Behinderung, Empathie und soziales Bewusstsein in analogen und digitalen Spielen

27. März 2025
Abstract: Der Beitrag untersucht Sensibilisierungsstrategien in analogen und digitalen Spielen, die sich als Social Awareness Games fassen lassen und sich dem Thema ‚Behinderung‘ auf verschiedenste Weise annehmen. Im Fokus stehen dabei Spiele, die darauf abzielen, kognitive und emotionale Empathie zu erzeugen. Einerseits sind das analoge Spiele, die sich über faktenorientierte Wissensvermittlung und die Konfrontation der Spieler*innen mit den eigenen Vorstellungen über Behinderung aktiv für Inklusion einsetzen. Andererseits zeigt die Analyse von Story, Adventure und Role Play Games, inwiefern eine emotive Ästhetik und die emotionale Verbindung zu Avataren diese Ziele erreichen kann. [EN] This article examines awareness-raising strategies in analogue and digital games that can be defined as social awareness games and address the topic of disability in different ways. The focus is on games that aim to generate cognitive and emotional empathy. On the one hand, analog games actively promote inclusion through fact-based knowledge transfer and by confronting players with their own ideas about disability. On the other hand, the analysis of story, adventure and role-play games shows the extent to which emotive aesthetics and the emotional connection to avatars can achieve these goals.

Einleitung

Spiele werden unlängst als kulturelle Produkte verstanden, die über den reinen Unterhaltungswert hinaus Vorstellungen von Welt prägen und Einfluss auf das soziale Bewusstsein nehmen können. Insbesondere sogenannte ‚Social Awareness Games‘ wollen, wie Stefan Göbel ausführt, „spielerisch Bewusstsein […] schaffen für gesellschaftlich relevante Themen wie Sicherheit, Energie und Klima“.1 Social Awareness Games adressieren folglich, wie Pereira et al. herausstellen

social relevant issues that are normally forgotten or are not very publicized, with the goal of promoting collective recognition of the issue as a first step towards its resolution. The idea is to transmit a message and not a skill. Informing and mobilizing people to issues such as cultural differences, human rights and environmental preservation among others is fundamental for societal development.2

In der empirischen Studie von Pereira et al. zeichnet sich ab, dass Spiele, die sozialrelevante Themen behandeln, in ihrer charakterisierenden Zielsetzung wirksam sind. Diese potenzielle Wirksamkeit spiegelt sich auch im gesellschaftlichen und politischen Interesse an Social Awareness Games wider. Dieses sei ebenso wie die bereitgestellten (öffentlichen) Mittel in den letzten Jahren angestiegen, so das Karlsruher Games Studio Causa Creations in einem Interview (MFG Baden-Württemberg, 29.01.2020).3 Causa Creations wollen „mit spielerischen Möglichkeiten ein Bewusstsein für kritische Fragen [schaffen], […] Perspektivwechsel und bestenfalls mehr Empathie für andere [ermöglichen]“.4 Dieses Ziel soll vor allem durch die aktive Partizipation der Spieler*innen und das Eintauchen in die Spielewelten erreicht werden. Im Vergleich zu unilateralen Medienformaten kann, so die Erfahrung der Entwickler*innen potenziell eine persönlichere und unmittelbarere Auseinandersetzung mit einem Thema stattfinden. „Wer zum Beispiel in die Rolle eines Flüchtlings schlüpft, der unter größten Strapazen Wüste und Mittelmeer durchquert auf dem Weg nach Europa, gewinnt ein neues Verständnis für die Beweggründe und Erfahrungen von Migranten“, so Causa Creations mit Blick auf ihr wichtigstes Spiel Path Out, ein kostenloses autobiographisch inspiriertes Adventure Game, das die Fluchtgeschichte des syrischen Künstlers Abdullah Karam erzählt.5

Dieser Ansatz zielt auf die Stimulierung affektiver und kognitiver Empathie ab, mit Hilfe derer sozial relevante Themen von einer kollektiven, unpersönlichen auf eine individuelle Ebene persönlicher Implikation überführt werden können. Unter affektiver Empathie versteht man „das Vermögen, die Emotionen einer anderen Person nachzufühlen […], die Gefühle einer Person in uns so weit zu reproduzieren, dass wir sie verstehen“.6 Hier sind auch eigene Erfahrungen bedeutsam, die im Moment der Anteilnahme erinnert werden.7 Die kognitive Empathie wiederum erlaubt es, die Sichtweise von Anderen einzunehmen und „so ihre Emotionen und Gedanken rational nachzuvollziehen. Damit können wir auch besser einschätzen, wie wir uns selbst in dieser Situation verhalten sollten, um unserem Gegenüber zu helfen“.8

Rafael Leonardo da Silva, Doktorand im Bereich „Learning, Design, and Technology“ an der University of Georgia, fokussiert eine solche gezielte Sensibilisierung durch affektive und kognitive Empathie in seinem Spiel On Fighting Shadows, das im Verlauf des Beitrags genauer analysiert wird. Im begleitenden Artikel „Designing a digital roleplaying game to foster awareness of hidden disabilities“ betont der Autor die Potenziale neuerer Videospielproduktionen. Sie seien aufgrund ihrer erweiterten und verfeinerten Fähigkeiten zum Storytelling in der Lage

to place players in the shoes of individuals that they would otherwise not know about or relate to (Gee, 2011; Schell, 2005), and make people feel what these characters feel. This is only one instance of a growing trend of video games that have emotional appeal as a top priority.9

Diese Überlegungen zeigen, dass das Medium Spiel mittels Strategien, die affektive und kognitive Empathie fördern, das Potenzial hat, zentrale Anliegen der (kulturwissenschaftlichen) Disability Studies zu unterstützen, die u.a.

den überdiagnostizierten Körper in seiner Materialität [fokussieren] und […] die diskriminatorischen Praktiken [analysieren], die zu seiner Pathologisierung führen. Die ‚Demystifikation‘ institutioneller Blicke, soziokultureller Skripte und architektonischer Ausgrenzungen geht dabei stets über eine allgemeine Kritik an den dichotomen Kategorien von krank/gesund, behindert/nichtbehindert. etc. hinaus, um den ‚able body‘ nicht (mehr) als ‚merely a false quantitative ideal‘, sondern ‚rather as an aesthetic product of cultural forces that oppress those categorized as disabled‘ (Snyder & Mitchell, 2001, S. 375; Hervorh. i. O.) zu thematisieren.10

Mit Hilfe ihrer Sensibilisierungsstrategien können Spiele auf individuelle Bedürfnisse und Bedarfslagen sowie unterschiedlichste Subjektpositionen aufmerksam machen, diskriminatorische Praktiken erfahrbar machen und alternative ‚soziokulturelle Skripte’ über Behinderung anbieten.

Allerdings scheint dieses Potenzial noch weitestgehend ungenutzt zu sein. In ihrem Artikel „Disability, Neurological Diversity, and Inclusive Play“ aus dem Jahr 2015 konstatiert Sarah Gibbons, dass „[r]esearch approaches to disability and games often consist of studies of the efficacy of using games to achieve therapeutic outcomes“.11 Eine gegenwärtige Recherche zum Komplex Spiele und Behinderung liefert weiterhin vor allem zahlreiche Einträge zu Lernspielen und therapeutisch ausgerichteter Gamification für Menschen mit verschiedensten körperlichen und motorischen, sensomotorischen sowie kognitiven Beeinträchtigungen. Diese zielen darauf ab, im Umfeld von Rehabilitation entsprechend vordefinierte Fähigkeiten auszubilden oder zu verbessern und so soziale Integration zu fördern. Ein anderer rezenterer Bezugspunkt in der Forschung stellt die Teilhabe von Menschen mit Behinderung an der Spieler*innen-Community dar. Durch angepasstes technisches Equipment – spezielle Joysticks, Sprachausgabefunktionen und andere Anpassungen in den Spieleinstellungen – sowie durch die Spielmaterialien – Spielkarten mit Braille-Aufdrucken oder adaptierte Form- und Farbgebung – soll Spielen als Aktivität inklusiver werden.12

Im Sinne des oben skizzierten Potenzials spürt der Beitrag analogen und digitalen Spielen nach, die sich als Social Awareness Games verstehen lassen und deren Ziel es ist, für Behinderungserfahrungen zu sensibilisieren.13 Die Spiele haben gemeinsam, dass sie auf ästhetische, narrative und/oder spielmechanische Verfahren setzen, die in unterschiedlichen Graden darauf abzielen, Spieler*innen emotional zu involvieren, um darüber ein Engagement und eine kritische Auseinandersetzung mit den präsentierten Themen zu erreichen.14 Sie wollen das soziale Bewusstsein für das Thema Behinderung und den Umgang mit Menschen mit Behinderung in der Gesellschaft schärfen und so auch Gegendiskurse zu weitverbreiteten stereotypen Vorstellungen und problematischen gesellschaftlichen und kulturellen Konstruktionen von Behinderung entwerfen.

Der Beitrag verfolgt dabei nicht das Ziel, empirisch die Wirkung der Spiele auf die Spieler*innen nachzuweisen, sondern das Wirkungspotenzial vor dem Hintergrund der genannten ästhetischen und narrativen Gestaltung der Spiele sowie ihrer Einbettung in größere diskursive Zusammenhänge zu analysieren. Dabei soll zunächst die Zielsetzung, die sich die ausgewählten Spiele selbst geben, dargestellt werden. Sie dient als Referenzpunkt für die Analyse, da in der Intention der Spielemacher*innen die angenommene soziale Relevanz des Themas liegt. Welche Aspekte des Themenfeldes ‚Behinderung‘ in den Spielen jeweils angesprochen werden, verweist darauf, was ihnen als „not very publicized“, sozial relevant, problematisch und veränderungswürdig erscheint.

Anschließend soll untersucht werden, wie die Sensibilisierungsstrategien diese Ziele potenziell erfüllen können und welche Schwierigkeiten sich gleichsam aus so einer Zielsetzung ergeben. Dabei rücken einerseits die Vorstellungswelten, Narrative, Symbole und (visuellen) Metaphern in den Blick, auf die die Spiele zurückgreifen, um ihr Thema zu präsentieren und ihre Botschaft zu vermitteln. Andererseits gilt es auch die Spielmechaniken und Regeln, z.B. Spielziele und Siegbedingungen, ins Verhältnis zur Darstellung und Thematik zu setzen.

Wissen und Empathie in analogen Spielen

Die in diesem Kapitel betrachteten Brett- und Kartenspiele weisen einen niedrigschwelligen Einstieg in die Spielumgebung auf und legen den Fokus auf das vermittelte Wissen und die Reflexion über Behinderung. Die genutzten Spieletypen – Quizze und Aufgabenspiele, Memory, Würfel- und Laufspiele (wie etwa das Gänse- oder Leiterspiel) sowie verschiedenste Kombination aus diesen Grundformen – sind vielen, auch unerfahrenen Spieler*innen geläufig und bieten sich für verschiedenste thematische Ausgestaltungen an. Für Salen und Zimmerman, „[m]eaningful play emerges from the interaction between players and the system of the game, as well as from the context in which the game is played“.15 Mehrheitlich als Mehrspieler- oder Gruppenspiele gedacht, verlagert sich die emotionale Involviertheit tendenziell auf die Interaktionsebene. Dies kann positiv verlaufen, indem bereits vorhandenes Wissen bestätigt und gewürdigt wird, oder positive Erfolge, wie des Erfüllen einer Aufgabe, geteilt werden. Bedingt durch die Gruppendynamik können auch negative Emotionen entstehen, wenn sich bspw. Scham über Unwissenheit oder Angst vor political incorrectness im Umgang mit Behinderungsthematiken manifestieren.

Alle hier analysierten Spiele weisen einen ähnlichen Produktionskontext auf: Sie wurden von Unternehmen, Vereinigungen und Initiativen entwickelt, die sich für Inklusion einsetzen, wie z.B. Aktion Mensch. So ist das InkluMemo (2019) entstanden, um „auf unterhaltsame Weise […] in die Themen Vielfalt und Inklusion einzutauchen und ein Gespür für die verschiedenen Aspekte davon zu bekommen“.16 Dazu nutzt das Spiel Bildausschnitte mit Lebens- und Alltagssituationen, die im Pairs-Prinzip aufgedeckt werden müssen. Die Paare sind dabei nicht identisch, sondern komplementär. Durch das Zusammenbringen der Bilder eröffnen sich neue Perspektiven auf Gesehenes und Gewusstes, wodurch soziale und kulturelle Ordnungsmuster hinterfragt werden können.

Während das erste Bildpaar dazu anregt, die Freundschaft zwischen zwei gleichaltrigen Teenagerinnen unabhängig von Behinderung zu verstehen, stellt das zweite ableistische Vorstellungen zum Beruf des*der Fotograf*in in Frage. Im ersten Bildpaar lässt sich außerdem die spaßig übertriebene, extrovertierte Mimik des linken Mädchens und der zurückhaltende Ausdruck des rechten Mädchens sowie ihr jeweils gleicher Ausdruck im dazugehörigen Pair als Gegendiskurs zu stereotypen Verhaltenszuschreibungen von Menschen mit Down-Syndrom lesen. In beiden Bilderpaaren werden die Beeinträchtigungen visuell nicht in den Fokus gerückt bzw. so, dass sie als neutral bis positiv erscheinen.

Diversidées, ein französisches Unternehmen, das seit 2010 „private und öffentliche Arbeitgeber bei der Festlegung und Umsetzung ihrer Inklusionspolitik begleitet“,17 entwickelt vornehmlich Kartenspiele, die sich mit den verschiedenen Themen rund um Behinderung auseinandersetzen und auf die Aufklärung und Sensibilisierung nicht-behinderter Menschen abzielt. Im Spiel Pas Tabou Handicap, das im Modus des bekannten Klassikers von Parker bewusste und politisch korrekte Sprache über Behinderung fördern will, wird das Thema ‚Sprache und Behinderung‘ fokussiert. Soyons fous (‚Lasst uns verrückt sein‘) will für Verständnis und Empathie für Menschen mit psychischer Beeinträchtigung werben und Handi’minute vermittelt allgemeineres Wissen über soziale Faktoren, die Alltags- und Arbeitswelt oder auch kulturelle Teilhabe. Inklusion in die Arbeitswelt fördern ist auch programmatisch für die Agefiph18, die zu diesem Zweck ein (digitales) Brettspiel, Handipoursuite, entwickelt hat, das das Genre der Laufspiele in Kombination mit dem Fragen-Antwort-Prinzip nutzt, um für den Themenkomplex „Behinderung im Arbeitskontext“ zu sensibilisieren.19

Die Spiele arbeiten mit einer Kombination aus Fragen und Aufgaben, die dazu dient Faktenwissen aber auch emotionales und praktisches Wissen zu generieren. Ästhetisch sind sie textzentriert und die verwendeten Graphiken in Form von Symbolen und Piktogrammen illustrieren nicht das Thema, sondern die Spielmechanik und die Regeln. Die Spiele bleiben damit visuell abstrakt und nutzen keine Emotionalisierungsstrategien durch Bilder – auch nicht über Cover oder andere Paratexte.

Nichtsdestotrotz beinhalten auch sie Strategien, die emotionale Involviertheit bedingen, wenn die Spielenden bspw. mit eigenen Vorstellungen, Erfahrungen und Erwartungen konfrontiert werden. In den Aufgaben in Handi’minute müssen die Spieler*innen u.a. zehnmal hintereinander laut „Piano Panier“ sagen, was, wie die dazugehörige Karte erläutert, einen Eindruck von Sprachverarbeitungsstörungen bei Dysphasie vermitteln soll. Eine andere Aufgabe verlangt, dass sich der*die ausführende Spieler*in mit einer Hand die Schuhe bindet. Hier soll nicht etwa auf fehlende Gliedmaßen aufmerksam gemacht werden, sondern auf tendenziell weniger sichtbare Behinderungen wie Dyspraxie. Auch im Spiel mit dem provokanten Titel Soyons fous (‚Lasst uns verrückt sein‘)20, der dazu einlädt, sich als Teil einer Gemeinschaft zu sehen, sind neben konventionellen Wissensfragen auch Fragen der Kategorie ‚Surprise‘ zu beantworten bzw. zu diskutieren. Diese ‚Überraschungen‘ zielen darauf ab, Spieler*innen mit ihren eigenen Meinungen und Haltungen zu konfrontieren. Eine Karte verlangt bspw., dass der*die betreffende Spieler*in ausführt, wie man sich seiner*ihrer Meinung nach, gegenüber einem*einer Angestellten mit psychischem Handicap verhalten soll. Die Karte bietet auf dem Kopf stehend mögliche Lösungen an, die u.a. auf die Bedeutung eines Klimas des Vertrauens, der Wertschätzung und der Akzeptanz im Unternehmen hinweisen. Menschen mit ihren eigenen Vorstellungen und ggf. Vorurteilen zu konfrontieren, ist eine wirksame Methode, um zur Reflexion anzuregen, die auch zu Verhaltensänderungen führen kann. Sie birgt aber auch das Risiko in Gruppenspielen, sozial bloßgestellt zu werden und kann vorhandene Ängste und Unsicherheiten im Umgang mit der Thematik verstärken. Um dem vorzubeugen, kann eine begleitende Moderation hilfreich sein. Auf der Webseite wirbt Diversidées für sein zusätzliches Angebot: die Spielrunden in Unternehmen können von Pädagogen animiert und moderiert werden.

Ein weiteres Beispiel für eine Empathie fördernde Strategie durch aktives Handeln sind die Aufgaben in Soyons Fou. Sie zielen darauf ab, Emotionen durch Pantomime darzustellen. Hierbei werden keine vermeintlichen stereotypen Emotionen von Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen imitiert, sondern Emotionen dargestellt, die im Umgang miteinander entstehen können. Damit rückt einerseits die Reflexion über die eigenen Reaktionen gegenüber Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen in den Fokus, wodurch die Reproduktion eines stereotypischen Verhaltens- und Emotionsreservoirs verhindert wird. Andererseits wird die Differenz zwischen vermeintlicher behinderter und nicht-behinderter Subjektivität getilgt, da die hier thematisierten Emotionen wie Schüchternheit, Schuldgefühl oder Freude von allen Menschen erlebt werden. In den Hinweisen auf der Karte kehrt jedoch ein differenzlogisches Element zurück, das dazu dienen soll, ein Bewusstsein für unterschiedlich erlebte soziale Realitäten, Bedürfnisse und Bedarfslagen zu schaffen. So wird u.a. darauf verwiesen, dass Überraschungen und unerwartete Situationen bei Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen durchschnittlich häufiger Stress auslösen.

Im Laufspiel Handipoursuite der Agefiph liegt, befördert durch seine abstrakte Gestaltung, das Hauptaugenmerk ebenfalls auf der faktenorientierten Wissensvermittlung. Darüber hinaus werden auch hier die Spieler*innen u.a. durch provokant formulierte Fragen mit Mythen und stereotypen Vorstellungen über Behinderung konfrontiert. Für die Frage, welchen Beruf Menschen mit bipolarer Störung ausüben können, sind die angebotenen Antworten „keinen“, „nur bestimmte Berufe“ oder „alle Berufe“. Die richtige Antwort „alle Berufe“ kommt mit einer Zusatzinformation, die erläutert, dass der Arbeitsplatz bestimmte Voraussetzungen erfüllen muss, wodurch indirekt auf soziale Barrieren und Bedürfnisse hingewiesen wird. Durch diese Art der Fragen werden die Spieler*innen stärker emotional eingebunden, da sie sich mit ihren eigenen Sichtweisen auseinandersetzen müssen.

Zentral für die Spiele in diesem Kapitel ist die Annahme, dass Wissen über ein Thema eine grundlegende Bedingung für empathisches Verhalten und damit für soziales Bewusstsein ist, während Unwissenheit der Entstehung von Stereotypen und Mythen zuträglich ist, die wiederum problematische Verhaltensweisen gegenüber Menschen mit Behinderung nach sich ziehen. Nichtsdestotrotz ist an solchen vornehmlich wissensbezogenen Zielsetzungen problematisch, dass die Grenze von Identität und Alterität nur in ganz wenigen Momenten in Frage gestellt wird, nämlich in solchen, in denen es darum geht, sich aktiv in eine bestimmte Lage zu versetzen und zu ‚erfahren‘, anstatt nur etwas über die Anderen zu wissen.

Für Rafael Leonardo da Silva ist entscheidend, dass die Spielenden die Sichtweise von Personen einnehmen, zu denen sie außerhalb der Fiktion des Spiels kaum oder keinen Bezug haben. Dies kann auch in analogen Spielen (nur) über Avatare gelingen. Im CapAble Disability Awareness Game (Urithi studio, 2021), entwickelt von CapAble einer Plattform für Online-Ressourcen, die das Ziel verfolgt, „to put inclusion into action.“21), stehen 10 Avatare in einer komplexeren Variante des Laufspiels zur Verfügung. Angelehnt an den Klassiker des Genres, das Spiel des Lebens (Hasbro 1980), müssen die Spieler*innen ihren Avatar durch die „stages of university, from admission to graduation“ führen, um am Ziel, dem Arbeitsmarkt, anzukommen. Die besondere Schwierigkeit, so suggeriert es der einleitende Text, besteht darin, dass der eigene Avatar eine Behinderung hat.22

Bereits im Vergleich der Spielpläne wird die Einbettung in ein spezifisches Setting sichtbar. Entgegen der übrigen in diesem Kapitel besprochenen Spiele, nutzt CapAble das kulturell geteilte Repertoire an konventionellen visuellen Repräsentationsformen von Behinderung in Form von Piktogrammen oder Darstellungen von Figuren mit Assistenztechnologien (Rollstuhl, Langstock, Hörgerät usw.).

Die Auswahl des Avatars zum Spielbeginn erfolgt zufällig, die Karte wird verdeckt aus einem Stapel gezogen, wie z.B. Miriam, die eine Sehbehinderung hat. Durch einen Würfelwurf (ebenfalls ein Zufallsmechanismus!) wird die Art und Dimension der Beeinträchtigung spezifiziert. Dieses spielmechanische Element deutet an, wie willkürlich und zufällig Behinderung ist und dass sie jeden jederzeit treffen kann. Außerdem wird dadurch auf die Heterogenität und Individualität von Behinderungserfahrungen und Identitäten aufmerksam gemacht, die je eigene Herausforderungen im ‚Spiel des Lebens‘ mit sich bringen. Weitere Informationen, wie den Namen, ein Bild und das Herkunftsland tragen zur Individualisierung des Avatars bei; bei einigen resultiert die Beeinträchtigung aus ihrer Situation als Geflüchtete bzw. der Fluchtgeschichte. (Auch wenn die Konfiguration der Avatare verschiedene Nationalitäten und ethnische Zugehörigkeiten beinhaltet, spielt Intersektionalität im weiteren Verlauf keine Rolle). Ähnlich wie in der Kritik zu On Fighting Shadows wäre es hier für die Identifikation mit dem Avatar hilfreich, mehr Hintergrundwissen zur sozialen und emotionalen Situation der Figur zu haben. In einer Rollenspiel-affinen Gruppe lässt sich dies jedoch leicht über die eigene Imagination und Verkörperung der Rolle kompensieren, denn u.a. die Event cards initiieren unterschiedliche Reflexionen. Ein Ereignis wird beschrieben, z.B. dass ein Rollstuhlbasketball-Team gegründet wurde, und im Anschluss nach der Einschätzung der Figur gefragt: „How do you feel about this?“ oder „How does this affect you and what can be done to solve this challenge?“. In gewisser Weise ergibt sich die Persönlichkeit des Avatars zudem aus dem Spiel selbst, indem durch die Opportunity/disaster cards und die Event cards verschiedene Aspekte des Uni- und Alltagslebens der Studierenden auf die Avatare projiziert werden: vom autonomen Wohnen, über emotionale Hochs- und Tiefs, z. B. in Partnerschaften und freundschaftlichen Beziehungen bis zu universitätsspezifischen Aspekten zum Lernen oder Serviceangeboten. Hierbei wird nicht nur auf die physischen und sozialen Barrieren hingewiesen – wenngleich auch die fast schon klassischen Beispiele, wie das neue Kopfsteinpflaster im Hof der Universität, nicht ausgespart werden. Durch die Rahmung und den Fokus auf die Möglichkeiten und unterschiedlichen Unterstützungsstrukturen wird ebenfalls auf eine Normalisierung von Studierenden mit Behinderung hingearbeitet. Hierzu trägt auch die Metaphorik des Laufspiels bei. Die Idee des Zurücklegens eines Wegs und der Überwindung von Hürden ist in den Beispielen wider Erwarten keine rein individuelle, sondern eine gemeinschaftliche, also gesellschaftliche, Aufgabe. Jede*r Spieler*in hat dafür zwar unterschiedliche Strategien, was die Vielfalt der Erfahrungen und Herausforderungen widerspiegelt, die Menschen mit oder ohne Behinderung machen. Am Ende liegt der Fokus jedoch auf der gegenseitigen Unterstützung und den inklusiven sozialen Strukturen.

Ein distanzierter Blick auf die Spielmechaniken der besprochenen Spiele deutet einerseits auf das Problem der Simplifizierung von komplexen Erfahrungen von Behinderung im Zuge limitierter spielerischer Möglichkeiten hin. Selektive Wissensvermittlung kann immer auch fragwürdige, weil per se unvollständige, Diskurse über Behinderung hervorbringen. Insbesondere dann, wenn Alteritätsdiskurse nicht aufgelöst, sondern durch die Normalisierung von Stereotypen perpetuiert werden. Zudem drängt sich die Frage auf, ob es nicht paradox ist, dass Spiele, die über problematische Annahmen von Ableismus und Chancenungleichheit aufmerksam machen wollen, ebengerade eine leistungsorientierte Spielmechanik (Quiz, Laufspiel, Puzzles) mit den dazugehörigen Spielzielen – ‚klüger, schneller, besser zu sein‘ – zugrunde legen. In den Spielen, die in erster Linie Wissen über Behinderung vermitteln wollen, liegt die Gefahr darin, dass sich nicht-behinderte Spieler*innen durch erfolgreiches Spielen im Nachgang als Expert*innen verstehen und im schlimmsten Fall hierarchische Diskurse reproduzieren, die Menschen mit Behinderung infantilisieren und paternalistischem Verhalten Vorschub leisten.

Bewegende Reisen in Story, Adventure und Role-Playing Games

Wenn es um Fragen der Sensibilisierung geht, greifen auch digitale Spiele auf unterschiedliche Genres und Spieletypen zurück. Zum einen gibt es Simulator-Spiele, die Situationen und Erfahrungen von Betroffenen in den Vordergrund rücken, indem sie die Spieler*innen diese nachspielen lassen.23 Die Grundidee findet auch in analogen Spielkontexten Anwendung, wenn es bspw. darum geht ‚auszuprobieren‘ wie es ist, blind zu sein oder einen Rollstuhl zu nutzen. Auch Aufgaben wie im oben besprochenen Spiel Soyons Fou fokussieren ein solches ‚Erleben‘. Diese Aktivitäten können durch physisches Erleben Verständnis für die Bedürfnisse anderer erzeugen. Sie blenden jedoch meist diejenigen Aspekte von Behinderung aus, die nicht unmittelbar zugänglich oder erfahrbar sind. Häufig reduziert sich eine realistische Annäherung durch Virtual Reality oder Simulatoren auf First-Person-Perspektiven, die durch die Spielwelt führen und dabei auf auditive und visuelle Effekte wie das Schwarzschalten des Bildschirms, die Beschränkung des Blickfeldes oder den Einsatz von Hand- oder Wackelkamera setzen, um Wahrnehmungsprozesse zu beeinflussen. So z. B. beim Inklumat oder dem VR-Mini-Spiel Imercyve: Living with Intellectual Disability.24 Solche (Darstellungen von) Erfahrungen können Stigmata verfestigen, indem die nachgespielte Behinderungserfahrung ausschließlich als unerwünschte negative Erfahrung erlebt wird.25

Ein anderes Wirkungspotenzial haben hingegen Story-, Adventure- und Role-Playing Games, die durch die Eröffnung fiktionaler Korridore und den Fokus auf affektives Storytelling Behinderungserfahrungen auf vielfältige Weise adressieren können.

Das in der Einleitung erwähnte Spiel On Fighting Shadows will auf unsichtbare Behinderungen, hier den Hydrozephalus26 und seine Folgen, aufmerksam machen. On Fighting Shadows kann von der Webseite itch.io heruntergeladen und mit wenigen Handgriffen installiert werden. Die kurze Gesamtspielzeit verhindert eine mögliche Überforderung der Spielenden durch zu viel Input oder Langeweile.

Das Spiel setzt nicht auf einen belehrenden oder moralisierenden Diskurs, sondern auf die emotionale Involviertheit der Spielenden, die wiederum die Basis für individuelle und persönliche Reflexionen darstellen kann: „On Fighting Shadows wants to make you smile, feel sadness, and become aware of the invisible battles that thousands of people face on a daily basis“, schreibt der Autor in seiner Kurzbeschreibung des Spiels.27 Gestützt sowohl durch entsprechende Theorie zum Storytelling in RPGs als auch durch das Feedback seiner Testspieler*innen kann der Spieleautor eine Sensibilisierungsstrategie entwickeln, in deren Zentrum der Avatar, Marvin, steht. Eine Kombination aus Wissensvermittlung über den Hydrozephalus und dem Erleben der Figur fördert das rationale Nachvollziehen und das emotionale Nachempfinden. Hierfür war, den Testspieler*innen zufolge, besonders wichtig, dass Informationen in der Spielumgebung verfügbar sind, die über den Avatar und seinen emotionalen sowie sozialen Hintergrund Auskunft geben. Darunter fällt bspw. auch die Darstellung von systemischen und strukturellen Aspekten (z.B. finanzielle Hürden) oder die stärkere Integration von Symptomen in das gameplay (z.B. verschwimmt Marvins Sicht an einer Stelle im Spiel und so auch der Bildschirm), „in order to promote reflection regarding the daily struggles associated with hydrocephalus“.28 Zudem trägt die audio-visuelle Gestaltung – darunter die Musik und Soundeffekte, die an die Emotionen der Figur angepasst sind, oder auch der „light-hearted writing style“, mit dem das Spiel seine Inhalte sprachlich vermittelt – zur Affizierung der Spielenden und zu einer emotionalen Verbindung mit Marvin und den Spielinhalten bei.29

Auch die Autor*innen und Entwickler*innen der im Folgenden besprochenen Spiele betonen die rollen- und storybasierte Komponente in ihren Zielsetzungen sowie die damit einhergehende Identifikation mit den Spielcharakteren. So verstehen sich die appbasierten Spiele The Unstoppables, die im Rahmen der pädagogischen Initiative „Prinzip Vielfalt“ der Pädagogischen Hochschule Bern kreiert wurden, „als Türöffner zum Thema Vielfalt“, die es

Kindern und Jugendlichen [ermöglichen], in verschiedene Rollen zu schlüpfen und auf spielerische Weise zu erfahren, welchen Hindernissen Menschen mit Behinderungen im Alltag begegnen. Es sensibilisiert Kinder und Jugendliche für das Thema Gleichsein und Anderssein und thematisiert Stärken und Schwächen unterschiedlicher Menschen.30

Tatsächlich steht in den Unstoppables das Lösen von Rätseln mit Hilfe einer Gruppe ganz unterschiedlicher Charaktere im Zentrum. Diese haben sowohl sichtbare Behinderungen als auch unsichtbare oder keine. Die Botschaft ist klar: Nur gemeinsam sind sie stark. Was in einer disability-kritischen Betrachtung zunächst auffällt, sind die Superhelden-Kostüme, mit denen sich die Figuren auf die Suche nach dem entführten Blindenhund Tofu machen. Sie erscheinen auf den ersten Blick als Zitat des problematischen supercrip-Narrativs.31 Im Intro verwandeln sich die scheinbar ‚normalen‘ Charaktere durch das Anlegen der Anzüge in Superhelden. Schnell wird jedoch deutlich, dass hier kein konventionelles Narrativ reproduziert wird, sondern dass es, im Gegenteil, umgedeutet wird. Jede*r der Freund*innen hat eine Fähigkeit, die jedoch nicht außergewöhnlich im Sinne von unrealistisch oder übermenschlich ist, sondern aus der spezifischen Realität des*der Einzelnen resultiert: Achim nutzt seinen Rollstuhl, um andere zu transportieren, Melissas Blindenstock dient als Armverlängerung, Mai ist sehr klein, passt überall durch und kann zudem hoch springen. Die jeweilige Fähigkeit führt nur in der Kombination mit den anderen zum Ziel. So wird den Spieler*innen vermittelt, dass auch ihre jeweils eigenen individuellen Eigenschaften und Fähigkeiten in der Gemeinschaft dazu beitragen würden, Tofu zu retten.

Um Behinderungserfahrungen emotiv darzustellen, nutzen einige Spiele, ähnlich den analogen Laufspielen, Narrative des (Lebens-)Wegs und der Reise. Max, an autistic journey, das im familiären Umfeld einer autistischen Person entstanden ist – „developed by a devoted dad who made a game with his son about his son’s autism“32 – trägt die Reise bereits im Titel. Journey metaphorisiert auch die Zielsetzung: Vater und Sohn, die gemeinsam am Spiel gearbeitet haben, wollen die Spieler*innen auf eine Erkundung einer möglichen sozialen und emotionalen Realität von Autismus mitnehmen. Auch hier findet sich eine autobiographische Komponente, die sich als Autofiktion ins Spiel übersetzt und Authentizität sowie Glaubwürdigkeit der geschilderten Erfahrungen verbürgt. Max, an autistic journey versucht, ähnlich wie On fighting shadows mit Hilfe der Identifikation mit dem Avatar, Max, kognitive Empathie durch Erklärungen zu erzeugen (z. B. zu häufigen Symptomen oder Verhaltensweisen von Menschen im autistischen Spektrum), ohne dabei zu Verallgemeinern: „While we understand there is a wide spectrum of autism, this game focuses on Max, where he falls in that spectrum and how he experiences and deals with daily life. It is not intended to speak for all people diagnosed with an ASD“.33 Das emotionale Nachempfinden spezifischer Situationen im Leben von Max soll durch visuelle Metaphern ermöglicht werden. Empfindungen, wie Max steigendes Stresslevel bei Lärm und sein Unbehagen in sozialen Interaktionen, wird so bspw. mit Hilfe der Darstellung seiner Klassenkameraden als Monster semiotisiert. Das Cover zum Spiel beinhaltet ein intertextuelles Zitat von E.T. – der Außerirdische (Spielberg 1982), was einerseits auf die Grundthemen von Adoleszenz und Alterität verweist, anderseits dazu einlädt, der Hauptfigur des Spiels ebenso zu begegnen wie es Elliot in besagtem Film macht. Diese Analogie ist in ihrer Romantisierung von Andersheit nicht unproblematisch, schafft zwar Nähe zum Protagonisten, gleichzeitig besteht die Gefahr, dass sie völlig aus der ‚Normalität‘ entrückt und damit „alienisiert“ wird.

Das Narrativ der Reise findet sich auch in Before I forget34 und Inner Ashes35, beides Spiele, die sich mit den physischen und sozialen Folgen von Demenz beschäftigen. Inner Ashes inszeniert dabei mit Hilfe einer teils impressionistisch, teils surrealistisch anmutenden visuellen Strategie eine ‚Reise durch den Geist‘. In der Rolle des an Alzheimer erkrankten Henry, dem Vater von Enid, begeben sich die Spieler*innen auf die Suche nach Erklärungen für die sich verändernde Vater-Tochter-Beziehung. Das emotionale Storytelling entsteht dabei durch die Darstellung in der ersten Person, die die Wahrnehmung und Gefühle von Henry ins Zentrum stellt. Diese werden im Spiel audio-visuell inszeniert. In Before I forget wiederum nehmen die Spieler*innen die Rolle der an Demenz erkrankten Sunita ein, die sich in ihrer Wohnung auf die Suche nach ihrer Erinnerung und damit Identität macht. Der Avatar wird aus der First-Person-Perspektive gelenkt. Dabei steht die visuelle Wahrnehmung im Zentrum, so dass die Erinnerung und ihr Verlust sowie Momente der Verwirrung visuell, z.B. durch Verwischen des Bildschirms inszeniert werden. Damit strebt das Spiel eine emotionale Bindung und das individuelle Erleben der Spieler*innen an. Das gesamte Design ist, entgegen der eher düsteren Thematik, hell und freundlich gehalten, so dass die visuelle Schönheit – ähnlich wie in Inner Ashes – die Tragik auf ein Minimum reduziert und so gängigen stereotypen Reaktionen wie Mitleid entgegenwirkt. In seiner Rezension fasst Simon Parkin die Wirkung von Before I forget wie folgt zusammen: „The result is a memorable, affecting journey that is as much a celebration of the tenacity of the human spirit as it is an exercise in profound compassion“.36 Compassion“ ist hier im Gegensatz zu „pity“ als Mitgefühl und nicht Mitleid zu verstehen. Für Hannah Thompson ist „[t]he emotion of pity […] central to the ‚medical‘, ‚personal tragedy‘, ‚pathology‘ and ‚deficit‘ models of disability […]“.37 Denn Mitleid hierarchisiert Beziehungen und verhindert, dass Menschen mit Behinderung als vollwertige Mitglieder in der Gesellschaft akzeptiert werden. Was die Spiele erzählen sind jedoch Subjektpositionen, deren Erfahrungen nicht außerhalb menschlicher Erfahrung, sondern in deren Zentrum stehen. Nichtsdestotrotz bergen auch diese Ansätze ein Risiko: Durch die traumhaften und surrealen Sequenzen und das Überführen von realer Behinderungserfahrung in fantastische Narrative, wird der subjektive Erlebnisraum als Ort des Anderen konstruiert und in seiner Alterität festgeschrieben, so dass ein Infragestellen der Grenzen von Behinderung und Normalität nicht stattfindet.

Gereist wird auch im 2D-Jump’n’Run-Spiel Celeste38, in dem sich die Protagonistin den Weg zum Gipfel eines Berges macht. Die Spielenden bestreiten einerseits eine physische Reise mit der Figur Madeline, auch Maddy genannt. Andererseits gibt die übergreifende Erzählung und Charakterisierung der Figur sowie narrative Elemente im Spiel (z. B. Maddys Aussagen wie „I can’t breathe“) die Bergbesteigung als Versuch der Konfrontation mit der Angststörung der Figur zu erkennen. Dieses metaphorische Bezwingen, Überwinden und oben An- bzw. Rauskommen, bringt im Spielverlauf seine ganze Ambivalenz zum Vorschein und wird damit auch zu einer philosophischen Reflexion über Selbst-Akzeptanz, Diversitätstoleranz und das kritische Hinterfragen von vorgegebenen Zielen im Sinne von Ableismus.

In gewisser Weise spiegelt sich die Erfahrung von Maddy in der außerfiktionalen Spielerfahrung wider: „[…] Celeste is a hardcore platformer where you’re meant to die, learn from mistakes, and eventually succeed“.39 Wenngleich die Tastenkombinationen simpel gehalten sind, sind die Level herausfordernd und insbesondere für Anfänger*innen oder in diesem Genre ungeübte Spieler*innen schlichtweg überfordernd. Patrick Klepert zitiert in seiner Rezension des Spiels in Vice die Beweggründe von Designer*in Matt Thorson:

Celeste was designed to be a challenging, but accessible game. We believe that its difficulty is essential to the experience. […]. We also accept that every player is different, and that people come into the game at many different skill levels. So systems like the strawberries, b-sides, and assist mode are all there to help players find the challenge level that’s right for them. We want people to come out of this game feeling capable and powerful, so that means we have to teach them, challenge them, and support them through the failures along the way.40

Gleich zu Beginn des Spiels werden die Spielenden mit der inneren Stimme von Maddy konfrontiert, die sich über die Worte „Du schaffst das!“ selbst Mut zuspricht und ihre Reise beginnt. Die Verbindung zum Avatar ist unmittelbar. Denn auch die Spielenden müssen sich im Verlauf immer wieder, nach jedem Sturz ins Bodenlose, Mut zusprechen. In der Interaktion mit non-playable characters entwickelt sich das übergreifende Narrativ, indem immer wieder der Kampf mit den eigenen inneren Haltungen angedeutet wird, gegen die sich Maddy zu wehren versucht. Die Begleitmusik unterstützt dabei das Gefühl der Anspannung und des Zweifels, verändert sich im Verlauf des Spiels aber in Art und Rhythmus so, dass sie diese Konnotation mit zunehmender Nähe zum Gipfel verliert. Im Gegensatz zu anderen hier diskutierten Spielen, in denen auch Vermittlung von Faktenwissen relevant ist, sind die Sensibilisierungsstrategien in Celeste deutlich impliziter angelegt. Den Spielenden wird es durch die Gestaltung freier gestellt, sich der bloßen Plattform-Mechanik hinzugeben oder sich durch die narrativen Elemente leiten zu lassen. Beides kann jedoch auf seine Weise, Empathie für unterschiedliche Lebenssituationen und Realitäten erzeugen.

In den Role-Playing Games wird u.a. das Motiv der Reise und des Wegs dazu genutzt, Behinderungserfahrungen als Lebenserfahrungen greifbar zu machen. Dabei soll einerseits Verständnis für normabweichendes Verhalten erzeugt werden, indem die Spielenden Situationen nachspielen, die ein solches hervorbringen. Andererseits reduziert die Ästhetik der Darstellung – hell, bunt, dynamisch – den tragischen Unterton, der vielen Thematisierungen von Behinderung zugrunde liegt; Alteritätskonstruktionen bleiben jedoch auch hier tendenziell problematisch.

Fazit: Soziales Bewusstsein durch Wissen und emotionale Ansprache

Die Analyse von Social Awareness Games, die sich der Förderung der kollektiven Anerkennung verschiedener Behinderungserfahrungen verschrieben haben, hat gezeigt, dass unterschiedliche Sensibilisierungsstrategien dazu genutzt werden können, um Spieler*innen zum Thema Behinderung zu informieren und mobilisieren und somit zu einem sozialen Bewusstsein beizutragen. Ein zentraler Aspekt ist hierbei, was da Silva, unter „emotional appeal“ fasst: die emotionale Ansprache der Spieler*innen, die Empathie erzeugen kann. Während in den analogen Spielen die Darstellung von Behinderung aufgrund der Gestaltung des Spielmaterials und der Spielmechanik abstrakter bleibt und so gezielt Faktenwissen über Behinderungsaspekte sowie die Reflexion der Spieler*innen im Vordergrund stehen, zielen Story, Adventure und Role-Playing Games durch eine immersivere Ästhetik stärker auf die emotionale Involviertheit der Spielenden ab. Neben dem hohen Wirkungspotenzial von Spielen, die Wissen über ein Thema mit einer emotiven ästhetischen Gestaltung kombinieren, lassen sich auch Risiken ausmachen, insbesondere was die Konstruktion und Festschreibung von Alterität betrifft.

 

Medienverzeichnis

Spiele

3-Fold Games: Before I forget (PC/Steam). GB: 3-Fold Games 2020.

Agefiph: Handipoursuite (Browser des Spiels). Frankreich: 2019. <https://www.handipoursuite.fr/app/#/lebonprofil> [20.01.2025].

Aktion Mensch: InkluMemo (Print & Play). Deutschland: 2024. <https://www.aktion-mensch.de/inklusion/bildung/impulse/inklusion-material/inklumemo> [20.01.2025].

Calathea Game Studio: Inner Ashes (PC/Steam). Spanien: Selecta Play 2023.

Abdullah Karam; Causa Creations; Wobblersound: Path Out. Österreich: Causa Creations 2017. <https://causacreations.itch.io/path-out> [20.01.2025].

Da Silva: On Fighting Shadows. USA: 2020. <https://rleon.itch.io/onfightingshadows> [20.01.2025].

Dfa: Ciudades accesibles (Brettspiel). Spanien: 2022.

Dfa: Desmontando mitos (Brettspiel). Spanien: 2024.

Diversidées: Handi’minute (Kartenspiel). Frankreich: 2022.

Diversidées: Pas Tabou Handicap (Kartenspiel). Frankreich: 2022.

Diversidées: Soyons Fou (Kartenspiel). Frankreich: 2023.

Hasbro: Spiel des Lebens (Brettspiel). 1980.

Maddy Makes Games Inc.: Celeste (Steam). Kanada: Extremely OK Games, Ltd. 2018.

Professional Imagination: Max, an Autistic Journey (Steam). GPAC 2016.

Stiftung Cerebral; PHBern; LerNetz AG: The Unstoppables 1 (Smartphone, Android). CHE: 2015.

Urithi studio: Disability Awareness Game (Print & Play). UGA: CapAble 2021. <https://cap-able.com/disability-awareness-game/> [20.01.2025].

Texte

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Andrés, Javier: Los videojuegos: el nuevo espacio cultural inclusivo para personas con discapacidad visual. In: RED Visual: Revista Especializada en Discapacidad Visual. H. 81 (2023), S. 79-96. <https://doi.org/10.53094/NGMN2166> [21.01.2025].

Captainsteff: Max, an Autistic Journey – Now Available on Steam!. In: RPG Maker. Forums. 15.07.2016, <https://forums.rpgmakerweb.com/index.php?threads/max-an-autistic-journey-now-available-on-steam.65356/> [20.01.2025].

Da Silva, Rafael Leonardo: Designing a Digital Roleplaying Game to Foster Awareness of Hidden Disabilities. In: International Journal of Designs for Learning Jg. 11, H. 2 (2020), S. 55-63. <https://doi.org/10.14434/ijdl.v11i2.27257> [21.01.2025].

Ellcessor, Elizabeth: Restricted Access: Media, Disability, and the Politics of Participation. Postmillennial Pop. New York: NYU Press 2016. <https://academic.oup.com/nyu-press-scholarship-online/book/15521> [20.01.2025].

Ellis, Katie; Kao, Kai-Ti: Who Gets to Play? Disability, Open Literacy, Gaming. In: Cultural Science Journal. Jg. 11, H. 1 (2019), S. 111-25. <https://doi.org/10.5334/csci.128> [20.01.2025].

Gibbons, Sarah: Disability, Neurological Diversity, and Inclusive Play: An Examination of the Social and Political Aspects of the Relationship between Disability and Games. In: Loading. The Journal of the Canadian Game Studies Association. Jg. 9, H. 14 (2015), S. 25-39. <http://loading.gamestudies.ca> [21.01.2025].

Göbel, Stefan: Serious Games. In: Handbuch Gameskultur. Berlin: Deutscher Kulturrat 2020, S. 104–9.

Hall, Alice: Literature and disability. Literature and contemporary thought. Abingdon, Oxon; New York, NY: Routledge 2016.

Klepek, Patrick: Why The Very Hard ‚Celeste‘ Is Perfectly Fine With You Breaking Its Rules. In: VICE (7. 02.2018), <https://www.vice.com/en/article/celeste-difficulty-assist-mode/> [21.01.2025].

Kreativ, M. F. G.: Wie Games soziales Bewusstsein schaffen können. In: MFG Kreativ (29.01.2020). <https://kreativ.mfg.de/news/details/1762-wie-games-soziales-bewusstsein-schaffen-koennen/> [21.01.2025].

Ochsner, Beate; Spöhrer, Markus: Dis-/Ability, Accessibility and Video Games: Chapters in the Context of a Research Overview. In: Dies. (Hg.): Disability and Video Games. Palgrave Games in Context. Cham: Springer International Publishing 2024, S. 1-23. <https://doi.org/10.1007/978-3-031-34374-2_1> [21.01.2025].

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Parkin, Simon: Before I Forget Review: Compassionate Game about Living with Dementia. In: The Guardian (18.07.2020). <https://www.theguardian.com/games/2020/jul/18/before-i-forget-review-compassionate-game-about-living-with-dementia> [21.01.2025].

Pereira, Goncalo; Prada, Rui; Paiva, Ana: Disaster Prevention Social Awareness: The Stop Disasters! Case Study. In: 6th International Conference on Games and Virtual Worlds for Serious Applications (VS-GAMES), Valletta, Malta: IEEE, 2014. <https://doi.org/10.1109/VS-Games.2014.7012155> [21.01.2025].

PH Bern: Die Lernspiele. In: Prinzip Vielfalt. <https://prinzip-vielfalt.ch/unstoppables> [21.01.2025].

Luerweg, Frank: Empathie Definition: Empathie einfach erklärt. In: Psychologie Heute (10.08.2022). <https://www.psychologie-heute.de/leben/artikel-detailansicht/42084-empathie.html> [21.01.2025].

Salen, Katie; Zimmerman, Eric. Rules of play: Game design fundamentals. Cambridge, Mass.: The MIT Press, 2003. <https://mitpress.mit.edu/9780262240451/rules-of-play/> [21.01.2025].

Thompson, Hannah: Reviewing Blindness in French Fiction, 1789-2013. Literary Disability Studies. London: Palgrave Macmillan 2017. <https://link.springer.com/book/10.1057/978-1-137-43511-8> [21.01.2025].

Bilder 

Artikelbild: On fighting Shadows (Eigener Screenshot) 

Abb.1.1-4: Bildpaare aus dem InkluMemo (Screenshots, Print & Play) 

Abb.2.1-2: Spielpläne der beiden Laufspiele Handipoursuite und CapAble (Screenshots Webseiten) 

 

  1. Göbel: Serious Games. 2020, S. 104.[]
  2. Pereira; Prada; Paiva: Disaster Prevention Social Awareness. 2014, S 1.[]
  3. Cf. Kreativ: Wie Games soziales Bewusstsein schaffen können. 2020, o.S.[]
  4. Kreativ: Wie Games soziales Bewusstsein schaffen können. 2020, o.S.[]
  5. Kreativ: Wie Games soziales Bewusstsein schaffen können. 2020, o.S.[]
  6. Luerweg: Empathie. o.S. <https://www.psychologie-heute.de/leben/artikel-detailansicht/42084-empathie.html> [20.01.2025].[]
  7. Luerweg: Empathie. o.S. <https://www.psychologie-heute.de/leben/artikel-detailansicht/42084-empathie.html> [20.01.2025].[]
  8. Luerweg: Empathie. o.S. <https://www.psychologie-heute.de/leben/artikel-detailansicht/42084-empathie.html> [20.01.2025].[]
  9. Da Silva: Designing a Digital Roleplaying Game. 2020, S. 35.[]
  10. Ochsner: Kulturwissenschaftliche Disability Studies. 2022, S. 203.[]
  11. Gibbons: Disability, Neurological Diversity, and Inclusive Play. 2015, S. 25.[]
  12. Cf. Ellis; Kao: Who Gets to Play? 2019; Andrés: Los videojuegos. 2023; Ellcessor: Restricted Access. 2016. Für einen Überblick s. auch: Ochsner; Spöhrer: Dis-/Ability, Accessibility and Video Games. 2024. Die Beiträge des Bandes, die sich konkreten Inklusionsmechanismen sowie bestehenden Problematiken und fails widmen, sind ebenfalls aufschlussreich.[]
  13. Dabei soll der Begriff ‚Behinderung‘ möglichst breit gefasst werden (er orientiert sich an der Definition des Sozialgesetzbuchs SGB IX, Art. 1, § 2 „Begriffsbestimmungen“, Bundesministerium der Justiz, <https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_9_2018/__2.html>). So können organisch-psychische Erkrankungen wie Demenz – z. B. in den Spielen Before I forget und Inner Ashes – ebenso einbezogen werden wie anhaltende Angststörungen oder Depressionen – z. B. im Spiel Celeste – oder auch verschiedene Formen der Neurodiversität – z. B. in Max, an autistic journey.[]
  14. Ein Bsp. dafür sind spielebasierte Workshops: „Disability Simulation games aim at giving all the participants a better understanding of the real-life experiences of persons with disability and help to generate empathy and inclusive attitude towards persons with disability“ (Unlocking possibilties: Simulation Games Workshop. <https://atypicaladvantage.in/atypical-workshops/simulation-games-workshop?srsltid=AfmBOopIlPiYRivJ3oYfGng-EodJCMKs-uZi7TB0T9tO2CEOTUK_tfzG> [20.01.2025]).[]
  15. Salen; Zimmerman: Rules of play. 2010, S. 3.[]
  16. Aktion Mensch: InkluMemo. 2024. <https://www.aktion-mensch.de/inklusion/bildung/impulse/inklusion-material/inklumemo> [20.01.2025].[]
  17. Unternehmenswebseite von Diversidées: <https://diversidees.com/> [20.01.2025].[]
  18. Die „Association de gestion du fonds pour l’insertion des personnes handicapées“ (dt. etwa: „Vereinigung zur Verwaltung des Eingliederungsfonds für Menschen mit Behinderungen“) setzt sich für die Integration von Menschen mit Behinderung in die Arbeitswelt ein: „Sie entwickelt und finanziert Lösungen, um die Nachteile durch eine Behinderung am Arbeitsplatz auszugleichen; sie unterstützt die Akteure der Bereiche Beschäftigung und Ausbildung sowie die Unternehmen, damit die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen berücksichtigt werden.“ (Mon parcours handicap: Glossaire: Agefiph, o.S. <https://www.monparcourshandicap.gouv.fr/glossaire/agefiph> [20.01.2025], Übersetzung aus dem Französischen D.K.) []
  19. Cf. Agefiph: Le jeu. 2019. <https://handipoursuite.origis.pro/index.html> [20.01.2025].[]
  20. Diversidées: Soyons Fou. 2023. Ein hybrides Spiel, das mit visuellen Darstellungen operiert, die auf einem dem Spiel beiliegenden USB-Stick gespeichert sind, ist Desmontando mitos (Dfa 2024). Das Spiel richtet sich an Jugendliche mit dem Ziel, Wissen über Behinderungen zu vermitteln, Mythen aufzudecken und Stereotype über Menschen mit Behinderung in allen Lebensbereichen abzubauen. (Dfa: Desmontando mitos. 2024, o.S. <https://www.fundaciondfa.es/comunicacion/actualidad/desmontando-mitos> [20.01.2025]).[]
  21. Urithi studio: Disability Awareness Game. o.J. <https://cap-able.com/disability-awareness-game/> [20.01.2025]. Ein weiteres Beispiel, das Bewegung im Raum nutzt, um auf physische, soziale und kulturelle Barrieren aufmerksam zu machen, ist das Spiel Ciudades accesibles (Dfa 2022), das für Schulen entwickelt wurde: „Zugängliche Städte. Das ist der Name des kollaborativen Brettspiels, an dem ein multidisziplinäres Team der Dfa-Stiftung mehrere Monate lang gearbeitet hat, um Konzepte von Behinderung, Zugänglichkeit sowie sozialen, architektonischen und kommunikativen Barrieren in aragonischen Schulen einzuführen. All dies mit dem Ziel, den Lehrer*innen und Schüler*innen in den Bildungseinrichtungen ein Mittel an die Hand zu geben, um die mit diesem Bereich zusammenhängenden Themen im Klassenzimmer zu behandeln.“ (Dfa: Un juego de mesa. 2022, o.S. <https://www.fundaciondfa.es/comunicacion/actualidad/un-juego-de-mesa-vehiculo-para-abordar-la-discapacidad-en-las-aulas> [20.01.2025], Übersetzung aus dem Spanischen D.K.[]
  22. CapAble: Regelheft. CapAble Disability Awareness Game. o.J., S. 3.[]
  23. Ganz unterschiedliche sozial relevante Themen werden in solchen Simulationsspielen verhandelt, z. B. Obdachlosigkeit in Street Survival: Homeless Simulator (Chetruska Softworks S.R.L 2024). Dabei lässt, wie in diesem Beispiel, die Qualität und Ernsthaftigkeit der Spiele häufig zu wünschen übrig. Sie erscheinen vielmehr als Orte der Reproduktion von Stereotypen, die den Fokus auf das vermeintlich spektakuläre der Erfahrung richten und tendenziell Mitleid oder gar Ablehnung statt Empathie erzeugen.[]
  24. Das Inklu Game ist ein weiteres Beispiel für ein, in diesem Fall, appbasiertes Spiel, das eine realistische Nachempfindung ermöglichen will: „Beim virtuellen Inklu Game handelt es sich um ein App-basiertes Spiel, durch das sich Jugendliche spielerisch mit den Bedarfen und Lebenslagen von Menschen mit Behinderungen vertraut machen können. Die digitale gamifizierte Sensibilisierungserfahrung wird dabei durch einen medien- und inklusionspädagogischen Ansatz vermittelt“ (Inklumat: Inklu Game. 2022, o.S. <https://inklumat.de/inklu-game> [20.01.2025]. Das Projekt wurde im Rahmen des Programms AUF!leben – Zukunft ist jetzt der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert; auch das Mini-Spiel Imercyve: Living with Intellectual Disability (Valley General 2021) setzt in seiner Sensibilisierungsstrategie auf Immersion durch Virtual Reality-Effekte: „You’ll learn through first-hand experience how many of the interactions generally taken for granted may look or feel different other people. Most importantly, you will recognise these difficulties and how disability support organisations play an important role in helping people to overcome their challenges“ (Beschreibung des Spiels auf Steam: Infos zum Spiel. 2021, o.S., <https://store.steampowered.com/app/1522800/Imercyve_Living_with_Intellectual_Disability/> [20.01.2025]). Die harsche Kritik zeigt, dass es auch hier mehr um eine effekthascherische Ausstellung von Stereotypen geht, als um eine tatsächliche Auseinandersetzung mit Behinderungserfahrungen (cf. Kommentare auf Steam).[]
  25. Cf. Gibbons: Disability, Neurological Diversity, and Inclusive Play. 2015, S. 28-29.[]
  26. „Der Begriff ‚Hydrocephalus‘ (oder auch ‚Hydrozephalus‘) stammt ursprünglich aus dem Griechischen und bedeutet ‚Wasserkopf‘. Mit ‚Wasserkopf‘ ist dabei die krankhafte Erweiterung der Hirnwasserkammern (‚Ventrikel‘) gemeint. Der Krankheitswert entsteht durch eine Störung des Hirnwasserkreislaufs mit Druckerhöhung im Schädelinneren, die verschiedene Ursachen haben kann. […]. Ein Hydrocephalus kann Symptome verschiedenster Ausprägung haben und somit für den Betroffenen auch eine Behinderung darstellen.“ Klinik und Poliklinik für Kinderchirurgie: Behandlungsspektrum: Hydrocephaluschirurgie. o.J., o.S. <https://www.uniklinikum-dresden.de/de/das-klinikum/kliniken-polikliniken-institute/kch/behandlungsspektrum/hydrocephaluschirurgie> [20.01.2025].[]
  27. Da Silva: On Fighting Shadows. 2020, <https://rleon.itch.io/onfightingshadows> [20.01.2025].[]
  28. Da Silva: Designing a Digital Roleplaying Game. 2020, S. 61.[]
  29. Cf. Da Silva: Designing a Digital Roleplaying Game. 2020, S. 35.[]
  30. PH Bern: Die Lernspiele. o.J., o.S. <https://prinzip-vielfalt.ch/unstoppables> [20.01.2025].[]
  31. Cf. u.a. Hall: Literature and disability. 2016, S. 36.[]
  32. Professional Imagination: Max, an Autistic Journey. 2016. Solche Darstellungen finden sich auch in der Literatur und anderen Erzählmedien, u.a. im Comic Habla María, der die Geschichte der autistischen Maria aus der Sicht ihres Vater erzählt.[]
  33. Captainsteff: Max, an Autistic Journey. 2015. <https://forums.rpgmakerweb.com/index.php?threads/max-an-autistic-journey-now-available-on-steam.65356/> [20.01.2025].[]
  34. 3-Fold Games: Before I Forget. 2020.[]
  35. Calathea Game Studio: Inner Ashes. 2023.[]
  36. Parkin: Before I Forget Review. 2020, o.S. <https://www.theguardian.com/games/2020/jul/18/before-i-forget-review-compassionate-game-about-living-with-dementia> [20.01.2025].[]
  37. Thompson: Reviewing Blindness in French Fiction 1789–2013. 2017, S. 12.[]
  38. Maddy Makes Games Inc: Celeste. 2018.[]
  39. Klepek: Why The Very Hard ‚Celeste‘. 2018, o.S. <https://www.vice.com/en/article/celeste-difficulty-assist-mode/> [20.01.2025].[]
  40. Thorson zit. in Klepek: Why The Very Hard ‚Celeste‘. 2018, o.S. <https://www.vice.com/en/article/celeste-difficulty-assist-mode/> [20.01.2025].[]

Schlagworte:

Spiele: 

So zitieren Sie diesen Artikel:

Kuschel, Daniela: "Behinderung, Empathie und soziales Bewusstsein in analogen und digitalen Spielen". In: PAIDIA – Zeitschrift für Computerspielforschung. 27.03.2025, https://paidia.de/behinderung-empathie-und-soziales-bewusstsein-in-spielen/. [30.03.2025 - 10:09]

Autor*innen:

Daniela Kuschel

Dr. Daniela Kuschel ist Postdoc in der romanischen Literatur- und Medienwissenschaft der Universität Mannheim, wo sie zur Darstellung des Spanischen Bürgerkriegs in populärkulturellen Medien promoviert hat (Spanischer Bürgerkrieg goes Pop, 2019). Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Darstellung von Krieg, Gewalt und (historischer) Erinnerung in Literatur und Medien (Filme / Serien, Comics, Video- und Brettspiele) sowie in den Literary Disability Studies, in denen sie sich für die Darstellung von Behinderung im literarischen Kanon interessiert. (ORCID-Nummer https://orcid.org/0000-0002-0580-7028)