Alea iacta (non) est: Kontingenz als Spiel des Erzählens am Beispiel der mittelhochdeutschen Aventiure-Dichtung
Im Sprechen über Literatur oder über das Erzählen an sich auf den Begriff des Spiels zu rekurrieren, ist – vielleicht anders als der umgekehrte Fall – „so alt wie die Überlieferung der Literatur selbst“1. Dieser Vergleich betrifft insbesondere das Element der Nachahmung: Aristoteles sieht diese beispielsweise als naturgegebenes Verhalten, das im kindlichen Spiel wurzelt,2 während Platon die Ansicht vertritt, dass die nachahmende Kunst „bloße Spielerei und nichts Ernsthaftes“ sei.3 In modernen Fiktionalitätstheorien wird daneben aber auch in der (erzählerischen) Fiktion ein Spielelement ausgemacht, genauer gesagt im Als-Ob, unter dessen Rahmenbedingungen Spiele wie auch fiktionale Texte stehen.4
Johan Huizinga – dessen Spielbegriff bekanntlich den Ursprung der Kultur im Spiel zu erfassen sucht und der sich entsprechend leicht auch auf kulturelle Formen übertragen lässt – bezeichnet Dichtung gar als „ein Spiel mit Worten und Sprache“5. In ähnlicher Manier spricht Wolfgang Iser von ‚Textspielen‘6, Albrecht Koschorke dagegen von ‚Erzählspielen‘7. Wenn solche Ausdrücke auch die Gefahr einer Gleichsetzung bergen und daher mit Vorsicht zu behandeln sind,8 bietet die durch sie ausgedrückte Analogie dennoch einen interessanten Ansatzpunkt für literaturwissenschaftliche Untersuchungen.
Ich möchte im Folgenden auf einen Teilaspekt dieses Verhältnisses von Literatur und Spiel eingehen, nämlich auf die ambivalente Beziehung des Erzählens zur Kontingenz. Erzählungen geben eine Abfolge abgeschlossener Ereignisse und Handlungen wieder, sie tendieren aber dazu, diese im Prozess des Erzählens als kontingent, d.h. als unabgeschlossen und für unterschiedliche Ausgänge offen zu vergegenwärtigen. Diese Kontingenz ist eigentlich eine Illusion, da alle Ungewissheiten und Zufälle „[i]m Bereich der erzählerischen Fiktion […] als fiktionale geplant“ sind.9 Man könnte auch sagen: Kontingenz ist im Erzählen gespielt. Mit Iser gesprochen wird sie in Form von alea10 „zu einem notwendigen Spiel des Textes dadurch […], daß es dessen zwangsläufige Begrenztheit mit einem Maß an Unvorhersehbarem durchsetzt“11.
Dieses ‚Erspielen‘ von Kontingenz mit den Mitteln der Erzählung wird gerade in der Artusepik deutlich greifbar, zumal dem dafür zentralen Begriff der Aventiure die eigentlich paradox anmutende Verbindung von Unberechenbarkeit und Sinnstruktur, von Spiel und Erzählung, per definitionem eingeschrieben ist. Von Fiktionalität kann man in Bezug auf mittelalterliche Literatur natürlich kaum sprechen, da eine Unterscheidung des Faktualen und Fiktionalen, wie sie für die Moderne selbstverständlich ist, für das Mittelalter nicht oder kaum belegt werden kann – wenn auch das oben angesprochene Verständnis von Fiktionalität als Als-Ob-Haltung, d.h. als eine bestimmte Form des Umgangs mit Texten (die durchaus sozialen und kulturellen Konventionen unterworfen ist), vormoderner Literatur noch eher gerecht wird als ein am Wahrheitsgehalt orientierter Fiktionalitätsbegriff.12
Um das Als-Ob der Fiktion soll es im Weiteren aber nicht gehen, sondern eben vielmehr um das Als-Ob der Kontingenz von (mittelalterlichen) Erzähltexten. Kontingenz kann, wie am Beispiel des mittelhochdeutschen Aventiure-Romans nachfolgend zu zeigen ist, „nicht nur auf der Ebene der histoire […] deutlich werden, sondern auch auf der Ebene des discours – in einer Erzählweise, die Kontingenz exponiert“13.
Abenteuer zwischen Spiel- und Narrationslogik
An Abenteuererzählungen – zu denen ich hier aus pragmatischen Gründen auch die Aventiure-Dichtung zähle14 – lässt sich dies vor allem deshalb gut veranschaulichen, weil schon das Abenteuer an sich in seiner Nicht-Alltäglichkeit und seinem Hang zum Risiko, zum offenen Verlauf, zu Herausforderung und zum Kampf eine gewisse Nähe zum Spiel offenbart. Das Abenteuer ist eine aus dem gewöhnlichen Leben herausgestellte Unternehmung, die ein „freiwilliges Aufgeben von Sicherheiten“15 involviert, d.h. den Gesetzen des Zufalls unterworfen ist – das ist bereits dem ursprünglichen Wortsinn von adventura, i.e. ‚was kommen, geschehen, sich ereignen wird‘ zu entnehmen.16 Gerade dadurch, dass der Zufall ein konstitutiver Bestandteil des Abenteuers ist, wird er aber gleichsam erwartbar. Georg Simmel hat eben darin eine Verwandtschaft des Abenteuers zum Spiel ausgemacht:
Der Spieler ist zwar der Sinnlosigkeit des Zufalls preisgegeben; allein indem er auf dessen Gunst rechnet, indem er ein durch diesen Zufall bedingtes Leben für möglich hält und verwirklicht, stellt sich ihm der Zufall doch in einen Zusammenhang des Sinnes ein.17
Abenteuer kann darüber hinaus aber auch als eine Form des Erzählens von Abenteuern verstanden werden.18 Damit enthält der moderne Abenteuerbegriff noch einen Kern dessen, was die mittelhochdeutsche Dichtung unter âventiure versteht: nämlich sowohl ein Geschehen als auch die erzählerische Darstellung dieses Geschehens. Diese zwei Grundbedeutungen sind nicht nur gleichwertig, sie stehen in einem Abhängigkeitsverhältnis, welches die Struktur des höfischen Aventiure-Romans maßgeblich bestimmt.
Ein ‚Geschehen‘ meint hier in den meisten Fällen eine der ritterlichen Bewährung dienende Herausforderung, die von einem Zweikampf bis hin zu einem übergeordneten Zentralereignis reichen kann.19 Hierzu ist festzuhalten, dass Huizinga das Motiv der Herausforderung dezidiert als ludisches Moment literarischer Stoffe betrachtet,20 und dass es somit einen geeigneten Ansatzpunkt für einen vom Spiel ausgehenden Zugang zu Abenteuerliteratur – gerade auch jener des Mittelalters – bietet. Franziska Ascher und Thomas Müller sehen in der Herausforderung als überzeitlichem wie medienübergreifendem Phänomen daher ein wesentliches Bindeglied zwischen Spiel und Abenteuernarration, „denn im Moment der Herausforderung laufen Spiel- und Narrationslogik zusammen“21.
Das zeigt sich im Aventiure-Roman etwa darin, dass die vom Ritter gewagten Herausforderungen im Anschluss in der Form einer mündlichen Erzählung an den Hof getragen werden müssen, um sie in eine Sinnstruktur zu überführen und damit endgültig zur Aventiure zu machen. Das zunächst ziellose Suchen der Ritter nach Aventiure und die ihnen scheinbar zufällig auf den Weg fallenden Herausforderungen offenbaren sich in der Retrospektive der Erzählung als Teil eines größeren Ganzen, als Schicksal oder göttlicher Plan:22 „Das âventiure-Geschehen enthält eine Bedeutung, die bereits aufscheint, die aber durch einen narrativen Ordnungs- und Interpretationsprozess erst noch in einen klar erkennbaren Sinn verwandelt werden muss.“23
Und während die ritterliche Bewährung so auf ihre narrative Wiederholung wartet, herrscht am Artushof umgekehrt ständiger Bedarf an neuen Erzählungen von ritterlicher Bewährung: Die erzählte Aventiure ist „zentrales Konstitutionsmoment des idealen Hofes“ sowie eine ritualisierte höfische Interaktionsform.24 Damit der Idealzustand der höfischen vreude aufrechterhalten werden kann, braucht es laufend neue Aventiuren, die erzählt werden können, was den Rittern wiederum Anlass gibt, immer wieder auszuziehen, um neuen Erzählstoff zu generieren. Peter Strohschneider hat dies als einen „entdifferenzierte[n] Kreislauf von Erzählen und Handeln“25 beschrieben.
Erec würfelt seinen Angriff: Kampf als Würfelspiel bei Hartmann von Aue
Im Geschehen, aus Sicht des aufbrechenden oder fahrenden Ritters ist Aventiure kontingent: Er setzt sich willentlich dem Ungewissen aus, geht Wagnisse ein und wird laufend mit divergierenden Handlungsmöglichkeiten konfrontiert. Über den Aventiure-Wald heißt es bei Hartmann von Aue konsequenterweise: dâ wâren die wege manecfalt (Iwein, V. 264), worin auch ein Verweis auf all die potenziellen Herausforderungen, die dort angetroffen, und all die Handlungen, die sich dort entfalten können, anklingt. Es geht für den Helden nun darum, in diesem Gewirr aus Wegen und Möglichkeiten den eigenen Weg und damit die eigene Geschichte zu finden – die, wie sich früher oder später herausstellen wird, von Anfang an für ihn vorbestimmt war.
Mag der Erzähler darauf auch ab und an anspielen, muss sich der Ritter diese Erkenntnis erst erarbeiten; bis dahin bedeutet Aventiure für ihn ein Aufgeben von Sicherheiten.26 Es herrscht ein Spannungsverhältnis zwischen Figur und Erzähler, die aus jeweils entgegengesetzten Richtungen auf Zufall und Glück blicken: „Für den in der Welt verstrickten Helden ist es das Fortunaglück der vergänglichen Zufälligkeit; aus der Perspektive des zurückblickenden und die Einzelereignisse ordnenden Erzählers aber ist es das als Geschick im Geschehen wirkende saelde-Glück göttlicher Vorsehung.“27
Am Ende der Fahrt steht für den Ritter die Einsicht, dass es eigentlich immer nur einen Weg, nämlich den gegangenen, gegeben hat, der nun zur erzählbaren Geschichte geworden ist. Dieses Erkennen des providentiellen göttlichen Wirkens ist bei Hartmann ein intensiv behandeltes Motiv. Mireille Schnyder verweist hier besonders auf die folgende Passage im Erec, in der dieser Erkenntnisprozess ausformuliert und nachvollziehbar wird:28
ich weste wol, der selbe wec
gienge in der werlde eteswâ,
rehte entweste ich aber wâ,
wan daz ich in suochende reit
in grôzer ungewisheit,
unz daz ich in nû vunden hân. (V. 8521–8526)
Erec erkennt hier – vor seinem finalen Kampf gegen Mabonagrin –, dass all das Umherirren und scheinbar ziellose Suchen, das dieser Episode vorangeht, eben kein solches war, sondern sein vorgezeichneter Weg29, den er gehen musste, um schließlich hierher, zu seiner ersehnten Prüfung zu kommen. Die anfängliche, scheinbare Nonlinearität der vielen möglichen, sich verzweigenden Wege (bzw. Handlungswege) löst sich also an diesem Punkt auf. Es hat immer nur einen Weg – nämlich den gegangenen – gegeben, und dieser ist nun zur erzählbaren Geschichte geworden.
Im Erzählen von Aventiure wird nun aber deren ursprüngliche Kontingenz wiederum vergegenwärtigt, also gleichsam virtuell30 in Erinnerung gerufen. Die eigentlich abgeschlossenen Geschehnisse werden wieder zu Potenzialitäten, die sich im Erzählvorgang erst nach und nach aktualisieren.31
Im Erec kommt diese Kontingenz des Erzählens bezeichnenderweise durch eine Spielmetaphorik zum Ausdruck. Besonders der Sperberkampf, den Erec gegen den fremden Ritter Iders ausficht, ist „durch eine vielgliedrig durchgeführte, dicht in die gesamte Darstellung verflochtene Finanz- und Würfelspielmetaphorik geprägt“32. Ausgangspunkt für dieses Bild ist, dass im Kampf eben etwas ‚auf dem Spiel steht‘ und gewagt werden muss, nämlich beide lîp und êre (V. 843). Wie Uwe Ruberg festgestellt hat, geht diese Metapher über ein simples Gleichnis hinaus, vielmehr erscheinen die Bereiche des Würfelspiels und des Kampfes miteinander verschmolzen: Der Kampf wird als spil umschrieben, die einzelnen Angriffe und Schläge werden als Einsätze oder Würfe (eines Würfels) bezeichnet.33 Die Offenheit der Auseinandersetzung zwischen den zwei Kontrahenten – die zunächst mit gelîcher meisterschaft (V. 919) kämpfen – kulminiert schließlich im Bild eines fallenden Würfels, dessen Augenzahl für die Umstehenden noch nicht erkennbar ist:
dâ si’z vil lange getriben,
daz witzige unde tumbe,
die stuonden dar umbe,
mit nihte erkiesen kunden,
weder zuo den stunden
eins ougen wæger hæte. (V. 921–926)
Erst als Erec die Schmähung wieder einfällt, die er durch Iders erfahren hat, beflügelt ihn das – gemeinsam mit dem Gedanken an die schöne Enite – zu neuen Kräften (V. 930-937). Er ist seinem Gegner nun überlegen, der Kampf bleibt aber bildsprachlich ein Würfelspiel:
ûf den helm er verbant
mit vil williger hant.
doch jener die besten würfe warf,
der kein zabelære bedarf,
dô half disen, daz er’n nie
ûz den slegen komen lie,
und gewan ez eine wîle
sô sêre mit der île,
unz er doch daz spil verlôs
und gelac vor im sigelôs. (V. 940–949)
Gerade der Ausdruck verbinden (V. 940) – der auch im Zusammenhang mit Brett- oder Würfelspielen und dort in der Bedeutung von ‚erfolgreich oder gewinnbringend würfeln‘ verwendet wurde – sticht hier ins Auge; er kann als besonders aussagekräftiges Beispiel für die Fusion zweier Sinnbereiche (nämlich Spiel und Kampf) gesehen werden: Der Fall der Würfel verschmilzt mit dem Schwerthieb. Erec wirft die besten würfe, was für seinen zabelære, seinen Mit- bzw. Gegenspieler, eher ungünstig ist. Gewissermaßen antizipiert der Text damit eine zentrale Mechanik von Pen-&-Paper-Rollenspielen, in denen Kämpfe tatsächlich mit Würfeln simuliert werden, wo also der Würfelwurf einem Angriff entspricht und über dessen Erfolg oder Misserfolg entscheidet. Dass die Funktionsweise solcher Spiele von Hartmanns Kampfbeschreibungen inspiriert ist, darf freilich bezweifelt werden – der Vergleich verdeutlicht aber allemal die Nähe von Kampf und Spiel, die der Metapher zugrunde liegt.
Dass der Kampf trotz Erecs überlegener Kampfkraft ein Würfelspiel bleibt, ist insofern auffällig, als dass durch das entstandene Ungleichgewicht zwischen den Rittern ja die Bedeutung des ‚Würfelglücks‘ vermindert wird. Denn waren die Kämpfer zunächst noch ebenbürtig und der Ausgang offen, würfelt Erec nun konsistent ‚besser‘ als Iders – und zwar nicht aus purem Zufall, sondern weil sein überlegenes Kampfgeschick endgültig feststeht: Ausgelöst werden die ‚besseren Würfe‘ durch die Einsicht, der tugendhaftere Ritter mit der schöneren Dame zu sein, beides wichtige Indikatoren für die ritterliche Kampfkraft.34
Das Glücksmoment bleibt also trotz der nun ungleichen Chancenverteilung zumindest auf discours-Ebene bestehen und lässt die Ereignisse kontingent wirken. Man mag allerdings schon erahnen, dass es eigentlich nicht Zufallsglück ist, das hier wirkt, sondern vielmehr Schicksalsglück – das Glück der Geschichte gewissermaßen, das sich erst am Ende als solches zu erkennen geben wird.
Die Aventiure würfelt: Erzählen als Würfelspiel bei Wolfram von Eschenbach
Erecs Nachfolger Parzival fällt schließlich selbst wie ein Würfel in seine Geschichte hinein: Wolfram von Eschenbach knüpft nämlich nicht nur an Hartmanns Würfelspielmetaphorik an, indem er sie wie dieser auf den Themenbereich Kampf und Turnier bezieht, er baut sie auch dahingehend aus, als dass nun die Erzählkunst selbst zu einem regelrechten Würfelspiel wird.35 Gleich zu Beginn betont der Dichter, dass es ein ordentliches Maß an Aufmerksamkeit und Verstand brauche, um den Zufallsbewegungen der Erzählung folgen zu können:
ouch erkante ich nie sô wîsen man,
ern möhte gerne künde hân,
welcher stiure disiu maere gernt
und wat sie guoter lêre wernt.
dar an si nimmer des verzagent,
beidiu si vliehent unde jagent,
si entwîchent unde kêrent,
si lasternt unde êrent.
swer mit disen schanzen allen kan,
an dem hât witze wol getân […]. (Parzival, V. 2,5–14)
Das Erzählen verbindet sich hier in erster Linie mit dem Wortfeld des Reiterkampfes, über die schanzen, denen es zu folgen gilt, aber ebenso mit dem Sinnbereich des Spiels. Die zu erzählende Geschichte, so wird gewarnt, ist in ständiger Bewegung, jagt hierhin und dorthin, greift an und weicht aus – wie der Kampf ist sie ständigen Wechselfällen unterworfen, sie ist sozusagen wie ein Würfelspiel.36 Es obliegt dem Publikum, in diesem Hin und Her eine stiure und damit einen tieferen Sinn auszumachen, oder: „die aleatorische Regelhaftigkeit des Textspiels allererst [zu] ‚entdecken‘ […] – eine Regelhaftigkeit, die sich […] durch ihre ständige Veränderung auszeichnet“37.
Der Erzähler gibt vor, keine Macht über diese Erzählung zu haben,38 er beruft sich an entsprechenden Stellen auf die Aventiure, also die Geschichte, das zu Erzählende. Als vrou Âventiure (V. 433,7) tritt sie gar ‚leibhaftig‘ dem Erzähler gegenüber, der sich daraufhin bei ihr nach dem Titelheld Parzival erkundigt (V. 433,8–434,10) – so, als hätte er auf dessen Schicksal keinerlei Einfluss. Schließlich ist es auch die Aventiure, die Parzival überhaupt erst in die Geschichte ‚gewürfelt‘ hat:
hie ist der âventiure wurf gespilt,
und ir begin ist gezilt:
wand er ist alrêrst geborn,
dem diz maere wart erkorn. (V. 112,9–12)
In diesem wohl wichtigsten Wurf der Aventiure steckt ein ausgewachsenes Paradox: Immerhin handelt es sich bei der Geburt des Titelhelden um alles andere als ein unkalkulierbares Ereignis – Wolfram entscheidet sich ja nicht wirklich erst hier, Parzivals Geschichte zu erzählen, weil dieser eben ‚zufällig‘ gerade geboren worden ist. Es war von Anfang an Parzivals Geschichte (in der wohlgemerkt der Aspekt der göttlichen Providenz eine noch viel größere Rolle spielt als im typischen Artusroman nach Hartmanns Vorbild), und das hat der Erzähler an früherer Stelle schon durchklingen lassen.39
Dieser Widerspruch löst sich auf, wenn man zwar die Ganzheit der Erzählung als Wiedergabe einer feststehenden und auf Sinn ausgerichteten Ereigniskette begreift, den Vorgang des Erzählens aber als ein Vergegenwärtigen dieser Ereignisse in ihrer noch unfesten, kontingenten Form. Im Würfelwurf der Aventiure steckt bereits beides, sowohl das Ungewisse des Erzählens wie auch das Gewisse der Erzählung – der Verlauf der Geschichte steht eigentlich schon fest, aber er ist erst im Begriff, aktualisiert zu werden. Die Aventiure ‚würfelt‘, d.h. die Geburt des Helden ist zunächst ein Zufall, der erst eingeordnet werden muss und dessen tieferer Sinn sich dem Publikum daher erst im Rückblick erschließen wird. Konsequenterweise tut der Erzähler so, als ob er auf die Geschehnisse keinen Einfluss hätte: Der Erzählprozess wird scheinbar selbst zu einer riskanten Unternehmung, jedes Wort ist ein Würfelspiel, mit dem unvorhersehbare Ereignisse eintreten können.
Wenn die Erzählung würfelt, dann spielt sie also die Kontingenz des Geschehens, die sich im Rückblick als Sinnstruktur der Geschichte offenbaren wird:
Das Erzählen ist Würfelspiel, weil das erzählte Geschehen ein Würfelspiel ist. Die sinnstiftende Beruhigung im gnadenhaften Schluß aber, die die Wahl des Erzählers und das Würfeln der âventiure zum Instrument der Vorsehung macht, ist nicht mehr als das Ende des Spiels, damit aber auch das Ende des Erzählens.40
Schrödingers Würfel? Die Ungewissheit des Erzählens
Bei Hartmann von Aue und Wolfram von Eschenbach kommt das spannungsvolle Verhältnis des Erzählens zur Kontingenz also über eine Analogiebeziehung zum Spiel,41 teilweise auch metanarrativ42 zum Ausdruck. Das Würfelspiel, die Reinform von alea, ist hierbei das bevorzugte Bild für die angebliche Offenheit und Zufälligkeit der geschilderten Ereignisse.
Was hier für mittelalterliche Abenteuerliteratur festgestellt wurde, lässt sich aber durchaus auch auf andere Gattungen anwenden, wenn nicht überhaupt für das Erzählen an sich generalisieren.43 Im metaphorischen Fall des Würfels, der den Boden noch nicht berührt hat und dessen Augenzahl für die Zusehenden noch nicht erkennbar ist, steckt nämlich ebendiese Zwiespältigkeit, die dem Erzählprozess an sich eigen ist: Wovon auf Ebene der histoire berichtet wird, ist aus Sicht eines ‚rückblickenden‘ und strukturierenden Erzählers schon abgeschlossen; ebendieser Erzähler kann auf discours-Ebene aber dennoch so tun, als ob die Geschehnisse in ihrem Verlauf offen seien, sodass der Text als „Ort der Ausweitung von Unvordenklichem“44 erscheint. Während der Erzähler eine gewisse Distanz zum Erzählten hat, liegt für die Rezipierenden der Reiz vielfach ja gerade darin, die Ereignisse (ähnlich wie die Figuren) zunächst als ‚kontingent‘ präsentiert zu bekommen.45
Dass erzählte Kontingenz eigentlich eine Illusion ist, spielt für die Rezeption kaum eine Rolle – wir wissen, wenn wir ein Buch in die Hand nehmen oder einen Film schauen, dass Verlauf und Ausgang der Handlung bereits feststehen und unabänderlich sind, aber das hält uns nicht davon ab, während des Rezeptionsvorgangs Spannung, also ein Gefühl der Unsicherheit gegenüber dem Kommenden zu empfinden (zumindest, wenn wir uns auf das vom Text angebotene Spiel einlassen). Die Tatsache, dass wir uns auch bei präterital erzählten Geschichten diesem Schein der Unabgeschlossenheit hingeben können, spricht dafür, dass wir nicht nur unsere Ungläubigkeit gegenüber fiktionalen Inhalten vorrübergehend aussetzen, sondern auch unser Wissen über deren Unveränderlichkeit.
Der Cliffhanger drückt genau diese Haltung aus: Die darin sprichwörtlich über dem Abgrund baumelnde Figur befindet sich – aus Sicht des noch unwissenden Publikums – in einer Art ‚quantenphysischem‘ Zustand zwischen Leben und Tod. Ihr Würfel ist noch in der Luft, die Handlung erscheint für alle möglichen Ausgänge offen. Dieser Schwebezustand hält so lange an, bis das Erzählen und mit ihm die ‚Beobachtung‘ der Geschehnisse wieder fortgesetzt wird.
Dort, wo das zu Erzählende zum Erzählten wird, sich also Potenzialitäten in Aktualitäten umwandeln, kollabiert die Kontingenz des Erzählens unter der Last der Erzählung. Der Würfel ist gefallen – das Spiel ist vorbei.
Medienverzeichnis
Mittelhochdeutsche Texte
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Hartmann von Aue: Iwein. Hg. und übersetzt von Rüdiger Krohn, kommentiert von Mireille Schnyder. Stuttgart: Reclam 2012.
Wolfram von Eschenbach: Parzival. Band 1: Buch 1-8. Mittelhochdeutscher Text nach der Ausgabe von Karl Lachmann, Übersetzung und Nachwort von Wolfgang Spiewok. Stuttgart: Reclam 2016.
Wolfram von Eschenbach: Parzival. Band 2: Buch 9-16. Mittelhochdeutscher Text nach der Ausgabe von Karl Lachmann, Übersetzung und Nachwort von Wolfgang Spiewok. Stuttgart: Reclam 2016.
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Artikelbild
Eigene Fotografie. 2022.
- Anz & Kaulen: Einleitung. 2009, S. 5.[↩]
- Vgl. Aristoteles: Poetik. 2008, S. 6.[↩]
- Platon: Der Staat. 2017, S. 420.[↩]
- Vgl. Iser: Das Fiktive und das Imaginäre. 1991, S. 426-427. Zur Anwendung des Spielbegriffs in der Fiktionsforschung siehe des Weiteren: Köppe: Fiktion, Praxis, Spiel. 2009.[↩]
- Huizinga: Homo Ludens. 1956, S. 146-147.[↩]
- Iser: Das Fiktive und das Imaginäre. 1991, S. 424-480.[↩]
- Koschorke: Wahrheit und Erfindung. 2012, S. 12.[↩]
- Vgl. Köppe: Fiktion, Praxis, Spiel. 2009, S. 41.[↩]
- Haug: Kontingenz als Spiel. 1998, S. 164.[↩]
- Vgl. Caillois: Die Spiele und die Menschen. 1982, S. 19.[↩]
- Iser: Das Fiktive und das Imaginäre. 1991, S. 449.[↩]
- Vgl. Glauch: Fiktionalität im Mittelalter. 2014, 91-92.[↩]
- Struwe-Rohr: Âventiure und Kontingenz. 2019, S. 12.[↩]
- Die Entwicklungslinien von der Aventiure des Artusromans zum literarischen Abenteuer der Neuzeit sind verhältnismäßig komplex. Man kann Aventiure allerdings als gattungsspezifische Ausprägung von Abenteuernarrativen im weitesten Sinn sehen – eine Ausprägung, die bereits einige wesentliche Merkmale des modernen literarischen Abenteuers vorwegnimmt, wenn sie damit auch nicht gleichzusetzen ist. Vgl. hierzu Eming & Schlechtweg-Jahn: Das Abenteuer als Narrativ. 2017, S. 12-14. Sowie: Eming: Sirenenlist, Brunnenguss, Teufelsflug. 2015, S. 53-82.[↩]
- Hannig & Kümper: Abenteuer. 2015, S. 29.[↩]
- Vgl. Wegera: Wort- und Begriffsgeschichte von âventiure. 2002, S. 235.[↩]
- Simmel: Philosophische Kultur. 1911, S. 14.[↩]
- Vgl. Eming & Schlechtweg-Jahn: Das Abenteuer als Narrativ. 2017, S. 31.[↩]
- Vgl. Wegera: Wort- und Begriffsgeschichte von âventiure. 2002, S. 236.[↩]
- Vgl. Huizinga: Homo Ludens. 1956, S. 147.[↩]
- Ascher & Müller: Die Zirkulation ludonarrativer Logiken. 2018. <https://www.paidia.de/die-zirkulation-ludonarrativer-logiken-eine-einleitung/> [16.11.2021].[↩]
- Vgl. Schnyder: Âventiure? waz ist daz? 2002, S. 259-261.[↩]
- Bleumer: Im Feld der âventiure. 2006, S. 363.[↩]
- Strohschneider: âventiure-Erzählen und âventiure-Handeln. 2006, S. 379.[↩]
- Ebd. S. 380.[↩]
- Vgl. Trachsler: Der Weg im mittelhochdeutschen Artusroman. 1979, S. 119.[↩]
- Schnyder: Sieben Thesen zum Begriff der âventiure. 2006, S. 371.[↩]
- Vgl. Schnyder: Âventiure? waz ist daz? 2002, S. 262-263.[↩]
- Es hat in Bearbeitungen des Textes und in der Forschung unterschiedliche Auffassungen über den genauen Wortlaut von V. 8521 (hier: der selbe wec) gegeben. So hat Fedor Bech als Erster Zweifel an der Sinnhaftigkeit dieser Phrase geäußert (da sich der selbe nicht eindeutig auf etwas Vorangegangenes beziehe) und daher der Sælden wec vorgeschlagen, was in vielen Textausgaben übernommen wurde, vgl. Bech: Zu Hartmanns Erek. 1862, S. 466. Manfred Scholz, der auch die hier vorliegende Textausgabe editiert hat, hält dem entgegen, dass Erec „die gesamte Spanne von seiner ersten Aventiure bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt überblickt, von der ungewissen Suche bis zum gottgewiesenen Finden des Ziels, vor dem er jetzt steht“. Daher könne der selbe wec auf Erecs bisherige Reise bezogen und als ‚dieser mein Weg‘ verstanden werden, vgl. Scholz: Der hoeveschen got. 2000, S. 150.[↩]
- Vgl. hierzu Wagner: Erzählen im Raum. 2015, S. 55: „Jedes Erzählen erzeugt (wenn es funktioniert) einen virtuellen Raum, da im Akt des Erzählens die an der Erzählung Teilnehmenden […] einen Raum gemeinsam imaginieren, also virtuell erzeugen, der nur für die Dauer seiner Kommunikation existiert.“ Zum Begriff der Virtualität im Kontext der mittelalterlichen höfischen Kultur vgl. auch Schlechtweg-Jahn: Virtueller Raum und höfische Literatur. 2005, S. 69-85.[↩]
- Vgl. Pierstorff: Spielformen des Erzählens. 2018. <https://www.paidia.de/spielformen-des-erzaehlens-die-ludo-narrative-struktur-in-hartmanns-iwein/> [18.11.2021].[↩]
- Ruberg: Bildkoordinationen im ‚Erec‘. 1970, S. 484.[↩]
- Vgl. ebd. S. 485.[↩]
- Vgl. Schulz: Erzähltheorie. 2012, S. 49.[↩]
- Schnyder: Glücksspiel und Vorsehung. 2002, S. 309.[↩]
- Vgl. ebd. S. 319-320 sowie Nellmann: Dichtung ein Würfelspiel? 1994, S. 462.[↩]
- Iser: Das Fiktive und das Imaginäre. 1991, S. 469.[↩]
- Vgl. Schnyder: Glücksspiel und Vorsehung. 2002, S. 321.[↩]
- Vgl. ebd. S. 310-311.[↩]
- Ebd. S. 321.[↩]
- Walter Haug geht so weit, das Spiel überhaupt als „anthropologische[s] Modell für den Umgang mit Kontingenz im klassischen arthurischen Roman“ zu betrachten, zumal Spielen „Einübung in Kontingenz“ sei. Vgl. Haug: Kontingenz als Spiel. 1998, S. 166-167.[↩]
- Metanarrativität ist zu differenzieren von Metafiktionalität. Mit Sonja Glauch kann erstere sogar als ein Charakteristikum mittelalterlichen Erzählens bezeichnet werden, während metafiktionale Eingeständnisse hier eher selten sind, zumal mittelalterliche Autoren das Erzählen und Dichten nicht als freie Erfindung eines Handlungsgerüsts verstehen. Vgl. Glauch: Fiktionalität im Mittelalter. 2014, S. 117-118. [↩]
- Im Hinblick auf moderne Literatur könnte man hinzufügen, dass die hier gemachten Beobachtungen wohl vor allem auf das Erzählen fiktionaler Inhalte zutreffen – was aber nicht ausschließt, dass auch faktuale Inhalte auf eine Weise erzählt werden, welche die ursprüngliche Kontingenz des Geschehens ausstellt.[↩]
- Iser: Das Fiktive und das Imaginäre. 1991, S. 451.[↩]
- Vgl. Ascher: Erzählen im Imperativ. 2021, S. 107.[↩]