruch der Beulenpest in der Stadt Caffa67, vor allem aber Architektur und Kleidung sowie die Omnipräsenz der Kirche dienen als Marker für ein Erlebnis, das geschichtlich inspiriert ist und so für Rezipient*innen im Rahmen des Möglichen liegt. Es spielt jedoch in einer alternativen Zeitlinie, deren Bruch zur bekannten Historie darin besteht, dass die Beulenpest hier durch Rattenbisse statt dem Rattenfloh übertragen wird68, um das Infektionsgeschehen dramatischer und blutiger zu inszenieren. Das größte Fantasyelement ist die sogenannte Prima Macula, die Macht, besagte Ratten zu kontrollieren.
TW3 wiederum ist am klarsten dem Fantasy-Genre zuzuordnen. Es basiert lose auf der The Witcher-Romanserie von Andrzej Sapkowski und spielt in einer von slawischer Folklore und realen Orten inspirierten Zweitwelt. So wird die Baba Yaga in ihrem hühnerfüßigen Hexenhaus thematisiert und Leshy sind in den Wäldern zu finden. Zugleich zieht das Spiel seine Inspiration jedoch aus vielen weiteren Sagenkreisen, welche klar machen, dass sich auch hier aus dem von Pratchett genannten Fantasy-Fundus bedient wurde: So begegnet man auch islamisch inspirierten Dschinnen und Banshees aus der irischen Mythologie, einem Helden wider Willen, der wie so viele Helden das Schwert als Waffe der Wahl führt, man hat Feuerball werfende Magi und machthungrige Adelige, die zumindest in der Haupthandlung in Form von Emhyr van Emreis primär männlich sind.
Genderrollen
Eingangs wurde weibliche Ermächtigung als die Möglichkeit beschrieben, eigene Entscheidungen zu treffen, sowie als gleichberechtigter Zugang zu Bildung und Ressourcen, Kontrolle über das eigene Leben und der Einfluss auf die gesellschaftliche und wirtschaftliche Ordnung. KC:D entspricht dieser Definition in keinem der genannten Punkte. In der Vergangenheit wurde das Spiel für sein Frauenbild und Fremdenfeindlichkeit kritisiert. „We’re presented a world where men were still men, where peasants and women still knew their places in society […].“69 Henry durchläuft Campbells Heldenreise. Ihm stehen zudem etliche Fähigkeiten und Entfaltungsmöglichkeiten offen. So lernt er z.B. Bogenschießen, Lesen und Schreiben, professionelle Heilkunde, Taschendiebstahl, arbeitet als Krankenpfleger ( „In God's Hands“), Spion ( „Nest of Vipers“), Mönch („A Needle in a Haystack“) und Soldat. Durch einen geheimen Vater kann er sogar in den Adel aufsteigen.
Frauen nehmen in Henrys Heldenreise hingegen nur untergeordnete Rollen ein. Alle fungieren entweder als Geliebte (Bianca, Theresa), als fürsorgliche Mutterfigur (Johanka) oder beides (Lady Stephanie). Theresa und Stephanie dienen zugleich als Damsels in Distress, Jungfrauen in Nöten, die von einem Mann gerettet werden müssen: Theresa kann zweimal vor sexualisierter Gewalt gerettet ( „Run!“, „Courtship“) und Stephanie als Geisel befreit werden („Night Raid“). Beide kann Henry zudem durch entsprechende Quests umwerben, die stets mit Geschlechtsverkehr als finale Belohnung enden. Theresa wird bereits von Beginn des Spiels an als primäre Geliebte inszeniert und von der Kamera mit Blick auf ihr schwankendes Hinterteil sexualisiert (Abb. 2).
Frauen finden sich durchweg in untergeordneten Rollen wieder, die sie wiederholt auf ihren Körper reduzieren, ob als Bademädchen, die sich für Henry prostituieren, als Geliebte, deren romantischer Handlungsstrang mit Sex endet, oder im Fall von Henrys Mutter als Mutter, die Kinder gebärt und deren Leben sich ausschließlich um das Kind dreht. Diese Rollenverteilung wird nicht infrage gestellt. Während Männern alle Rollen, vom Adeligen bis hin zum Soldaten, Händler oder Strauchdieb offenstehen, sind die der weiblichen Charaktere stark eingegrenzt. Kein Soldat oder Bandit ist weiblich. Frauencharaktere, mit denen regelmäßig interagiert werden kann, sind entweder Händlerinnen oder sogenannte „Bathmaids“. Der Geschlechtsverkehr wird sogar mit dem Buff „Alpha Male“ belohnt, der zeitweilig das Charisma anhebt. Das Spiel erklärt den Buff zusätzlich durch einen kleinen Text damit, dass Henry sich selbstsicher fühle und befriedigt sei. Von Frauen erkaufter Sex gilt daher als ein Zeichen höchster männlicher Stärke. Der Sex selbst wird nicht gezeigt, das Spiel versichert jedoch dem*der Spieler*in im Ladebildschirm: „The bathmaids will make a new man of you!“, untermalt mit dem Klang stöhnender Frauenstimmen. Henry hat somit durch seine Heldenreise die Möglichkeit zur Transformation („a new man“), die ihm unter anderem durch heterosexuellen Geschlechtsverkehr ermöglicht wird. Henrys sexuelle Abenteuer, welche ludisch belohnt werden, zelebrieren dadurch ein Ideal promiskuitiver Männlichkeit, dem Henry durch seine Heldenreise immer mehr entspricht. Die „Bathmaids“ dienen dabei als ludisches und narratives Hilfsmittel zur Entfaltung Henrys, nicht aber ihrer eigenen.70
Während KC:D den Aufstieg vom Fußvolk zum Adeligen zeigt, thematisiert APT:I hingegen den Abstieg vom Adel in die Gesetzlosigkeit, welches gleichermaßen Heldin Amicias Coming-of-Age-Geschichte ist. Feminismus und Ermächtigung werden dabei gleich zu Beginn des Spiels thematisiert. Im ersten Kapitel suggeriert Amicias Vater, dass sie sich beeilen solle, da sie sonst nicht in der Lage wäre, ihrem zukünftigen Ehemann und Herrn zu folgen. Amicia macht daraufhin klar, dass es nicht ihr Wille sei, zu folgen. Als Persiflage auf Campbells Heldenreise und dem Übergang vom Mädchen zur Frau stellt sie sich einer Prüfung ihres Vaters, bei welcher sie in einer vorgegebenen Zeit Äpfel abschießen muss. Statt jedoch eine tatsächliche Transformation ihrer selbst und ihres gesellschaftlichen Status anzuregen, kann sie diesen Prozess an dieser Stelle nur spielerisch durchlaufen statt wie Henry in Form einer tatsächlichen Heldenreise. Sie strebt danach, Ritterin zu werden, eine Rolle, die laut dem Spiel, so vermittelt der Gesprächskontext, Frauen nicht zusteht. Nichtsdestotrotz erreicht sie etwas, das ihrem Streben gleichkommt, indem sie während des Spiels als Heldin nicht nur mutmaßlich die Welt rettet, sondern auch gegen (ausschließlich männliche) Kontrahenten antritt, die, wie z.B. der Endgegner in Kapitel 2, weitaus größer als sie und schwer gerüstet sind. Sie selbst wird dabei als sowohl gebildet als auch wehrhaft dargestellt. In einer deutlichen Analogie vom Kampf Davids gegen Goliath ist ihre Hauptwaffe eine Schleuder.
Amicias Mutterrolle gereicht ihr entgegen des Stereotyps zum Nachteil, narrativ und ludisch. Durch diese kann sie ihren Weg nicht selbst wählen, wie Luca ihr bewusst macht: „Continue your mother’s work, Amicia.“ (Kapitel 4) Ludisch kann sich ihr kleiner Bruder Hugo zu Beginn nicht selbst wehren. Entfernt sich Hugo zu weit von ihr oder stirbt, endet das Spiel. Während sie die Rolle der Schlächterin einnimmt, wird Hugo als friedfertig und kindlich dargestellt. Er hat zum Beispiel die Möglichkeit, Amicia im Laufe des Spiels Blumen ins Haar zu stecken, wenn der*die Spieler*in mit diesen interagiert. So werden nicht nur die typischen Geschlechterrollen des Genres vertauscht, sondern gar naturalisierte Rollen, wie der weibliche Drang zur Mutterrolle und der männliche Beschützer, destabilisiert. Immer wieder lehnt Amicia es ab, als Hugos Mutter zu fungieren und letztlich ist es das geschwisterliche Miteinander und Umeinander-Kümmern, in dem sie ihre persönliche Beziehung finden. Neben Amicia gibt es zwei weitere zentrale Frauencharaktere. Eine davon ist die Diebin Mélie, die als kompetente Schlossknackerin inszeniert wird und Amicia in mehreren Kapiteln begleitet. Amicias Mutter ist erfolgreiche Alchemistin, die zudem Folter trotzt (Kapitel 6) und gleichermaßen ihre Kinder schützt, indem sie beispielsweise einem Angreifer mit einem Stein den Kopf einschlägt (Kapitel 1). Die Mutterrolle und die Rolle der erfolgreichen Gelehrten und Schlächterin schließen sich hier also nicht gegenseitig aus. Zwar sind weibliche Charaktere nicht in allen Rollen des Spiels vertreten (beispielsweise nicht im Klerus, der in APT:I rein männlich ist), doch es wird ein Dialog darüber eröffnet, dass Frauen wie Amicia danach streben, andere Rollen einzunehmen – und offenkundig auch erfolgreich damit sein können, wodurch sie letztlich die Gesellschaft bereichern (und retten).
Der spielbare Protagonist in TW3 ist Geralt of Rivia. Er steht als Hexer am Rande der Gesellschaft und agiert als Söldner und Schlächter, der sich der Bekämpfung von Monstern widmet. Er begegnet dabei Individuen verschiedener Schichten und verschiedener Geschlechter. Hierbei ist auffällig, dass viele der Frauen, denen er begegnet, mit Magie verbunden sind, während viele der Männer Ritter, Adelige oder Söldner sind. Ein Großteil der Handlung dreht sich jedoch um die Suche nach seiner Adoptivtochter Ciri. Ciri wird in der Diegese als eines der potentiell mächtigsten Geschöpfe des Witcher-Kosmos wahrgenommen, was auch der Grund dafür ist, dass sie während des Spiels verfolgt wird. Sie wird jedoch auch durch die Auswahl ihrer Fähigkeiten und, wie Swink es nennt, durch das Gamefeel71, als Charakter inszeniert, der stärker ist als der einzige Vergleichspunkt, Geralt. Sie kann teleportieren („Blink“), Feuerbälle werfen („Magic Stone“) und mehr. Ihre Fähigkeiten können - anders als viele von Geralts Kräften - über einen einzigen Knopfdruck ausgeführt werden, wodurch der Kampf deutlich einfacher wird und sie folglich mächtiger wirkt. Dennoch ist Ciri als Frau nur begrenzt ermächtigt. Sie kann nur in bestimmten Teilen des Spiels gespielt werden, welche äußerst linear sind, während Geralt die gesamte bespielbare offene Welt zur Verfügung steht.72 Ciri ist einen großen Teil des Spiels ein plot device, eine Damsel in Distress: Sie fällt in ein Koma, aus welchem Geralt sie retten muss, obwohl sie eigentlich selbst göttliche Macht besitzt. Ciris Schicksal, und damit ihre Ermächtigungsmöglichkeiten, sind dabei variabel. In den drei möglichen Spielenden kann sie sterben, selbst wie Geralt eine Hexerin werden oder den Thron des Königreichs Nilfgaard besteigen. Diese scheinbare Rollenvielfalt ist jedoch nicht unproblematisch. Welches Ende ihr beschert wird, hängt davon ab, wie Geralt handelt und sie beeinflusst. Es ist also nicht ihr Agens, das ihr Schicksal bestimmt, sondern Geralt, der durch den*die Spieler*in verkörpert wird.
Fantasy als Ermächtigungsinstrument
Das Setting von KC:D lässt sich nur schwer als Fantasy bezeichnen, die Handlung aber sehr wohl als klassisch für das Fantasy-Genre. Henrys geradezu übermenschlichen Fähigkeiten und Errungenschaften werden durch die Rahmung der Geschichte mit seinem adligen, d.h. buchstäblichen oder metaphorischen Blut erklärt, was ihn mit den Helden der epic fantasy73 verbindet. Während Alchemie als okkulte Wissenschaft mit Praktizierenden wie Paracelsus durchaus existierte, interpretiert das Spiel die Potenz alchemischer Tinkturen geradezu magisch, sodass teils nur noch wenig Verbindung zum tatsächlichen Wirkstoff besteht. Hier wird also an die Tradition von Potions im Digitalen Spiel angeknüpft und dadurch einem Fantasy-Element Vorrang gegenüber historischen Quellen gegeben. So können diese z.B. zeitweise Henrys Stärke („Artemisia potion“) erhöhen oder gar all seine Wunden auf Anhieb heilen („Lazarus potion“). Während übermenschliche Errungenschaften sonst weiblichen Charakteren verschlossen bleiben, wird diese fast magische Alchemie hauptsächlich mit Frauen in Verbindung gebracht. Vier der sieben Alchemist*innen im Spiel sind Frauen, wobei diese (z.B. Getrude und Kunhuta) jedoch als Kräuterhexen inszeniert werden, während die Männer als Mönche (Nicodemus und Nevlas) oder Apotheker (Konyash) auftreten. Gertrude ist auch diejenige, die in der Quest „Playing with the Devil“ den „Hexen“ des Dorfs die Tinktur mixt. Was Henry zu einem Helden macht, wird im Falle der genannten Frauen demnach als Hexenwerk und somit negativ interpretiert und lässt sie zu gesellschaftlichen Randfiguren werden.
Magie in Form von Alchemie steht in der Welt von APT:I sowohl gebildeten Männern (Laurentio) als auch Frauen (Amicias Mutter) zu. Die offensichtlichste Form der Magie ist jedoch die Gabe Hugos, Ratten zu kontrollieren. Dabei handelt es sich um eine Fähigkeit, die ihm durch seine Mutter beigebracht wurde. Die Gabe kann jedoch nur im Zusammenspiel mit einem weiblichen Charakter (erst seiner Mutter, später seiner Schwester) verwendet werden. Obwohl Amicia somit auf Hugos Kräfte Zugriff hat, ist es vielmehr jedoch die Weltkonzeption, die auf Fantasy beruhend Amicias Ermächtigung unterstützt. Dadurch, dass das Böse in Form von patriarchaler Magie Einzug hält – die Kirche, repräsentiert durch die Inquisition, ist exklusiv männlich und antagonistisch – kann sie an diesem wachsen und die Heldentransformation durchleben. Obwohl die Fantasy-Elemente nicht Amicia selbst betreffen, sind sie Auslöser für ihre Heldenreise und dienen auch als Hindernisse, deren Überwindung ihren Status als Heldin legitimiert.
In TW3 können Frauen gleichwertige Rollen wie männliche Charaktere erreichen, wenn auch zumeist nur durch Unterstützung von Fantasy-Elementen. Wie auch in KC:D sind in TW3 Frauen, die sich Magie widmen, ständig in Gefahr. König Radovid von Redania widmet sich der Hexenjagd, weshalb sich z.B. Triss Merrigold und Keira Metz verstecken müssen. Wenn der*die Spieler*in sie nicht nach Kaer Morhen schickt, wird sie aufgespießt („For the Advancement of Learning“). Das Spiel zeigt demnach die systematische Unterdrückung von Frauen durch Männer aus Angst vor deren Einfluss.
Immer wieder wird das idealisierte und sexualisierte Erscheinungsbild der Frauen kritisiert.74 Dies wird besonders bei Charakteren deutlich, die Magie als offenkundiges Fantasy-Element nutzen. Dabei sind diese Charaktere nach einem modernen, westlichen Schönheitsstandard gestaltet, so lange sie mit Geralt/der Spieler*in verbündet erscheinen. Die Crones erscheinen zwar erst als attraktive Frauen, sind jedoch in ihrer Rolle als Antagonistinnen offenkundig missgestaltet, mit übersteigerten Ausprägungen dessen, was oft im westlichen Schönheitsdiskurs als unerwünscht empfunden wird: gehobenes Alter, Übergewicht und gekrümmte Körperhaltung (Abb. 3). Dasselbe Zusammenspiel von Antagonismus und Hässlichkeit lässt sich auch in anderen Gegenspielerinnen wie beispielsweise den Hags, wasserliebenden Kreaturen mit krummem Rückgrat und Klauen, festmachen.
Das Zusammenspiel von Macht und Schönheit ist auch bei den Protagonist*innen zu beobachten, die Geralt unterstützen. Deren Körper werden durch eng anliegende Kleidung und einen großen Ausschnitt weiter sexualisiert, wodurch Macht auch immer an Attraktivität geknüpft ist Ermächtigung geht demnach auch mit Objektifizierung einher. Dies wird durch Objekte unterstrichen, die im Spielkontext keinen Sinn ergeben und lediglich dazu dienen, die Attraktivität der Frauen zu steigern, wie die High Heels in denen Ciri und Yennifer kämpfen. Dennoch gibt es auch Gegenbeispiele. Während der Quest „Master Armorer“ stellt Geralt fest, dass der beste Schmied des Landes eine Schmiedin ist und ihren männlichen Gehilfen als das Genie darstellt, um ihre Waren verkaufen zu können. Dies kann als subversiv gelesen werden, da die Rolle der Frau in der Welt des Spiels aktiv diskutiert wird.
Der misogyne Wolf im Pelz der Authentizität
Die vorangegangenen Ausführungen zeigen, dass der Authentizitätsbegriff in Bezug auf Genderrollen und -relationen ein ideologisches Konstrukt ist, der dazu genutzt wird, ermächtigte Frauenfiguren aus dem Rollenrepertoire des Rollenspielgenres zu verbannen. Fantasy schöpft dabei traditionell aus einem Fundus an Ideen und Ideologien, der toxische Stereotype bedient, welche bis heute in Medien rezipiert werden. KC:D zeigt dabei deutlich den Zusammenhang zwischen einem ideologisch motivierten Authentizitätsgedanken, welchen der Lead Designer immer wieder in Interviews unterstreicht, und einer misogynen Darstellung weiblicher Charaktere. Die Beispiele APT:I zeigen jedoch, dass eine moderate Menge an Fantasy ebenso ermächtigend, wenn nicht sogar ermächtigender sein kann als in Spielen, die das Genre noch stärker bedienen. In TW3 ist Magie an die Bedingung von Schönheit gekoppelt und bei vielen Charakteren (Yennefer, Keira, Triss) auch an sexuelle Verfügbarkeit. Auch ist die Einflussnahme der weiblichen Charaktere begrenzt und Geralt, als Mann, entscheidet wortwörtlich über das Schicksal des scheinbaren Überwesens Ciri. Demnach stellt Fantasy als Ermächtigungsinstrument keinen stabilen Gegenpol zum Authentizitätswahn dar, kann jedoch, wenn sie richtig gerahmt wird, helfen, eine größere Bandbreite an Genderrollen zu repräsentieren und in historisch inspirierten Settings ein weibliches Äquivalent zur Campbell’schen Heldenreise zu erlauben. Es ist abzuwarten, an welchem der analysierten Titel sich kommende Rollenspiele mit einem mittelalterlich inspirierten Setting eher orientieren werden.
Anmerkung
Dieser Artikel wurde durch den Estonian Research Council (PRG934) gefördert.
This work was supported by the Estonian Research Council grant (PRG934).
Medienverzeichnis
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Artikelbild
A Plague Tale: Innocence. Eigener Screenshot.
- Vgl. CD Projekt RED: The Witcher 3. 2015. [↩]
- Vgl. Lynch et al.: Sexy, Strong, and Secondary. 2016; Perreault et al.: Depictions. 2018.[↩]
- Neben dem später analysierten Kingdom Come: Deliverance (2018) stützt auch Rockstar Games‘ L.A. Noire (2011) diesen Eindruck, wie auch Cotignola und Jogodnik (2018) an einer Analyse der Frauencharaktere in der zentralen Geschichte des Spiels belegen (Vgl. Cotignola/Jogodnik: „Cough it up, sister“: Femme Fatales and the Role of Women in L.A. Noire. 2018. <https://medium.com/@matthewjogodnik/cough-it-up-sister-femme-fatales-and-the-role-of-women-in-l-a-noire-1fd5498d225d> [11.08.2022]).[↩]
- Vgl. Pfister: Why History in Digital Games matters. 2020, S. 48.[↩]
- Vgl. Rüster: Fantasy. 2013, S. 285; Olsen: Ellipse of Uncertainty. 1987.[↩]
- Vgl. Umbach;Humphrey: Authenticity. The Cultural History of a Political Concept. 2018, S. 1-2. [↩]
- Vgl. Adorno: Jargon der Eigentlichkeit. 2015 (1964).[↩]
- Umbach;Humphrey: Authenticity. The Cultural History of a Political Concept. 2018, S. 34. [↩]
- Der Medienbegriff wird hier im Sinne von Medien verwendet, die ein breites Publikum erreichen sollen und daher in der Regel gewissen ökonomischen und gesellschaftlichen Regeln unterworfen sind (vgl. Krijnen; van Bauwel: Gender and Media. 2015, S. 7). [↩]
- Manlove: The Impulse of Fantasy Literature. 1983, IX. Das Phantastische hingegen definiert sich durch Momente der Unschlüssigkeit bezüglich der Frage, ob ein Element dem Übernatürlichen zuzuschreiben ist (vgl. Todorov: Einführung in die fantastische Literatur. 1972/2013, 34f.). Als vertiefende Lektüre zu Phantastik und digitalen Spielen sei an dieser Stelle die Paidia-Sonderausgabe Phantastik im / und Computerspiel (Feb. 2022) genannt. [↩]
- Oder zumindest keinem gängigen Geschichtsverständnis entsprechen. So wie viele Science-Fiction-Werke Erfindungen der heutigen Zeit vorwegnehmen, ist es natürlich auch möglich, dass sich der Status von Fantasyelementen ändert und als unmöglich gedachte Elemente plötzlich von der (Geschichts-)Forschung als bewiesen angesehen werden. Derart feinkörnige Beispiele bedient die Arbeit aber nicht, weswegen dies nicht erschöpfend diskutiert wird. Feuerball werfende Magier*innen und drachentötende Recken werden typischerweise von Spieler*innen nicht als historisch real begriffen. [↩]
- Vgl. Attebery: The Politics (If Any) of Fantasy. 1991, 23.[↩]
- Vgl. Warhorse Studios: Kingdom Come. Deliverance. 2018. [↩]
- Vgl. Asobo Studio: A Plague Tale. Innocence. 2019. [↩]
- Die folgenden Abhandlungen beschäftigen sich primär mit der Rolle weiblicher Charaktere und der heteronormativen Dichotomie zwischen den Rollen. Jene Dichotomie und die Stereotypisierung der Geschlechter hat jedoch auch ein toxisches, vereinheitlichtes Männerbild zur Folge sowie die Negation von Genderrepräsentationen, die über binäre Betrachtungen hinausgehen. [↩]
- Als beispielhafte Publikationen zu diesem Thema, zu dem gerade in den 2000ern im Journal Sex Roles vielfach publiziert wurde, seien hier Downs/Smith 2010 und Ivory 2006 zu nennen (vgl. Downs; Smith: Keeping abreast of hypersexuality. 2010, 721-733; Ivory: Still a man’s game. 2006, 103-144). Ein aktuelles Beispiel wie sich zumindest das Geschlechterverhältnis gewandelt hat, bietet Ben Croshaw in einer Episode von Extra Punctuation (vgl. Croshaw: Are Games Actually Getting More Diverse? | Extra Punctuation. 2021. <https://youtu.be/2NfRCAXgcd0> [12.08.2022]).[↩]
- Vgl. Hall et al.: The spectacle of the ‘Other’. 2013, 247.[↩]
- Krijnen; van Bauwel: Gender and Media. 2015, S. 20.[↩]
- Vgl. Draycott: A short introduction to women in historical and archaeological video games. 2022, S. 2. [↩]
- Vgl. Krijnen; van Bauwel: Gender and Media. 2015, S. 20.[↩]
- Vgl. Ivory: Still a Man’s Game. 2006, S. 104.[↩]
- „Gameplay can be defined as the combination of rules and geography in a game.” (Egenfeldt-Nielsen et al: Understanding Video Games. 2008, S. 102).[↩]
- Vgl. Batinic;Appel: Medienpsychologie. 2008, S. 314.[↩]
- Lünenborg; Maier: Gender Media Studies. 2013, S. 102.[↩]
- EIGE: Empowerment of Women. 2016. <https://eige.europa.eu/thesaurus/terms/1102> [30.04.2022][↩]
- Vgl. Schwarz: Quarry – Playground – Brand. 2020, S. 25.[↩]
- Vgl. Heinemann. Das „authentischste“ Historienspiel aller Zeiten?!. 2018.[↩]
- Vgl. Brandenburg: If It’s a Fantasy World. 2020.[↩]
- Vgl. Zimmermann: Introduction. 2020, S. 10-11; Umbach/Humphrey: Authenticity. 2018. [↩]
- Vgl. Pfister: „Wie es wirklich war“. 2017. <http://gespielt.hypotheses.org/1334> [30.04.2022][↩]
- Vgl. Pfister: „Vom rechten Bild des Mittelalters“. 2019. <https://gespielt.hypotheses.org/3071> [30.04.2022][↩]
- Vgl. Rose: Extraordinary Pasts. 2009, S. 319.[↩]
- Vgl. Schwarz: Quarry – Playground – Brand. 2020, S. 26.[↩]
- Burckhardt: Judgments on History and Historians. 1999, S. 171.[↩]
- Vgl. Pfister: „Vom rechten Bild des Mittelalters“. 2018. <https://gespielt.hypotheses.org/3071> [30.04.2022][↩]
- Vgl. Zimmermann: Introduction. 2020, S. 16-17.[↩]
- Vgl. Brandenburg: „Vom rechten Bild des Mittelalters“. 2019. <https://gespielt.hypotheses.org/3071> [30.04.2022][↩]
- Vgl. Young: It’s the Middle Ages, Yo! 2012, S. 4-6. [↩]
- Brandenburg: If It’s a Fantasy World. 2020, S. 204.[↩]
- Vgl. Bethesda Game Studios: Skyrim. 2011.[↩]
- Marshall definiert Neomedievalism als „a self-conscious, ahistorical, non-nostalgic imagining or reuse of the historical Middle Ages that selectively appropriates iconic images […] to construct a presentist space that disrupts traditional depictions of the medieval.” (Marshall: Neomedievalism, Identification, and the Haze of Medievalisms. 2011, S. 21-34.) [↩]
- Vgl. Attebery: The Politics (If Any) of Fantasy. 1991; Sinclair: Magical Genders. 2015.[↩]
- Vgl. Vaughn: The Female Hero in Science Fiction and Fantasy. 1991, S. 83.[↩]
- Baker: Why We Need Dragons. 2012, S. 438.[↩]
- Vgl. Baker: Why We Need Dragons. 2012, S. 439.[↩]
- Vgl. Blüml: Gender and Racial Roles. 2014, S. 31.[↩]
- Vgl. Blüml: Gender and Racial Roles. 2014, S. 33.[↩]
- Vgl. Attebury: Fantasy’s Reconstruction of Narrative Conventions. 1988, S. 93; Frontgia: Archetypes, Stereotypes, and The Female Hero. 1991, S. 15.[↩]
- Frontgia: Archetypes, Stereotypes, and The Female Hero. 1991, S. 15.[↩]
- Vgl. Pearson: The Hero Within. 1986, S. 2.[↩]
- Vgl. Sinclair: Magical Genders. 2015.[↩]
- Vgl. Pratchett: Why Gandalf Never Married. 2011. <https://ansible.uk/misc/tpspeech.html> [30.04.2022][↩]
- Vgl. ibid.[↩]
- Vgl. Rüster: Fantasy. 2013, S. 286-287.[↩]
- Das Werk wird regelmäßig als eines der hundert einflussreichsten englischsprachigen Werke genannt. Diverse Künstler*innen haben sich nach Eigenaussagen von dem Werk inspirieren lassen. Ein Beispiel ist Filmemacher George Lucas, der angab, dass Campbells Werk die Star Wars-Filme beeinflusst hat (vgl. Cousineau: The Hero’s Journey. 2003, S. 186-187). [↩]
- Vgl. Frontgia: Archetypes, Stereotypes, and The Female Hero. 1991, S. 16.[↩]
- Vgl. Segal: Joseph Campbell. 1990, S. 34.[↩]
- Vgl. Campbell; Moyers: The Power of Myth. 1988, S. 138.[↩]
- Vgl. Rüster: Fantasy. 2013, S. 285.[↩]
- Vgl. Attebury: Fantasy’s Reconstruction of Narrative Conventions. 1988, S. 96.[↩]
- Vgl. Vaughn: The Female Hero in Science Fiction and Fantasy. 1991, S. 83.[↩]
- Von TW3 wurden über 40 Millionen Kopien verkauft, von KC:D über fünf Millionen und von APT:I über eine Millionen (vgl. LeBlanc: The Witcher 3 Has Sold More Than 40 Million Copies, Cyberpunk 2077 Surpasses 18 Million. 2022 <https://www.gameinformer.com/2022/04/14/the-witcher-3-has-sold-more-than-40-million-copies-cyberpunk-2077-surpasses-18-million> [12.08.2022]; Sinha: Kingdom Come: Deliverance Has Sold Over 5 Million Copies. 2022. <https://gamingbolt.com/kingdom-come-deliverance-has-sold-over-5-million-copies> [12.08.2022]; Handrahan: A Plague Tale : Innocence reaches one million sales. 2020. <https://www.gamesindustry.biz/a-plague-tale-innocence-reaches-one-million-sales> [12.08.2022]. [↩]
- Brandenburg unterscheidet zwischen dem „Mittelalterlichen“, das omnipräsent ist, und dem „Mittelalter“ als tatsächlich geschichtlicher Epoche (Brandenburg 2020, S. 202).[↩]
- Zumal Rollenspielen noch immer eine besondere Vielfalt an angebotenen Rollen nachgesagt wird.[↩]
- Elliot; Horswell: Cursading Icons. 2020, S. 138-139. [↩]
- Vgl. Webster: Kingdom Come: Deliverance is an RPG that trades fantasy for historical accuracy. 2018. <https://www.theverge.com/2018/2/2/16964080/kingdom-come-deliverance-history-rpg-ps4-xbox-pc> [08.08.2022]. [↩]
- Vgl. Benedictow: La Peste Negra. 2011.[↩]
- Vgl. Rodríguez et al. Historia medieval: siglos III a XV. 2018.[↩]
- Inderwildi: Kingdom Come Deliverance’s quest for historical accuracy is a fool’s errand. 2018. <https://www.rockpapershotgun.com/kingdom-come-deliverance-historical-accuracy> [30.04.2022][↩]
- Die männliche Ermächtigungsfantasie, die KC:D darstellt, soll zu einem gewissen Maße durch den DLC „A Woman’s Lot“ konterkariert werden, das jedoch in großen Teilen Theresas häusliche Existenz thematisiert. Obschon Theresa die Heldin ist, ist sie aus ludischer Sicht Henry nicht gleichgestellt. Zwar kann sie nun eine Waffe tragen und Bogenschießen erlernen, jedoch keine Rüstung tragen. Ihre Kampfwerte sind äußerst gering, ihr Charisma dagegen sehr hoch, was dem klassischen Stereotyp der Frau als Teil des friedfertigen Geschlechts entspricht.[↩]
- Steve Swink behauptet, dass das Gefühl der Controls essentiell für Spiele ist und deren Interpretation durch die Spieler*in. Controls können sich beispielsweise „floaty“ oder „responsive“ anfühlen (Swink: Game feel. A game designer’s guide to virtual sensation. 2009, S- 1), wodurch der zugehörige Charakter bzw. die Entität, durch die die Spieler*in handelt, diese Eigenschaften annimmt. Somit wirken Fähigkeiten, die bei einem Knopfdruck bereits einen durchschlagenden Effekt verursachen meines Erachtens bereits mächtiger als solche, die hinter einem komplexen Spiel aus Tastenkombinationen verborgen sind.[↩]
- Eine ähnliche Konstellation lässt sich beispielsweise bei The Last of Us (2013) finden, in dem Ellie als zentrale Figur vorgestellt wird und in einem Kapitel die Rolle ihres männlichen Begleiters, Joel, einnehmen darf. So wie auch Ellies Ermächtigungsmoment mit dem Ende des Kapitels vergeht, kann auch Ciri nur innerhalb der engen Grenzen ihrer jeweiligen Levels handeln. Dies hinterlässt den Eindruck als müssen innerhalb von Spielen mit männlichen Protagonisten die für die Handlung oft wichtigeren weiblichen Charaktere in ihrer Macht beschnitten werden, um das männliche Heldentum nicht zu gefährden. [↩]
- Epic Fantasy charakterisiert sich durch eine besondere Nähe zu Legenden und Mythen. Die Macht der Helden wird oft durch ihre besondere Herkunft und das magische/göttliche Blut eines Elternteils, erklärt (Grant: Epic Fantasy. 1996, S. 319). [↩]
- So zum Beispiel von Feminist Frequency (vgl. Feminist Frequency: Tweet. 2015. <https://twitter.com/femfreq/status/605519915982819329> [06.08.2022]) und Patternson (vgl. Patternson: Pixelthreads: How Inconsistent, Sexist Fashion Hurts Worldbuilding in The Witcher 3: Wild Hunt. 2016. <https://www.themarysue.com/pixelthreads-worldbuilding-witcher-3-wild-hunt> [06.08.2022]). [↩]