CFP Gespielte Serialität oder: Computerspiel(e) in Serie: Medien – Theorien – Kulturen

28. April 2016

Ob Figuren wie Super Mario, Endlos-Franchises wie Assassin´s Creed, ein­zelne Konsolengenerationen oder explizit als TV-Formate angelehnte Game-Serien mit mehreren Fortsetzungen aus dem Hause Telltale: Die Computer­spiel-Kultur ist seriell zu denken und nur so adäquat in ihrer medien­his­to­ri­schen Einbettung zu erfassen, denn im Grunde hat das Serielle von Anfang an jede Facette des Computerspiels geprägt.
Serielle Texte und das ihnen zugrunde liegende Konzept der Serialität er­fuh­ren spätestens seit der Jahrtausendwende eine Aufmerksamkeit, die sich als historische wie medienwissenschaftliche Wende fest etabliert zu haben scheint. Bis heute hält der Boom an Publikationen an, der sich mit der Auf­arbeitung serieller Phänomene aus verschiedenen Blickwinkeln aus­ei­nan­der­setzt. Dazu gehören speziell im Bereich der Film- und Fern­seh­wissen­schaft längst auch kritische Sichtweisen, die den Hype um serielle Phä­no­me­ne und die mit ihnen verbundene Auf- oder Abwertung im Kontext kunst­ästhetischer Ideologien selbst hinterfragen. Das Spannungsfeld zwi­schen einer negativen Konnotation serieller Produktion als Massenware und der ästhetischen Aufwertung spezifischer „Einzeltexte“ eröffnet ins­be­son­dere vor dem Hintergrund eines paradigmatisch seriellen Mediums wie dem Computerspiel eine Vielzahl diskurstheoretischer wie praktischer Anschluss­fragen.
Losgelöst von solchen diskursiven Problemstellungen, markiert Serialität als basales Prinzip der Reihung zunächst formale wie inhaltliche Beziehungen, die etwa sowohl auf naturwissenschaftliche, ökonomische wie geistes­ge­schicht­liche Relationen zwischen Experiment, Produktion und Wissens­ordnung innerhalb eines definierten Wechsel­spiels der Wiederholung und Varianz aufgebaut sind. Als kulturwissenschaftlicher Begriff bezeichnet Serialität eines der herausragenden Paradigmen der Kultur- und Medien­geschichte, das spätestens seit Beginn des 20. Jahr­hunderts nahezu jede Form medialer Ästhetik und Produktion affiziert. Medien wie die Photo­graphie, der Film oder das Computerspiel belegen dies durch ihren von Anfang an stark ausgeprägten Hang zu Serien und Fort­setzungen, obwohl sich bereits durch die Zeitschriftenkultur des 19. Jahr­hunderts oder auch den Siegeszug des Comics oder der seriellen Malerei andere Medien als serielle Vor- und Wiedergänger anführen lassen. Ein Wechsel­spiel, das vor allem mithilfe der unüberschaubaren Anzahl an TV-Serien ein populäres Eigenleben ausprägt, das die Gesetze der Serie medienspezifisch wie inhaltlich gerade in den letzten Jahren zur Kunstform erhob.
Im Sinne eines medialen Gedächtnisses tradieren Serien als Textformen kulturelle Impli­ka­tionen mithilfe ihrer historisch wandelbaren Kon­fi­gu­ra­tionen und machen dadurch ihre Entstehungsbedingungen und Kontexte rekursiv beobachtbar. Jede Relation zwischen diesen und weiteren seriellen Elementen ist Bedingung wie zugleich Möglichkeit der Beobachtung von Wiederholung und Varianz im Rahmen einer Ordnung, die sich über ihre Kontinuitäten und Umbrüche gleichermaßen definiert. Als narratives und handlungsstrukturierendes Prinzip lässt sich Serialität in nahezu allen Erzähl- und Medienformen vorfinden. Dies schließt populäre Mikro­tech­niken wie den Cliffhanger oder das Erzählen in fortlaufenden Kapiteln mit übergreifenden dramaturgischen Spannungsbögen als auch textuelle Begleit- und Erweiterungsphänomene wie Remakes, Reboots, Sequels, Paratexte oder auch entsprechende Franchises mit ein. Als gesell­schafts­spezifisches Moment formt Serialität Vorstellungen oder auch das konkrete Management von Zeit, Spiel und Rezeption (z.B. via Twitch oder YouTube). Wie prägt Serialität also Gesellschaft und welche Rück­kopplungs­effekte lassen sich etwa mit Bezug zu kontemporären Medientechniken und Platt­formen (z.B. Mobile Gaming, Streaming, Com­munity) oder gar Ar­chi­vie­run­gen des Seriellen beobachten. Als genuin mediales Phänomen ist stets zu hinterfragen, wie neue oder ältere Medien­techniken und Dispositive Serialität formen und Rezipienten als Ausgangs- wie Eingangspunkt in ihre Strukturen integrieren. Die Reflexion der Relation(en) zwischen den einzelnen Facetten und ihres Zusammen­wirkens auf einer medien­historischen wie ästhetischen Traditionslinie avanciert vor diesem Hintergrund zur programmatischen Aufgabe jeder wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit seriellen Phänomenen.

Themenbereiche

Die geplante Sonderausgabe von Paidia – Zeitschrift für Computer­spiel­forschung zum Thema „Gespielte Serialität oder: Computer­spiel(e) in Serie“ möchte diesen und weiteren seriellen Phänomenen im Kontext der Game Studies nachgehen und damit in einem fachintern bisher unter­reprä­sen­tie­rten Bereich neue Impulse setzen. Die Texte sollen nach theoretischen Verortungen und Veränderungen im Umgang mit und der Produktion von Serialität ebenso fragen wie auch spezifische Beispiele, Detailanalysen oder fachübergreifende Aspekte in ihren Verzahnungen mit dem Computerspiel analysieren und aufdecken.
Für diese Sonderausgabe sind Beiträge aus allen geistes- und kultur­wissen­schaftlichen Fächern ebenso willkommen wie Vorschläge, die sich inter­disziplinär dem Thema nähern möchten. Theoretische wie spezifisch analytische Vorschläge finden gleichermaßen Berücksichtigung in der Aus­wahl der Texte. Mögliche Perspektiven können darstellen (müssen aber nicht darauf begrenzt sein):

  • Medientheorie, Geschichte, Technik, Wandel, Intermedialität
  • Selbstreflexion, Selbstreferenz und die Ereignishaftigkeit von Serien
  • Textualität und Medialität des Seriellen
  • Fiktionen, Motive, Symbole und Narrative des Seriellen im Spiel
  • Praktiken, Strukturen und Figurationen serieller Inszenierung
  • Diskurse, Politiken und Diskussionskulturen
  • Rückkopplungseffekte zwischen Subjekt/Gesellschaft und dem Mediendispositiv des Spiels/Spielens

Informationen zum Ablauf

Die Beiträge sollen einen Umfang von max. 40.000 Zeichen (inkl. Leer­zeichen) aufweisen.
Bei Interesse senden Sie bitte einen Abstract mit max. 500 Wörtern bis zum 15.6.2016 an redaktion@paidia.de. Bitte verwenden Sie dabei ein gängiges Format (doc, docx, rtf). Da wir alle Vorschläge im Blind-Peer-Review-Verfahren sichten werden, achten Sie bitte darauf, dass Ihr Textdokument selbst anonymisiert ist.
Ihnen wird von uns Rückmeldung bis Anfang Juli 2016 gegeben.
Die vollständigen Beiträge sollen bis 30.09.2016 eingesendet werden.
Die Veröffentlichung der Beiträge ist für November geplant.
Paidia – Zeitschrift für Computerspielforschung ist ein wissenschaftliches non-profit Projekt, weshalb veröffentlichte Beiträge nicht finanziell entlohnt werden können.
Für Rückfragen zum Thema steht Ihnen der Herausgeber der Sonderausgabe unter AlexSchlicker@gmail.com gerne zur Verfügung.

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So zitieren Sie diesen Artikel:

Schlicker, Alexander: "CFP Gespielte Serialität oder: Computerspiel(e) in Serie: Medien – Theorien – Kulturen". In: PAIDIA – Zeitschrift für Computerspielforschung. 28.04.2016, https://paidia.de/cfp-gespielte-serialitat-oder-computerspiele-in-serie-medien-theorien-kulturen/. [22.12.2024 - 05:09]

Autor*innen:

Alexander Schlicker

Dr. phil. Alexander Schlicker studierte Literaturwissenschaft, Linguistik, Kunstgeschichte und Politische Wissenschaft an der LMU München. Magisterarbeit zu Begriff, Theorie, Form und Praxis des Horror-Genres im Computerspiel (publiziert 2010) sowie abgeschlossene Promotion zum Thema „Autor – TV-Serie – Medienwandel: (De-)Figurationen serieller Autorschaft“ (publiziert 2016). Mitarbeiter (verschiedene Lehraufträge) am Institut für Deutsche Philologie der LMU München und tätig als Autor, Journalist sowie Online-Redakteur für verschiedene Verlagshäuser und Publikationen. Forschungsschwerpunkte in den Bereichen der Film-, Fernseh-, Serien- und generell Medienwissenschaft(en) mit besonderem Fokus auf aktuelle Tendenzen der Game Studies.