Rückkehr zur Insel der Affen - Ein Blick zurück auf Secret of Monkey Island

15. Oktober 2011

Lucasfilm Games: Secret of Monkey Island (Selbsterstellter Screenshot)

Dieser Artikel soll eine nostalgische Rückreise zu einem weit zurückliegenden Ursprungsmoment bieten, welcher in mir die Faszination für das Medium des Computerspiels auslöste und mit dem also alles begann. 1 Dabei soll sich dieser Artikel aber in dieser Rückwärtsgewandheit nicht erschöpfen, sondern vielmehr zu vermitteln versuchen, was denn das spezifische Faszinosum damals und heute ausmachte und was passiert, wenn man - nach anderthalb Dekaden - zu seinem eigenen Ursprung zurückkehrt.

Es war der 12.05.1996. Der Tag meiner Erstkommunion, ein Ereignis, das wohl eigentlich vollkommen in Vergessenheit geraten wäre, hätte ich nicht an diesem Tag unseren 386er angeschaltet und mich mit zunehmenden Geschick durch das DOS-Betriebssystem getippt, um schließlich die folgenschwere Zeilen einzugeben:

cd monkeyisland
monkeyisland.exe

Hier begann alles. Es eröffnete sich mir eine ganz neue Welt, die mich wohl bis heute immer noch beherbergt.2 Ich startete mein erstes Computerspiel: The Secret of Monkey Island.3 Tagelang steuerte ich den Helden Guybrush Threepwood durch wunderbare Pixelwelten und fand so die Faszination für das Spiel an sich. Tagelang rätselte ich auch und tat mir schwer, all die absurden Kombinationen zu finden, die das Spiel von mir verlangte. Allerdings lernte ich viel dadurch: wie man Affen abrichtet, wie einfach es ist, Piranhapudel abzulenken oder dass ein Duell nicht durch Kampfkraft, sondern durch die richtige Beleidigung entschieden wird.
Das Prägendste aber an meinem ersten Spielerlebnis war wohl die Art des Humors. Die Lucas Arts Spiele der Neunziger und ganz im speziellen die Monkey Island Serie bedient sich einer ganz merkwürdigen Art des Humors und Witzes. Weder geht es dabei um Banalitäten noch um Tiefgründigkeit. Es steht vielmehr die Absurdität im Vordergrund, die oft schon an Nicht-Nachvollziehbarkeit grenzt. Wer würde denn normalerweise darauf kommen, dass root beer Geisterpiraten vertreiben kann, dass man das Maul des großen Affenkopfes natürlich mit einem Q-Tip öffnen kann oder dass Grog das liebste Getränk eines jeden richtigen Piraten ist, es aber auch gut dazu geeignet ist, Gitterstäbe wegzuätzen. Es würden sich viele Beispiele finden lassen für ähnliche Rätseldesigns in allen Monkey Island Teilen und in Vertretern des Adventure-Genres seitdem. Der Absurde Humor ist wohl zu einem stilprägenden Element geworden und das in einem Genre, das eigentlich auf der Logik von Problemlösungsstrategien unter endlichen Möglichkeiten basiert. Gerade dieser Kontrast zwischen Logik und Absurdem aber gibt diesem Genre die Kraft, mich immer wieder aufs Neue zu faszinieren.

Einhergehend mit dieser Eigenartigkeit des Humors ging aber auch ein zweites Element, dessen Bedeutung und Wichtigkeit ich auch im Studium immer wieder bemerkte. Monkey Island bedient sich nämlich sehr häufig der narrativen Metalepse. Es wechselt also immer wieder die Ebene zwischen dem Geschehen im Spiel und dem Spiel selbst, bricht damit also die Konvention des Unterschieds zwischen Fiktion und dem Rahmen der Fiktion. So gibt es zum Beispiel in Monkey Island 1 eine Szene, in der wir den Helden in einen Baumstumpf klettern lassen können, worauf das Spiel das Einlegen der Disketten 22, 47 und 114 fordert. Das Spiel wurde aber nur auf acht Disketten ausgeliefert, so dass nach dem nicht möglichen Einlegen der Datenträger, Guybrush Treepwood die Aktion abbricht, indem er sagt, er würde diesen Teil des Spiels heute einmal auslassen. Auch gab es in Monkey Island 2 ein Rätsel, bei dem man eine Codekombination richtig zuordnen musste, um von einem Türsteher, Informationen zu erhalten, mit denen man bei einem Glücksspiel schwindeln konnte. Allerdings änderte sich dabei der zu erratende Code nach jeder Falscheingabe. Die einfachste Lösung bestand deshalb darin, zu speichern, sich die richtige Lösung auf das eigene Raten anzuhören und dann wieder zu laden, um so das Rätsel richtig zu lösen. Solche und ähnliche Szenen begründeten wohl meine noch heute anhaltende Zuneigung für diese Art des Ebenenwechsels, die mich auch in der Literatur immer wieder aufs Neue zu interessieren vermag.

Aber um ein bisschen von mir selbst zu abstrahieren: Monkey Island muss nicht das erste Spiel gewesen sein, das man je gespielt hat, um einen solch wichtigen Status einzunehmen. Es ist ein Spiel, das für eine ganze Generation an Computerspiel-Sozialisation steht und das mit dem Wort Kult nur unzureichend zu beschreiben ist. Denn es ist einfach mehr als das. Monkey Island ist der Ausdruck dessen, was Computerspielkunst kann: faszinieren, immer wieder aufs Neue. Nicht ohne Grund kann die Serie trotz großer Pausen zwischen den Veröffentlichungen der einzelnen Teile nach über 20 Jahren immer noch auf eine lebendige Fangemeinde wirken, die sich diesen Spielen vollkommen verschrieben haben. Lucas Arts hat hier etwas geschafft, das ihnen auch schon mit Star Wars geglückt ist: Monkey Island ist Legende.

Es war nach so vielen Jahren mehr als aufregend, das Spiel in seiner nun aufpolierten Grafik zu spielen - Lucas Arts veröffentlichte die ersten beiden Teile der Serie in neuer Optik - und zu bemerken, dass der Humor immer noch funktioniert, auch selbst wenn man die Szenen noch irgendwo in seinem Gedächtnis gespeichert hat. Andererseits bemerkt man, durch die Möglichkeit zwischen alter und neuer Grafik umzuschalten, wie sehr sich unsere Sehgewohnheiten geändert haben. Damals war die Grafik von Secret of Monkey Island vielleicht nicht auf dem neuesten Stand, aber dennoch vollkommen in Ordnung. Heute scheint es fast undenkbar, die Pixelgebilde überhaupt noch als Bilder zu identifizieren. So kann man wirklich froh darüber sein, dass Lucas Arts ihre alten Titel neu aufbereitet haben, da es einem die Möglichkeit gibt, diese wunderbaren Meisterwerke wieder zu spielen. Wobei man wohl erwähnen muss, dass ein alles umfassender Anflug von Nostalgie bei einem solchen Wiederspielen nur schwerlich abgewehrt werden kann. Aber vielleicht habe ich für einen derart starken Gegner einfach nur noch nicht die richtige Beleidigung gefunden.

Verzeichnis der verwendeten Texte und Medien

Spiele:

Lucasfilm Games: The Secret of Monkey Island. 1990.
Lucasfilm Games: Monkey Island 2: LeChuck’s Revenge. 1991.
Lucasfilm Games: The Secret of Monkey Island. Special Edition.2009.
Lucasfilm Games: Monkey Island 2: LeChuck’s Revenge. Special Edition.2010.

  1. Wie jeder Ursprung muss man dabei natürlich auf eine gewisse Konstruiertheit dieses Ursprungs gefasst sein, die sich in einer nostalgisch angehauchten und eher persönlichen Betrachtung äußert und verstärkt.[]
  2. Auch wenn ich damals erst einmal Probleme hatte, etwas zu erkennen, da unser Monitor so dunkel eingestellt war, dass die Grafik nach schwarz auf schwarz aussah.[]
  3. Hier muss vielleicht dennoch erwähnt werden, dass Secret of Monkey Island wohl nicht wirklich, das erste Videospiel war mit dem ich in Berührung kam. Schon im zarten Alter von etwa vier Jahren beobachtete ich oft und gerne ganz gebannt, meine älteren Brüder beim Spielen des SNEs-Titels Street Fighter 2. Dennoch würde ich den Anfang meiner Medienbiographie der Computerspiele bei Monkey Island ansetzen, denn es war das erste Spiel, dass ich jemals durchgespielt habe.[]

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So zitieren Sie diesen Artikel:

Unterhuber, Tobias: "Rückkehr zur Insel der Affen - Ein Blick zurück auf Secret of Monkey Island". In: PAIDIA – Zeitschrift für Computerspielforschung. 15.10.2011, https://paidia.de/mein-erstes-spiel-secret-of-monkey-island/. [21.12.2024 - 16:26]

Autor*innen:

Tobias Unterhuber

Dr. Tobias Unterhuber studierte Neuere deutsche Literatur, Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft und Religionswissenschaft an der LMU München und der University of California, Berkeley. 2018 promovierte er bei Prof. Dr. Oliver Jahraus mit einer Arbeit zum Thema "Kritik der Oberfläche – Das Totalitäre bei und im Sprechen über Christian Kracht". Er ist Post-Doc am Institut für Germanistik, Bereich Literatur und Medien an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck. Zu seinen Forschungsinteressen zählt neben Popliteratur, Literaturtheorie, Diskursanalyse, Literatur & Ökonomie und Gender Studies auch die kulturwissenschaftliche Computerspielforschung.