Kontroll- und Selbstverlust in ‚The Observer‘

25. Juni 2020

In The Observer1 des Entwicklungsstudios Bloober Team steuern die Spieler_innen den alternden Ordnungshüter Daniel Lazarski, welcher in einem dystopischen Polen des Jahres 2084 für den diktatorisch herrschenden Mega­konzern Chiron arbeitet. Dessen Macht speist sich aus der durch umfassende Überwachung generierten Kontrolle der Bevölkerung. Als Angehöriger der Polizeieinheit ‚Observer‘ besitzt Lazarski die Fähigkeit und Befugnis, sich in die Gedankenwelt von Bürger_innen zu ‚hacken‘, um durch eine Inspektion der metaphorisch verschlüsselten und topologisch strukturierten Erinnerungen Tathergänge zu rekonstruieren.

Zu Spielbeginn erhält er eine Videobotschaft – selbstverständlich über einen ‚monitored channel‘ – seines lange verschollen geglaubten Sohns Adam, die als Kernaussage kaum mehr enthält als “Whatever happens, I need you to remember… you’re not in control.” Die Rückverfolgung des Anrufs führt Lazarski in eine Wohnkaserne, wo er neben verschlossenen Mieter_innen auch brutal zugerichtete Opfer unerklärlicher Verbrechen vorfindet. Der Zugang zu ihren ‚mentalen Räumlichkeiten‘ lehrt ihn schrittweise mehr über die Pläne einer Rebellentruppe, interferiert aber auch mit seiner eigenen Psyche. Während seine Wahrnehmung fortschreitend unzuverlässiger wird, verwandelt sich das Mietshaus zunehmend in ein infernalisches Labyrinth.

Die vorliegende Analyse stellt heraus, in welcher Weise Überwachung und Kontrolle sich in der Diegese von The Observer ereignen, wie durch sie Identitätsfragen – auch hinsichtlich des sich selbst in einer Überwachungs- und Kontrollfunktion befindlichen Protagonisten – aufgeworfen werden und wie die selbstreflexiven Bestandteile des Spieles dazu beitragen, diese Diskurse auf spezifische Weise zu beleuchten.

Der Staat: das ubiquitäre Auge

Die Mietskaserne selbst befindet sich in einem Distrikt der Unterprivilegierten und Randständigen, den Aussätzigen der Gesellschaft. Die prophylaktische Eindämmung potenzieller Störungen des Regierungsapparates findet via umfassender Überwachung statt, weshalb sich die einem Generalverdacht unterliegenden Bewohner_innen des slumartigen Distrikts auf engstem Raum verbarrikadieren müssen. Der Foucault’sche Panoptismus2 bzw. dessen Weiterentwicklung durch Zygmunt Bauman zum Postpanoptikum findet hier seine beispielhafte Ausprägung.3 Das Postpanoptikum beschreibt eine Gesellschaft, in der die Überwachung dank Instrumentalisierung moderner Technik nicht mehr zeit- und raumgebunden, sondern uneingeschränkt gegeben, in die natürliche Lebenswelt unwiderruflich integriert ist. Der mensch­liche Blick wird durch den künstlichen nicht nur verstärkt, sondern ersetzt.4

In The Observer ist diese Überwachung ohne Grenzen, sie reicht bis in die intimsten Erinnerungen und Traumata bereits Verstorbener, deren psychische Welt begeh- und damit von Dritten mit staatlicher Befugnis regelrecht invadierbar wird. Mit der Fähigkeit, wortwörtlich in jedes Geheimnis eindringen zu können, hat der Staat den gläsernen Bürger zu einem auslotbaren Objekt evolvieren lassen und den Bereich des absolut Privaten in einen öffentlichen Raum umgestaltet.

Der Protagonist ist darüber hinaus mit potenten Körpermodifikationen ausgestattet, um als Agent des unterdrückenden Systems die Blickherrschaft zu erhalten: Ergänzend zu seiner ‚normalen Sicht‘, die immer auch schon mit Augmented Reality-Elementen angereichert ist, stehen ihm drei weitere Modi zur Verfügung, die Umwelt nach den jeweiligen Erfordernissen zu filtern: eine ‚Electromagnetic Vision‘, eine ‚Bio Vision‘ und eine ‚Night Vision‘. Im Prolog ist Lazarski außerdem in Besitz eines Netbooks, das ihm in Echtzeit alle möglichen Informationen über beliebige Immobilien aufzeigt. So wird er als höchst kompetente und potente Überwachungsinstanz eingeführt.

Neben dem Eindringen in diese Erinnerungsreservoirs gehören Persönlichkeitsrechte verletzende Übergriffe wie das Durchstöbern vertraulicher E-Mails, das Betrachten von Fotos auf privaten Computersystemen und das Inspizieren von Schubladen und anderen Behältnissen zur scheinbar gängigen Ermittlungsarbeit – Methoden, deren selbstverständlicher Einsatz im Spiel nicht hinterfragt, geschweige denn sanktioniert, sondern für Environmental Storytelling genutzt wird.5

Diese Streifzüge durch die Mietskaserne gewähren pars pro toto einen Blick auf den Querschnitt der verleugneten Anteile einer Gesellschaft: die Drogensüchtigen und deren Lieferant_innen, die illegal mit technischem Gerät Modifizierten und deren Lieferant_innen, die Lädierten, Abgehängten und Ausgestoßenen. Wenn Bürger_innen aus Furcht vor der Kontrolle eines omnipotenten und omnipräsenten Staatsapparates ihre Wohnungen nicht mehr verlassen, da sie Repressalien bis hin zur Internierung fürchten, handelt es sich bei diesen Appartementkomplexen de facto um Gefängnisse, bei den Wohnungen um Zellen und bei den gettoisierten Mieter_innen um Inhaftierte. Potenzielle Delinquent_innen werden so nicht nach der Ausführung von Straftaten ihrer Freiheit beraubt, sondern bereits im Vorfeld angeleitet, sich in eine vermeintlich selbstbestimmte, tatsächlich aber alternativlose Gefangenschaft zu begeben.6 Die Zelle stellt zugleich das letzte persönliche Refugium dar, in welchem die Überwachung zwar zu Teilen unterbunden werden kann, die individuellen Handlungsoptionen aber auch gegen Null tendieren. Die Kellergeschosse präsentieren sich bei späterer Begehung noch unverhohlener als Gefängnistrakte, in denen es die Anwohner_innen aus Todesangst vor einer umherstreifenden Bestie nicht wagen, die Stimme zum Gespräch zu erheben. Später ist auch die unter alledem liegende Kanalisation zu erkunden – nach unten hin, in das Uneinsehbare der Erde hinein, staffelt sich das von der Gesellschaft Verdrängte in immer höheren Konzentrationen.

The Observer bildet insgesamt eine Welt ab, in der das asymmetrische Verhältnis von Privaträumen und öffentlichem Raum besonders betont ist. Das einzig denkbare Ausbruchsszenario wäre eine Umwälzung des Gesamtsystems – das ist es, was der Sohn des Protagonisten anzustreben scheint. Dass diese Thematik im Laufe des Spieles zugunsten eines kriminologischen Geflechts immer weiter in den Hintergrund rückt, kann durchaus fahrigem Storytelling zuzuschreiben sein, ebenso aber als Kommentar auf die Unmöglichkeit eines solchen Unterfangens gelesen werden: Selbst die stärksten systemimmanenten Kämpfe lösen sich in vom Kollektiven ins Persönliche gehende Krisenereignisse auf, die für den politischen Ist-Zustand keinerlei Bewandtnis mehr haben. In The Observer ist die Tragik des Individuums – seien es die paranoiden Bewohner_innen hinter ihren unpassierbaren Wohnungstüren, sei es der zusehends sich selbst verlierende Polizist – zugleich das Öl in der Maschinerie des Systems. Die Lesart von „der modernen Gesellschaft als Gefängnis“7 wird so auf die Spitze getrieben.

Die Ohnmacht des Ermittlers — überwachte Überwachung

Verhöre auf den beengenden Fluren des mehrstöckigen Mietshauses machen Daniel Lazarski sichtbar, nicht aber die Verhörten, welche ausnahmslos hinter ihren verschlossenen Türen verharren und in der Regel widerwillig und oftmals enigmatisch Auskunft geben, bisweilen auch schlichtweg die Kommunikation verweigern. Die Bewohner_innen der dargestellten Welt fügen sich in das Bild der Gesellschaft als „Apparat totalen und zirkulierenden Misstrauens“8. Argwohn – gegenüber dem Ermittler, den übrigen Mietpar­teien, dem Staat und allzu oft auch gegen sich selbst – scheint die vereinende Devise der Dauermieter_innen zu sein. Keiner dieser nicht selten pathologische Dimensionen annehmenden Zweifel wird im Laufe der Spielhandlung zerstreut. All dies, so geht es aus den Konversationen hervor, rührt nicht nur von der Angst vor Überwachung her, sondern resultiert regelmäßig auch aus eigenständig getätigten Beobachtungen, aus deren gewonnenen Erkenntnissen jedoch überwiegend vorschnelle Schlussfolgerungen entstehen.

Im Zuge der Vernehmungen werden die Stimmen der Gesprächspart­ner_innen durch einen Lautsprecher übertragen und ein Bildschirm offenbart einen kleinen Ausschnitt des entsprechenden Gesichtes. In fast allen Fällen sind es Detailaufnahmen von starrenden, zuckenden, nervös zwinkernden oder hektisch schielenden Augen. Jene, die observiert werden sollen, bleiben für das Ermittlerauge nicht nur ungesehen, sie starren mit unnatürlich vergrößerten Augäpfeln energisch zurück. Aus ihrer Furcht heraus, er wäre abkommandiert, sie auszuspähen, überwachen die Mieter_innen Lazarski ihrerseits. In Folge davon entsteht eine gewisse Kontrolle, da sich der Polizist auf die zweifelhaften und häufig verrätselten Aussagen, aus denen sich oft nur behelfsmäßige Hinweise extrahieren lassen, verlassen muss und sich insofern gezwungen sieht, sich nach ihren Weisungen zu richten. Weiterhin besteht mit Foucault bekanntlich ein direkter Zusammenhang zwischen Wissen und Macht.9 Wissenserlangung in der hier beleuchteten Diegese ist aber ein keineswegs zuverlässiger Prozess. Da die Quellen von Wissen – Aus­sagen von Befragten, Beobachtungen der Umgebung, Begehung der mentalen Strukturen Dritter – von Unzuverlässigkeit geprägt sind, ist es auch das aus ihnen geschöpfte Wissen. Die daraus resultierende Machtlosigkeit des Protagonisten stellt die logische Weiterführung dieses Umstandes dar.

Innerhalb der mentalen Architekturen, später scheinbar auch außerhalb von ihnen, kreuzt der Ermittler die Wege eines patrouillierenden Ungetüms, das wie ein Aufseher stampfend durch die Gänge streift und regelmäßig inne­hält, um sich exaltiert in alle Richtungen umzuschauen, wobei der Kegel eines Scheinwerfers seinen wandernden Blick markiert. Die zentralste dieser Begegnungen findet in einem weitläufigen Großraumbüro statt – ein Ort, wo die strenge Überwachung von Effizienz und Hörigkeit gang und gäbe ist. Diese seltenen Konfrontationen stellen eines von zwei Szenarien dar, in welchen das Gameplay strategisches Vorgehen und Reaktionsvermögen erfordert. Das zweite Szenario, in dem passgenaue Eingaben notwendig sind, ist eine weitere Schleichpassage, in welcher man über ein dicht bewachsenes Feld pirscht und den Lichtkegeln einer Armada von Überwachungsflugzeugen ausweichen muss. Die einzigen spielmechanischen Herausforderungen sind demnach Situationen, in denen der professionelle Überwacher selbst einer rigorosen Überwachung entrinnen muss. In beiden Fällen gilt es, einen qua Blickvorherrschaft unanfechtbar kontrollierten Raum zu durchqueren. Die Kontrollhoheit ist einmal in Form des Monsters eindeutig Abjektes als das aufbegehrende Verdrängte10 und das andere Mal die Repräsentation des allsehenden Staates.

Nach Gordon Calleja setzt sich der Umgang mit (Spiel-) Raum aus zweierlei Interaktionsbereichen zusammen: das Explorieren der Spielwelt auf der übergeordneten und die Navigation innerhalb ihrer Bereiche auf der untergeordneten Ebene.11 Beides impliziert Beobachtung und Kontrolle. Die Spielwelt soll erst erfahren, verstanden, gemappt und anhand so gewonnener Kenntnisse zunehmend befriedet, kontrolliert und geordnet werden. In The Observer werden beide Wege verstellt, weil (zuverlässige) Beobachtung und Kontrolle keine Optionen darstellen.12 Gerade das immanente Streben nach Ordnungsvergrößerung bleibt aus zweierlei Gründen unbefriedigt. Einerseits wird die bestehende Unordnung niemals beseitigt, sondern nur erfahren. Maßnahmen zur Re-Etablierung einer vorherigen Ordnung können nicht ergriffen werden. Kriminelle werden nicht inhaftiert, Tatorte nicht gesichert, sterbensbange Passant_innen nicht beschwichtigt, geschweige denn aus der Gefahrenzone gelotst, Monster nicht erschlagen und der Antagonist wird am Ende nicht geläutert. Stattdessen bewegt man sich durch statische Räumlichkeiten und ist nachgerade gezwungen zur bloßen Kenntnisnahme der Situa­tionen. Andererseits sind die bestehenden räumlichen Ordnungsstrukturen unstet und transformieren sich sowohl qualitativ in Form ihrer Erscheinung wie auch quantitativ in ihrer räumlichen Ausdehnung in unberechenbarer Weise, sodass sie Erwartungen an Konstanz unterlaufen, weil bereits benutzte Türen in der erratischen, betont nicht linearen Raumlogik des Spiels nicht zu­verlässig zum selben Gang zurückführen, gerade Strecken den/die Spie­ler_in wider Erwarten zurück zum Ausgangspunkt führen etc. Das Vertrauen auf das „Apriori des [euklidischen, M.R.] Raumes13, der als basale Ordnungs­kategorie eine der Grundkonstanten der Realität darstellt, wird fortwährend enttäuscht. Wenn Videospiele „den Raum und die Raumanmutung“14 in beispielhafter Weise zelebrieren, spielt The Observer mit genau dieser Konvention. Die Gleichung ‚akkurate Raumbeobachtung = Raumkontrolle‘ kann nicht zur erfolgreichen Anwendung gebracht werden, weil das zu Beobachtende sich in permanentem Wandel befindet und Beobachtung ohne eine relati­ve Konstanz der Raumverhältnisse nicht in Kontrolle übersetzt werden kann.15

Dass Lazarski entsprechend nicht einfach als willfährige Exekutivinstanz des Überwachungsstaates, sozusagen als dessen externalisierter Sehapparat, fungiert, sondern selbst überwachtes Element ist, zeigt sich bereits im Prolog des Spieles. Hier versichert ihm seine offenbar höherrangige Kollegin bündig, dass sie a) in Echtzeit Einblick in seine körperliche und psychische Verfassung habe, b) von ihm verlangt, dass er uneingeschränkt einsatzfähig sei und dafür c) noch während der Unterhaltung und somit unter ihrer Aufsicht sein Medikament einzunehmen habe. Tatsächlich signalisiert die Wahrnehmung Lazarskis nach jedem ‚Bewusstseins-Hacking‘ Fehlfunktionen: Störgeräusche, durch desorientierte Kopfbewegungen suggerierter Schwindel und digitale Artefakte, die verstärkt in den Vordergrund rücken und die immer schon stark modifizierte Sicht des Spieles noch künstlicher werden lassen, kündigen einen herannahenden Kollaps an. Immer dann muss der/die Spieler_in den Avatar eine Tablette schlucken lassen, woraufhin sich die wahrgenommene Welt wieder ‚ordnet‘. Ein Indikator dafür, dass Lazarskis Medikation aufgefrischt werden muss, ist die Anzeige auf einem (innerdiegetischen) Display – eine technisch gestützte Eigenbeobachtung, die zuverlässiger als empfundene Leiblichkeit scheint. Kontrolle nicht nur über sich, sondern über die Beschaffenheit der wahrgenommenen Welt ist folglich nur dann gegeben, wenn Lazarskis System regelmäßig mit körperfremden Stoffen versorgt wird. Und selbst dieser Mechanismus scheint in letzter Instanz automatisiert: Im Prolog warnt eine Computerstimme mit Statusberichten wie „heart rate irregular“ und „abnormal stress level“, bevor sie eigenständig die Verabreichung eines „mild sedative“ einleitet. Zwar soll die Technik die Beobachtungsgabe des Protagonisten unterstützen, beobachtet den Protagonisten aber mindestens im gleichen Maße selbst.

Die Autonomie Lazarskis ist somit zwar nicht vollends untergraben – so bricht er recht früh in der Handlung die Regel, Erinnerungswelten Toter nicht zu betreten –, aber doch radikal beschnitten. Die offensiv auf Lazarski gerichteten Blicke sind nicht nur jene der Bewohner_innen, der ihn überwachenden Instanzen und des noch zu thematisierenden Ungeheuers, sondern vor allem auch jene der unzähligen Bildschirme, die innerhalb der erzählten Welt mit überdimensionierten Augen ausgestattet sind, welche ihn aus einem Medium heraus anstarren, das per definitionem dafür geschaffen ist, nicht aktiv schauend, sondern passives Ziel der Schau zu sein. Im Finale ist das Augenpaar eines virtuellen Abbildes seines Sohnes Adam von Monitoren herunter auf die Hauptfigur gerichtet. The Observer macht hier evident, dass die klassischen Rollen vertauscht sind: Der titelgebende ‚Observierende‘ wird beobachtet, während sich die Blickobjekte (als Schutzbefohlene konven­tionell mit Kindstatus) durch Erlangung eines eigenen Blickes emanzipieren.

Abb. 1 Der Konterblick der Schauobjekte16

Die allgegenwärtigen Augen an den Türen, auf den Bildschirmen, an den Wänden aktualisieren die in der Mahnung ‚Die Wände haben Ohren‘ transportierte Agentenparanoia vom Akustischen hinein in die moderne Überwachungsgesellschaft, in welche der dominierende Sinn westlicher Weltkonstitution in die Wände eingezogen ist, die nun nicht mehr nur Ohren, sondern Augen besitzen.17 Architektur ist hier aktiv und initiativ – wortwörtlich wird sie immer organischer und unsicherer, bis der Protagonist am Ende gänzlich desorientiert durch verschlungene pulpöse Gänge aus pulsierendem Fleisch hastet. Dabei ist es nur folgerichtig, dass die Spielarchitektur sich organisch verändert und damit einem ebenso unendlichen Prozess unterzogen ist wie der leibliche Körper, dessen folgenreiche Wandlungen (Alter, Tod, Verstüm­melung, Verschleierung, Modifizierung) ebenfalls Thema des Spieles sind.

Das Resultat sämtlicher spielerischer Akte ist schließlich die maximale Entmündigung Lazarskis, die auf die einzige konkrete Spielentscheidung überhaupt folgt: Er muss am Ende wählen, ob er seinen Körper der virtuellen Kopie seines Sohnes überlässt oder ob er sich dieser Übernahme verweigert. Die Andeutung abschließender Kontrolle über den Verlauf der Geschichte entpuppt sich jedoch anschließend als vorgespiegelt. Im Falle der Annahme verliert der Protagonist die Hoheit über seinen Körper, ist verdammt, durch die Augen dieses nun okkupierten Vehikels zu schauen, und zu keinerlei Einflussnahme mehr fähig. Die Fremdkontrolle ist total. Im Falle der Ablehnung wird Lazarskis Bewusstsein aus seinem Körper verbannt und in einen sprach- und handlungsunfähigen Überwachungsroboter transferiert, sodass Adam sich auch in diesem Fall des Avatarkörpers bemächtigen kann und der Polizist ebenfalls zum tatenlosen Zuschauen verdammt ist. Zwar gelingt es ihm anschließend seinerseits in einem – nicht zu sehenden – Ermächtigungsakt, den Körper des Hausmeisters zu übernehmen und seinen eigenen fremdgesteuerten Körper niederzuschlagen, er wird dann aber von den abgefeuerten Projektilen eindringender Polizisten durchbohrt, da auch deren Beobach­tung trügt und sie ihn für den Mörder Lazarskis halten. Beide Wahlmöglich­keiten resultieren somit in noch stärkerem Kontrollverlust18 und der Ohn­macht eines Vaters gegenüber dem eigenen Sohn. In beiden Fällen wird final auf­gezeigt: Auch zuverlässige Überwachung einer unzuverlässigen Welt resultiert nicht in Kontrolle. Die fruchtlose Überwachung wird zur psychischen Marter für den Überwachenden selbst.

Das Scheitern des Blicks an der ephemeren Realität

Die schon angemerkte Wahrnehmungsveränderung aufgrund der Modifika­tionen der Hauptfigur führt zu einer Verunsicherung von Realität generell. Wenn auch Lazarskis technische Ausstattung ihn zu einem exzellenten Beobachter macht, so ist doch der Wert dieser Beobachtungen in Zweifel zu ziehen, da die dafür eingerichteten physischen Veränderungen das Konzept von Realität selbst zur Auflösung bringen. Realität wird nicht weiter unmittelbar wahrgenommen. Stattdessen wird ein Interface als Schnittstelle zwischen den Menschen und dessen primäre Sinnesorgane gesetzt. Dies ist das Gegenteil vom Normalfall, bei dem via Interface die „komplex[e] und codebasiert[e] Architektur“19 eines Rechners in ihrer Anschaulichkeit der ‚echten Welt‘ angepasst wird, indem das abstrakte digitale Gefüge mittels Übersetzung in konkrete Formen einer Naturalisierung unterzogen wird.20 Ferner sind die Modifikationen Lazarskis mit seinem Gewebe verwachsen, statt wie ein klassisches Interface austauschbarer Teil des Apparats zu sein. Durch diesen mutmaßlich irreversiblen Eingriff ist die vermittelte Wahrnehmung der Welt ohne Alternative. In The Observer wird, diametral entgegengesetzt zum Normalfall, die Welt dem Code angepasst und durch die stets verfremdende Pers­pektive des Protagonisten de-naturalisiert. Nicht mehr die zu steuernde Technik wird unsichtbar und so unkritisierbar,21 sondern die gegebene Umwelt.

Bereits die ersten Schritte in der heruntergekommenen Lobby des Hauses präsentieren diese als de-naturalisiert: Über Boden, Wänden und Decken liegen türkisfarbene, flackernde Schichten digitaler Strukturen, als wäre die Texturierung einer virtuellen Umgebung noch nicht fertiggestellt. Über Wände und Glasscheiben laufen pausenlos unleserliche Textkolonnen. Es ist nicht zu unterscheiden, ob es sich dabei um tatsächliche Bildschirme innerhalb der Diegese handelt oder ob ihre Darstellung erst durch die digitalisierende Wahrnehmung der modifizierten Spielfigur zustande kommt.

Die Frage lautet folglich nicht länger, ob eine Konnexion oder Distanzierung zwischen den via Interface gekoppelten Ebenen vorliegt,22 sondern inwieweit das Interface Lazarski und die von ihm wahrgenommene Umwelt eminent verändert. Das, was – und sei es noch so akribisch und technisch gestützt – beobachtet werden kann, ist ob der radikalen technischen Modifikation des Beobachters selbst verschieden von der ursprünglich zu beobachtenden Umwelt. Auch in Anlehnung an z. B. Descartes’ Zweifel an objektiver Realität generiert sich die Frage, inwieweit eine unkritisierbar, da unsichtbar gewordene Umwelt nicht nur begutachtet, sondern vor allem auch kontrolliert werden kann. Der zu kontrollierende Spielbereich – keine weitläufige Open World, sondern wenige Gebäudetrakte – ist nicht nur immunisiert gegen sämtliche Aneignungsbemühungen der Spieler_innen, sondern nicht fass- und begreifbar, da er nach einer widernatürlichen, von Kontingenz bestimmten Eigenlogik zu funktionieren scheint.

Schlussendlich sind auch Wahn und Wirklichkeit nicht mehr trennbar, wenn sich im weiteren Spielverlauf unerklärliche Dinge ereignen, obschon der Protagonist sich nicht entsinnen kann, sich in ein fremdes Bewusstseinssystem eingeklinkt zu haben. Nach dem Übergang in die Erinnerungswelten Dritter vermengen sich darüber hinaus auch noch Identitäten, denn oftmals steuern die Spieler_innen in diesen Fällen nicht weiter Lazarski, sondern ein Alter Ego der Person, in deren verräumlichter Psyche sie sich befinden. Erst ein prüfender Blick am eigenen Körper herab offenbart die Identität der gerade gespielten Person. So scheint auch hier erst die gezielte Beobachtung für ein Mindestmaß an Kontrolle zu sorgen, die sich aber aufzulösen droht, wenn man sich ins Bewusstsein ruft, dass diese Person dennoch von Lazarski gesteuert wird, welcher wiederum selbst durch die Aussagen der Einwohner_innen dirigiert und weitestgehend handlungsunfähig – manövriert von ebenso orientierungslosen Spieler_innen – durch ein von externen Regierungsakteuren abgeschottetes Gebäude irrt.

Selbst der vermeintlich direkte Zugriff auf Subjektivität durch das Eindringen in die ‚Innenwelten‘ der Figuren ist eine mittelbare auf technischer Basis. Nach Eintritt in ein fremdes Bewusstsein ist unklar, ob der Ermittler autonom agiert oder Spielball der manifestierten Psyche ist, die Traumata und andere Schlüsselerlebnisse reinszeniert, psychische Dispositionen metaphorisch veranschaulicht und dies mit Wahrnehmungsfragmenten bezüglich der aktuellen Umstände in der Wohnkaserne zu verschachtelten, widersetz­lichen Labyrinthen verbindet. Eine zuverlässige Methode zur Überprüfung, ob man sich nach wie vor in dem Abbild eines fremden Verstandes befindet oder nicht, ist im reichen Werkzeugrepertoire zur Umgebungsanalyse nicht gegeben. So wird mit steigender Spielzeit undurchsichtiger, wo man sich befindet, welchen Realitätswert man dem Ort der Handlung zuschreiben kann – und in letzter Konsequenz, wer genau man selbst ist.

Das Bewegen durch die Welten mit ihren unsicheren Status aufgrund der Ununterscheidbarkeit alternierender Wahrnehmungsmodi scheint nach einer ‚Traumlogik‘ abzulaufen. Ohne klar auszumachende Demarkationslinie zwischen ‚real‘ und ‚nicht real‘ lässt sich dem Irrealen, ähnlich dem Traum,23 nicht einfach eine absolute Immersion attestieren, sondern aufgrund der unentwegten Zweifelhaftigkeit sämtlicher Wahrnehmungssituationen büßt die vermeintliche Wirklichkeit – die eigentlich den Richtwert für Immersion vorgibt – die Absolutheit ihres Realitätsstatus ein, erfährt sozusagen ihrerseits eine Minderung des Immersionseffekts. So wird die Produziertheit der Irrgänge durch die mentalen Welten nur ex negativo dadurch verborgen, dass bereits die Realität selbst der Gemachtheit verdächtig ist. Dass zusätzlich Anfang und Ende der Begehungen mentaler Räumlichkeiten nicht klar auszumachen sind, verunmöglicht ein klares Scheiden der ursprünglich divergenten und hierarchisch klar geordneten Wahrnehmungsebenen gänzlich.24

Zerfasernde Identität als Folge von Blick- und Kontrollverlust

Die Verunsicherungen sowohl hinsichtlich der Beschaffenheit der Realität als auch bezüglich der Identität des Avatarkörpers bleiben dadurch konsequent erhalten, dass das Spiel die Ego-Perspektive beinahe niemals aufgibt. Selbst in den wenigen Zwischensequenzen, in denen die Hauptfigur selbstständig handelt, bleibt die interne Fokalisierung bestehen. Momente, in denen die Spielfigur in der Außenperspektive zu sehen ist, wodurch z. B. mutmaßlich die Bande zwischen Figur und Spieler_innen gestärkt werden könnte,25 fehlen zur Gänze. Lediglich Spiegelbilder und wenige andere Momente der visuellen Repräsentation des Protagonisten zeigen dessen Gesicht, welches auch in diesen Fällen zwangsläufig mittelbar durch seine Augen wahrgenommen wird. Dies ist u. a. bemerkenswert, da die Figur der Physiognomie Rutger Hauers nachempfunden ist und das Spiel mit diesem Faktum wirbt.26 Dass trotz dieser werbewirksamen Komponente auf nennenswerte Außenaufnahmen des Figurenkörpers verzichtet wird, bezeugt die Relevanz der konsequent internen Fokalisierung. In dieser Welt gibt es keinen objektiven Blick von Außen auf ein Außen, sondern nur die Gefangenschaft in der eigenen Perspektive. Dass, wie sich am Ende herausstellt, Lazarski für seinen Sohn vorrangig deswegen ein dienlicher Gehilfe bei dessen Plänen war, weil er aufgrund seiner Observer-Position eine der wenigen vom Netz isolierten Personen und damit nicht von Viren angreifbar ist, sichert insofern nicht die Unantastbarkeit seiner von Beginn an instabilen Persönlichkeit, sondern offen­bart als Kehrseite der Pseudo-Autonomie eine imperative Einsamkeit.

Collectibles liegen im Spiel u. a. in Form von ,Nanophage Cards‘ vor, die Angaben über bestimmte Figuren der Diegese listen. Eine der frühesten und am leichtesten aufzuspürende – somit schwerlich als ‚Easter Egg‘ einzuordnende – Karte enthält entsprechende Informationen über Rutger Hauer. Diese auf den Dokumenten ‚objektivierten‘ Personendaten über den Schauspieler sind jedoch falsch. Während die Repräsentation durch Name und Lichtbild der Person Rutger Hauer entspricht, trifft dies auf die – mutmaßlich durch Überwachung gesammelten – Personendaten nicht zu. Dass der Protagonist von Rutger Hauer dargestellt wird und zugleich – verbürgt durch das identische Lichtbild – in der Diegese zu existieren scheint, verunklart den Identitätsstatus endgültig. Hier spiegeln sich auch in Objekten des diegetischen Alltags die Konsequenzen wider, welche sich aus der unzuverlässigen Beobachtung und der in Folge nie zu gewährenden Kontrolle ergeben. Die behauptete Objektivität, die auf den sammelbaren Karten repräsentiert werden soll, ist keineswegs glaubhaft, sondern ebenso trügerisch und in diesem Fall schlichtweg falsch.

Abb. 2 Die Nanophage Card von Rutger Hauer27

Spiele im Spiel — Selbstreflexivität zur Unterstreichung unkonventioneller Raumregeln

Wie als selbstreflexiver Kommentar auf diese Umstände lassen sich an diversen innerdiegetischen Terminals verschiedene Level eines Spiels namens „With Fire and Sword: Spiders“ absolvieren. In diesem Mini-Game müssen Bildschirm-Labyrinthe von einem Ritter taktisch vorausschauend von Spinnen gesäubert werden, um sämtliche in der Stage verteilten Münzen zu sammeln und am Ende die Prinzessin zu retten. Das Spiel rekurriert dabei auf das prototypische Narrativ der Heldenreise, welches ebenso ein prototypisches Videospielnarrativ darstellt: Erfolgreiche Bewährungsproben sorgen für die progressive Raumaneignung und die Wiederinstandsetzung der Regeln eines beständigen Raumes bzw. einer euklidischen Ebene. Als Belohnung lockt nicht nur verschiedenartiger Reichtum, sondern auch die Gunst des weib­lichen Liebesobjekts – ein Verlauf, der sich konträr zum Spielfortschritt in The Observer präsentiert. Hier scheitert nicht nur der Weg durch die Räume, die von unbesiegbaren Monstern bewohnt werden, auch steht am Ende keine positive Wiedervereinigung, sondern der letztgültige Bruch mit dem Sohn und der persönliche Niedergang. Der instabile Zustand wird nicht renoviert, sondern weiter destruiert.

Abb. 3 Die Dungeon-Crawler-Passage samt niedrig aufgelöster stilisierter Repräsentation des Avatars28

 An einer weiteren Stelle verwandelt sich in den mentalen Räumen einer Person ein Zimmer wortwörtlich in einen Videospielraum und das Interface wird erstmals ein rudimentär-klassisches: Am linken unteren Bildschirmrand erscheinen drei Pixelherzen als Vitalitätsanzeige. Die Umgebung transformiert sich daraufhin nacheinander zu den Spielfeldern einer Tetris-Variante, eines Arcade-Rennspiels sowie eines Dungeon Crawlers. Dies sind drei Spielkonzepte, bei denen die Kontrolle des Raumes die oberste Siegesbedingung darstellt. Selbst in diesen Disziplinen – bei Tetris ist es immerhin Teil des Konzepts – versagt jedoch die Spielfigur Lazarski systematisch angesichts der unfairen Spielbedingungen.

Radikaler Kontrollentzug ist beileibe kein Novum in Spielen. So steht besonders in Walking-Simulatoren das reine Erfahren der Spielwelt mit keinen oder wenigen Möglichkeiten direkter Einflussnahme im Vordergrund, doch sträubt sich der in der Regel zuverlässig manifeste Raum dieser Spiele zumindest nicht einer Kartierung. The Observer dagegen stemmt den „kultischen, mythischen, sakralen oder heiligen Raum des Spiels“29 förmlich auf, indem das Spiel durch die Selbstreferenzialität nachdrücklich auf seine eigene Spielenatur hinweist. Dieser Akt ist nicht rein selbstzweckhaft, sondern präsentiert mit dem Zitieren von Standardformeln eine Kontrastfolie, die im Abgleich aufzeigt, dass in der Welt von The Observer die Unumstößlichkeit des Status quo die atypische Konstante darstellt. Auch hier ist Raum dennoch elementare Voraussetzung des Funktionierens der Narration.30 Da sich sinnhafte Gefüge im weitesten Sinne durch räum­liche Strukturen beschreiben lassen,31 dient das dysfunktionale Verhältnis zwischen Raum und Spielfigur als metaphorischer Verweis auf das dysfunktionale Verhältnis zwischen Figu­ren und Diegese generell. 

Schlussbemerkung

Zum Erkennen der Dysfunktionalität eines Zustandes ist eine dialektische Beziehung zur Normalität vonnöten, die einen Abgleich erlaubt. The Observer aber präsentiert eine Welt, in der solche binären Modelle nicht mehr greifen. Überwachung ist Normalität und ein Kontroll-Ungleichgewicht der alternativlose Grundzustand. Die beobachtende Instanz ist immer auch die beobachtete Instanz; Innen- und Außenwelt sind nicht mehr trennbar. Aller manifesten Grenzen in sichtbarer Architektur zum Trotz lösen sich die Grenzen zwischen Individuen auf, weil fremde Erinnerungen nicht nur intersubjektiv, sondern unmittelbar erfahrbar werden. Schlussendlich lassen sich auch Objektivität und Subjektivität nicht länger mit Gewissheit unterscheiden, weil Technik die Realität de-naturalisiert, Wahn und Wirklichkeit inein­ander verwurzelt scheinen und akribische Untersuchungen der empirisch wahrnehmbaren Realität unmöglich noch zu verlässlichen Ergebnissen führen können. In einer Welt, in der basale Realitätsindikatoren selbst der Täuschung verdächtigt werden müssen, führt Beobachtung mitnichten zu Kontrolle. Die Anstrengungen, die Observierung zu intensivieren, haben nicht eine Erhärtung der Fakten, sondern der Zweifel zur Folge. The Observer erzählt so von einer dem Anschein nach konventionellen Überwachungsdystopie, in der aber auch die staatlichen Agenten als Folge ihrer gesteigerten Überwachungskompetenz die radikalste Entmündigung erfahren.

 

Medienverzeichnis

Spiele

Bloober Team: The Observer (PC). Polen: Aspyr 2017.

 Texte

Bauman, Zygmunt; Lyon, David: Daten, Drohnen, Disziplin: Ein Gespräch über flüchtige Überwachung. Frankfurt a. M.: Suhrkamp Verlag 2013.

Calleja, Gordon: In-Game. From Immersion to Incorporation. Cambridge: MIT Press 2011.

Degler, Frank: Erspielte Geschichte. Labyrinthisches Erzählen im Computerspiel. In: Neitzel, Britta; Bopp, Matthias; Nohr, Rolf F. (Hg.): „See? I’m real …“. Multidisziplinäre Zugänge zum Computerspiel am Beispiel von ,Silent Hill‘. Münster: LIT 2010, S. 58–73.

Foucault, Michel: Das Auge der Macht. In: Defert, Daniel; Ewald, François; Lagrange, Jacques (Hg.): Michel Foucault: Schriften in vier Bänden. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2003, S. 250–271.

Foucault, Michel: Überwachen und Strafen – Die Geburt des Gefängnisses. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1993.

Hennig, Martin: Spielräume als Weltentwürfe. Kultursemiotik des Videospiels. Marburg: Schüren 2017.

Kasbohm, Henning: Die Unordnung der Räume – Beitrag zur Diskussion um einen operationalisierbaren Phantastikbegriff. In: Schmeink, Lars; Müller, Hans-Harald (Hg.): Fremde Welten – Wege und Räume der Fantastik im 21. Jahrhundert. Berlin, Boston: De Gruyter 2012, S. 37–55.

Kirkland, Ewan: Storytelling in Survival Horror Video Games. Essays on the Fusion of Fear and Play. In: Perron, Bernard (Hg.): Survival Horror Video. Essays on the Fusion of Fear and Play. Jefferson: McFarland 2009, S. 62–78.

Konersmann, Ralf: Die Augen der Philosophen. Zur historischen Semantik und Kritik des Sehens. In: Ders. (Hg.): Kritik des Sehens. Leipzig: Reclam 1997, S. 9–47.

Nohr, Rolf F.: Die Natürlichkeit des Spielens. Vom Verschwinden des Gemachten im Computerspiel. Münster: LIT 2008.

Nohr, Rolf F.: Raumfetischismus. In: Bartels, Klaus; Thon, Jan-Noël (Hg.): Computer/Spiel/Räume. Hamburg: Universität Hamburg 2007, S. 61–81.

Orwell, George: 1984. London: Penguin Books 2008.

Schemer-Reinhard, Timo: Interface. In: Beil, Benjamin; Hensel, Thomas; Rauscher Andreas (Hg.): Game Studies. Wiesbaden: Springer VS 2018, S. 155–172.

 Filme

Anderson, Michael: 1984. GB: Holiday Film Productions Ltd. 1956.

Scott, Ridley: Blade Runner. USA: Michael Deeley 1986.

 YouTube-Videos

PlayStation: Observer – Behind the Scenes Featurette. 2018. <https://www.you­tube.com/watch?v=kOJiFMGd-_Y> [20.05.2019].

  1. Bloober Team: The Observer. 2017[]
  2. Vgl. Foucault: Überwachen und Strafen. 1992, S. 260.[]
  3. Vgl. Bauman/Lyon: Daten, Drohnen, Disziplin. 2013, S. 37.[]
  4. Vgl. Konersmann: Zur historischen Semantik des Sehens, S. 39.[]
  5. Obwohl diese Art des Erzählens in Computerspielen gängige Praxis ist, ist dies an dieser Stelle dennoch bemerkenswert. Schließlich spielt man einen Ermittler in einem totalitären Staat in einem Spiel, in dem Privatsphäre ein wesentliches Thema darstellt.[]
  6. Vgl. Foucault: Überwachen und Strafen. 1992, S. 355 ff.[]
  7. ebd., S. 388[]
  8. Foucault: Das Auge der Macht. 2003, S. 264[]
  9. Vgl. Foucault: Überwachen und Strafen. 1992, S. 39.[]
  10. Weil der vormals strikt gegen kybernetische Modifikationen argumentierende Protagonist seiner schwerkranken Frau vehement vom Tragen von Implantaten abriet, die sie hätten retten können, starb diese. In der Gegenwart ist Lazarski selbst mit zahlreichen Implantaten ausgestattet, die er sich installieren ließ, um für seinen Sohn Adam sorgen zu können, welcher aber früh mit seinem Vater brach. Dieser Konflikt trägt die Geschichte von The Observer. Die verdrängte Tat und ihre Konsequenzen werden bei der Reise durch diverse Architekturen des Unterbewusstseins durch die Monstrosität symbolisiert.[]
  11. Vgl. Calleja: In-Game. 2011, S. 77.[]
  12. Vgl. für eine ähnliche Perspektive auf Raumaneignungen und -kontrolle im Computerspiel sowie die funktionale Umkehrung der Prinzipien in Genres wie dem Survival Horror oder dem Stealth Game: Hennig: Spielräume als Weltentwürfe. 2017, insbes.
    S. 187. []
  13. Nohr: Die Natürlichkeit des Spielens. 2008, S. 46, Hervorh. i. Orig.[]
  14. ebd.[]
  15. Symptomatisch für das Scheitern dieses Anspruchs ist die Figur des Hausmeisters, welcher nur noch aus künstlichen Körperteilen unter künstlicher Haut zu bestehen scheint und von den Vorgängen in seinem Aufgabenbereich offenkundig keine Notiz nimmt. Trotz seiner optischen Annäherung an eine Maschine und seiner Ansammlung unterschiedlichster Gerätschaften im Hausmeisterkabuff, die augenscheinlich nur zu Überwachungs- und Kontrollzwecken existieren, ist er an Gleichgültigkeit und Ahnungslosigkeit einzigartig in der Spielwelt. Dies ist auch deswegen hervorzuheben, weil er, im Gegensatz zum persönlich motivierten Protagonisten, per definitionem alleinig aufgrund seiner Kontroll- und Ordnungsfunktionen zugegen ist.[]
  16. Bildquelle: Screenshot aus Observer (2017[]
  17. Die Referenzen auf George Orwells 1984 sind freilich überdeutlich – nicht zuletzt aufgrund des genannten Jahres 2084, der zentralen ‚Thought Police‘ und der in der filmischen Adaption von Michael Radford prägnant dargestellten ‚sehenden Bildschirme‘.[]
  18. In letzter Instanz wird auch den Spieler_innen die Kontrolle aus der Hand genommen. Die finalen Handlungsentwicklungen finden nur noch in Zwischensequenzen statt.[]
  19. ebd., S. 55[]
  20. Vgl. Nohr: Raumfetischismus. 2007, S. 55.[]
  21. Vgl. Schemer-Reinhard: Interface. 2018, S. 156.[]
  22. Vgl. ebd.[]
  23. Vgl. Nohr: Die Natürlichkeit des Spielens. 2008, S. 154.[]
  24. Passenderweise startet das Spiel nicht mit dem Erwachen, sondern mit dem Schlaf Lazarskis. Der Bildschirm ist, getreu der durchgehend internen Fokalisierung, finster, da der Protagonist nichts wahrnimmt. Es weckt ihn die fordernde Stimme seiner Vorgesetzten.[]
  25. Vgl. Kirkland: Storytelling in Survival Horror Video Games. 2009, S. 66.[]
  26. Vgl. PlayStation: Observer – Behind the Scenes Featurette. 2018; Rutger Hauer dient hier freilich als prägnanter Verweis auf Blade Runner (Scott: Blade Runner. 1986), in welchem er seine wohl populärste Rolle als Antagonist Roy Batty spielte. Auch in diesem Science-Fiction-Film sind Identitätsfragen das wesentliche Thema.[]
  27. Bildquelle: Screenshot aus Observer (2017[]
  28. Bildquelle: Screenshot aus Observer (2017[]
  29. Nohr: Die Natürlichkeit des Spielens. 2008, S. 18[]
  30. Vgl. Degler: Erspielte Geschichte. 2004, S. 47.[]
  31. Vgl. Kasbohm: Die Unordnung der Räume. 2012, S. 44.[]

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So zitieren Sie diesen Artikel:

Ramm, Martin: "Kontroll- und Selbstverlust in ‚The Observer‘". In: PAIDIA – Zeitschrift für Computerspielforschung. 25.06.2020, https://paidia.de/kontroll-und-selbstverlust/. [19.04.2024 - 20:21]

Autor*innen:

Martin Ramm

Martin Ramm ist ein in Berlin ansässiger Filmwissenschaftler. Er studierte Philosophie wie auch Medienwissenschaft und ist Lehrbeauftragter und Promovierender an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Seine Forschungs¬schwerpunkte liegen auf filmischer Selbstreflexivität, Genrefilmen, japanischem Film sowie der Nouvelle Vague.