Gendered Gazes in Games - Die (De-)Konstruktion von Geschlecht durch die First-Person-Kamera am Beispiel von ‚Cyberpunk 2077‘

28. November 2022
Abstract: Die Kamera im First-Person-Game birgt ein inhärentes Potenzial zur Subversion des filmischen Male Gaze. Am Beispiel von ‚Cyberpunk 2077‘ überträgt dieser Artikel Laura Mulveys Konzept des Gaze auf das First-Person-Spiel und macht es so für die Game Studies nutzbar. Zu diesem Zweck werden drei verschiedene Kamera-Typen, die sich üblicherweise in First-Person-Games finden lassen, charakterisiert und deren Auswirkungen auf den Gaze untersucht. Denn ‚Cyberpunk 2077‘ bietet Spieler*innen eine Vielzahl verschiedenster Blicke auf weibliche wie männliche Körper und imaginiert so den Fortlauf der Geschichte.

Geschichte des Cyberpunks | Geschichte im Cyberpunk

Die neonbeleuchteten, technokratischen Dystopien des Cyberpunk-Genres finden ihren Ursprung in den 80er-Jahren. Aus den Bestrebungen des Autoren-Trios von Bruce Sterling, William Gibson und Lewis Shiner entstand das Genre als Weiterentwicklung der Science-Fiction.1 Die Autoren dieser Movement-Gruppe verstanden sich dabei als „avantgardistische Gegenkultur“2 und hatten den Anspruch, in ihren Werken aktuelle gesellschaftliche und politische Themen zu reflektieren.3

Die Geschichten des Cyberpunks spielen in der nicht allzu fernen Zukunft und zeichnen eine zumeist düstere und dystopische Vision der Welt von morgen. Dabei leitet Cyberpunk diese imaginierte Zukunft aus Tendenzen der Vergangenheit und Gegenwart ab4 – Cyberpunk imaginiert so den düsteren Fortlauf der Gegenwart. Zentrale Themen dieser imaginierten Geschichte sind der Spätkapitalismus sowie das Verschmelzen von Mensch und Maschine, sowohl auf körperlicher als auch geistiger Ebene, und die damit verbundene Frage nach unserer Menschlichkeit.5 Cyberpunk „[is about] exploring the technological ramifications of experience within late-capitalist, post-industrial, media-saturated Western society.“6

Gleichzeitig ist die Entstehungsgeschichte des Cyberpunks entschieden maskulin geprägt: Gerade mit der Veröffentlichung von William Gibsons Roman Neuromancer konnte sich das Genre kulturell wie kommerziell festigen.7 Diesem folgten bald weitere (männliche) Autoren wie Lewis Shiner, Bruce Sterling, Greg Bear, John Shirley, Pat Cadigan oder Tom Maddox.8 Flanagan und Booth sprechen sogar von einem „all-male canon of cyberpunk literature“9 und positionieren es als ein „quite masculine genre“10. Laut Hollinger ist Cyberpunk „written for the most part by a small number of white middle-class men, many of whom, inexplicably, live in Texas.“11 Nach Cadora ist „masculinist cyberpunk […] very much a boys‘ club.“12  Fragen nach Geschlecht und Sexualität sind kein bedeutender Teil der Zukunftswelten des Cyberpunks. So reproduzieren Werke des Cyberpunks trotz ihres revolutionären Anspruchs laut Flanagan und Booth traditionelle Geschlechterrollen und beschäftigen sich vorläufig mit „the particular crisis of white masculinity in a postmodern culture.“13 Dementsprechend sind auch die meisten Protagonisten des traditionellen Cyberpunks einsame männliche Hacker oder Rebellen, die außerhalb der Gesellschaft stehen.14 Weibliche Figuren kommen in der klassischen Cyberpunk-Literatur weniger häufig vor und bedienen in der Regel feminine Stereotype.15 So verhält es sich auch mit queeren Sexualitäten oder Geschlechtsidentitäten:

Populated almost exclusively by men and located in the male-dominated fields of computers, science, and sf, masculinist cyberpunk is ripe for the homoerotic. Sadly, fierce queens and flaming queers are absent from the pages of traditional cyberpunk. Indeed, cyberpunk is characterized by its rather rampant heterosexuality. Gay and lesbian characters are rare.16

Somit ist nicht nur die Entstehungsgeschichte des Cyberpunks, sondern auch die imaginierte(n) Geschichte(n) innerhalb der Werke selbst stark maskulin geprägt.

Anstelle einer Dekonstruktion von Geschlecht findet sich im Cyberpunk der 80er-Jahre somit eher eine „complicity with '80s conservatism.“17 Dabei würden sich gerade die Zukunftswelten des Cyberpunks für die Dekonstruktion von Gender-Normen anbieten, imaginierte Donna Haraway doch bereits 1985 ihr (gender-)utopisches Konzept des Cyborgs, der Grenzen von Geschlecht und Sexualität hinter sich lässt.18 In Fragen nach Gender und Sexualität liegt bisher (weitestgehend) ungenutztes Potential für das Genre.

Stattdessen wird seit Jahrzehnten regelmäßig der Tod des Cyberpunk-Genres proklamiert. „Rumor has it that cyberpunk is dead,“19 schreibt Karen Cadora 1995 – „Cyberpunk is dead“20 titelt John Semley 2019, ausgerechnet anlässlich der E3-Ankündigung von Cyberpunk 2077. Die Vorwürfe an das Genre sind in der Zwischenzeit im Grunde gleich geblieben: Anstatt sich mit politisch-gesellschaftlichen Fragen auseinanderzusetzen, werden größtenteils die oberflächlichen Inhalte sowie Ästhetik bereits dagewesener Werke adaptiert.21 Es kam zu einer „Verwässerung“22 des Genres. Passend zu aktuellen Trends in der Popkultur ist auch zeitgenössischer Cyberpunk fundamental nostalgisch und ‚recycelt‘ Motive, Plot-Punkte und Ästhetik des 80er Cyberpunk-Kanons:23 „[T]he past of the genre becomes it’s future.“24

Elana Gomel erklärt diese Entwicklung mit dem postmodernen Gefühl, im Sinne eines teleologischen Geschichtsverständnis am ‚Ende der Geschichte‘ angekommen zu sein.25 Der Kollaps von Kommunismus und anderen utopischen Ideologien habe eine Welt zurückgelassen, in der es keine Alternative zum Kapitalismus zu geben scheint.26 Im kulturellen Zeitgeist sei daher das Gefühl entstanden, das Ende der Geschichte nun erreicht zu haben. Dementsprechend sei es dem Cyberpunk auch nicht mehr möglich, den Fortlauf ebendieser Geschichte zu imaginieren.27 Dieses kulturelle Gefühl könnte auch Teil der Erklärung sein, warum postapokalyptische Erzählungen sich gerade auch im Medium des Videospiels einer besonderen Beliebtheit erfreuen (bspw. The Last of Us,28 Fallout 4,29 Metro Exodus,30 Horizon Zero Dawn31 oder Death Stranding32).

Cyberpunk 2077 – Genre-Geschichte oder Gender-Zukunft?

In diese Tradition der nostalgischen Rückblicke auf die Glanzzeit des Genres reiht sich auch das Ende 2020 erschienene Cyberpunk 2077 des polnischen Entwicklerstudios CD Projekt RED ein. Dies zeigt allein die Besetzung der Figur Johnny mit Keanu Reeves, der bereits in filmischen Cyberpunk-Klassikern wie Johnny Mnemonic33 oder den Matrix-Filmen34 die Hauptrollen übernahm. Geschichte und Spielwelt von Cyberpunk 2077 kombinieren typische Elemente des Genres: Körperteile werden durch mechanische Implantate verbessert oder ersetzt, das Bewusstsein von Menschen kann auf Computerchips geladen werden, ‚Netrunner‘ manipulieren einen global vernetzten, virtuellen Cyberspace, die Gesellschaft ist hyperkapitalistisch und wird von gigantischen (asiatischen) Firmen-Konglomeraten kontrolliert. Auch an intertextuellen Bezügen zu Meilensteinen des Cyberpunks, insbesondere zu William Gibsons Neuromancer, wurde nicht gespart. So trägt bereits der Ort der Handlung in beiden Werken denselben Namen: Night City.35  Zudem können Spieler*innen das rote Motorrad aus dem Cyberpunk-Klassiker Akira36 in der Spielwelt finden. Cyberpunk 2077 strotzt nur so vor Genre-Nostalgie. Auch hier wiederholt sich also augenscheinlich das Festsitzen am Ende der Geschichte (des Cyberpunk-Genres). Das Genre wird nicht mehr weiterentwickelt, sondern greift in intertextuellen Referenzen auf seine eigene Vergangenheit zurück. Sicher spielen dabei auch wirtschaftliche Aspekte eine Rolle: Was bereits erfolgreich ist, kann finanziell risikofrei aufgegriffen werden. Dabei könnte der Wechsel in das Medium Videospiel sicher auch eine Chance für das totgeglaubte Cyberpunk-Genre bieten, da dieses durch die Interaktivität neue Möglichkeiten für das Erzählen von Geschichten mit sich bringt.

Doch an einem Punkt unterscheidet sich die imaginierte Geschichte in Cyberpunk 2077 von anderen Giganten des Genres: In der Welt von Cyberpunk 2077 gibt es (fast) keine Diskriminierung mehr aufgrund von Geschlecht oder Sexualität. Weiterhin finden sich zahlreiche weibliche und queere Figuren. Auch die Spieler*innen selbst können über die Spielfigur V mit verschiedenen Geschlechts-Optionen und sexuellen Identitäten spielen. Cyberpunk 2077 versucht eine Art ‚Gender-Utopie‘ zu imaginieren.37 Damit setzt es auch an der zuvor beschriebenen Leerstelle des Genres an, die vorher nur die feministische Science-Fiction der 70er-Jahre38 zu füllen suchte.

Dies mag sicher auch mit dem Medium des Videospiels zusammenhängen. Schließlich ist es in einem Spiel, besonders in einem RPG, notwendig, dass Spieler*innen Handlungsspielräume gegeben werden, damit sie Wirkungsmacht über Gameplay und Story-Entscheidungen haben.39 Dass Cyberpunk 2077 mit seiner Darstellung von Geschlecht und Sexualität nichtsdestotrotz in einigen Teilen der Gaming-Szene bestehende Grenzen überschritten hat, zeigte der Backlash, der in Reaktion auf den Character Creator entstanden ist. Dieser bietet nämlich neben cis männlichen und weiblichen Figuren auch die Möglichkeit, nichtbinäre und/oder trans Personen zu erstellen.40)

Aufgrund der Besonderheiten des Mediums Videospiel stellt sich allerdings die Frage, ob diese imaginierte Gender-Utopie nicht nur oberflächlich auf bildlich-inhaltlicher Ebene umgesetzt wird, sondern inwiefern Konstruktionen von Geschlecht und Sexualität auch auf Ebene der Spielmechanik entstehen. Spieler*innen interagieren in vielen Game-Genres primär über Navigation, also indem sie die Spielfigur durch die Spielwelt bewegen. In First-Person-Games wie Cyberpunk 2077 entsteht Navigation, indem Spieler*innen Position und Kopfrichtung der Spielfigur steuern. Sie interagieren dementsprechend mit der Welt, indem sie den virtuellen Körper – und somit die Spielkamera – manipulieren. Diese Kamera entspricht dem Blick der Spielfigur, durch deren Augen Spieler*innen die Welt wahrnehmen. Der Blick ist somit zentral für die Interaktion im First-Person-Game. Dementsprechend entstehen auch Konstruktionen von Geschlecht durch ebenjenen Blick auf die Spielwelt.

In diesem Aufsatz soll daher der Frage nachgegangen werden, wie in Cyberpunk 2077 Geschlecht durch den Blick (de-)konstruiert wird. Diese Analyse wird dabei auch das subversive Potenzial der Videospiel-Kamera im Vergleich zur filmischen Kamera offenlegen.

Vom Male Gaze zum Gendered Gaze

Mit „Visual Pleasure and Narrative Cinema“41 verfasste Laura Mulvey 1975 – also kurz vor der Blütezeit des Cyberpunks – einen der bis heute einflussreichsten Aufsätze der feministischen Filmtheorie. Dort entwickelt sie das Konzept des ‚Male Gaze‘, welches im Folgenden auf einen ‚Gendered Gaze‘ erweitert werden soll. Anschließend wird das Gaze-Konzept am Beispiel von Cyberpunk 2077 auf das First-Person-Game übertragen. So soll auch gezeigt werden, wie dieses ursprünglich filmwissenschaftliche Konzept für die Game Studies nutzbar gemacht werden kann.

Mulvey geht davon aus, dass die sogenannte Skopophilie – die Lust am Sehen – die zentrale Lust des Films darstellt.42 Dabei wird die betrachtete Person als Objekt wahrgenommen und einem neugierigen Blick unterworfen, sie wird als Objekt des Sehens genutzt.43

Nach Mulvey reproduziert der Film dominante gesellschaftliche Konzeptionen von Sexualität und Geschlecht.44 Basierend auf dieser Grundannahme entwickelt sie das Konzept des Male Gaze, also des ‚männlichen Blicks‘. Demnach überträgt sich die patriarchale Gesellschaft auch auf die Darstellung von Frauen, welche dementsprechend männlichen Fantasien unterliegen.45 Der bestimmende Male Gaze projiziert männliche (angenommen heterosexuelle) Fantasien auf die weibliche Figur, welche in Aussehen, Kostüm und filmischer Inszenierung so gestaltet ist, dass sie eine besonders starke erotische Wirkung hat – bspw. durch fragmentierende Close-Ups auf oder langsame Kamerafahrten über den weiblichen Körper.46 Mulvey spricht hier von ‚to-be-looked-at-ness‘:

In a world ordered by sexual imbalance, pleasure in looking has been split between active/male and passive/female. The determining male gaze projects its phantasy on the female figure which is styled accordingly. In their traditional exhibitionist role women are simultaneously looked at and displayed, with their appearance coded for strong visual and erotic impact so that they can be said to connote to-be-looked-at-ness.47

Dem steht der männliche Protagonist des Films gegenüber, welcher nicht Objekt des Blickes ist, sondern ein ideales Ego darstellt, mit dem sich der (männliche) Zuschauer identifizieren können soll.48 Neben der Funktion als Identifikationsfigur ist er außerdem noch „Bearer of the Look,“49 d.h. er kontrolliert den Blick innerhalb der Diegese, die Kamera gibt seinen Blick wieder. Er dient so als eine Art Vermittler zwischen dem Blick des Zuschauers und der erotisierten Frau.50 Diese Beschreibung trifft sicherlich auch auf einige Klassiker des Cyberpunks zu – man denke bspw. an die Liebeszene zwischen Deckard und Rachael in Blade Runner.51

Im Gegensatz zum Theater oder anderen Live-Shows kontrolliert der Film als Medium die Dimensionen von Zeit und Raum und kann den Blick somit vollständig vordefinieren und den Gaze vorgeben.52 Dies führt laut Mulvey zu einer Entmündigung der Zuschauer*innen, die diesem vordefinierten Blick folgen müssen. Trotzdem ist der Male Gaze für Mulvey kein inhärentes Merkmal des Films. Stattdessen fordert sie seine Dekonstruktion bzw. Zerstörung.53

Mulveys Aufsatz wurde seit 1975 viel diskutiert, kritisiert, aber auch adaptiert und modifiziert.54 An dieser Stelle soll nur kurz auf die Kritikpunkte eingegangen werden, die für die folgende Analyse von Bedeutung sind. Zunächst werden nicht-männliche Zuschauer*innen in Mulveys Essay nicht bedacht.55 In diesem Zusammenhang steht auch die Diskussion darüber, ob es in einer patriarchalen Gesellschaft überhaupt einen weiblichen Blick geben kann und wie dieser aussehen würde.56 Irene Vosser schlägt an dieser Stelle das Konzept des ‚Feminist Gaze‘ vor, Hélène Cixous den ‚Female Gaze.‘57 Auch ist Mulveys Konzept nur in einem heterosexuellen Kontext innerhalb eines binären Geschlechtersystems gedacht. Dementsprechend haben die Queer Studies Mulveys Theorie adaptiert und um den ‚Queer Gaze‘ erweitert.58

Um diesen Ansätzen sowie den deutlich komplexeren Blickkonstruktionen der heutigen Medienlandschaft gerecht zu werden, soll in der folgenden Analyse daher ein weiter gefasster ‚Gendered Gaze‘ eingeführt werden. Der Begriff ‚Gendered Gaze‘ beschreibt dabei einen Blick, der generell eine geschlechtliche Betrachtung nahelegt. Es wird dabei auf die starre Kategorisierung in Male, Female oder Queer Gaze verzichtet. So sollen möglichst viele potenzielle Konstruktionen aus Blickobjekt und Zuschauer*innen miteinbezogen werden.

Der interaktive Gaze in Cyberpunk 2077

Das Visuelle - der Blick auf Spielwelt und Figuren - ist bei Cyberpunk 2077 eine zentrale Lust.59 Wenn Spieler*innen das Spiel zum ersten Mal starten, wird ihnen zunächst wohl vor allem eines auffallen: Es besticht mit seiner hyperrealistischen Grafik. Spielwelt und Figuren sind detailreich, die Texturen ultra-scharf und das simulierte Licht dank Raytracing-Technologie realistisch und stimmungsvoll. Abbildung 1 zeigt diese detaillierte, liebevoll gerenderte Spielwelt. „[S]o etwas bekommt ihr in keinem anderen Spiel. Die Szenerien, Lichteffekte, Gebäude und Texturen sind allesamt eine Augenweite [sic][,]“60 hieß es daher auch in der Kritik der GameStar-Redaktion.

Abb. 1: Die Spielwelt ‚Night City‘. Eigener Screenshot. Cyberpunk 2077. 2020

Spieler*innen steuern das Spiel aus Egoperspektive. Hier liegt bereits ein grundlegender Unterschied zwischen Film und First-Person-Game. Im Gegensatz zum Film kontrolliert das Spiel die Dimensionen von Zeit und Raum nicht (vollständig). Der Ort des Blickes ist somit nicht vorgegeben, sondern kann von Spieler*innen gesteuert werden. In dieser Tatsache könnte bereits ein inhärent subversives Potenzial des First-Person-Games in Bezug auf den Male Gaze liegen.

Trotzdem wird der Blick nicht allein von Spieler*innen, sondern auch vom Spiel selbst gesteuert. Denn das Spiel gibt vor, was dargestellt wird, welche Figuren und welche Geschlechter sexualisiert werden – also welche Blickangebote den Spieler*innen überhaupt gemacht werden. Somit haben mediale, aber auch inhaltliche Faktoren Einfluss auf den Gaze. Im Folgenden soll untersucht werden, wie (und welcher) Gaze in Cyberpunk 2077 auf medialer wie inhaltlicher Ebene entsteht. Dabei dient Cyberpunk 2077 als Beispiel, um die generellen medialen Bedingungen des Gaze im First-Person-Game aufzuzeigen.

Die Kamera als Figur | Die Figur als Kamera

Mulvey teilt den Blick im Film in drei Ebenen: Den Blick des Zuschauers, den Blick der Kamera und den Blick der Figuren innerhalb der Diegese – wobei alle drei Ebenen dem Male Gaze unterstellt sind.61 Diese Ebenen können sich in einer Szene bspw. wie folgt manifestieren: Die Kamera fährt in einem Close-Up langsam über den Körper einer Frau (erste Ebene). Es wird eine männliche Figur gezeigt, die ihren Körper ansieht (zweite Ebene). Zeitgleich schaut der Zuschauer62 sich dies auf der Kinoleinwand an (dritte Ebene).

Wie zuvor erwähnt übernehmen Spieler*innen in Cyberpunk 2077 die Rolle der Spielfigur ‚V‘. Aufgrund der Egoperspektive entspricht Vs Blick dem der Kamera und wird so von Spieler*innen gesteuert. Die drei von Mulvey definierten Ebenen werden dadurch miteinander verknüpft: Die Blicke von Kamera, Figur und Spieler*innen verschmelzen. V und Spieler*innen teilen sich die Rolle als ‚Bearer of the Look.‘ Dies ist ein besonderes Merkmal des First-Person-Games, das eigene Implikationen für den Gaze in sich birgt: Durch die Positionierung der Kamera wird V durch den Gaze nicht zu einem sexualisierten Lustobjekt, nur Arme und einzelne Teile des Körpers sind gelegentlich sichtbar, wie in Abbildung 2 zu erkennen ist.

Abb. 2: Vs Blick auf die Spielwelt. Eigener Screenshot. Cyberpunk 2077. 2020

Lediglich im Inventar-Bildschirm, welcher in Abbildung 3 zu sehen ist, und bei der Charaktererstellung können Spieler*innen den (nackten) Körper von V betrachten. Allerdings ist die Präsentation hier eher nüchtern und unsexualisiert. V ist kein Objekt der skopophilistischen Betrachtung, sondern ein Punkt der Identifikation im Sinne eines ‚idealen Egos‘.63

Abb. 3: Inventar-Bildschirm. Eigener Screenshot. Cyberpunk 2077. 2020

Auch nach Alexander Galloway begünstigt der ‚subjective shot‘ im First-Person-Game die Identifikation mit der Spielfigur.64 Da Spieler*innen den Blick der Figur aktiv steuern, wird die Identifikation mit ebenjener im Gegensatz zum Film unausweichlich.65 Amanda Philips fasst dies wie folgt zusammen:

This is the essence of the first-person shooter (FPS): a subjective shot that encourages the gamer to assume the avatar’s identity […].66

Wählen Spieler*innen nun ein anderes Geschlecht für die Spielfigur als das eigene, identifizieren sie sich in gewissem Maße mit ihrem andersgeschlechtlichen virtuellen Körper. Nach Helen Kennedy werden sie „transgendered“67, nehmen ein „technological second self“68 an. Die Grenzen zwischen eigenem und virtuellem Körper verschwimmen. Flanagan spricht hier von einem ‚double consciousness‘:

I would argue that the computer world user experience [sic] a kind of double consciousness: the class, race, and gender identity of the user’s physical body, as well as the virtual body (bodies) of the character he or she ‚becomes‘; when we ‚look‘ at a screen while we play a game and also ‚look‘ through a character’s eyes and turn the head, both are simultaneously ‚real.‘69

Andere Kameratypen haben hingegen andere Auswirkungen auf den Gaze: So hat beispielsweise Amanda Phillips die Third-Person-Kamera anhand des Spiels Tomb Raider untersucht. Sie entwickelt dabei das Konzept des „Gamic Gaze“70 und zeigt auf, dass die Third-Person-Kamera im ersten Tomb Raider in besonderem Maße zur Objektifizierung der Spielfigur Lara Croft einlädt.71

Im Gegensatz zur oft gottähnlichen, alles überblickenden Kamera in Third-Person-Games72 kann die First-Person-Kamera eine intimere, persönliche Wirkung haben. Dies kann die Identifikation mit der Spielfigur fördern. Daher hat diese – durch das Entwicklerstudio festgelegte – Spielfigur wiederum ebenfalls Auswirkungen auf den Gaze. In Cyberpunk 2077 nehmen Spieler*innen die gesamte Spielwelt und Handlung wortwörtlich durch Vs Augen war. V kann dabei eine Frau, ein Mann, trans- oder cisgender sein. Vs Körperbau, Genitalien und Stimme können voneinander unabhängig gewählt werden. Auch kann V sowohl gegen- wie gleichgeschlechtliche Romanzen eingehen und mit NPCs verschiedener Geschlechter schlafen. V hat kein festgelegtes Geschlecht, keine festgelegte Sexualität, kann sich außerhalb der Binarität von Weiblichkeit/Männlichkeit und Homosexualität/Heterosexualität bewegen und kommt so Haraways Cyborg ein Stück näher als die (meist männlichen) Protagonisten des etablierten Cyberpunk-Kanons.

Durch den größeren Möglichkeiten-Horizont beim Erstellen der Spielfigur ergibt sich also bereits ein subversives Potential. Denn Vs multiple Identität muss seitens der Entwickler*innen beim Design von Spielwelt sowie Handlung immer mitbedacht werden und es gilt, Angebote für alle möglichen Identitäten zu schaffen. Auch werden Spieler*innen in der Spielwelt zahlreiche Möglichkeiten gegeben, mit Vs Gender Performance zu spielen, indem beispielsweise Kleidungsstücke nicht an bestimmte Geschlechter gebunden sind. Eine V mit femininem Körperbau kann Biker-Jacken, raspelkurze Haare und Militär-Stiefel, ein V mit maskulinem Körperbau pinke Hotpants, BHs, High Heels, lange Nägel und Make-Up tragen. Die Möglichkeiten, am virtuellen Körper mit Geschlecht und Sexualverhalten zu experimentieren, sind vielfältig.

Somit hat in First-Person-Games bereits die Wahl der Spielfigur seitens des Entwickler*innen-Studios maßgeblichen Einfluss auf den Gaze: Kann die Spielfigur angepasst werden? Wenn ja, gibt es verschiedene Optionen für Geschlecht und Sexualität? Welche Geschlechter und Sexualitäten werden angeboten? Da die drei Ebenen von Kamera, Figur und Zuschauer*innen miteinander verschmelzen, stellt die Spielfigur den Rahmen für die gesamte Wahrnehmung der Spielwelt dar. Spier*innen nehmen Night City durch V war. Dabei tritt Vs Körperlichkeit jedoch nicht gänzlich hinter die Kamera zurück: Immer wieder sind Vs Arme und Beine zu sehen, sodass das gewählte Geschlecht von Figur (und somit Kamera) nicht ignoriert werden kann. Auch durch einen Blick nach unten können Spieler*innen ihren virtuellen Körper betrachten. (In vielen First-Person-Games ist der Körper der Figur während des Gameplays gar nicht sichtbar.) Die Kamera bleibt somit explizit geschlechtlich markiert.

Dass Cyberpunk 2077 bei der Identität der Spielfigur einen breiteren Möglichkeiten-Horizont bietet als die meisten AAA-Games, stellt bereits die Selbstverständlichkeit des Male Gaze infrage. Der männliche Blick ist weder die einzige noch die dominante Möglichkeit, die Spielwelt wahrzunehmen, ist nicht als ‚Default‘ gesetzt.73 Der Gaze ist grundsätzlich vielfach.

Diese potenziell subversive Rahmung durch V als Kamera steht allerdings im Wechselspiel damit, wie die Kamera auf spielmechanischer Ebene funktioniert und welche Blickangebote in der Spielwelt gemacht werden. Erst im Zusammenspiel von Spielfigur, Spielmechanik der Kamera und Blickangeboten entsteht der Gaze.

Kamera-Typen

In Cyberpunk 2077 lassen sich grundsätzlich drei Kameratypen differenzieren, die sich durch verschiedene Steuerungsmechaniken unterscheiden.74 Diese sollen im Folgenden dargestellt und ihre Auswirkungen auf den Gaze an inhaltlichen Beispielen aus der Spielwelt gezeigt werden. Die Kameratypen unterscheiden sich vornehmlich durch den Grad der Spieler*innen-Steuerung. Zunächst sollen die zwei (primär) durch Spieler*innen gesteuerten Kameras analysiert werden.

Die freie Kamera

Was im Rahmen dieses Essays als ‚freie Kamera‘ bezeichnet werden soll, ist die von Spieler*innen vollständig selbst gesteuerte Kamera. Das bedeutet, dass Spieler*innen sowohl die Blickrichtung als auch die Position der Spielfigur V kontrollieren können, also Handhabe über alle Bildachsen haben. In Cyberpunk 2077 wird die freie Kamera primär bei der Erkundung der Open-World und innerhalb von Dialog- und Story-Sequenzen mit niedriger Priorität verwendet. Es soll nun das Zusammenspiel von freier Kamera und Spielwelt näher betrachtet werden.

Die Spielwelt ‚Night City‘ ist als dystopische Karikatur einer kapitalistischen Großstadt entsprechend voll von Werbetafeln. Diese bestimmen den Raum und somit auch die Atmosphäre und den Rahmen der Spielhandlung. Cyberpunk 2077 setzt für die Darstellung von Spielwelt und -handlung stark auf Environmental Storytelling –  das Visuelle ist hier also zentral.

Abb. 4: Werbung in Night City. Eigener Screenshot. Cyberpunk 2077. 2020

Diese die Spielwelt dominierende Werbung ist stark sexualisiert und lädt Spieler*innen zur voyeuristischen Betrachtung ein. Wie große Teile echter Werbung soll sie durch sexualisierte Darstellungen auffallen, wie auch in Abbildung 4 zu sehen ist. Dementsprechend ist auch Night City als Spielwelt ein stark sexualisierter Ort, der über vielfache Blickangebote zum ‚Gazen‘ einlädt.

Abb. 5: Zusammenstellung typischer Werbung in Night City. Eigener Screenshot. Cyberpunk 2077. 2020

Abbildung 5 zeigt eine Zusammenstellung verschiedener Werbeplakate, die in Night City zu finden sind. Wie sich dort bereits erkennen lässt, zeigt diese Werbung allerdings objektifizierte Personen verschiedener Geschlechter in hetero- wie homosexuellen Kontexten und bietet somit Blickangebote für verschiedene Gazes. Aufgrund der frei steuerbaren Kamera können Spieler*innen allerdings selbst entscheiden, ob und welche Blickangebote sie wahrnehmen. Auch Dauer und Winkel der Betrachtung sind ihnen überlassen. In dieser Tatsache liegt ein grundlegender Unterschied zum Film. Bemängelt Mulvey beim Medium Film die Entmündigung der Zuschauer*innen durch einen in Raum und Zeit vollständig vordefinierten Gaze, so können Spieler*innen den Gaze im First-Person-Game aktiv (mit-)konstruieren. Auch weibliche Rezipientinnen, denen bei Mulvey eine rein passive Rolle zukam, werden automatisch zu aktiven ‚Gazern‘ und bestimmen den Blick.

Weitere Blickangebote der Spielwelt sind stark sexualisierte NPCs (Non-Player Characters), die in Nachtclubs, Bars und auf den Straßen von Night City zu finden sind. Auch dies betrifft zwar wiederum NPCs verschiedener Geschlechter, jedoch wird bei Betrachtung zweier Beispiele schnell deutlich, dass die Verteilung nicht zwangsläufig gleichmäßig ist.

Abbildung 6 zeigt weibliche NPCs, die in dem Nachtclub ‚Afterlife‘ nur mit Streifen bekleidet in Glasröhren schwimmen und als erotisierte Dekoration des Nachtclubs dienen.

Abb. 6: Weibliche NPCs im Afterlife. Eigener Screenshot. Cyberpunk 2077. 2020

Im Nachtclub ‚Dicky Twister‘ können Spieler*innen wiederum männliche NPCs finden, die als Stripper auftreten und so sexualisiert sind (s. Abb. 7).

Abb. 7: Männliche NPCs im Dicky Twister. Eigener Screenshot. Cyberpunk 2077. 2020

Diesen Blickangeboten wird jedoch innerhalb der Spielwelt keinesfalls die gleiche Priorität gegeben: Das Afterlife ist einer der wichtigsten Orte in der Spielwelt, der im Laufe der Handlung wiederholt besucht werden muss, während das Dicky Twister Spieler*innen nur durch eine kurze, optionale Nebenmission lockt und generell vollständig optional ist. An dieser Stelle werden somit zwar verschiedene Blickangebote gemacht, diese haben jedoch eine unterschiedliche Gewichtung innerhalb der Spielwelt und unterschiedlich hohe Wahrscheinlichkeiten, überhaupt gesehen zu werden.

Cyberpunk 2077 konstruiert somit bereits durch die Dekoration der Spielwelt mit erotisierter Werbung und NPCs einen vielfältigen impliziten Gaze, der männliche wie weibliche Blickobjekte bietet und queere Blickkonstruktionen beinhaltet – allerdings sind diese nicht immer gleichwertig vertreten. Bei der Erkundung mithilfe der freien Kamera werden Spieler*innen verschiedene Blickangebote gemacht. Davon ausgehend entscheiden Spieler*innen welche Körper und Plakate wie betrachtet werden. Dies unterscheidet den Gaze im First-Person-Game bereits grundsätzlich vom Gaze im Film.

Die fixierte Kamera

Die ‚fixierte Kamera‘ ist grundsätzlich auch durch die Spieler*innen gesteuert, unterscheidet sich von der freien Kamera jedoch darin, dass die Position der Spielfigur V im Raum bereits festgelegt ist und nicht verändert werden kann. Die Kamera kann somit nur innerhalb eines vom Spiel vorgegebenen Sichtbereichs bewegt werden. Dieser Kameratyp wird primär für Dialog- und Story-Sequenzen von erhöhter Wichtigkeit verwendet. Hier liegt eine stärkere Steuerung des Gaze seitens des Spiels vor. Denn das Spiel legt ein eindeutiges Blickobjekt fest, auf dessen Betrachtung Spieler*innen allerdings noch Einfluss nehmen können.

Eine Besonderheit des Blicks in Cyberpunk 2077, die sowohl die freie als auch die fixierte Kamera betrifft, ist die Zoom-Funktion. Denn passend zum Genre und zum Archetyp des Cyborgs hat V kybernetische Augen, die es Spieler*innen ermöglichen, nach Belieben auf Objekte und Figuren zu zoomen. Der Blick ist somit – sehr passend zum Cyberpunk-Genre – doppelt technisch geprägt: zum einen blicken Spieler*innen durch ihren Bildschirm in die virtuelle Welt von Night City, zum anderen ist Vs Blick auch innerhalb der Diegese technisch, rein virtuell.

Abb. 8: Dialog-Sequenz ohne Zoom. Eigener Screenshot. Cyberpunk 2077. 2020

Abb. 9: Dialog-Sequenz mit Zoom. Eigener Screenshot. Cyberpunk 2077. 2020

Abb. 10: Dialog-Sequenz mit Zoom. Eigener Screenshot. Cyberpunk 2077. 2020

Abbildung 8 zeigt eine Dialogsequenz mit fixierter Kamera. Abbildungen 9 und 10 zeigen, wie nah tatsächlich an einzelne Details derselben Szene bzw. auf einzelne Figuren gezoomt werden kann. Spieler*innen haben jederzeit die Möglichkeit, den Blick extrem zu zoomen, was besonders in Dialogsituationen mit fixierter Kamera zum voyeuristischen Gazen auf die virtuellen Körper einlädt. Die Figuren werden hier als skopophilistische Blickobjekte dargeboten. Gerade die vielen Details und die scharfen Texturen der Figuren von Cyberpunk 2077 fordern regelrecht dazu auf, extrem nah an die Figuren heranzuzoomen und deren Körper in kleinsten Details zu betrachten. Dabei können Spieler*innen einzelne Körperteile wie die Beine, die Brust oder Hände betrachten. Die Körper der Figuren werden so durch den Blick in Fragmente geteilt. Ihre Gesichter sind dabei oft nicht mehr zu sehen (bspw. Abb. 10), sie werden so auch entpersonalisiert. Diese fragmentierte Darstellung bemängelte Mulvey als Teil des Male Gaze.75 Jedoch betrifft dieses Phänomen in Cyberpunk 2077 weibliche wie männliche Figuren – in Abhängigkeit davon, welche Blickobjekte Spieler*innen für die nähere Betrachtung wählen.

Diese Szenen können, aber müssen dabei nicht zwangsläufig sexualisiert sein, um ein ‚Gazen‘ nahezulegen. Denn die Kamera unterteilt Spieler*innen und Figuren sehr explizit in ‚Gazer‘ und Blickobjekt. Durch die fixierte Kamera und die Zoom-Option wird also bereits das Gazen auf die präsentierten Blickobjekte nahegelegt, die im Sinne der Skopophilie zum passiven Objekt gegenüber den Betrachter*innen werden.

Die filmische Kamera

Zuletzt gibt es in Cyberpunk 2077 noch eine filmische Kamera. Sie zeigt die Spielwelt zwar auch aus der First-Person-Ansicht, jedoch ist hier keine Beeinflussung der Kamera durch Spieler*innen möglich. Der Gaze ist somit wie im Film vollständig vorgegeben und wiederholt die von Mulvey kritisierte Bevormundung der Zuschauer*innen. Diese Kamera wird in Cyberpunk 2077 nur selten verwendet. Sie kommt nur in den wichtigsten Momenten, in Prolog und Epilog und – interessanterweise – in allen Sexszenen zum Einsatz. Innerhalb dieser Sexszenen ist somit gegensätzlich zum restlichen Spiel genau vordefiniert, wie die virtuellen Körper betrachtet werden sollen.

Abb. 11: Kerry in einer Sexszene. Eigener Screenshot. Cyberpunk 2077. 2020

Hier ist die Gewichtung der Gazes ungleichmäßig verteilt. Ein Vergleich der Sexszenen zwischen einem männlichen V und Kerry (s. Abb. 11) gegenüber einer weiblichen V76 und Judy (s. Abb. 12) macht dies deutlich. Die Kamera scheint in Kerrys Szene den Blick auf den männlichen Körper regelrecht zu vermeiden, die Schnitte sind schnell und lassen kaum Zeit zur Betrachtung des Gezeigten. Konkrete sexuelle Handlungen sind kaum erkennbar.

Abb. 12: Judy in einer Sexszene. Eigener Screenshot. Cyberpunk 2077. 2020

In Judys Szene sind die Schnitte deutlich weiter voneinander entfernt und es werden mehrere langsame Blickfahrten über Judys nackten Körper geboten. Auch ihr Gesicht wird in langen Close-Ups gezeigt, sodass Spieler*innen ihre Reaktion und ihren Körper lange betrachten können bzw. müssen. Dieser Unterschied wird auch durch die Länge der Szenen deutlich: Kerrys Szene umfasst 75 Sekunden, während Judys Szene mit ganzen 141 Sekunden fast doppelt so lang ist.

Ist der Blick also wie im Film durch die filmische Kamera vorgegeben, wiederholt Cyberpunk 2077 stärker gängige Konventionen, was die Betrachtung männlicher und weiblicher Körper betrifft. Der weibliche Körper wird stärker zum Objekt des Gazes, auch in queeren Kontexten. Da Spieler*innen die Kontrolle über die Kamera – und somit auch den eigenen Blick – verlieren, werden sie zu einer bestimmten Betrachtung der virtuellen Körper gezwungen. Sie werden automatisch in die – gegebenenfalls unangenehme – Rolle des Voyeurs versetzt.

Fazit: Der Gaze als Wechselspiel

Die Frage nach dem Tod des Cyberpunk-Genres kann und soll an dieser Stelle nicht beantwortet werden. Trotzdem kann die vermehrte Auseinandersetzung mit Sexualität und Geschlecht – gerade auch über interaktive Medien – als Chance für das Genre gesehen werden.

In diesen Kontext reiht sich auch Cyberpunk 2077 und setzt der maskulinen Entstehungsgeschichte des Cyberpunks seinen eigenen Entwurf einer Gender-Utopie entgegen. Hierin liegt Potenzial, die imaginierte Zukunft über das ‚Ende der Geschichte‘ hinauswachsen zu lassen. Videospiele eignen sich in besonderem Maße, Gender-Fragen zu explorieren. Denn sie geben Spieler*innen die Möglichkeit, in einem sicheren „liminal space,“77 welcher eine „transgression of social and cultural norms“78 erlaubt, mit Geschlechterperformanz und Sexualität zu experimentieren. Gerade wenn man bedenkt, dass Cyberpunk 2077 in Polen entwickelt wurde, könnte hier der revolutionäre Anspruch des Cyberpunks wiedererweckt werden.

Dieser Aufsatz hat die Frage untersucht, wie Cyberpunk 2077 diese Gender-Utopie auch spielmechanisch über den Gaze umsetzt. Es wurde dabei beleuchtet, wie der Gaze im First-Person-Game entsteht und der filmische Male Gaze dekonstruiert werden kann.

Cyberpunk 2077 lädt dabei nicht nur stark zum Gazen ein, sondern versucht auch, vielfältige Blickangebote zu machen und verschiedene Gendered Gazes zu bedienen. Dabei dient die ambigue queere, in Geschlecht variable Spielfigur V als Rahmen für den Gaze. Trotzdem sind die Blickangebote nicht ausbalanciert. Besonders bei der filmischen Kamera lässt sich eine stärkere ‚to-be-looked-at-ness‘ weiblicher Figuren feststellen.

Besonders die zwei spielergesteuerten Kamera-Typen – die freie und fixierte Kamera – weisen jedoch subversives Potenzial gegenüber dem filmischen Gaze auf. Freie und fixierte Kamera haben gemeinsam, dass Objekte und Grad der Sexualisierung auch von den Spieler*innen abhängt. Anders als beim Film haben Rezipient*innen hier Kontrolle über die Ebenen von Raum und Zeit, während das Spiel lediglich die angebotenen Objekte vorgibt. Der Gaze entsteht somit in einem Wechselspiel zwischen Spiel, welches das Blickangebot liefert, und Spieler*innen, die den Blick manipulieren.

Am Beispiel von Cyberpunk 2077 wurde aufgezeigt, dass First-Person-Games somit ein medial inhärentes Potential zur Dekonstruktion des filmischen Male Gaze beinhalten und Mulveys Forderung nach dessen Zerstörung nahekommen. Ob dieses Potential in einzelnen Games realisiert wird, hängt von den dort präsentierten Blickangeboten und der Rahmung durch die Spielfigur ab.

Unklar bleibt, ob eine Gegen-Objektifizierung männlicher Körper wirklich die Dekonstruktion des Male Gaze bedeuten kann. Denn auch die Umkehrung der Objektifizierung reproduziert denselben entmenschlichenden Mechanismus, wie Mary Ann Doane kritisiert:

[…] the reversal itself remains locked within the same logic. The male striptease, the gigolo – both inevitably signify the mechanism of reversal itself, constituting themselves as aberrations whose acknowledgement simply reinforces the dominant system of aligning sexual difference with a subject/object dichotomy.79

Weiterhin wäre gerade im Kontext des Cyberpunk-Genres eine intersektionale Analyse des Gaze in Cyberpunk 2077 gewinnbringend, die den Faktor ‚race‘ miteinbezieht – besonders da das Spiel die typische orientalisierte Ästhetik, die mittlerweile zu einem Kennzeichen des Genres geworden ist, reproduziert.

Für weitere Untersuchungen interessant ist außerdem die so oft ins Bild ragende Waffe. Was Roger Stahl den „Weaponized Gaze“80 und Carol Clover den „assaultive gaze“81 nennt, wäre an anderer Stelle sicher auf das First-Person-Game übertragbar und eine eigene Analyse wert.

Diese Analyse zeigt außerdem das Nutzungspotential von Mulveys Gaze-Konzept für die Game Studies. Hier können noch weitere Kamera-Arten und Blickkonstruktionen anderer Spiele untersucht werden.

Medienverzeichnis

Quellen

4A Games: Metro Exodus. Malta/Ukraine: Deep Silver 2019.

Bethesda Game Studios: Fallout 4. USA: Bethesda Softworks 2015.

Borsari, George: Cyberpunk 2077's Trans Representation Problems Explained (UPDATED). In: ScreenRant. 2020. https://screenrant.com/cyberpunk-2077-trans-representation-problems-cdpr-controversy/ [24.04.2022].

CD Projekt RED: Cyberpunk 2077. Polen: CD Projekt 2020.

Gibson, William: Neuromancer. 1984.

Guerrilla Games: Horizon Zero Dawn. Niederlande: Sony Interactive Entertainment 2017.

Halley, Dimitry: Cyberpunk 2077 im Test: Ein Rollenspiel, das ihr nicht vergessen werdet. In: GameStar. 07.12.2020, https://www.gamestar.de/artikel/cyberpunk-2077-test,3364844.html#top [24.04.2022].

King, Jade: Cyberpunk 2077's Character Creator Is Still Failing Trans People. In: TheGamer. März 2022. https://www.thegamer.com/cyberpunk-2077-character-creator-trans-queer-lgbt/ [24.04.2022].

Kojima Productions: Death Stranding. Japan: Sony Interactive Entertainment 2019.

Longo, Robert: Johnny Mnemonic. Kanada; USA: Johnny Mnemonic Productions 1995.

Naughty Dog: The Last of Us. USA: Sony Computer Entertainment 2013.

Otomo, Katsuhiro: Akira. Japan: Tokyo Movie Shinsha 1988.

Scott, Ridley: Blade Runner. Hong Kong; USA: The Ladd Company; Shaw Brothers; Blade Runner Partnership 1982.

Wachowski, Lana; Wachowski, Lilly: The Matrix Reloaded. USA: Village Roadshow Pictures; NPV Entertainment; Silver Pictures 2003.

Wachowski, Lana; Wachowski, Lilly: The Matrix Revolutions. USA: Village Roadshow Pictures; NPV Entertainment; Silver Pictures 2003.

Wachowski, Lana; Wachowski, Lilly: The Matrix. Australien; USA: Warner Bros.; Village Roadshow Pictures; Silver Pictures et. al. 1999.

Literatur

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Cadora, Karen: Feminist Cyberpunk. In: Science Fiction Studies, Jg. 22, H. 3 1995. S. 357–372.

Clover, Carol J.: Men, Women, and Chain Saws. Gender in the Modern Horror Film – Updated Edition. Princeton; Oxford: Princeton University Press 2015.

Doane, Mary Ann: Film and the Masquarade. Theorising the female spectator. In: Thornham, Sue (Hg.): Feminist Film Theory. A Reader. New York: New York University Press 2009. S. 131–145.

Flanagan, Mary: Hyperbodies, Hyperknowledge. Women in Games, Women in Cyberpunk, and strategies of Resistance. In: Booth, Austin; Flanagan, Mary (Hg.): reload. rethinking women + cyberculture. Massachusetts Institute of Technology: 2002. S. 425–455.

Fleischmann, Alice: Frauenfiguren des zeitgenössischen Mainstreams. A Matter of What’s In the Frame and What’s Out. Wiesbaden: Springer VS 2016.

Galloway, Alexander R.: Gaming. Essays on Algorithmic Culture. Minneapolis: University of Minnesota Press 2006.

Gomel, Elana: Recycled Dystopias. Cyberpunk and the End of History. 2018. In: Arts. Jg. 7, H. 3 2018. https://www.mdpi.com/2076-0752/7/3/31/htm [08.04.2022].

Gözen, Jiré Emine: Cyberpunk Science Fiction. Literarische Fiktionen und Medientheorie. Bielefeld: transcript Verlag 2012.

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Hollinger, Veronica: Cybernetic Deconstructions. Cyberpunk and Postmodernism. In: Mosaic: An Interdisciplinary Critical Journal. H. 23 1990, 2. S. 29–44.

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Mulvey, Laura: Visual Pleasure and Narrative Cinema. In: Penley, Constance (Hg.): Feminism and Film Theory. New York: Routledge 1988. S. 57–68.

Mulvey, Laura:  Afterthoughts on ‘Visual Pleasure and Narrative Cinema’ inspired by King Vidor’s Duel in the Sun (1946). In: Penley, Constance (Hg.): Feminism and Film Theory. New York: Routledge 1988. S. 69–79.

Murray, Andrew: Here’s Looking at You, Kid. A Critical Evaluation of Laura Mulvey’s ‚Visual Pleasures and Narrative Cinema‘. 2017. https://thatfilmandgameblog.wordpress.com/2017/09/07/heres-looking-at-you-kid-a-critical-evaluation-of-laura-mulveys-visual-pleasures-and-narrative-cinema/ [10.04.2022].

Nixon, Nicola: Cyberpunk: Preparing the Ground for Revolution or Keeping the Boys Satisfied? In: Science Fiction Studies. Jg. 19, H. 2 1992, S. 219–235.

Philips, Amanda: Gamer Trouble. Feminist Confrontations in Digital Culture. New York: New York University Press 2020.

Semley, John: Cyberpunk is dead. At the inglorious end of a once-promising genre. In: The Baffler. November 2019. https://thebaffler.com/salvos/cyberpunk-is-dead-semley [08.04.2022].

Stahl, Roger: Through the Crosshairs. War, Visual Culture, and the Weaponized Gaze. New Brunswick: Rutgers University Press 2018.

Staudt, Kathleen: Bordering the Future? The ‘Male Gaze’ in Blade Runner. In: Borders in Globalization Review. Jg.1, H. 1 2019, S. 22–28.

Abbildungen

Artikelbild: CD Projekt RED: Cyberpunk 2077. E3 Trailer. Polen: CD Projekt 2018.

Abbildungen 1–12: CD Projekt RED: Cyberpunk 2077 (Windows). Polen: CD Projekt 2020. [Eigene Screenshots].

CD PROJEKT®, Cyberpunk 2077® are registered trademarks of CD PROJEKT Capital Group. Cyberpunk 2077 game © CD PROJEKT S.A. Developed by CD PROJEKT S.A. All rights reserved. The Cyberpunk 2077 game is set in the universe created by Mike Pondsmith in his tabletop role-playing game. All other copyrights and trademarks are the property of their respective owners.

  1. Vgl. Gözen: Cyberpunk Science Fiction. 2012, S. 299.[]
  2. Gözen: Cyberpunk Science Fiction. 2012, S. 140.[]
  3. Vgl. Gözen: Cyberpunk Science Fiction. 2012, S. 299.[]
  4. Vgl. Gözen: Cyberpunk Science Fiction. 2012, S. 90.[]
  5. Vgl. Hollinger: Cybernetic Deconstructions. 1990, S. 35.[]
  6. Hollinger: Cybernetic Deconstructions. 1990, S. 30.[]
  7. Vgl. Gözen. Cyberpunk Science Fiction. 2012, S. 143.[]
  8. Vgl. Gözen. Cyberpunk Science Fiction. 2012.[]
  9. Booth; Flanagan: Introduction. 2002, S. 2.[]
  10. Booth; Flanagan: Introduction. 2002, S. 7.[]
  11. Hollinger: Cybernetic Deconstructions. 1990, S. 33.[]
  12. Cadora: Feminist Cyberpunk. 1995, S. 357.[]
  13. Booth; Flanagan: Introduction. 2002, S. 2, S.8.[]
  14. Vgl. Booth; Flanagan: Introduction. 2002, S. 2, 9 und Cadora: Feminist Cyberpunk. 1995, S. 357.[]
  15. Vgl. Cadora: Feminist Cyberpunk. 1995, S. 357, 358.[]
  16. Cadora: Feminist Cyberpunk. 1995, S. 361.[]
  17. Nixon: Cyberpunk. 1992, S. 231.[]
  18. Vgl. Haraway: A Cyborg-Manifesto. []
  19. Cadora: Feminist Cyberpunk. 1995, S. 357.[]
  20. Semley: Cyberpunk is dead. 2019 https://thebaffler.com/salvos/cyberpunk-is-dead-semley [26.04.2022].[]
  21. Diese Kritik ist bei zahlreichen Autor*innen zu finden. Bspw.: Gomel: Recycled Dystopias. 2018. S. 3-5; Semley: Cyberpunk is dead. 2019 https://thebaffler.com/salvos/cyberpunk-is-dead-semley [21.04.2022]; Gözen: Cyberpunk Science Fiction. 2012, S. 124.[]
  22. Gözen: Cyberpunk Science Fiction. 2012, S. 124.[]
  23. Vgl. Gomel: Recycled Dystopias. 2018, S. 3-5.[]
  24. Gomel: Recycled Dystopias. 2018, S. 5.[]
  25. Vgl. Gomel: Recycled Dystopias. 2018, S. 1-3.[]
  26. Vgl. Gomel: Recycled Dystopias. 2018.[]
  27. Vgl. Gomel: Recycled Dystopias. 2018, S. 1-5.[]
  28. Naughty Dog: The Last of Us. 2013.[]
  29. Bethesda Game Studios: Fallout 4. 2015.[]
  30. 4A Games: Metro Exodus. 2019.[]
  31. Guerrilla Games: Horizon Zero Dawn. 2017.[]
  32. Kojima Productions: Death Stranding. 2019.[]
  33. Robert: Johnny Mnemonic. 1995.[]
  34. Wachowski; Wachowski: The Matrix. 1999. / Wachowski; Wachowski: The Matrix Reloaded. 2003. / Wachowski; Wachowski: The Matrix Revolutions. 2003.[]
  35. Da Cyberpunk 2077 auf dem Tabletop-Spiel Cyberpunk von Mike Pondsmith basiert, wurde der Name der Stadt nicht von CD Projekt Red gewählt, sondern war bereits durch eben jenes Spiel vorgegeben. Für die hier geführte Argumentation ist allerdings nicht wichtig, wer Night City als Namen gewählt hat. Zentral ist, dass stetig alte Genre-Konventionen und -Begriffe wieder aufgegriffen werden, das Genre also in bestimmten Aspekten auf der Stelle tritt.[]
  36. Otomo: Akira. 1988.[]
  37. Sicher ist die Umsetzung dieser Gender-Utopie nicht in allen Aspekten gelungen. Dies betrifft insb. die Darstellung von trans Personen in der Spielwelt, den Character Creator sowie die verfügbaren Romanzen für Vs, die verschieden-geschlechtliche Merkmale (Stimme & Körperbau) mischen. Siehe dazu auch Fußnote 33.[]
  38. Siehe dazu bspw. Hollinger: Cybernetic Deconstructions. 1990, S. 33.[]
  39. Dabei fällt Cyberpunk 2077 allerdings nicht in die Falle der ‚Playersexuality’, bei der NPCs keine feststehende Sexualität haben, sondern sich grundsätzlich zur Spielfigur  hingezogen fühlen - unabhängig von deren Geschlecht. In diesem Fall sind NPCs keine Repräsentation für verschiedene Sexualitäten, sondern eben bloß ‚playersexual’. In Cyberpunk 2077 haben die NPCs jedoch explizite, festgelegte sexuelle Orientierungen, die nicht durch das Geschlecht der Spielfigur beeinflusst werden. Sie fungieren so als tatsächliche Repräsentation verschiedener Sexualitäten. So ist bspw. eine Romanze mit Judy nur dann möglich, wenn V den femininen Körperbau und die feminine Stimme hat. []
  40. Wie gelungen diese Umsetzung im Endprodukt war, ist von Fans und in der Gaming-Presse viel diskutiert worden, soll an dieser Stelle aber nicht weiter vertieft werden. Wichtig ist, dass Cyberpunk 2077 als eines der ersten Blockbuster-Games Bemühungen unternimmt, mehr als zwei Geschlechter in Character-Creator sowie Spielwelt zu repräsentieren. (Beispiele für Diskussionen in der Gaming-Presse: Borsari: Cyberpunk 2077's Trans Representation Problems Explained (UPDATED). 2020. https://screenrant.com/cyberpunk-2077-trans-representation-problems-cdpr-controversy/ [24.04.2022]; King: Cyberpunk 2077's Character Creator Is Still Failing Trans People. 2022, https://www.thegamer.com/cyberpunk-2077-character-creator-trans-queer-lgbt/ [24.04.2022].[]
  41. Mulvey: Visual Pleasure and Narrative Cinema. 1988.[]
  42. Vgl. Mulvey: Visual Pleasure and Narrative Cinema. 1988, S. 59-62.[]
  43. Vgl. Mulvey: Visual Pleasure and Narrative Cinema. 1988.[]
  44. Vgl. Mulvey: Visual Pleasure and Narrative Cinema. 1988, S. 57.[]
  45. Vgl. Mulvey: Visual Pleasure and Narrative Cinema. 1988, S. 62-67.[]
  46. Vgl. Mulvey: Visual Pleasure and Narrative Cinema. 1988.[]
  47. Mulvey: Visual Pleasure and Narrative Cinema. 1988, S. 62.[]
  48. Vgl. Mulvey: Visual Pleasure and Narrative Cinema. 1988, S. 63.[]
  49. Mulvey: Visual Pleasure and Narrative Cinema. 1988, S. 62.[]
  50. Vgl. Mulvey: Visual Pleasure and Narrative Cinema. 1988, S. 62-67.[]
  51. Siehe hierzu bspw. Staudt: Bordering the Future? 2019, S. 24, 25.[]
  52. Vgl. Mulvey: Visual Pleasure and Narrative Cinema. 1988, S. 67.[]
  53. Vgl. Mulvey: Visual Pleasure and Narrative Cinema. 1988, S. 58, 59, 67.[]
  54. Mulvey selbst hat 1981 mit ihrem Aufsatz „Afterthoughts on ‚Visual Pleasure and Narrative Cinema’“ auf einige Kritikpunkte reagiert. []
  55. Vgl. Fleischmann: Frauenfiguren des zeitgenössischen Mainstreamfilms. 2016, S. 21, 22.[]
  56. Bspw. bei Doane: Film and the Masquarade. 2009. []
  57. Vgl. Fleischmann: Frauenfiguren des zeitgenössischen Mainstreamfilms. 2016, S. 23.[]
  58. Vgl. Murray: Here’s Looking at You, Kid. 2017.[]
  59. Der Begriff ‚Lust’ ist hier in Anlehnung an Mulveys ‚Pleasure’ gewählt. Gemeint ist damit nicht per se sexuelle Begierde, sondern eine Lust im Sinne von Genuss / Vergnügen / Freude. []
  60. Halley: Cyberpunk 2077 im Test. 2020, https://www.gamestar.de/artikel/cyberpunk-2077-test,3364844.html#top [24.04.2022].[]
  61. Vgl. Mulvey: Visual Pleasure and Narrative Cinema. 1988, S. 68.[]
  62. Da Mulvey grundsätzlich von einem (heterosexuellen) männlichen Zuschauer ausgeht, ist diese Stelle bewusst nicht gegendert.[]
  63. Zum Konzept des ‚idealen Egos‘ im Film vgl. Mulvey: Visual Pleasure and Narrative Cinema. 1988, S. 63.[]
  64. Vgl. Galloway: Gaming. 2006, S. 69.[]
  65. Vgl. Galloway: Gaming. 2006.[]
  66. Philips: Gamer Trouble. 2020, S. 107.[]
  67. Kennedy: Lara Croft. 2002.[]
  68. Kennedy: Lara Croft. 2002.[]
  69. Flanagan: Hyperbodies, Hyperknowledge. 2002, S. 438.[]
  70. Philips: Gamer Trouble. 2020, S. 99 ff.[]
  71. Vgl. Philips: Gamer Trouble. 2020, S. 100.[]
  72. Vgl. Flanagan: Hyperbodies, Hyperknowledge. 2002, S. 428.[]
  73. Dabei gibt es auch im Character Creator kein ‚default’ Geschlecht. Spieler*innen wählen zunächst zwischen einem maskulinen und einem femininen Körperbau -  Hier gibt es keine Voreinstellung. Auch die Genitalien müssen von Spieler*innen bestimmt werden. Hier ist ebenfalls kein Geschlecht voreingestellt: Die Genitalien sind als Default-Wert ausgeschaltet. Bspw. hat ein femininer Körperbau als Standardwert keine Vagina, sondern ‚keine’ Genitalien. Diese sind stattdessen in einer Unterhose versteckt und bleiben ohne Spieler*inneneingabe undefiniert. Allerdings ist als Standardwert die zum Körperbau ‚passende’ Stimme ausgewählt.[]
  74. Nicht berücksichtigt werden an dieser Stelle der Photo Mode, die optionale Third-Person-Kamera beim Steuern eines Fahrzeuges sowie sehr selten eingesetzte Kameratypen (bspw. die Sicht durch Drohnen, Überwachungskameras oder innerhalb von Erinnerungssequenzen). []
  75. Vgl. Mulvey: Visual Pleasure and Narrative Cinema. 1988, S. 62-67.[]
  76. Die Attribute ‚männlich’ und ‚weiblich’ beziehen sich hier auf den von Spieler*innen gewählten Körperbau und die gewählte Stimme. Kerry ist als Romanze nur für Vs mit maskulinem Körperbau und maskuliner Stimme verfügbar, Judy nur für Vs mit femininem Körperbau und femininer Stimme. Die gewählten Genitalien sind dabei irrelevant. []
  77. Kennedy: Lara Croft. 2002.[]
  78. Kennedy: Lara Croft. 2002.[]
  79. Doane: Film and the Masquarade. 2009, S. 134.[]
  80. Stahl: Through the Crosshairs. 2018.[]
  81. Clover: Men, Women, and Chain Saws. 2015, S. 173.[]

Schlagworte:

Spiele: 

So zitieren Sie diesen Artikel:

Liemann, Christina: "Gendered Gazes in Games - Die (De-)Konstruktion von Geschlecht durch die First-Person-Kamera am Beispiel von ‚Cyberpunk 2077‘". In: PAIDIA – Zeitschrift für Computerspielforschung. 28.11.2022, https://paidia.de/gendered-gazes-in-games-die-de-konstruktion-von-geschlecht-durch-die-first-person-kamera-am-beispiel-von-cyberpunk-2077/. [23.11.2024 - 08:09]

Autor*innen:

Christina Liemann

Christina Liemann studierte bis 2021 Germanistik, Kunst und Philosophie für das Lehramt an Gymnasien an der Universität Kassel. Seit 2021 promoviert sie an der Universität Kassel in der germanistischen Sprachwissenschaft. Das Dissertationsprojekt trägt den Arbeitstitel: „Wirklichkeiten durchsetzen. Kommunikationsmuster neurechter Akteure in Sozialen Medien.“ Ihre Forschungsinteressen liegen im Bereich der Politolinguistik und der Gender Studies.