Two rings to break them all: Zur agency des neuen Rings der Macht in 'Shadow of War' und der zwei Ringe im mittelalterlichen 'Iwein'
Der jüngste Ableger aus der Middle-Earth-Reihe von Monolith Shadow of War (SoW) 1 sorgt vor allem bei Tolkien-Begeisterten für Unmut. Dabei wäre doch zu vermuten, dass die Möglichkeit, als Spieler aktiv in die Geschicke Mittelerdes eingreifen zu können, gerade diesen Rezipientenkreis zu begeistern vermag. Die Zielsetzung und das generelle Setting des Spiels fügen sich auch auf den ersten Blick in das Tolkien-Universum ein: In der Rolle des Rangers Talion soll im Namen des Elben Celebrimbor eine möglichst starke Armee aufgestellt werden, um die Stadt Minas Ithil von der Herrschaft des Hexenkönigs zu befreien und schließlich ihn, wie auch Sauron, in einer letzten Schlacht zu stellen.
Das Mittel bzw. Ding der Wahl, das zum Sieg verhelfen soll, will sich jedoch nicht so recht in die Rahmenerzählung J.R.R. Tolkiens fügen: Ein zweiter Ring der Macht wird geschmiedet. Dieser Bruch mit der Dinglogik des Tolkien-Universums, die auf dem Einen Ring der Macht basiert, stößt auf breite Kritik: SoW entferne sich mit seiner Erzählung in einem derart hohen Maß von der Welt Tolkiens, dass es sich auf keinen Fall in die Zwischenzeit der beiden kanonischen Texte The Hobbit und The Lord of the Rings (TLotR) einfügen könne, in der es doch vorgeblich angesiedelt sei. 2
Diese grundsätzliche Kritik an der Erzählung von SoW aufgrund eines irritierenden Dings stellt den Ausgangspunkt dieses Beitrags dar; es soll aber nicht darum gehen, sämtliche Brüche mit der literarischen Vorlage detailliert aufzuzeigen. Stattdessen soll der erzählerische Mehrwert eines multimedial inszenierten und erweiterten Texts aufgezeigt werden, der gerade durch seine kreative Ausgestaltung anschlussfähig an mittelalterliche Stoffe wird. Dazu wird mit Henry Jenkins davon ausgegangen, dass medienübergreifendes Erzählen ein „enhancement of the creative process“ 3 darstellt. Im Kontext dieses Beitrags ist damit gemeint, dass das Erzähluniversum, in dem SoW beheimatet ist, gerade durch die eigenwillige Aneignung des Plots im Spiel eine sinnhafte und –konstruierende Erweiterung erfährt.
Magische Ringe und ihre Träger
Machtvolle Dinge spielen nicht erst seit Tolkiens Erzählungen, geschweige denn erst seit der Erfindung des Computerspiels eine zentrale Rolle, sondern üben bereits in mittelalterlicher Literatur eine unbedingte Faszination und Wirkung auf ihre Träger aus. Es sind vor allem solche Dinge, die die Mediävistik aktuell beschäftigen. 4 Der zweite Ring der Macht in SoW ist als deutliche Abweichung von der Erzähllogik Tolkiens ein guter Ansatzpunkt, um aufzuzeigen, dass Irritationen nicht zwingend ein Rezeptionshindernis sind, sondern kreatives Sinnpotential in sich bergen. Der neue Ring bietet eine Fülle an Deutungsmöglichkeiten und Lesarten, die in diesem Beitrag aus dem Vergleich der magischen Wirkung der Ringe in SoW und dem Iwein 5 Hartmanns von Aue gewonnen werden.
Der Beitrag greift dabei einen bestimmten Aspekt heraus: Der neue Ring der Macht besitzt wie der Prototyp von Sauron in TLotR eine bestimmte Form der magischen Handlungsfähigkeit, die fortan agency genannt wird. Dieser Begriff wird in diesem Beitrag konsequent aus literaturwissenschaftlicher Perspektive heraus verstanden. Dabei schließe ich mich in der Verwendung des Begriffs Anna Mühlherrs sehr weiten Bestimmung der agency als „Basiskategorie“ an, „die den Blick für die Unterschiede schärft, die Dinge im Handlungsgeflecht machen.“ 6 Es geht also bei diesem Begriff nicht um den ludischen Aspekt der instrumental oder fictional agency, die der Spieler mit dem Werkzeug des Avatars und dessen Steuerung durch die Spielwelt besitzt. 7 Diese Form der Einflussnahme auf die Gesamthandlung – in unserem Fall die (in-)direkte Beeinflussung der Träger magischer Ringe – bildet den Brückenschlag ins 13. Jhd. zum Iwein Hartmanns von Aue und in die Gegenwart des ludischen Rezipienten.
Dieser Beitrag möchte mit der Analyse bedrohlicher magischer Dinge einen Beitrag zum interdisziplinären Dialog von Germanistischer Mediävistik und den Game Studies vorstellen. Ziel ist es aufzuzeigen, dass das destruktive Potential der Ringe – mhd. vingerlîn 8– auf den Ranger Talion, den Minneritter Iwein und den Spieler von SoW ausgreifen kann.
Um einen nachvollziehbaren Vergleich zwischen den verschiedenen Ringen bei Tolkien, in SoW und im Iwein gewährleisten zu können, werden zunächst die wesentlichen Merkmale des Einen Rings in Tolkiens Erzählungen herausgearbeitet. Dabei geht es rein um das Wirkungspotential des Rings der Macht, der als literarische Vorlage wesentliche Elemente des neuen Rings in SoW mitbestimmt.
Ein Ring, sie zu knechten – Die Vorlage
Die Konsequenzen, die eine Dopplung des Einen Rings aus TLotR und seine veränderte Vorgeschichte in SoW mit sich bringen, sollen mithilfe einer kurzen Zusammenschau der zentralen ‚Eigenschaften‘ des Einen Rings erfasst werden. 9
In Tolkiens Erzählung ist dieser Ring der einzige, der alleine von Sauron angefertigt wurde. Zugleich verrät die von ihm selbst angefertigte Gravur auch den Zweck des magischen Dings:
One Ring to rule them all,
One Ring to find them,
One Ring to bring them all and in the
Darkness bind them
In the Land of Mordor, where the Shadows lie. 10
Der Eine Ring Saurons, den er heimlich im Feuer von Mount Doom anfertigt, ist „a thing of surpassing potency“. 11 Es gelingt ihm damit, die Werke und Gedanken fast aller anderen Ringträger zu manipulieren. 12
Um die angestrebte Wirkmächtigkeit des Rings zu erreichen, ist der Herrscher über Mordor dazu gezwungen, einen Großteil seiner eigenen Macht im Schmiedeprozess an den Ring zu binden. 13 Dies gelingt ihm mit der ‚Taufe‘ des Rings zum Einen Ring: „[H]e [Sauron, F.N.] creates an object and empowers it through an act of naming, letting much but not all of his power pass on to it.” 14 Der Ring wird zur Manifestation der „native power“ 15 Saurons. Der Ringverlust wiederum bringt verheerende Konsequenzen mit sich, denn mit ihm schwindet auch die körperliche Form Saurons und damit ein Großteil seiner Macht.
Der Ring wird zum ‚Aufbewahrungsort‘ 16 des Großteils seiner Macht und seines unbändigen Willens zur absoluten Herrschaft 17 – nicht umsonst erliegen sämtliche nachfolgenden Ringträger letztlich der Macht des Einen Rings. Gergely Nagy bringt es auf den Punkt: „The ring functions as Sauron’s body“ 18, was angesichts der engen Verbindung zwischen dem Ring und seinem Schmied naheliegt.
Aus dingtheoretischer Perspektive kann diese Deutung noch erweitert werden: Der Eine Ring ist eine Manifestation der Macht Saurons, die die Gedanken aller weiteren Ringträger letztlich zermürbt und zum Ziel der Habgier all derjenigen wird, die um die Existenz und den Besitzer des Rings wissen. 19 Der Ring besitzt ein klares Ziel: die Rückkehr zum bestehenden ‚Rest‘ seines Schmieds. Dieses verfolgt er offenbar mit einem ihm innewohnenden Antrieb. 20
Der Weg zum neuen Ring
Der Konnex einer bedrohlich engen Bindung an einen Ring der Macht sowie die drastischen Konsequenzen seines Verlusts finden sich beim zweiten Ring in SoW modifiziert wieder. Nachdem im folgenden Abschnitt die Rolle des neuen Ringschmieds Celebrimbor bei der Entstehung von Saurons Ring der Macht im Vorgänger von SoW kurz nachgezeichnet wird, soll anschließend das damit in Verbindung stehende Wirkungspotential des neuen Rings analysiert werden.
Der Sage nach, die in SoW und seinem Vorgänger Shadow of Mordor 21(SoM) erzählt wird, ist es der Elb Celebrimbor, der drei Ringe – unabhängig vom Einen Ring – für die Elben schmiedet und damit Sauron die Einflussnahme auf diese Ringe verwehrt. Erzürnt darüber erobert der ‚Dunkle Herrscher‘ das Königreich Celebrimbors und zwingt ihn dazu, die Arbeit an seinem Ring der Macht abzuschließen
Ähnlich Sauron in Tolkiens Vorlage bindet auch Celebrimbor einen Teil seiner ihm innewohnenden Kraft an den Ring, um diesem eine agency zu verleihen. Sie ermöglicht es dem Ring, eigenständig seinen Träger zu wählen, was für Celebrimbor jedoch zum Verhängnis wird. Der Ring an der Hand des Elben ‚erkennt‘ im Kampf mit Sauron, dass sein ursprünglicher Besitzer in Gefahr ist und rutscht Celebrimbor vom Finger. Durch den Verlust des Rings geschwächt unterliegt der Elb im Kampf und muss dabei zusehen, wie seine Familie getötet wird, bevor er selbst hingerichtet wird. Von diesem Moment an wartet Celebrimbor als von Rachedurst zerfressener Geist auf die nächste Gelegenheit, sich an Sauron rächen zu können.
Diese Gelegenheit stellt Talion dar: ein Ranger, der während der Verteidigung des Schwarzen Tors getötet und zuvor noch Zeuge des Tods seiner Familie wird. 22 Anschließend wird Talion von dem rachsüchtigen Ringschmied in einer Art ‚Limbo‘ (Wraith World) wiederbelebt. Celebrimbor eröffnet Talion, dass sie beide aneinandergebunden seien, und sie teilen sich ab diesem Moment den Körper des Rangers. Der Ringschmied und der Kämpfer Gondors verschmelzen zu einem Körper.
Talion wird von diesem Moment an durch die Magie des Elbs am Leben erhalten bzw. fortwährend wiederbelebt, sollte er im Kampf fallen. 23 Angesichts der erworbenen Macht durch die Fusion mit dem magischen Wesen und im Wissen, dass der Elb bei der Herstellung des Einen Rings maßgeblich beteiligt war, will Talion einen neuen Ring der Macht schmieden, um Sauron endgültig zu schlagen. Nach kurzem Zögern willigt Celebrimbor ein, ihm zu helfen.
Ein Ring, Helden zu brechen
Celebrimbor schmiedet in ‚Personalunion‘ mit Talion den neuen Ring und mit dem letzten Hammerschlag trennt sich für kurze Zeit der Geist Celebrimbors von Talion. Während die Verletzungen des Rangers sukzessive wieder lebensbedrohlich werden, die er bei seiner Hinrichtung am Schwarzen Tor erfahren hat, steht der Elb am Amboss. Mit der Fertigstellung des Rings als Manifestation des Rachegeists ist es diesem jetzt offenbar möglich, kurzzeitig körperliche Form anzunehmen. Der Ring ist also mehr als ein „(symbolischer) Vertreter des Besitzers.“ 24
Zugleich legt die Trennung der zuvor verschmolzenen Figuren die Fragilität Talions offen, der nur durch die Magie Celebrimbors am Leben erhalten wird – entweder in ‚Personalunion‘ oder durch das Tragen des Rings als „repository“ 25 der Macht des Ringschmieds. Dieser erste Indikator einer bedrohlich engen Bindung Talions an den Ring weist auf das unvermeidliche Schicksal des Rangers als Werkzeug Celebrimbors voraus.
Über mehrere Stationen der Erzählung hinweg wächst dabei die Spannung zwischen dem machthungrigen Elb und dem an die Magie des Rings gebundenen Talion, der sich der wachsenden Machtgier des von ihm Besitz ergreifenden Ringschmieds bewusst wird. 26 Den Wendepunkt dieser verhängnisvollen Bindung stellt die erste selbstständige und zugleich auch letzte Entscheidung Talions dar. Er entscheidet sich gegen die von Celebrimbor intendierte Unterwerfung eines Ringgeists und ehemaligen Königs der Menschen, indem er ihn tötet, bevor er dem Willen des Elben erliegt: Er solle kein ‚Sklave‘ Celebrimbors werden. 27
Wutentbrannt stellt Celebrimbor klar, was der Spieler bereits lange ahnt: Diese Entscheidung steht Talion nicht zu. Der Ranger ist für ihn nichts anderes als ‚ein Gefäß‘ („a vessel“) seines Willens – eine physische Erweiterung seines Rings. Daraufhin verlässt er den Körper Talions, der unmittelbar darauf zusammenbricht und wie zu Beginn in Mount Doom seinen Verletzungen erliegt.
Diese Ereignisse lassen folgenden Schluss zu: Mit der Bindung Talions an die Magie des Rings – der Manifestation des Willens Celebrimbors – beginnt die fortschreitende ‚Aushöhlung‘ des Rangers. Zwar hat der Ring zwei Träger zugleich, aber das Prinzip der Einflussnahme des Einen Rings der Macht im Tolkien-Universum gilt weiterhin: Der Ring lässt nur einen wahren Träger zu und das ist sein Schmied; den Willen sämtlicher weiterer Besitzer zermürbt er und bindet ihn an den Besitzer des Einen Rings. Talion ereilt eben dieses Schicksal, denn er ist in SoW nichts mehr als die physische Hülle des Ringschmieds, deren Finger den Ring halten. 28
Talion ist in SoW ein gebrochener Held im Sinne eines Werkzeugs, dessen letzte autonome Handlung die Anfertigung desjenigen Dings ist, dessen magische agency die Handlungsfähigkeit des Rangers schrittweise übernimmt. Die enge Bindung an den Ring zermürbt die Identität Talions als Kämpfer Gondors und drängt ihn in die Rolle eines Ringgeists Celebrimbors. Eine Befreiung vom Ring und dessen Magie wiederum bedeutet den (temporären) Tod 29 des Helden. Beide Ringe der Macht in SoM und SoW weisen Parallelen im Verhältnis zwischen ‚Hilfsschmied‘ und magischem Ring auf: Während Celebrimbor in SoM einen Teil seiner Macht an Saurons Ring band und seine Handlungsfähigkeit nicht gegen ihn behaupten kann, büßt Talion mit der Herstellung des neuen Rings seine Handlungsfähigkeit ein und kann nur noch zwischen dem eigenen Tod und der Existenz als Ringgeist wählen.
Iwein und Talion – Ring- und Identitätsverlust
Bei einem Vergleich mit Ringen aus dem Tolkien-Universum scheint es naheliegend, Iwein als Protagonist im gleichnamigen Text Hartmanns von Aue in den Vergleich mit einzubeziehen, ist er doch ebenfalls ein Ringträger. Er ist sogar im Besitz eines Rings, der ihn wie die Ringträger in TLotR unsichtbar werden lässt. Doch mit Blick auf SoW soll dies die einzige Gemeinsamkeit bleiben.
Iwein erhält den ‚Unsichtbarkeitsring‘ von Lunete, der Kammerzofe der Königin Laudine. Da Iwein für den Tod von Laudines Mann Askalon verantwortlich ist, wird er am Hof als Mörder gesucht, an dem Iwein sich nur deshalb aufhält, weil er dem König unbedingt eine Trophäe abringen wollte. 30 In dieser prekären Situation überreicht ihm Lunete den Ring mit den Worten:
Ir sult vor schaden sicher sîn:
Herre Îwein, nemt hin diz vingerlîn.
Ez ist umbe den stein alsô gewant:
Swer in hât in blôzer hant,
den mac niemen, al die vrist
unz er in blôzer hant ist,
gesehn noch vinden. (vv. 1204-1207) 31
Damit gelingt es Iwein, den nach ihm suchenden Männern Askalons zu entgehen, aber es ist nicht seine eigene Leistung. Er verdankt es Lunete und vor allem dem Zauberring, dass er lebend davonkommt. 32
Iweins Unversehrtheit ist mit der Magie des Rings eng verknüpft, die ihm von einer weiteren Figur zur Verfügung gestellt wird. In diese Lage bringt Iwein sich, indem er seinem schwer verletzten Gegner Askalon nachsetzt, um ihn doch noch endgültig zu besiegen. Mit Blick auf SoW schützt Lunetes Ring Iweins Unversehrtheit und bewahrt dessen Handlungsfähigkeit, während Talions körperliche Unversehrtheit nicht mehr gegeben ist und nur noch von der Magie des elbischen Rings bewahrt werden kann. Die offensichtliche Parallele zwischen Iwein als Träger des Unsichtbarkeitsrings und Talion erschöpft sich darin, dass beide Ringe für das Überleben ihrer Träger sorgen. Eine bindende Wirkung besitzt jedoch nur Celebrimbors Ring: Im Gegensatz zum Unsichtbarkeitsring erfordert die magische Wirkung des elbischen Rings den Verzicht auf Handlungsfähigkeit für den Schutz Talions.
Iwein erhält jedoch noch einen zweiten Ring. 33 Er stammt von Laudine, die mittlerweile durch die Vermittlungsleistung Lunetes Iweins Frau geworden ist. Iwein will kurz nach der Hochzeit auf Turnierfahrt gehen, woraufhin Laudine ihm zwar ihre Einwilligung gibt, aber in diesem Kontext Iwein einen zweiten Ring anvertraut, der in seiner Funktion als „Treuepfand“ 34 einen bindenden Charakter besitzt:
Hiute ist der ahte tac
nâch sunwenden:
Der sol diu jârzal enden.
So kumt benamen ode ê,
ode ichn warte iu niht mê.
Unde lât ditz vingerlîn
einen geziuc der rede sîn. (vv. 2940-2946) 35
In diesem Fall geht es weniger um die körperliche Unversehrtheit Iweins als um dessen Ansehen als Hüter des ‚Brunnenreichs‘ und Minneritter Laudines. Die magische Wirkung dieses ‚Minnerings‘ besteht vor allem darin, dem Träger fortwährend Glück und Wohlbefinden (senften muot; v. 2954) zu verleihen – so auch auf Turnierfahrt. 36 Iwein – offenbar noch von demselben Antrieb beseelt, der ihn Askalon hinterherjagen ließ – zieht in zahlreiche Turniere und erreicht ein hohes Maß an Ansehen (êre) am Artushof. Er versäumt es dabei, die ihm von Laudine gesetzte Frist einzuhalten, woraufhin es Lunete ist, die als Botin Laudines Iwein vor der Artusgesellschaft als Verräter beschuldigt. Sie erinnert ihn an das Geschenk des ersten Rings, das ihm das Leben rettete und betont, wie sehr sie diese Gabe bereue (vv. 3143-3150). Anschließend beschimpft sie ihn als einen Treulosen, verbannt ihn im Namen Laudines aus seinem Königreich, kündigt die Bindung an seine Frau auf (vv. 3160-3196) – und zieht Iwein den Ring vom Finger.
Dieses Mal hat der Verlust von Laudines Rings fatale Folgen: Iwein verfällt angesichts der Vorwürfe und der symbolisch in der Ringabnahme realisierten Aufkündigung sämtlicher êre-generierender Bindungen dem Wahnsinn (vv. 3201-3233). Er reißt sich die Kleider vom Leib und rennt in die Wildnis (vv. 3234-3238).
Der zweite Ring Iweins weist bekannte Strukturen auf: Es wird eine unbedingte Bindung an den Ring deutlich, der zugleich als Manifestation des ursprünglichen Besitzers verstanden werden kann. Im Iwein ist der Verlust des Rings zudem an das Ablaufen einer Frist gebunden. Der Ring ist nur temporär ein zur Treue mahnendes Minnegeschenk; mit dem Fristversäumnis und dem Verlust des Rings entfaltet sich die destruktive Wirkung der Bindung an dieses Ding: Die Bedrohung der Identität des Ritters Iwein. Basierend auf dem Selbstverständnis des Ritters als Teil einer Gemeinschaft, aus der er jetzt hinausgerissen wird, ist der ‚soziale Tod‘ Iweins 37 im Kontext des jeweiligen Mediums ein ebenso verheerenderes Schicksal wie der körperliche Tod Talions.
Iwein und Talion können als Figuren in ihren jeweiligen medialen und handlungsbezogenen Kontexten zwar nur bedingt miteinander in Beziehung gesetzt werden, doch in einem Punkt stimmen beide überein: Talion und Iwein sind gebrochene Heldenfiguren, deren Handlungsfähigkeit maßgeblich an die Ringe gebunden ist, deren Träger sie sind.
Beiden gelingt es nicht, ihre Figurenkonzeption gegen die Macht der von ihnen getragenen Ringe durchzusetzen: Talion will den neuen Ring der Macht als ‚gleichwertiges‘ magisches Ding gegen Sauron einsetzen, aber die Magie des Rings vereinnahmt Talion und er endet als Ringgeist Celebrimbors. Eine ähnlich negative Einflussnahme übt der Minnering auf Iwein aus, denn sein Turnierstreben wird indirekt von der magischen Wirkung des Minnerings mitgetragen und lässt ihn die Frist versäumen. Erst nachdem die Frist verstrichen ist, weicht die vom Ring beförderte Sorgenlosigkeit der Turnierfahrt (dô wâren sie beide [Iwein u. Gawein, F.N.] / mit vreuden sunder leide / von einem turnei komen; vv. 3059f.) 38 dem entsetzen Bewusstsein, Laudine vergessen zu haben (nû kom mîn her Îwein / in einem seneden gedanc: / er gedâhte, daz twelen waere ze lanc, / daz er von sînem wîbe tete; vv. 3082) 39.
Talion wird also gewissermaßen ‚von innen‘ gebrochen, denn er büßt in seiner Bindung an die Magie des Rings der Macht einen Großteil seiner Handlungsfähigkeit für sein Überleben ein, was ihn fortwährend zur ausführenden Hand von Celebrimbors Machtgier werden lässt. Iweins Bindung an den Ring wiederum generiert sich vor allem aus der mit ihm verbundenen Fristsetzung Laudines – die Magie des Rings allerdings befördert das Fristversäumnis und stürzt Iwein mit dem Verlust des Minnerings in den Wahnsinn. Mit der Ringabnahme Lunetes wird Iwein im Gegensatz zu Talion ‚von außen‘ gebrochen.
Der Verlust des Rings besitzt in beiden Fällen fatale Folgen: Talion realisiert seine Machtlosigkeit, streift Isildurs Ring über seinen Finger und ergibt sich in ein Schicksal, das er kurz zuvor noch vehement zu verhindern suchte. Iwein verfällt dem Wahnsinn und flüchtet sich aus der Gesellschaft. Beide Ringträger teilen dasselbe Schicksal, jedoch unter unterschiedlichen Vorzeichen: Talion verliert seine Identität durch den Besitz des neuen Rings der Macht, Iwein ereilt der Identitätsverlust durch den Verlust seines zweiten Rings.
Der ludische Rezipient als Ringträger
In diesem abschließenden Kapitel soll gezeigt werden, dass die Magie des Rings den Spieler in die Position des machtzerfressenen Celebrimbor versetzt und ihm die Machtlosigkeit Talions vorführt, dessen sich der Spieler selbst als ‚Hülle‘ bedient, um spielerischen Fortschritt zu erreichen.
Celebrimbors Ring besitzt ein Alleinstellungsmerkmal im Tolkien-Universum: den Modus der Gedankenkontrolle. Die von Talion und Celebrimbor im Laufe des Spiels bezwungenen Orks müssen im Gegensatz zum Einen Ring Saurons in TLotR keinen eigenen Ring tragen, um gedanklich kontrolliert zu werden. Sie müssen nur über eine kurze Zeitspanne in Kontakt mit dem Ring geraten, indem ihnen Talion die Ringhand auf ihren Kopf presst. Celebrimbor übernimmt ab diesem Zeitpunkt und unterwirft sie seinem Willen. Dabei ist designtechnisch auffällig, dass jedem Ork ein Mal in Form der Ringhand auf das Gesicht gebrannt wird, was im Kontext dieses Beitrags wie folgt ausgedeutet werden kann: Talion – die ‚Hand Celebrimbors‘ – brennt das Ikon des gebrochenen Helden 40 auf die Schergen Saurons, die von nun an dem Willen Celebrimbors unterworfen sind. Während der Rekrutierung von Celebrimbors Armee mithilfe der Magie des Rings teilen sich der Elb und der Spieler einen Avatar: Talion. Die daraus resultierenden Konsequenzen sollen abschließend aus narratologischer und ludologischer Perspektive 41 beleuchtet werden.
Den narratologischen Ansatzpunkt, der eine wichtige Voraussetzung zur ludologischen Reflexion darstellt, bietet Silvan Wagners These zu virtuellen Räumen und virtuellem Erzählen in mittelhochdeutscher Literatur. 42 Wesentliches Merkmal virtueller Räume ist nach Wagner ihre begrenzte „Kommunikationszugänglichkeit“. 43 Sie findet sich in jeder Erzählung wieder, indem der Erzähler und „die an der Erzählung Teilnehmenden […] einen Raum gemeinsam imaginieren.“ 44 Zugleich ist sie essentieller Bestandteil postmoderner virtueller Welten – in diesem Fall des digitalen Spielemediums, wo bereits die „Kenntnis des Umgangs mit der grundlegenden Technik […] eine Vorauswahl der Gruppe derjeniger [erzwingt], die den jeweiligen virtuellen Raum […] konstruieren können und für deren Dauer der Kommunikation er existent ist.“ 45 Dem virtuellen Raum liegt also ein begrenzter Kommunikationsprozess einer bestimmten Rezipientengruppe zugrunde, der es in seiner Spezifik erlaubt, einen Raum zu imaginieren bzw. virtuell zu erzeugen. Dieser Raum ist auf einer Ebene zwischen absoluter Distanz und Unmittelbarkeit zum erzählten Geschehen angesiedelt und wird mit Wagner folgend als „Erzählraum“ 46 bezeichnet.
Auf der Ebene des Erzählraums ist es möglich, den Rekrutierungsmechanismus von Orks mithilfe der Magie des Rings als mise en abyme 47 zu deuten, dessen Analyse Aufschluss über das komplexe Verhältnis zwischen Spieler und Avatar sowie die Rolle Celebrimbors in dieser Konstellation geben kann. Talion ist ein Avatar in der doppelten Konnotation als „ein Werkzeug zur Manipulation der Spielwelt, aber auch eine in diese Spielwelt integrierte Figur“. 48 Der Ranger, der als physische Erweiterung Celebrimbors mithilfe des Rings weitere Orks zu Hüllen werden lässt, die dem Willen des von Rache erfüllten Ringschmieds unterworfen sind, reproduziert innerhalb der Semantik wie der Syntax der Spielwelt 49 damit weitere ‚Hände Celebrimbors‘. Darin besteht offenbar das Maximum seiner Handlungsfähigkeit – und die Ambivalenz der Einflussmöglichkeit des Spielers.
Der Spieler bedient sich wie Celebrimbor des Werkzeugs Talion, um sich in der Spielwelt fortzubewegen und durch Manipulation derselben spielerischen Fortschritt zu erreichen. In gewisser Hinsicht erfordert die Spielmechanik also vom Spieler nicht nur das Hinnehmen eines Protagonisten ohne Handlungsspielraum, der neben der nur temporär erscheinenden Geistgestalt Celebrimbors der Avatar des Spielers ist. Sie drängt den Spieler dazu, seine ergodische Zeit 50 in die Rekrutierung einer gewaltigen Heerschar und damit auf der Syntax-Ebene des Spiels in die Machtgier des Elben zu investieren. Auf der Ebene der Spielmechanik werden damit aber zugleich die Möglichkeiten der Einflussnahme des Spielers auf die Spielwelt vermehrt. Je mehr Schergen der Spieler in den eigenen Reihen versammeln kann, desto vielfältiger kann er sie gegeneinander ausspielen und gegnerische Festungen infiltrieren.
SoW versetzt den Spieler also in eine Situation, die situative Merkmale beider Ringträger – Talion und Iwein – aufweist. Während die Wirkung des Rings der Macht wie der Minnering die Handlungsfähigkeit des Spielers zunächst erhält und vorantreibt, täuscht er zugleich über die enge ‚Bindung‘ des Spielers an das spielerische Machtinstrument hinweg: Damit der Spieler Fortschritt erreicht, hat er letztlich keine Wahl, als die magische Wirkung des Rings im Rekrutierungssystem einzusetzen. Damit muss er auf der narrativen Ebene von SoW zugleich das tragische Schicksal Talions vorantreiben und mit der Erweiterung seiner spielerischen ‚Macht’ auch die Macht Celebrimbors mehren. Narratologische und ludologische Perspektive rücken hier eng zusammen, wenn der Spieler durch die spielmechanisch zentrale Rolle der Magie des Rings selbst zur ‚Hand Celebrimbors‘ wird.
Im Gegensatz zu Talion und Iwein muss der Rezipient natürlich keine derart bedrohlichen Konsequenzen befürchten, wenn er analog zum Ring das Gamepad oder das Buch zurücklegt. Doch die darin demonstrierte Funktion des Rings als in Form gebrachtes Mahnmal der Machtgier, der Pflichtvergessenheit und die damit zusammenhängende ‚Aushöhlung‘ des Ringträgers bis zum kompletten Verlust der Identität, ist ein eindrückliches Merkmal, das dem Rezipienten mhd. Literatur wie auch dem Spieler deutlich vor Augen steht. Der jeweilige Erzählraum beider Medien erzeugt einen Raum, in dem der Rezipient das Potential von Ringen der Macht imaginieren und im Computerspiel sogar mitvollziehen kann. Zugleich wird diese Machtimagination mit der Handlungsunfähigkeit und dem drastischen Niedergang der jeweiligen Heldenfigur durchbrochen, wodurch der gesamte Erzählraum in die Reflexion rückt.
Dieser Beitrag soll zeigen, dass dieses Voraugenstellen des destruktiven Potentials magischer Dinge mittelalterliche Literatur und digitale Spiele eng zusammenrückt. An den zeitgenössischen Rezipienten des Iwein wie den Spieler von SoW ergehen Warnungen vor „Zauberding[en]“ 51, deren Bedrohlichkeit medienübergreifend nicht nur bewahrt wird, sondern in SoW sogar ‚erfahren‘ werden kann.
Medienverzeichnis
Spiele
Monolith: Shadow of Mordor. (PS 4). Burbank: Warner Bros. Entertainment 2014.
Monolith: Shadow of War (PS 4). Burbank: Warner Bros. Entertainment 2017.
Texte
Primärtexte
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Tolkien, J.R.R.: The letters of J.R.R. Tolkien. Hg. von Carpenter, Humphray mit Unterstützung von Tolkien, Christopher. London: George Allen & Unwin 1981.
Tolkien, J.R.R.: Silmarillion. Hg. von Tolkien, Christopher. London: HarperCollins 1999.
Tolkien, J.R.R.: The Lord of the Rings. 50th Anniversary Edition. London: HarperCollins 2004.
Forschungsliteratur, Zeitschriftenartikel und weiterführende Texte
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Schmauks, Dagmar: Ikon/Ikonizität. In: Nünning, Ansgar (Hg.): Metzler-Lexikon Literatur- und Kulturtheorie. Ansätze – Perosnen – Grundbegriffe. 4., aktualisierte und erweiterte Auflage. Stuttgart: J.B. Metzler 2008, S. 309-310.
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Selmayr, Pia: Der Lauf der Dinge. Wechselverhältnisse zwischen Raum, Ding und Figur bei der narrativen Konstruktion von Anderswelten im Wigalois und im Lanzelet. Mikrokosmos, Bd. 82. Frankfurt a.M.: Peter Lang Verlag 2017.
Wagner, Silvan: Erzählen im Raum. Die Erzeugung virtueller Räume im Erzählakt höfischer Epik. Trends in Medieval Philology, Bd. 28. Berlin/Boston: De Gruyter 2015.
Wiemer, Serjoscha: Zeit. In: Beil, Benjamin; Hensel, Thomas; Rauscher, Andreas (Hg.): Game Studies. Film, Fernsehen, Neue Medien. Wiesbaden: Springer 2018, S. 27-44.
Whetter, K.S.; Andrew. R.: "In the Hilt Is Fame": Resonances of Medieval Swords and Sword-Lore in J.R.R. Tolkien's the Hobbit and the Lord of the Rings. In: Mythlore 95/96 (2006), S. 5-28.
Titelbild
Screenshot aus dem offiziellen Story-Trailer zu Middle-earth: Shadow of War (2017) - Talion und Celebrimbor schmieden den neuen Ring der Macht. <https://www.youtube.com/watch?time_continue=6&v=-_UgfB95Wu0> [06.08.2018]
- Monolith: Shadow of War. 2017. [↩]
- Vgl. u.a. den Realitätscheck Peter Bathges im Spielemagazin PC-Games: http://www.pcgames.de/Mittelerde-Mordors-Schatten-Spiel-15588/Specials/Realitaets-Check-So-viel-Tolkien-Lore-steckt-im-Herr-der-Ringe-Ableger-1140109 [24.04.18], Corey Plantes Analyse: Shadow of War-Game Has Crazy 'Lord of the Rings' Canon Problems im Online-Magazin Inverse: https://www.inverse.com/article/37331-middle-earth-shadow-of-war-lord-of-the-rings-canon [24.04.2018] sowie Mansur Mithaiwalas Beitrag: How Shadow of War Breaks Tolkien’s Middle-Earth Lore auf der Infotainment-Seite Screenrant: https://screenrant.com/shadow-war-tolkien-middle-earth-lore [24.04.2018].[↩]
- Jenkins: Transmedia Storytelling. 2003. https://www.technologyreview.com/s/401760/transmedia-storytelling [24.04.2018].[↩]
- Die Rolle von Dingen in mittelhochdeutschen Texten – vor allem ihr Einfluss auf Figurenhandlungen, die Wahrnehmung von Figuren sowie ihre jeweiligen ‚Textbiographien‘ – ist ein Forschungsbereich der Mediävistik, der fortwährend an Bedeutung gewinnt; vgl. dazu die materialreiche Darstellung Anna Mühlherrs zu aktuellen Forschungsdiskursen und Publikationen der Dingforschung in ihrer Einleitung zum Sammelband Dingkulturen: Mühlherr: Einleitung. 2016, S. 1-5. Im Fokus stehen grundsätzlichen Überlegungen zu Dingen als Zeichen und machtpolitischen Aspekten des Gabentauschs: vgl. dazu u.a. Kienlin: Dinge als Zeichen. 2005; Cowell: The medieval warrior aristocracy. 2007; Kohl: Macht der Dinge. 2006; Oswald: Gabe und Gewalt. 2004. Namhafte Waffen, deren Entstehungs- und Vererbungsgeschichte auf den aktuellen Träger ‚abfärben‘ kann, ist ein weiteres Analysefeld der Dingtheorie: vgl. u.a. Mühlherr: Durchschlagkraft. 2014, S. 259-275; Kasten: Rennewarts Stange. 1977, S. 394-410. Überlegungen dazu mit direktem Bezug zu Tolkien und seiner Lektüre des Beowulf finden sich bei Whetter; McDonald: In the hilt is fame. 2006, S. 5-28. Weitere Forschungsthemen sind die Semiotik äußerer Kleidungsstücke und unterschiedlicher Rüstungsgegenstände: dazu u.a. Brüggen: Kleidung und Mode. 1989; dies.: Rüstung des Anderen. 2016, S. 127-144; Hartmann: Heraldische Motive und ihre narrative Funktion. 2002; Klein: Die Farben der Herrschaft. 2014; Schausten: Vom Fall in die Farbe. 2008, S. 459-482; Miklautsch: Glänzende Rüstung. 2000, S. 61-74; Nieser: Das getilgte Ding. 2017, S. 329-344.[↩]
- Sämtliche Textzitate und Übersetzungen des Iwein sind folgender Ausgabe entnommen: Hartmann von Aue: Iwein, hrsg. u. übers. v. Volker Mertens, Frankfurt a. M. 2008 (Deutscher Klassiker Verlag Bd. 29).[↩]
- Mühlherr: Durchschlagkraft. 2014, S. 261.[↩]
- Beil und Rauscher: Avatar. 2018, S. 207 f.[↩]
- Siehe zur Unterscheidung von mhd. rinc / vingerlîn Fürbeth: rinc und vingerlîn. 2016, S. 406-442.[↩]
- Die Erläuterungen zum Einen Ring konzentrieren sich ausschließlich auf die Merkmale, die für den Vergleich mit dem neuen Ring in SoW zentral sind. Umfassendere Darstellungen finden sich u.a. bei Jarman: Black speech. 2016; Kullmann: Poetic insertions. 2013; Horton; Forest-Hill: Inspiration for Tolkien’s Ring. 2014; Ross: The Ring and the Rings. 2003. https://www.newyorker.com/magazine/2003/12/22/the-ring-and-the-rings [24.04.18]; Livingston: Shell-shocked Hobbit. 2006.[↩]
- Tolkien: LotR, S. 50.[↩]
- Tolkien: Silmarillion. 1999, S. 344.[↩]
- Mit Ausnahme der Elben; sie entledigen sich der Ringe und verstecken sie, damit sie dem schädlichen Einfluss des Einen Rings nicht erliegen: ebd., S. 344f.[↩]
- Ebd., S. 344; TLotR, S. 51.[↩]
- Janet Brennan Croft stellt fest: “The ring can be lost, taken or stolen; it is separated from its creator […]. Its Power does not depend on its creator, though its power is at its greatest when he wields it.“: Croft: The name of the Ring. 2017, S. 86.[↩]
- McGregor: Two Rings to Rule them All. 2011, S. 137.[↩]
- Ebd., S. 138.[↩]
- Croft: The name of the Ring. 2017, S. 86.[↩]
- Nagy: A Body of Myth. 2013, S. 129 zitiert nach Croft: The name of the Ring. 2017, S. 88.[↩]
- Mit Selmayr: Der Lauf der Dinge. 2017, S. 46, könnte der Eine Ring auch als „Semiophor“ bezeichnet werden: eine „Manifestation[ ] von Sachverhalten einer Geschichte, die narrativ verhandelt werden“ und mit „besonderer Prägnanz ausgestattet [sind].“ Aufgrund der medienübergreifenden Betrachtungen wird das breiter angelegte und anschlussfähigere agency-Prinzip im weiteren Verlauf des Beitrags diesem kunst- und literaturwissenschaftlich geprägten Begriff jedoch vorgezogen.[↩]
- McGregor: Two Rings to Rule them All. 2011, S. 139.[↩]
- Monolith: Shadow of Mordor. 2014.[↩]
- Parallelen zu Celebrimbor sind unübersehbar.[↩]
- Der Tod Talions ist sogar ein aktives Spielelement, denn die Spielzeit läuft während seiner ‚Wiederbelebung‘ weiter, wodurch sich die Rangkonstellation einzelner Orks im Spielgeschehen verändert. Ein Immersionsbruch durch ständiges Laden vergangener Checkpoints oder eines ‚Game Over‘-Bildschirms wird spielmechanisch damit nicht nur verhindert, sondern der Tod selbst ist produktiver Bestandteil der ergodischen Zeitstruktur innerhalb des Spiels. Zum Prinzip ergodischer Zeit vgl. Wiemer: Zeit. 2018, S. 27-44, hier: S. 31 mit Bezug auf Aarseth: Aporia and Epiphany, S. 33: „Ergodische Zeit beschreibt die funktionale Verschränkung zwischen Spielerhandlung und Spielverlauf“; zum Begriff der Immersion vgl. Rauscher: Story. 2018, S. 64.[↩]
- Fürbeth: rinc und vingerlîn. 2016, S. 427. Dies stellt zugleich eine Parallele zum Einen Ring Saurons und dessen an den Ring gebundene physische Präsenz dar.[↩]
- McGregor: Two rings to rule them All. 2011, S. 138.[↩]
- Neben spielmechanischen Erweiterungen des Vorgängers ist die Macht zur Gedankenkontrolle die zentrale Eigenschaft des neuen Rings. Sie erlaubt es Celebrimbor und Talion, selbst hochrangige Kämpfer in Saurons Armee zu instrumentalisieren und auf diese Weise eine eigene Armee zu rekrutieren. Mit dem Anwachsen der eigenen Armee und den eroberten Festungen wächst der Machthunger des Elben. Auf das Thema Spielmechanik wird in ihrer reflexiven Funktion als wesentliches Element der spielerischen Einflussnahme und Handlungsfähigkeit wird in ‚Der ludische Rezipient als Ringträger‘ eingegangen; ein Vergleich des in SoW stark erweiterten Fähigkeiten-Baums der Spielfigur Talion in Verbindung mit der spielmechanischen Verankerung des neuen Rings als ein weiterer Slot des Inventars kann hier nicht geleistet werden. Zum Thema Spielmechanik sei hier auf den jüngsten Beitrag Philipp Bojahrs und Michelle Hertes verwiesen: Bojahr; Herte: Spielmechanik. 2018, S. 235-249.[↩]
- Bei diesem Ringgeist handelt es sich um Isildur, der gewissermaßen nachträglich trotz des Ringverlusts dem Willen Saurons dennoch erlegen ist. Neben Helm Hammerhand ist Isildur der zweite neu eingeführte Ringgeist, der eine Abweichung von den Ringgeistern in Tolkiens Erzählungen darstellt. Es kann davon ausgegangen werden, dass es die Begegnung Talions (Kämpfer Gondors) mit Isildur (König Gondors) als Ringgeist ist, die der Auslöser für den offenen Widerstand Talions gegen Celebrimbor ist.[↩]
- Der Erkenntnismoment Talions fällt wohl nicht zufällig mit dem Augenblick zusammen, in dem ein weiterer Kämpfer Gondors unter den Willen des Ringschmieds gezwungen werden soll. Der Ringgeist Isildur fungiert innerhalb der Erzählung gewissermaßen als figurenkonzeptionelles Spiegelbild, das Talion die eigene gebrochene agency als Werkzeug Celebrimbors spiegelt.[↩]
- Talion streift sich kurz vor seinem Tod den Ring Isildurs über und wird vom Ringgeist Celebrimbors zum Ringgeist Saurons – es gelingt ihm letztlich nicht mehr, seine Handlungsfähigkeit zu retten und er wird schließlich zum Diener Saurons.[↩]
- Vgl. dazu Mühlherr: Die Macht der Ringe. 2016, S. 131.[↩]
- Übersetzung: „Ihr werdet vor Schaden sicher sein: / Herr Iwein, nehmt diesen Ring. / Mit seinem Stein verhält es sich so: / wer ihn nach innen dreht in der bloßen Hand, / den kann niemand / sehen oder entdecken.“[↩]
- Die Motivation Lunetes, Iwein den Ring als als Gegenleistung für eine frühere Leistung des Ritters am Artushof zu schenken, an dem sie von Iwein allein Anerkennung erhielt, findet sich ausführlich in Mühlherrs Aufsatz dargestellt: Mühlherr: Die Macht der Ringe. 2016, S. 131.[↩]
- Hier sei darauf verwiesen, dass in der Forschung auch die Position vertreten wird, es handele sich nur um einen Ring: vgl. Bertau: Ritter auf dem halben Pferd. 1994, S. 285-301. Dabei geht er davon aus, dass beide Ringe wie auch ihre Besitzerinnen „strukturale Doubletten“ seien: ebd., S. 290f. Aufgrund der doch stark variierenden Wirkungsmechanismen beider Ringe, wie sie in diesem Beitrag aufgezeigt werden, kann einer solchen Annahme nicht zugestimmt werden.[↩]
- Mühlherr: Die Macht der Ringe. 2016, S. 140.[↩]
- Übersetzung: „Heute ist der achte Tag / nach der Sonnenwende, / zu diesem Zeitpunkt soll die Jahresfrist enden. / Also kommt bis dann oder vorher, / oder ich warte nicht mehr auf Euch. / Und lasst diesen Ring / Zeugnis der Abmachung sein.“[↩]
- Anna Mühlherr spricht in Die Macht der Ringe auf S. 139 davon, dass der zweite Ring Iwein „förmlich zum Strahlen“ bringe.[↩]
- Ebd., S. 141: Iwein ist „sozial erledigt“.[↩]
- Übersetzung: „Nun waren sie beide / in ungetrübter Freude / von einem Turnier gekommen.“[↩]
- Übersetzung: „Plötzlich überkamen meinen Herrn Iwein / sehnsuchstvolle Gedanken: / ihm fiel ein, dass er die Abwesenheit / von seiner Frau zu lange ausgedehnt hatte.“[↩]
- Verstanden als ein „bildhaftes Zeichen, das mindestens eine wahrnehmungsrelevante Qualität mit dem bezeichneten Objekt [in diesem Fall mit Talion als Hand Celebrimbors, F.N.] gemeinsam hat“: Schmauks: Ikon/Ikonizität. 2013, S. 327.[↩]
- Zur Auseinandersetzung zwischen beiden Herangehensweisen vgl. Rauscher: Story. 2018, S. 63-85.[↩]
- Wagner: Erzählen im Raum. 2015.[↩]
- Ebd., S. 44.[↩]
- Ebd., S. 55.[↩]
- Ebd., S. 44.[↩]
- Ebd., S. 59.[↩]
- Verstanden als „eine Form lit. Rekursivität und Selbstreferentialität“: Schmidt: Mise en abyme. 2007, S. 505.[↩]
- Beil und Rauscher: Avatar. 2018, S. 201.[↩]
- Rauscher: Genre. 2018, S. 353: „Die Semantik der Spielwelt bezieht sich auf dessen Ikonographie und ästhetische Zeichen, die Syntax referiert hingegen auf Handlungsmuster und Plot-Strukturen.“[↩]
- Darunter wird die in den Spielfortschritt investierte Zeit verstanden, die vor allem die dazu erforderliche Aneignung sensomotorischer und spielmechanischer Fähigkeiten mit einbezieht (vgl. Anm. 22).[↩]
- Mühlherr: Die Macht der Ringe. 2016, S. 139.[↩]